Causa Prückel: Diskriminierungsschutz ist keine Kleinigkeit

Gestern fand mit rund 2000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Demonstration #KüssenImPrückel statt, nachdem zwei Lesben aus dem traditionsreichen Wiener Kaffeehaus geworfen wurden, weil sie sich einen Begrüßungskuss gaben.

Was nach dem Ereignis im Café Prückel geschah:

Den Lesben wurde provozierenden Verhalten vorgeworfen und dass die sicher sexuell anzüglich geschmust hätten. Es wurde ihnen also grundsätzlich nicht geglaubt, dass sie wegen eines Begrüßungskusses hinausgeworfen wurden. Viele sprachen den beiden nur allzu gern jegliche Glaubwürdigkeit ab und somit wurde Diskriminierung gleich mal in Abrede gestellt – so als ob es die nicht geben würde. Zudem gesellte sich Sexismus dazu. Die zwei Frauen bekamen zahlreiche Sexangebote von heterosexuellen Männern.
Empörungswellen im Internet sind freilich immer mit Argusaugen zu beobachten, damit nicht eine Person an den Pranger gestellt wird und es zu einem Shitstorm ausartet. Deshalb haben die Organisator_innen der Demo, darunter auch die Betroffenen selbst, sofort kundgetan, dass es nicht um das Café Prückel geht, sondern um Antidiskriminierung und Sichtbarkeit.
Die 2000 Demo-Teilnehmer und -Teilnehmerinnen, die Vielfalt feierten, ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Raum einforderten und deutlich aussagten, dass sie sich sicher nicht mehr verstecken werden, wurden in den sozialen Netzwerken von vielen (auch sonst hochintelligent twitternden Menschen) verhöhnt, bagatellisiert und als lächerlich dargestellt. Es wurden Themen gegeneinander ausgespielt („Warum demonstriert niemand gegen das Hypo-Desaster?“) und somit das Anliegen schlicht ignoriert.
Viele Menschen, die sich über die Demo lustig machten, verhöhnten oder angriffen, waren heterosexuelle Männer ohne Diskriminierungserfahrungen.
Ein Tweet meinerseits, der darauf hinweisen wollte, dass hinter einer „kleinen“ Diskriminierung wie dem Rauswurf einer Paares aus einem Café und der brutalsten Form der Diskriminierung, etwa die Todesstrafe im Iran, die selbe Geisteshaltung steht. Nämlich, dass man Lesben und Schwule aus seinem Bereich – sei es ein Café, sei es aus der Gesellschaft, ausmerzen und eliminieren will. Mehr hat es nicht gebraucht! Ich wurde massiv angegriffen. Dabei habe ich gar nicht die Taten verglichen. Und auch nicht die Wirtin mit den iranischen Mullahs. Sondern nur deutlich machen wollen, wohin Diskriminierung führen kann.

Es fängt mit einem Rauswurf aus Café an und hört mit der Todesstrafe im Iran auf. Die Menschenverachtung ist die selbe. #kuessenimprueckel

— marco schreuder (@marcoschreuder) 16. Januar 2015

Warum Diskriminierungsschutz?

Wer kleine Diskriminierungen in der Gesellschaft tolerieren möchte, darf sich nicht wundern, wenn diese Diskriminierungen dann salonfähig werden und diejenigen, die keine Lesben, Schwule und Transgender sichtbar im öffentlichen Raum haben wollen, die Grenzen immer weiter verschieben werden. Es gilt schon bei den kleinen Diskriminierungen deutlich zu sagen: STOP! Denn sonst stärkt man genau diejenigen, die LGBTs verbannen wollen.

Rechtlich ist weder in Europa noch in Österreich Diskriminierungsschutz ausreichend vorhanden. Es werden sogar unterschiedliche Gruppen unterschiedlich geschützt. Das ist das Absurde daran. Es gibt also Gruppen erster und zweiter Klasse. Genau darauf wollte auch die Demo gestern hinweisen. Denn der Zugang zu Dienstleistungen und Gütern kann Lesben und Schwulen verwehrt werden. Das kann im kleinen bedeuten, dass ein Paar aus einem Café geworfen werden kann, es kann aber auch bedeuten, dass eine Lesbe oder ein Schwuler ein Haus nicht kaufen darf, eine Wohnung nicht mieten darf. Einfach so.

Würde eine Wirtin eine lesbische Kellnerin, die bei ihr arbeitet, diskriminieren, so kann sich diese rechtlich wehren. Wenn Gäste diskriminiert werden, dann darf das aber sein.

