Fußball, Fankultur, Homophobie und der ÖFB

Die österreichische National-Elf gewann gestern das Spiel gegen die USA (mit etwas Glück) 1:0. Dazu Gratulation! Was ich gestern nicht wahrnehmen konnte, war aber beim WM-Quali-Spiel gegen Deutschland vor einigen Wochen deutlich für mich – und abertausende TV-Zuschauer_innen – zu hören: Die „Schwuler, schwuler DFB“-Gesänge einiger österreichischer Fans, die auch medial in Deutschland (zB. taz) und Österreich (zB. Martin Blumenau von FM4) erwähnt wurden.

Es ist leider nichts Neues. Zurecht machen engagierte Fanklubs immer wieder auf die leisen und die lauten homophoben Tendenzen im Fußball aufmerksam. So durfte ich vor kurzem beim großartigen Projekt „Tatort Stadion“, das in Wien Station machte, bei einer Podiumsdiskussion darüber diskutieren. Es gibt sie nämlich: Die Fußballfans gegen Homophobie.

Aus diesem Anlass vereinbarten die Abgeordnete zum Europaparlament, Ulrike Lunacek, unsere parlamentarische Mitarbeiterin Ewa Dziedzic und ich einen Termin mit dem ÖFB, um das Thema zur Sprache zu bringen. Und zu unserer großen Freude waren gleich vier Männer vom ÖFB und auch von der österreichischen Bundesliga bei diesem Termin anwesend und das Wichtigste: Das Thema war allen Beteiligten klar, und alle waren für Vorschläge enorm offen.

Wir konnten klar machen, dass es nicht allein um die Fangesänge geht und ging, sondern auch darum in welcher Atmosphäre man überhaupt Fußballer oder Fußballerin werden kann. Wie ist das Klima im Nachwuchsbereich? Wird die Vielfalt einer Gesellschaft auch aktiv in den Verbänden unterstützt? Kann man ein Klima aufbauen, dass Ausgrenzungen, die Notwendigkeit ein Doppelleben zu führen nur um eine Fußballkarriere zu starten, und all das, ausschließt? Kann man die laute Minderheit (denn meistens ist es ja nur eine Minderheit, die einfach nur dominiert) durch Zivilcourage auf den Tribünen zurückdrängen?

Wir haben dem ÖFB auch erzählt, dass etwa der englische Verband FA mit ihrem schon seit einigen Jahren laufenden Projekt Football for all auch einen Aktionsplan für LGBTs im Fußball erarbeitet hat. Oder dass der niederländische KNVB mit Louis van Gaal, dem Oranje-Trainer, bei der Gay Pride Amsterdam dabei war.

Im Jänner soll ich bei einem Fan-Treffen dazu einen Vortrag halten und dazu Vorschläge unterbreiten und ein Gedankenaustausch stattfinden. Es besteht Hoffnung für ein Fußball, das einschließt und nicht ausschließt. Auch beim ÖFB. Und das ist gut so.

Nach der Wahl.

Jetzt melden sich alle mit Analysen, Gedanken und Pläne zu Wort. Daher möchte ich auch meine Gedanken in Worte fassen. Und dies bevor die Wahlkarten-Ergebnisse bekannt werden. Die werden unser Grünes Plus noch ein bisschen plussiger machen. Da bin ich mir sicher. Aber schon mal jetzt:

1. Das Abschneiden der Grünen

Ich habe es gestern so ausgedrückt: Ich bin in Applaus-Stimmung. Nicht in Jubel-Stimmung. Und zu jubeln gab es ja auch nicht viel. Und zwar aus diesen Gründen:

Ab 13{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} wollte ich mich freuen, ab 14{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} wollte ich mich sehr freuen, ab 15{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} jubeln. Das wurde nicht ganz erreicht. Auch wenn ich mich über das Plus wirklich freue.
Inwiefern die Grünen auch ländliche Regionen erobern können bleibt eine offene Frage, obwohl viele dachten, wir hätten das spätestens seit der Kärntner und der Salzburger Wahl geschafft. Unsere Wähler_innenschaft bleibt vorwiegend urban, weiblich und gut gebildet.
Dass die Grünen bei Unter-30-Jährigen so gut abschneidet gibt Hoffnung für die Zukunft. Die Demographie spricht für uns.
Dass Eva Glawischnig eine gute Nummer 1 der Grünen ist, hat sie in diesem Wahlkampf bewiesen. Ich finde, sie hat das ganz, ganz hervorragend gemacht. Ebenso Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner und Kampagnen-Chef Martin Radjaby. Ich kann mich an keinen professionelleren und so hervorragend organisierten Wahlkampf erinnern. Ich kann mich nicht erinnern, dass so viele Grüne so gerne, engagiert, motiviert und zeitgleich so wenig verkrampft wahlgekämpft haben. Die Stimmung innerhalb der Grünen war ausgezeichnet. Darauf können wir bauen.
Trotzdem darf und muss man über nicht ganz erreichte Ziele sprechen. Nicht um dann Köpfe rollen zu sehen (dazu sehe ich bei den Grünen überhaupt keinen Anlass!), sondern wie man sich inhaltlich besser positionieren kann und Kompetenzen in den nächsten fünf Jahre stärker erarbeiten kann. Was schon zu meinem nächsten Punkt führt:
Gefühlt habe ich es in diesem Wahlkampf hin und wieder, geäußert habe ich es intern auch: Der Antikorruptions-Wahlkampf war definitiv richtig. Es war der Humus, warum so viele Menschen neugierig waren, wer denn nun eigentlich diese Grünen sind, und was sie zu bieten haben. Und hier hat vielleicht die Draufgabe gefehlt. Das inhaltliche Angebot. Das sagt sich leicht, I know. Aber vielleicht müssen wir daran noch intensiver arbeiten. Damit diese vielen Menschen nicht nur bereit sind, bei den Grünen das Kreuzerl zu machen, sondern damit sie es auch tun.
Und der letzte Punkt betrifft den Spin der „Verbotspartei“. Warum der funktionierte, verstehe und weiß ich nicht. Aber gehört habe ich es oft. Auch bei vielen potenziellen Grün-Wähler_innen. Ob Kindergarten oder Ganztagsschule: Es ging um ein Angebot, das wir allen, die es brauchen, sichern wollten. Daraus wurde dieser Spin, der besorgniserregend aufging. Damit müssen wir umgehen und gegensteuern. Denn immerhin sind es Parteien wie die ÖVP, FPÖ und zur Zeit auch die Neos, die etwa Lesben und Schwulen immer noch das Heiraten verbieten wollen. Dieser Spin  gehört  demnächst noch genauer analysiert. Dazu fiele mir noch viel ein. Eine Herausforderung auf jeden Fall.

