Social Media Verbot und öffentlich-rechtliches Interesse.

Die KommAustria-Entscheidung, dass der ORF keine Social Media-Kanäle auf Facebook betreiben darf, sorgt für viel Aufsehen. Der ORF wird berufen und zeigt sich kampfeslustig. Nach dem Pelinka-Debakel eine strategische Möglichkeit ein neues Thema in die Öffentlichkeit zu tragen.

Die zwei Perspektiven

Der ORF ist nach wie vor die erfolgreichste TV-Anstalt Österreichs. Das trotz der heimischen und vor allem der deutschen Konkurrenz. Das ist gar nicht mal so selbstverständlich, denn in vielen Staaten ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk eher kleiner als die Privaten. Warum das so ist, kann aus zwei Perspektiven gesehen werden: Entweder ist der ORF einfach gut und das Publikum nimmt das Angebot gerne an, hat rechtzeitig reagiert und sich am Markt behauptet. Oder aber man sieht eine klare Bevorteilung, da die Gebührenkonstruktion des öffentlich-rechtlichen TVs Dinge ermöglicht, die privaten Medien nicht möglich sind. Letztere Perspektive hat sich daher auch bei der letzten ORF-Gesetzesnovelle durchgesetzt. Unter anderem wurden die Internetangebote (die Futurezone etwa) stark reduziert bzw. verboten, Kommentarfunktionen wurden abgeschafft, u.a.

Der Verband der Zeitungsherausgeber (VÖZ) jubelt nach der Entscheidung der KommAustria und will nun auch ORF-Auftritte auf Twitter und Co. verbieten. Armin Wolf dürfte somit – wenn es nach den Verlegern geht – nicht mehr twittern.

Humbug

Aus meiner Sicht ist ein Social Media-Auftrittsverbot des ORF Humbug. Nun war ich selber voriges Jahr für kurze Zeit verantwortlich für einen Social Media-Auftritt des ORF, bin also durchaus subjektiv. Im Frühjahr 2011 betreute ich den Internet-Auftritt von Nadine Beiler beim Eurovision Song Contest in Düsseldorf. Das waren YouTube, Twitter und Facebook. Die Facebook-Seite wird nun unter den „verbotenen Seiten“ gelistet. Als Grund wird angegeben, dass „Werbeeinnahmen“ an amerikanische Konzerne gehen würden. VÖZ hat offensichtlich noch nie eine Facebook-Seite, einen YouTube Account oder einen Twitter-Account angelegt, denn dann wüssten sie, dass sowas gratis ist. Und dass man für internationale Auftritte auch international PR machen will, scheint dem VÖZ nicht zu interessieren.

Aber es gibt noch etwas, das aus meiner Sicht für ein Mehr an Internet-Aktivitäten des ORF spricht:

Öffentlich-rechtliches Interesse

Der ORF ist öffentlich-rechtlich. Das heißt, dass beim ORF nicht ausschließlich marktkonforme Fragen gestellt werden müssen, sondern auch Fragen im Sinne des öffentlichen Interesses. Deshalb darf man durchaus und zurecht den ORF kritisieren, wenn man der Meinung ist der öffentlich-rechtliche Auftrag würde nicht erfüllt werden.

Der VÖZ hat sich 2010 auch bei einem anderen Punkt im ORF-Gesetz durchgesetzt. TV-Sendungen des ORF dürfen ausschließlich 7 Tage im Internet abrufbar sein. Danach müssen sie für immer in den Archiven verschwinden.

Warum eigentlich?

Wäre es nicht gerade im öffentlich-rechtlichen Sinne gut, wenn der ORF ein Archiv anbieten würde? Wäre es nicht großartig, wenn Historiker_innen, Politikwissenschaftler_innen oder sonst interessierte Menschen in einem Online-Archiv herumstöbern könnten, Interviews mit Kreisky, Androsch, Schüssel oder Alfred Hrdlicka nachforschen könnten, Klammer-Interviews aus 1976, Kennedy-Besuch in Wien, o.ä.? Die BBC macht es vor.

Dass ein öffentlich-rechtlicher Sender in direktem Kontakt zu Zuseher und Zuseherinnen stehen will, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Daher ist es völlig klar, dass Social Media-Auftritte gut und richtig sind. Es gibt vermutlich nicht wenige Twitter-User, die auf Armin Wolfs Frage „Habe heute Gast XY im ZiB2-Studio – habt ihr Fragevorschläge?“ ihre Frage dann live auf Sendung gestellt sehen konnten (ist mir auch schon ein paar Mal passiert).

Die Verleger sollten sich vielleicht besser Gedanken machen, wie sie ihr eigenes Angebot verbessern können, als sich darauf zu konzentrieren die Möglichkeiten des nunmal erfolgreichen öffentlich-rechtlichen Rundfunks (was immer man persönlich dazu für eine Meinung hat) zu beschneiden oder sie tief ins 20. Jahrhundert zurück zu schicken. Das ORF-Gesetz gehört diesbezüglich repariert.

6 Gedanken zu „Social Media Verbot und öffentlich-rechtliches Interesse.“

  1. Der ORF wollte mehr Werbung und hat dafür die Futurezone, die Online-Kommentare und eben auch Social Media geopfert.

    Nun hat der ORF das nach eigenen Wünschen geformte Gesetz nicht eingehalten, wurde dafür verurteilt und nun sind der VÖZ die Bösen?

    Ich bin (Stichwort Leistungsschutzrecht) kein Freund der Verleger, aber was der ORF hier abzieht ist wirklich unterste Schublade.