Die rechtliche Lage:

Ausgehend vom Amsterdamer Vertrag gilt die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie. Diese schützt alle betroffenen Gruppen – also etwa Diskriminierungen aufgrund der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, des Alters, des Geschlechts, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung – in der Arbeitswelt. Das heißt niemand darf deshalb in seinem Job benachteiligt werden.
Darüber hinaus ist der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen für Menschen, die aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder Hautfarbe diskriminiert werden könnten, gesichert. Diese können sich wehren, wenn sie aus einem Lokal geworfen werden, eine Wohnung nicht mieten oder gar kaufen dürfen. Diesen Diskriminierungsschutz gibt es allerdings NICHT für Menschen, die zum Beispiel aufgrund der sexuellen Orientierung, des Alters oder des Geschlechts diskriminiert werden. Sie müssen das hinnehmen.
Österreich hätte diesen Diskriminierungsschutz gleichstellen können – das so genannte „Levelling Up“. Denn eine Richtlinie ist nur das Mindestmaß. Jeder nationale Gesetzgeber durfte darüber hinausgehen, wovon auch viele EU-Staaten Gebrauch machten. Auch Länder taten dies, etwa Wien, wofür ich damals auch enorm kämpfte. Das tat die Bundesregierung aber weder nachdem sie die Richtlinie umsetzen musste (es war die schwarzblaue Zeit), noch danach. Vor knapp zwei Jahren gab es den neuerlichen Versuch hier gleichzustellen. Es gab sogar eine fertige Gesetzesvorlage, doch die ÖVP machte einen Rückzieher. Wohl auch deshalb, weil die Bischofskonferenz in einer Stellungnahme Diskriminierungsschutz vehement ablehnte.
Auf EU-Ebende wird ebenso seit vielen Jahren verhandelt, endlich gleichzustellen – bislang (noch) ergebnislos.

Darum geht es bei der Diskussion über den Rauswurf aus dem Prückel. Es geht nicht um eine Wirtin, sondern um diese Haltung, die immer noch diskriminieren will. Es geht um Sichtbarkeit. Und nebenbei bemerkt: Es geht auch darum, ob Küssen im öffentlichen Raum okay ist. Ich wüsste nicht, warum man das nicht tun dürfen sollte.

 

9 Gedanken zu „Causa Prückel: Diskriminierungsschutz ist keine Kleinigkeit“

  1. Lieber Marco im Prinzip bin ich voll und ganz auf deiner Seite. Dennoch ist es mir persönlich unangenehm wenn sich zwei Personen im öffentlichen Raum „abschlecken“ aber das egal ob 2 Männer, 2 Frauen oder ein Mann und eine Frau. Lg M

  2. Hallo Michael. Der Ausdruck „abschlecken“ ist aber genau diese Negierung von Diskriminierungen, die ich meine. Die zwei Frauen haben deutlich und immer wieder gesagt, dass es sich um einen Begrüßungskuss handelt. Warum glaubst du ihnen nicht? Oder will man einfach nicht glauben?
    Im übrigen finde ich, dass geknutscht werden darf. Was soll daran abstoßend sein? Ich verstehe es nicht.

  3. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass „knutschen“ in der Öffentlichkeit – zumindest an manchen Orten – nicht in Ordnung ist. Und das gilt für mich und meinen Freund, genauso wie für jedes andere Paar. Ich würde auch gerne auf deine Frage von oben eingehen: „Was soll daran abstoßend sein?“ – Abstoßend ist vielleicht das falsche Wort, weil ekeln oder so, tu ich mich ja nicht davor. Ich finde es einfach unangenehm und unpassend, dass ich als Person in der Öffentlichkeit, das anschauen muss. Und ich weiß – die Antwort darauf ist: aber dann schau hald weg oder geh woanders hin. Genau deswegen habe ich oben auf „an manchen Orten“ hingewiesen. Wenn ich im Park spazieren gehe und ein Paar küsst sich (und damit meine ich nicht Bussi oder ein bisschen schmusen – sondern „knutschen“) dann habe ich viel Spielraum, dem aus dem Weg zu gehen (ich gehe vorbei, sehe weg, etc.). Wenn ich aber bspw. in einem Cafe sitze oder auf der Uni oder im Bus, dann habe ich wesentlich weniger die Möglichkeit dem aus dem Weg zu gehen – ich bin sozusagen dazu gezwungen, mir das anzusehen – und das finde ich nicht gut.

    Und ich möchte wiederholen – das hat mit Händchenhalten, Bussi geben, umarmen, etc. überhaupt nichts zu tun. Ich beziehe mich mit dem was ich oben gesagt habe wirklich auf „explizit rummachen“. Und das alles ist nur eine Antwort auf deine Frage im letzten Post – ich habe im Hinblick auf den Prückel-Vorfall schon verstanden, dass die Frauen sich nur ein Bussi gegeben haben.