2. Die letzte Chance der Ex-Großen Koalition

Es wird wohl wieder rot-schwarz geben. Alles deutet darauf hin. Und im Grunde wäre es wohl das vernünftigste, wenn dies geschieht, weil ein schwarzblaustronach-Experiment kann die Republik sicher nicht brauchen. Andererseits ist das auch nichts Neues. Österreich hat seit den 80-er Jahren eine GroKo (mit  Ausnahme des schwarzblau/orangen Experiments 2000-2006, das wir nur noch als die Korruptionsregierung in Erinnerung behalten werden). Und immer wieder hat uns rot-schwarz nach der Denkzettel-Wahl, die wir ja fast immer hatten, versprochen, es werde alles anders. Um dann genau nichts zu ändern.

Jetzt werden sie aber was tun müssen, wenn sie 2018 (oder davor) nicht untergehen wollen: Reformbereitschaft, Dialogbereitschaft, Bereitschaft auch Oppositionsanträge zu unterstützen, statt sie grundsätzlich immer abzulehnen,  das Ende der Aufteilung der Republik, echte Korruptionsbekämpfung und -verhinderung, etc.

Ich bin mal gespannt. Wenn SPÖ und ÖVP sich aber nur noch vor der FPÖ fürchtet, droht ein Rechtsruck ohnegleichen. Das würde aber nur der FPÖ helfen, sicher nicht SPÖ und ÖVP. Und das wäre das Ende einer ehemals großen Koalition, die eigentlich eh niemand so recht will.

3. Das Dirty Campaigning der ÖVP

Die ÖVP war immer schon berüchtigt für ihren schmutzigen Wahlkampf. Und wer ÖVP-Accounts auf Twitter folgte, konnte sehen, wie Gift und Galle gespuckt wurde. Purer Hass gegen die Anderen war das Motto des ÖVP-Wahlkampfs. Wobei „die Anderen“ waren vor allem Rot und Grün. Gegen die wurde gefibelt, getwittert, plakatiert und gehetzt. Die FPÖ wurde dafür verschont. Warum eigentlich?

Ich bin mir sicher, dass die Leute von solchen Schmutzkübel-Kampagnen und Hetzereien die Schnauze voll haben. Die ÖVP macht seit Jahren – insbesondere aber seit der Wien-Wahl 2010, seit der „Mahü“ und in diesem Nationalratswahlkampf – nur noch Hass-Wahlkampf. Und wurde dafür mehrmals abgestraft. Zurecht. Ob sich was ändert? Ausgerechnet Karlheinz Kopf forderte gestern eine „neue politische Kultur“. Dies möge er bitte in internen Sitzungen fordern und nicht im TV.

4. Die Neos

Ich habe sie unterschätzt, nahezu ganz Rest-Österreich auch. Ich gratuliere den NEOS zum Einzug ins Parlament. Und da ich noch bevor ich ein Grüner bin vor allem ein Demokrat bin, finde ich den Einzug demokratiepolitisch  spannend. Und sicher werden ÖVP und Grüne darüber nachdenken müssen, wieso sie etwas nicht anbieten konnten, das scheinbar die Neos für viele attraktiv machte. Und dabei meine ich jetzt nicht, dass die Grünen Positionen von den Neos übernehmen sollen.

Trotzdem bleibt meine Enttäuschung aufrecht, dass eine so genannte liberale Partei, Lesben und Schwule gegenüber nicht liberal ist, und etwa die Ehe (noch?) nicht öffnen will. Aus meiner Sicht ein krasser Etikettenschwindel.

5. Die Rechte

Was wir in Wahlen seit Ende der 80-er beobachten konnten (außer bei der Knittelfeld-Wahl 2002): Das rechte Lager ist stark und schafft es ihr Potenzial abzuschöpfen. Denn so stark die FPÖ wird, ebenso stark wird das Anti-FPÖ-Lager. Ich bin mir sicher, dass bei einer Wahl, bei der man die Partei wählen soll, die man am wenigsten mag, die FPÖ haushoch gewinnen würden (was auch SPÖ und ÖVP berücksichtigen sollten, bevor sie einen Rechtsruck vom Zaun brechen).

Die Gefahr wird aber vor allem groß, wenn es nur noch eine rechtspopulistische Partei gibt. Wenn BZÖ- und Stronach-Stimmen zur FPÖ wandern. Denn dann könnte sie schon bei der nächsten Wahl mit rund 30{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} am ersten Platz stehen, während 70{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} diese Partei zutiefst ablehnt. Und trotzdem würde sie diese 70{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} in Geiselhaft nehmen. Ein äußerst beunruhigender Gedanke. Genau so beunruhigend, dass für so viele  Österreicher_innen offener Rassismus (trotzdem?) wählbar ist.