  2. Der ORF wollte mehr Werbung und hat dafür die Futurezone, die Online-Kommentare und eben auch Social Media geopfert.

    Nun hat der ORF das nach eigenen Wünschen geformte Gesetz nicht eingehalten, wurde dafür verurteilt und nun sind der VÖZ die Bösen?

    Ich bin (Stichwort Leistungsschutzrecht) kein Freund der Verleger, aber was der ORF hier abzieht ist wirklich unterste Schublade.

  3. Doch doch, der VÖZ hat sehr wohl einen Facebook-Auftritt. Deswegen ist der Vorwurf des VÖZ ja so verlogen:

    „Darüber hinaus haben die ausufernden Social-Media-Anstrengungen
    des ORF negative Auswirkungen auf die gesamtösterreichischen
    Werbeerlöse und die österreichische Online-Branche. Schließlich wird
    mit der Bespielung und der Bewerbung von Facebook und Twitter durch
    den ORF User-Traffic und damit in weiterer Folge potentielle
    Werbeeinnahmen an US-Konzerne umgeleitet“

    http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120203_OTS0100/voez-gruenberger-facebook-und-co-sind-fuer-den-orf-tabu

  4. Doch doch, der VÖZ hat sehr wohl einen Facebook-Auftritt. Deswegen ist der Vorwurf des VÖZ ja so verlogen:

    „Darüber hinaus haben die ausufernden Social-Media-Anstrengungen
    des ORF negative Auswirkungen auf die gesamtösterreichischen
    Werbeerlöse und die österreichische Online-Branche. Schließlich wird
    mit der Bespielung und der Bewerbung von Facebook und Twitter durch
    den ORF User-Traffic und damit in weiterer Folge potentielle
    Werbeeinnahmen an US-Konzerne umgeleitet“

    http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120203_OTS0100/voez-gruenberger-facebook-und-co-sind-fuer-den-orf-tabu

  5. Es gibt den rein formalen Aspekt, in dem ich mit Thomas Zehetbauer übereinstimme. An sich ist die Sache somit gegessen.

    Für mich persönlich viel wichtiger (und ein Grund gegen eine Facebook-/Twitter-Präsenz des ORF):

    Vor allem Facebook und Twitter sind durch ihre Rolle im Internet gefährlich. Sie haben jetzt schon zu viel Macht, sind schon zu groß. Das weckt das gesunde Mißtrauen gegen jedes übermächtige Unternehmen. Es widerspricht aber auch dem grundsätzlich dezentralen technischen und sozialen Ansatz des Internet.

    Meiner Meinung nach daher (inhaltich und unabhängig von der formal bestehenden Regelung): Ja zur Interaktion des ORF mit seinem Publikum via Internet. Nein konkret zu Facebook und Twitter. Wer mit einer bestimmten Redaktion oder einem Moderator Kontakt aufnehmen will, darf nicht gezwungen werden, dies über ein so problematisches Medium zu tun (bzwl. sich extra dafür dort anzumelden). Alternativen wie eine eigene Community auf der Servern des ORF (mit Foren, Chat, was auch immer), die Nutzung existierender vernetzter Systeme wie status.net u.ä. sind jedenfalls vorhanden.

    Facebook und Twitter nicht zu nutzen und stattdessen auf moralisch vertretbare Systeme zu setzen ist eine Entscheidung, die bewußt getroffen werden muß. Aber: Wer, wenn nicht der öffentlich-rechtliche ORF, soll sie treffen? Private Medienunternehmen sind hier aus finanziellen Gründen eher die – wie sagt man hier noch gleich? – „Sexarbeiter_innen“, die ihre Assets (=Zuseher und Leser) den potenten Freiern aus den USA feilbieten. Der ORF darf, nein muß die Anstandsdame spielen und auch in der Wahl der Kommunikationskanäle öffentlich-rechtliches Niveau wahren.

  6. Es gibt den rein formalen Aspekt, in dem ich mit Thomas Zehetbauer übereinstimme. An sich ist die Sache somit gegessen.

    Für mich persönlich viel wichtiger (und ein Grund gegen eine Facebook-/Twitter-Präsenz des ORF):

    Vor allem Facebook und Twitter sind durch ihre Rolle im Internet gefährlich. Sie haben jetzt schon zu viel Macht, sind schon zu groß. Das weckt das gesunde Mißtrauen gegen jedes übermächtige Unternehmen. Es widerspricht aber auch dem grundsätzlich dezentralen technischen und sozialen Ansatz des Internet.

    Meiner Meinung nach daher (inhaltich und unabhängig von der formal bestehenden Regelung): Ja zur Interaktion des ORF mit seinem Publikum via Internet. Nein konkret zu Facebook und Twitter. Wer mit einer bestimmten Redaktion oder einem Moderator Kontakt aufnehmen will, darf nicht gezwungen werden, dies über ein so problematisches Medium zu tun (bzwl. sich extra dafür dort anzumelden). Alternativen wie eine eigene Community auf der Servern des ORF (mit Foren, Chat, was auch immer), die Nutzung existierender vernetzter Systeme wie status.net u.ä. sind jedenfalls vorhanden.

    Facebook und Twitter nicht zu nutzen und stattdessen auf moralisch vertretbare Systeme zu setzen ist eine Entscheidung, die bewußt getroffen werden muß. Aber: Wer, wenn nicht der öffentlich-rechtliche ORF, soll sie treffen? Private Medienunternehmen sind hier aus finanziellen Gründen eher die – wie sagt man hier noch gleich? – „Sexarbeiter_innen“, die ihre Assets (=Zuseher und Leser) den potenten Freiern aus den USA feilbieten. Der ORF darf, nein muß die Anstandsdame spielen und auch in der Wahl der Kommunikationskanäle öffentlich-rechtliches Niveau wahren.

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