    Liebe Grüße,
    Hannah

  4. Grüne Hilfs-Sozialisten haben, wenig überraschend, massive Probleme damit, die Konzept Eigentum und Hausrecht vom Konzept der „Diskriminierung“ sauber zu trennen. Zu „diskriminieren“, bedeutet, in meiner Wohnung, meinem Club, meiner Bar oder meinem Café lediglich, mir meine Gäste ja wohl noch aussuchen zu dürfen, es steht für die elementare „Freiheit der Wahl“, die lt. Montessori überhaupt erst „die Würde des Menschen“ begründet. Wenn mich Lesben nerven, fliegen sie eben raus. End of story, völlig legitim. Ist vielleicht neu für völlig verwahrloste Grüne, aber es gibt kein „Recht“, Gast in einem Café sein zu „dürfen“, auch nicht für die gesetzlich grotesk privilegierten Randgruppen, was gleichzeitig jedwede „Gleichberechtigungs“-Aufladung so unglaublich absurd erscheinen lässt. Kein Hahn würd krähen, wären Heten nach einer ostentativen Zungenkuß-Show mit Porno-Anmutung rausgeflogen. Grow up, Schreuder.

  5. Warum neigen Menschen dazu aus den Darstellungen der Opfer mehr zu machen? Es war ein Begrüßungskuss, nicht mehr. Kein Abschlecken, kein Knutschen. Immer wieder müssen sich Opfer rechtfertigen. Ich gehe davon aus die Beiden sagen die Wahrheit. Es schmerzt nämlich noch zusätzlich, wenn die Wahrheit und alles Gesagte in Frage gestellt wird. Opfern sollte zugehört werden – ohne wenn und aber.

  6. sex gehört nicht in die cafés.. nicht auf die strasse… alles was sex anspielt sollte in den eigenen 4 waenden stattfinden.. es ekelt mich immer an, wenn sich zwei hetero jugendliche in der bim oder der u-bahn sich so frei gestalten, dass man meint ausschnitte von einem pornofilm gezeigt werden. ist mir egal ob hetero oder gay-lesbe… und ich sage das als ein alter hippie… (bin immer noch unorthodox in meinem sozialem verhalten, aber alles hat seine grenzen…)

  7. @Luke Lametta – Danke für das „verwahrlost“. Da sieht man mal mit welchem Niveau hier gepostet wird. Darf ich den Ausdruck 10 mal zurück geben? Grow up, Lametta. (Ohne Lametta wäre netter)

  8. bitte vorangeganes kommentar löschen und an deren stelle : !!! falls !!! die beiden sich „ausgiebig“ lieblich-liebevoll-liebend begrüsst haben sollten und optisch-akustisch-usw sensorisch abstossend verhalten haben sollten bin ich mitunter der meinung : sexy gehört nicht in die cafés.. sex nicht auf die strasse… alles was sex anspielt sollte in den eigenen 4 waenden stattfinden.. ausser beim gay-pride-parade… es ekelt mich immer an, wenn sich auch zwei hetero jugendliche in der bim oder der u-bahn oder auf der mariahilf (hilfeeeee…..) sich so frei gestalten, dass man meint ausschnitte von einem pornofilm gezeigt werden. ist mir egal ob hetero oder gay-lesbe… und ich sage das als ein alter hippie… (bin immer noch unorthodox in meinem sozialem verhalten, aber alles hat seine grenzen…) meinen standpunkt gegen die diskriminierung halte ich aber felsenfest ein… keine sorge…

  9. Hallo Marco,

    nur zur Präzisierung: Das Café Prückl ist, *kein* „öffentlicher Raum“(wie der Ring davor), sondern – davon unterschieden – ein sog. „öffentlich zugänglicher Raum“, der damit anderen Voraussetzungen unterliegt.

    Die allgemeine Frage, ob Knutschen oder andere körperliche Formen der Zuneigung in der Öffentlichkeit stattfinden können sollen, hängt meiner Meinung nach immer von den Umständen ab. Also bspw. von der Möglichkeit für Dritte, sich der ggf. als Belästigung empfundene Gegenwart der Knutschenden zu entziehen und der Zumutung, dies zu tun.

    Ich finde, wir müssen als Einzelpersonen die Balance finden zwischen der eigenen freien Entfaltung und den möglichen persönlichen Grenzen der uns jeweils umgebenden Menschen, eine Balance, die meiner Meinung nach zu oft zulasten der Umgebung verschoben wird.

    Meiner – natürlich eingeschränkten – Erfahrung nach haben Antidiskriminierungsgesetze, wenn – denn, die Wirkung, die Menschen kreativer in ihrer praktischen Verlogenheit zu machen. Wie will ich nachweisen, daß mir eine Wohnung aufgrund meiner vom Vermieter oder Makler vermuteten Homosexualität (wie will der sich dessen sicher sein?) verweigert wird? Und welche Befriedigung ziehe ich daraus, den Vermieter oder Makler auf Schadenersatz zu verklagen, oder gar darauf, die Wohnung anmieten zu können? Das sehen sicher andere anders, aber mir ist das fremd.

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