More to come I guess…

Ich hätte noch mehr zu schreiben. Zum Beispiel über die Gefahr, dass die „Empörungs-Shitstorm-Kultur“ auf beunruhigende Weise die Politik erreicht hat. Dass nicht mehr Inhalte und Standpunkte debattiert wird, sondern aufgehetzt, persönlich angegriffen und Gift und Galle gespuckt wird. Das tut uns allen nicht gut. Auch dazu hoffentlich bald mehr hier – und in vielen anderen Medien. Da müssen wir nämlich echt gegensteuern!

Unentschlossen? Warum ein X bei den Grünen?

Unentschlossen? Noch schwankend zwischen verschiedenen oder zwei Parteien, oder nicht wählen oder doch wählen, Protest wählen oder konstruktiv wählen? Die Grünen kommen in Frage?

Ja, für euch schreibe ich diesen Blogbeitrag.

1. Bitte geht wählen

Nicht wählen gehen halte ich für die schlechteste aller Optionen. Nicht wählen heißt hinnehmen, nicht mitbestimmen. Dann lasse ich das allseits beliebte Raunzen danach auch nicht zu. Was allerdings eh nicht in meiner Macht liegt. 😉

2. Das geringste Übel

Eines hört man vor einer Wahl oft: Warum muss ich immer das geringste Übel wählen?

An dieser Stelle oute ich mich mal: Nein, ich bin nicht zu 100{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} mit allen Punkten des Grünen Programms einverstanden. Ja, auch ich sehe das eine oder andere auch mal ein bisschen anders. Manchmal kommen in einem Wahlkampf  Menschen zu mir, die mir sagen: „Die Grünen kann ich deshalb nicht wählen“ und nennen ein Thema. Eines! Und reden nur über dieses.

Aber ist es nicht doch klüger eine Wahlentscheidung andersrum zu denken? Was ist mir wichtig, was ist meiner Meinung nach für die Entwicklung Österreichs, Europas und des Planeten am Wichtigsten und wer setzt sich dafür ein? Oder für meine persönliche Entwicklung und die meiner Kinder? Von Bildung über Klimawandel bis Korruptionsbekämpfung, von Menschenrechtspolitik über Wirtschaftspolitik bis Wahrung von Grund- und Bürger_innenrechten?

Wenn man nämlich so denkt – und ich tue das –  kann man auch recht entspannt damit leben, dass man mit dem einen oder anderen Punkt im Wahlprogramm nicht übereinstimmt. Das, worum es geht, ist einfach viel viel wichtiger.

Anders ausgedrückt: Auch wenn ich persönlich ein paar Dinge bei den Grünen anders sehe, kann ich das, was mir  wichtig ist, nur bei den Grünen erarbeiten, entwickeln und zum Thema machen. Und das finde ich gut. Und deshalb bin ich ein Grüner.

3. Fünf Jahre Arbeit versus fünf Wochen Wahlkampf

Wahlkampf – so drückte es mal ein Freund von mir aus – ist „Demokratie-Folklore“. Damit hat er womöglich nicht ganz unrecht. Ich habe zu Wahlkämpfen ein ambivalentes Verhältnis: Einerseits gibt es den Parteien die Möglichkeit Themen, Werte, Haltungen und Forderungen noch einmal stark ins öffentliche Bewusstsein zu stellen, was ich eigentlich gut finde. So wird erinnert wofür wer steht (sofern eine Partei dies überhaupt kommuniziert.) Ich reduziere Wahlkampf übrigens nicht auf Plakate, was oft und gerne getan wird, denn Plakate sind ja nur ein Bruchteil eines Wahlkampfs. Sondern auch Themensetzung, Wahlprogramme, etc. Gleichzeitig ist es in unseren Medien – gerade in den letzten Jahren – zunehmend populär geworden, nicht mehr über Inhalte zu berichten und Forderungen zu vergleichen, sondern die Inszenierung der Politik in den Vordergrund zu rücken. Letzteres halte ich für ein Problem.

Daher meine Empfehlung: Denkt nicht nur an die Performance in einem Wahlkampf und an die Inszenierungen in den Medien (also an die fünf Wochen vor der Wahl) sondern an das, was fünf Jahre lang erarbeitet, gearbeitet und umgesetzt wurde. Wer hat welche Aktionen gesetzt und wer war weshalb dagegen? Wer hat Missstände zu verantworten und wer hat Missstände aufgedeckt? Wer hat sich für Themen, die mir persönlich wichtig sind, am meisten eingesetzt?

4. Warum Grün?

Ja, ich werbe hier um eine Grüne Stimme!

Es gibt bei dieser Wahl die einzigartige Chance, dass die einstigen Großparteien, die sich das Land unter sich aufgeteilt haben – von den politischen Institutionen bis zu Sportvereinen, von Schuldirektor_innen bis staatsnahen Betrieben, von Automobilklubs bis Rettungsorganisationen – unter 50{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} fallen. Das wäre wohl ein historisch notwendiger und richtiger Schritt. Denn das System des Proporzes gehört abgeschafft.

Diesem System tun die Grünen als Gegenentwurf gut . Auch in einer Regierung. In diesem System, das aus Selbstschutz Untersuchungsausschüsse abdreht und nicht zur Aufklärung von Missständen beitragen will, gehört die Kraft gestärkt, die genau diese Missstände aufdeckt. Und das waren und sind nunmal seit Jahren Politiker_innen wie Gabi Moser, Peter Pilz, Werner Kogler und Co.

Und wer Einsatz für zukünftige Generationen, Nachhaltigkeit in Umwelt, Forschung und Wirtschaft, ein Ende der Bildungsblockade, Einsatz für Menschenrechte und Bürger_innenrechte sowie Transparenz und Informationsfreiheit als probates Mittel um Korruption ein für alle mal zu verhindern, richtig findet, der sollte doch dieses Mal bei den Grünen das X machen.

Darum bitte ich Euch. Denkt zumindest mal drüber nach.
Geht aber vor allem Wählen!
 

Wie man mir eine Vorzugsstimme geben kann, habe ich in diesem Blogbeitrag beschrieben.

Erste Grüne Cryptoparty

Gerne lade ich gemeinsam mit den Grünen Leopoldstadt ein:

Täglich berichten Medien über neue Enthüllungen im sogenannten „Datenschutzskandal“ und gleichzeitig wächst das Bewusstsein der Benutzer_innen die eigenen Daten gegen unbefugten Zugriff zu schützen. Im Rahmen einer Cryptoparty werden wir Interessierten verständlich vermitteln, warum und wie man im Internet anonym und sicher kommunizieren kann. Bitte bringt eure eigenen Laptops mit damit ihr das Erlernte gleich ausprobieren könnt. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Um Anmeldung wird gebeten unter

Wann: 18:00, 17. September 2013

Wo: grün2, Novaragasse 7, 1020 Wien (direkt beim Ausgang der U2)

Der beste Satz in diesem Wahlkampf.

„Teil der politischen Unkultur in Österreich ist es, dass Regierungsarbeit im Vorfeld von Wahlkämpfen ausgesetzt wird. Da wird jeder Pimperlschas von Politikberatern und Kommentatoren auf seine Wahlauswirkungen zerlegt und niemand traut sich mehr, sich auch noch einen Millimeter zu bewegen. Bei diesem Zirkus mache ich nicht mit.“

Maria Vassilakou (hier)

Deine Lieblingsstellung? Die Kampagne der Grünen Andersrum

Heute startet die Wahlkampagne der Grünen Andersrum. In dieser Kampagne zur Nationalratswahl 2013 spielen wir mit erotischen Sujets in verschieden- und gleichgeschlechtlichen Kombinationen und in verschiedenen Stellungen, um dann zum Slogan zu kommen: „Unsere  Lieblingsstellung? Die Gleichstellung!“

Das Video:

Was ist deine Lieblingsstellung? from Gregor Schmidinger on Vimeo.
 

Natürlich war und ist uns bewusst, dass erotische Sujets Aufmerksamkeit erregen. Und es wäre gelogen, wenn wir diese nicht haben wollten in einer Zeit, in der wir mit Kampagnen und Informationen bombardiert werden. Aber mit diesen erotischen Sujets wollen wir auch zusätzliche Botschaften transportieren. Denn die Gegner_innen einer Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgendern moralisieren gerne. Und dieses Moralisieren basiert auf einer Vorstellung von Sexualität, die in gut und böse einteilt. SIE sexualisieren die Debatte sehr gerne um von Fragen wie Liebe, Verantwortung oder Familiengründung abzulenken.

Gleichzeitig führen wir seit Jahrzehnten eine Debatte eben über Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, Ehe für alle, Adoptionsrecht oder Recht auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung, usw. Und das ist auch notwendig! Allerdings haben wir dabei vor allem durchaus konservative Werte kommuniziert und diejenigen – und zwar ganz egal ob homo-, bi- oder heterosexuell! – aus den Augen verloren, die freie Sexualität leben, die sich nicht in traditionellen Korsetts des Zusammenlebens drängen wollen. Aber auch für die müssen wir da sein!

Es gibt viele Menschen in diesem Land, die sehen, wie tradierte Rollenbilder und Vorstellungen von der Politik nach wie vor als Idealbild dargestellt und gefördert werden, dies aber mit der Lebensweise moderner Menschen, die Sexualität nicht mehr tabuisieren und moralisieren, nichts mehr zu tun haben. Es sind viele da draußen, die mit dieser Politik nichts mehr anfangen können! Und da geht es überhaupt nicht nur um Lesben und Schwule, sondern um viele. Ob in einer Landdisco oder im Museumsquartier, ob in einem Heustadl oder in einer schwulen Lederbar: Immer mehr Menschen lassen sich ihre Sexualität nicht mehr von Moralaposteln, ÖVP, FPÖ, Pfarrern oder Eltern vorschreiben, sondern wollen selbstbestimmt durchs Leben gehen. Frei. Darum geht es. Und das ist noch immer nicht selbstverständlich, denn warum sonst soll man Lesben und Schwulen etwa die Ehe verwehren?

Die Kampagne ist von den Grünen Andersrum in Kooperation mit vielen kreativen Menschen aus der lesbisch-schwulen Community entstanden. Die Darsteller_innen ebenso wie Regisseur Gregor Schmidinger (Kurzfilm „Homophobia“, 2012) und  Grafiker. So können wir dieses Jahr eine Kampagne nicht nur für, sondern auch aus der Community starten. Ein Danke an alle, die mitgemacht haben!

Grünes Wahlprogramm: Lesben, Schwule, Transgender

Auch Politik (von und) für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender ist Teil des Grünen Wahlprogramms. Das ganze Programm ist hier zu finden.

Bereits im Kapitel „Familienpolitik“ steht:

> Modernisierung des Ehe- und Partnerschaftsrechts
Wir wollen das Eherecht entstauben und modernisieren und die Ehe allen, die sie eingehen wollen, ermöglichen – auch gleichgeschlechtlichen Paaren. Die Eingetragene Partnerschaft wird als Alternative zur Ehe auch für verschiedengeschlechtliche Paare ermöglicht. Generell sind Lebensgemeinschaften rechtlich aufzuwerten, um der Lebensrealität vieler zu entsprechen.

Und danach folgt das Kapitel:

GLEICHE RECHTE FÜR LESBEN, SCHWULE UND TRANSGENDER

Die Zeiten, in denen Homosexualität noch völlig tabu war, sind glücklicherweise vorbei. Aber es gibt immer noch viele Formen der Diskriminierung, der Ungleichstellung und gesellschaftspolitische Herausforderungen – auch in Österreich. Trotz einigen kleinen rechtlichen Verbesserungen in den vergangenen Jahren ist Gleichstellung und ein echter Schutz vor Diskriminierung noch bei weitem nicht erreicht.

Von einer vollständigen rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist Österreich noch weit entfernt. Seit Anfang Jänner 2010 besteht für Lesben und Schwule in Österreich die Möglichkeit, eine Eingetragene PartnerInnenschaft einzugehen. Dieser erste Schritt in Richtung rechtliche Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren wird bedauerlicherweise durch fast 50 unterschiedliche Diskriminierungen begleitet, die dieses Gesetz im Gegensatz zum Eherecht für Heterosexuelle vorsieht. Schon damals demonstrierten tausende Lesben, Schwule, Transgender, Bisexuelle und FreundInnen gegen die unzähligen Unterschiede zum Eherecht. Mittlerweile geben Gerichtsurteile der damals geäußerten Kritik recht: Bindestrichverbot bei Doppelnamen, Ja-Wort-Verbot, TrauzeugInnenverbot, Verbot der Stiefkindadoption – Alles mittlerweile gerichtlich anerkannte Ungleichbehandlungen, die den Menschenrechten oder der Verfassung widersprechen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) betont, dass das Recht ein Kind zu bekommen zu den von Artikel 8 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) geschützten Rechten zählt. Gegenwärtig herrscht in Österreich ein Adoptionsverbot für Eingetragene PartnerInnen. Dieses Verbot ist explizit im Gesetz über die Eingetragene Partnerschaft (EPG) festgeschrieben gewesen. Nachdem der EGMR im Februar dieses Jahres die fehlende Möglichkeit einer Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich im Vergleich zu unverheirateten heterosexuellen Paaren als diskriminierend verurteilt hatte, beschloss der Nationalrat im Juli dieses Jahres eine entsprechende Änderung. Es geht dabei nur um die Adoption von Stiefkindern, ein leibliches Kind von einem der Partner, einer Partnerin muss also bereits vorhanden sein. Die reguläre Adoption bleibt weiterhin heterosexuellen Ehepartnerinnen vorbehalten.

Österreich verweigert die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern als „Familie“ und schafft damit für diese Familien eine Situation der rechtlichen Unsicherheit. Nach österreichischem Recht ist jedoch die Einzeladoption mit Zustimmung der Partnerin bzw. des Partners bei eingetragener Partnerschaft zulässig (§ 181 abs1 aBGB).

Weil die ÖVP Gleichstellung blockiert, müssen Betroffene ihre Rechte vor Gericht einklagen. Die Grünen fordern stattdessen eine rechtliche Sicherheit und Anpassung an gesellschaftliche Realitäten.

Auch der Alltag bringt noch eine Reihe von Diskriminierungen. Ob bei der Pflegefreistellung oder bei Todesfällen: Lesben und Schwule sind meist vom Good will anderer abhängig. auch Transgender Personen, also Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht „Mann“ oder „Frau“ identifizieren oder eine Wechsel* ihres biologischen Geschlechts ins Auge fassen, sind noch immer zahlreichen gesellschaftlichen Hürden ausgesetzt, insbesondere am Arbeitsplatz. Und für den Zugang zu Dienstleistungen und Gütern gibt es für Lesben, Schwule und Transgender weiterhin keinen Diskriminierungsschutz.

Die Gleichstellung ist in vielen anderen Staaten innerhalb und außerhalb der EU ein brisantes Thema – ob bei Demonstrationen in Frankreich, gewalttätigen Übergriffe in Ungarn oder in vielen anderen europäischen Staaten. Der Kampf für Gleichberechtigung, Respekt und echte Gleichstellung steht erst am Anfang.

Österreich erneuern:

SELBSTVERSTÄNDLICH GLEICHBERECHTIGT

Egal ob lesbisch, schwul, bisexuell, hetero oder transgender: alle Menschen sollen gleiche Rechte haben! Völlige rechtliche Gleichstellung schafft entsprechende Sicherheit, ob bei Adoption, künstlicher Befruchtung oder in der Ehe. Wir setzen auf eine Politik, in der alle Menschen die gleichen Chancen bekommen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität.

Wir schaffen ein Klima des lebendigen Miteinanders, in dem Vorurteile durch Aufklärung und Kommunikation abgebaut, der gesellschaftliche Blickwinkel erweitert und Vielfalt gefördert wird. Vielfalt in der Gesellschaft braucht auch vielfältige Konzepte und Zugänge. wir wollen Akzeptanz in allen Bereichen des Lebens und Sichtbarkeit auf allen Ebenen – privat, beruflich, medial.

Es gilt, Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität abzuschaffen. Neben den klassischen Lebensentwürfen wollen wir Respekt und rechtliche Sicherheit sowie selbstbestimmte Lebensgestaltung gewährleisten. Das Adoptions-und Fortpflanzungsverbot für Lesben und Schwule soll aufgehoben werden.

Auch auf europäischer Ebene sind Initiativen gefordert. Die EU gründet auf werten der Gleichheit und des Respekts. Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität wird nicht akzeptiert. Entsprechende Anti-Diskriminierungsmaßnahmen und -gesetze gegen Homophobie sollen die Gleichstellung vorantreiben und Mitgliedsstaaten animieren, entsprechende Anti-Diskriminierungsgesetze zu erlassen und Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten.

Was wir konkret wollen

> Gleichstellung Eingetragener Partnerschaften und Eheöffnung
Die Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgender Personen mit verschiedenen geschlechtlichen Lebensgemeinschaften wird umgesetzt. wir fordern ein modernes Rechtsinstitut wie den Zivilpakt für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare sowie die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule bei gleichzeitiger Eherechtsreform.

> Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität
Das Antidiskriminierungsgesetz kommt auch außerhalb des arbeitsplatzes zur Geltung.

> Aufklärungskampagnen zum Schutz Jugendlicher vor homophober Gewalt
Wir fördern im Bildungsbereich ein Umfeld der Toleranz, das für junge lGBT-Personen sicher ist, unterstützend wirkt sowie frei von Mobbing und Ausgrenzung ist.

> Adoption für gleichgeschlechtliche Paare/gemeinschaftliches Adoptionsrecht
Regenbogenfamilien haben ein Recht auf Anerkennung. Viele Kinder leben bereits mit zwei Müttern oder Vätern. alle Familien müssen dem Staat gleich viel wert sein.

> Erleichterungen für Transgender Personen im Privatleben
Mit einer grundlegenden Reform des Transsexuellenrechts/Erlasses werden bürokratische Hürden für die Vornamensänderung und Geschlechtsanpassung beseitigt.

> Einrichtung einer bundesweiten Antidiskriminierungsstelle
Wien hat auf Landesebene bereits eine Anlaufstelle; in vielen Teilen Österreichs gibt es jedoch bislang keine entsprechende Institution für Antidiskriminierung.

> EU-Initiativen für Gleichstellung
Die Europäische Union tritt entschieden gegen Repressionen gegen gleichgeschlechtlich liebende Menschen ein und forciert Initiativen für Gleichstellung und gegen Diskriminierung.

 

*Anmerkung: Das Wort „Wechsel“ ist uns da irgendwie reingerutscht. Richtiger und besser ist natürlich das Wort „Anpassung“.

Das netzpolitische Wahlprogramm der Grünen

Es ist vollbracht. Das dicke fette Wahlprogramm mit allen Themen ist da und hier downloadbar.

Auch das Kapitel Netzpolitik ist Teil des Programms. Der Einfachheit halber kopiere ich diesen Bereich hier in meinen Blog. Weitere Kapiteln, an denen ich mitgearbeitet und mitgeschrieben habe, folgen in den nächsten Tagen.

Zu Netz-Sperren

Ich möchte nur noch eine Anmerkung vorab loswerden. In der Zeit, als wir das Programm schrieben, gab es noch keinen Cameron-Vorstoß Internet-Sperren gegen Pornographie zu installieren. Auch nicht eine ÖVP, die sich das auch vorstellen kann. So schnell kann’s gehen! Dachten wir, dass Internet-Sperren von allen mittlerweile als unnötig, unwirksam und dumm gesehen werden, und sich diese Frage eh erübrigt hat, überholt einen manchmal die Tagesaktualität.

Daher sei hier klar festgehalten: Die Grünen sind gegen Internet-Sperren!

Das habe ich mittlerweile – etwa in der Kleinen Zeitung (Printausgabe) und auf derstandard.at auch klar zum Ausdruck gebracht.

Aber nun zum Wahlprogramm:

NETZPOLITIK: FREIHEIT & VERANTWORTUNG IN DER INFORMATIONSGESELLSCHAFT

Kaum eine andere Technologie hat unsere Kommunikation und damit auch unser Leben so sehr verändert wie das Internet. Die Zugänglichkeit zu Daten, Informationen, Dienstleistungen, Kaufentscheidungen, politischen Foren und der laufende Austausch mit der Welt hat eine stark politische Dimension. Der Umgang mit dem internet ist auch zum Spielfeld rund um Macht, Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit geworden. Die Grenzlinie zwischen Privat und Öffentlich ist für viele schwieriger; Datenmissbrauch – sei es kommerziell oder staatlich – nimmt ebenso zu. Die Grünen stehen für einen gläsernen Staat und gläserne Parteikassen, aber nicht für einen gläsernen Menschen. Transparenz ist wichtig, der schutz der Privatsphäre aber auch. Daher braucht es Grenzen und klare Rahmenbedingungen und bewusstseinsbildende Maßnahmen.

Trotz neuer Formen von Datenspeicherung und Datenüberwachung müssen die Bürgerinnen die alleinige Verfügungsgewalt über ihre Daten haben. Unter dem Vorwand der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität betreiben Politikerinnen in ganz Europa offensiv den Ausbau von staatlicher Überwachung. Auch die österreichische Bundesregierung ist in Sachen Netzpolitik und Datenschutz völlig unsensibel gegenüber den Risiken. Im Gegenteil: Mit der gesetzlichen Vorratsdatenspeicherung werden alle Österreicherinnen pauschal zu Verdächtigen gemacht. Vorratsdatenspeicherung ist die Speicherung des Kommunikationsverhaltens aller BürgerInnen für mehrere Monate. Das betrifft zwar nicht die Inhalte z. B. der Telefonate und E-Mails, aber die gespeicherten „Verkehrsdaten“ (IP-Adressen, Telefonverbindungen etc.). Allein diese erzählen viel über das Privatleben: Die Datenspeicherung in diesem Umfang ist ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre. Gleichzeitig ist die Maßnahme für die Strafverfolgung und Terrorismusbekämpfung ineffizient. Wer sich technisch auskennt, kann sie leicht umgehen. Die Grünen haben daher federführend bei der Massenklage gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Verfassungsgerichtshof mitgewirkt.

Ein wesentlicher Teil der Informationsfreiheit ist Open Data. Open Data bedeutet, dass alle öffentlichen Datensätze grundsätzlich genutzt, verbreitet und weiterverarbeitet werden können. Personenbezogene Daten unterliegen dem Datenschutz und Informationen zur nationalen Sicherheit dürfen nicht veröffentlicht werden. Es gibt keine exklusiven Verträge oder Nutzungsrechte, sondern jedem und jeder stehen alle Daten zur Verfügung. Das ist das Wesen öffentlicher Leistungen. Das Auskunftsrecht existiert parallel zur Veröffentlichungspflicht.

Netzneutralität garantiert die Gleichbehandlung aller Datenpakete. Man stelle sich vor, eine Autobahn wird gebaut – und der/die BetreiberIn reserviert eine eigene Spur für privilegierte AutofahrerInnen, damit sie bei Stau schneller voran kommen. Völlig inakzeptabel, oder? Unter dem Stichwort „Netzneutralität“ soll gesichert werden, dass alle Datenpakete im Internet unverändert und gleichberechtigt übertragen werden, unabhängig davon, woher diese stammen oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben. Die ökonomisch motivierte Privilegierung bestimmter Internetinhalte dagegen würde die Idee des Internets aushöhlen und den Telekommunikationsunternehmen zumindest mittelbar Einfluss auf Inhalte des Internets ermöglichen. Die neutrale Datenübermittlung ist eine Bedingung für den freien Transport von Daten und Informationen.

Im Internet haben sich traditionelle Vertriebskanäle radikal verkürzt und Vervielfältigungen vereinfacht. Vor allem über Filesharing-Systeme können Daten auf der ganzen Welt im großen Stil getauscht und verbreitet werden. Das ist mittlerweile eine Realität, der sich die verantwortliche Politik nicht stellt. Das geltende Urheberrecht wird den neuen Gegebenheiten nicht gerecht und kriminalisiert große Teile der Bevölkerung (siehe auch Kulturkapitel).

Österreich erneuern:

INFORMATIONSFREIHEIT – NEUTRALES NETZ – BÜRGERiNNENRECHTE

Es geht um Freiheit im Netz. Die Privatsphäre ist zu schützen. Ziel muss es daher sein, dass Datenpakete auch künftig „neutral“ übermittelt werden. Die InternetnutzerInnen können selbst frei entscheiden, welche Inhalte sie senden und empfangen bzw. welche Dienste und Anwendungen sie nutzen. Telekomanbieter sollen nicht in die Kommunikationen ihrer NutzerInnen eingreifen dürfen. Die Beeinflussung von Verfügbarkeit, Priorisierung oder Bandbreite weitergeleiteter Daten darf sich nicht nach Inhalten der Datenpakete oder der Art der Anwendungen richten. Ohne garantierte Netzneutralität würde möglicherweise der Inhalt oder der Absender den Weg eines Datenpakets beeinflussen.

Was wir konkret wollen:

> Netzneutralität gesetzlich verankern
Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene für die dauerhafte Gewährleistung der Netzneutralität durch eine gesetzliche Festschreibung auf europäischer Ebene ein. Das Prinzip der Netzneutralität ist im Telekommunikationsgesetz 2003 festzuschreiben. Mit der Durchsetzung in Österreich wird die Rundfunk und Telekom Regulierungs-Gmbh (RTR-Gmbh) betraut.

> Informationsfreiheit und Open Data
Das Recht auf Auskunftserteilung an jede/n Interessierte/n ist grundrechtlich zu schützen. Ein Informationsfreiheitsgesetz sichert entsprechende Rechte und schafft das Amtsgeheimnis ab. Daten die der Staat generiert bzw. mit Steuergeld finanzierte Studien sind jedermann unter entsprechenden Lizenzen frei zugänglich zu machen.

> Stopp der Vorratsdatenspeicherung
Österreich setzt sich aktiv für die Beseitigung der richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene ein.

> Überwachungsstaat zurückdrängen
Seit den Neunziger Jahren werden laufend neue Überwachungsmaßnahmen eingeführt. Viele dieser Maßnahmen sind schlicht nicht notwendig, anderen fehlt der Rechtsschutz. Das fördert nicht den Schutz der BürgerInnen sondern den Missbrauch. Wir fordern die Evaluierung sämtlicher Überwachungsmaßnahmen. Dort wo Überwachungsmaßnahmen tatsächlich notwendig sind, gehört der Rechtsschutz gestärkt.

> Explizite Zustimmungspflicht zur Datenspeicherung auch im Internet
UserInnen müssen wissen, welche Daten warum und wie lange gespeichert werden. Gespeicherte Daten haben ein Ablaufdatum und dürfen nicht unbegrenzt gespeichert werden. NutzerInnen werden explizit um Erlaubnis gefragt, ob ihre Daten gespeichert werden dürfen (derzeit ist diese information meist irgendwo in den AGBs versteckt). Facebook und andere soziale Netze haben in ihren Grundeinstellungen immer den größtmöglichen schutz der Privatsphäre voreinzustellen, UserInnen sollen selbst entscheiden können, was sie preisgeben und was nicht.

> Pauschalabgabe schützt UrheberInnen und bringt Rechtssicherheit
Anstelle der Rundfunkgebühr wird eine Haushaltsabgabe eingehoben, die teilweise zur Abgeltung der UrheberInnen verwendet wird. Die Nutzungsgewohnheiten vieler Menschen im Internet, die wissentlich oder unwissentlich gegen das Urheberrecht verstoßen, werden in rechtskonformes Handeln umgewandelt, der Tausch urheberrechtlich geschützter Werke für den nicht kommerziellen Gebrauch entkriminalisiert.

> Breitband-Offensive
Bis 2020 werden alle Haushalte in Europa mit mindestens 30 Megabit pro Sekunde ausgestattet. Vor allem der Ausbau von Breitband-Internet in ländlichen Gebieten ist von enormer Bedeutung, um auch dort Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.

> Medienkompetenz stärken
Medienkompetenz und Medienbildung müssen ein integraler Bestandteil des Schulsystems werden und in jedem Unterrichtsfach angemessene Berücksichtigung finden.

> Förderung von Open Source Software
Open Source Software bezeichnet Software, deren Quelltext öffentlich zugänglich ist und je nach Lizenz frei kopiert, modifiziert und verändert werden kann. Die öffentliche Verwaltung soll schrittweise auf Nutzung von Open Source Software und offener Dateiformate umgestellt werden. Mit öffentlichen Geldern entwickelte Software soll unter Open Source Bedingungen veröffentlicht werden. Softwarepatente sind innovationshemmend und deswegen nicht zielführend.

> Open Access
Förderung von freiem Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und Archiven. Schrittweise Öffnung der ORF TV-Thek: Neben den Sendungen, die – rechtlich bedingt nur eine Woche lang – in der TV-Thek des ORF abrufbar sind, sollen schrittweise möglichst viele Sendeformate langfristig verfügbar sein. Das Archiv des ORF bietet schätze, die für die Weiterbildung und auch eine breitere Öffentlichkeit höchst interessant sind.

> Internet für alle
Wir sehen Internet als ein öffentliches Gut. Der Zugang zum Internet muss für alle garantiert werden können und gesetzlich festgeschrieben sein um demokratische Teilhabe zu ermöglichen. Der Zugang zu Informations- und Kommunikationstechniken darf nicht von sozialen Faktoren abhängig sein.

> Recht auf Anonymität
Wie auch in der physischen Welt sollte das Recht auf Anonymität auch im Internet garantiert werden. Es ist notwendig, dass Menschen die Möglichkeit bekommen sich auch anonym im Internet zu bewegen und ihre Meinung kundtun können. wir unterstützen auch die Schaffung von anonymen Zahlungsmethoden im internet.

Netzpolitische Standpunkte der Grünen. Eine Feedbackschleife.

Papiere sind geduldig, heißt es oft. Mittlerweile hat ja auch nahezu jede Partei ein netzpolitisches Programm oder ein Forderungskatalog. Die Grünen freilich auch. Netzpolitik wird auch in unserem Wahlprogramm eine wichtige Rolle spielen. Ein Papier ist aber doch wesentlich mehr als nur geduldig. Denn immerhin werden nach dem 29. September, also nach dem Sonntag an dem der Nationalrat neu gewählt wird, Parteien zusammen treffen um über mögliche Koalitionen zu beraten, ihre Inhalte abgleichen und Kompromisse (oder Konsens) finden müssen. So ist das nun mal in einer Demokratie. Und dann schlägt die große Stunde der Papiere!

Das Wahlprogramm der Grünen ist bereits geschrieben. Aber auch in einem ausführlichen Wahlprogramm hat nicht alles Platz. Und Programme sind keine statischen Sachen, sondern kontinuierlicher Work in Progess. Daher entwickeln wir immer weiter. Deswegen auch dieser Blogbeitrag mit einigen offenen Fragen.

Die Feedbackschleife

Albert Steinhauser, Daniela Musiol und ich haben uns daher entschlossen unsere wesentlichsten Forderungen und unsere offenen Fragen in eine Feedbackschleife zu schicken. Und ihr seid herzlich eingeladen Feedback zu geben.

Albert Steinhauser richtet seinen Fokus vor allem auf Fragen des Datenschutzes und Überwachung (Blog hier, oder auf Twitter)

Daniel Musiol diskutiert alle wesentlichen partizipativ-demokratiepolitischen Fragen rund ums Internet (hier auf Facebook, auf Twitter )

Schon zuvor hat Wolfgang Zinggl eine Enquete zum Urheberrecht initiiert mit vielen spannenden Ergebnissen (Link zum Paper)

Und hier nun meine netzpolitischen Bereiche:

Netzpolitik

Netzpolitik und die digitale Revolution ist zweifelsfrei eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Risiken gilt es ebenso zu berücksichtigen wie Chancen.

Unsere wesentlichsten Forderungen:

Netzneutralität: Die Netzneutralität, also die Verpflichtung für Netzbetreiber, dass Datenpakete unverändert und gleichberechtigt im Internet übertragen werden, gehört in ein Gesetz festgeschrieben. Am wichtigsten ist eine gesamteuropäische Regelung. Gelingt dies nicht, ist auch eine österreichische Lösung anzustreben.
Informationsfreiheit und Open Data: Ein Informationsfreiheitsgesetz wird von den Grünen prinzipiell gefordert und würde das Amtsgeheimnis abschaffen. Open Data ist dabei eines der wichtigsten Tools: Alle Behörden sind verpflichtet alle Datensätze in lesbaren und verwertbaren Formaten online zu stellen. Ausnahmen: Wenn der Datenschutz zu tragen kommen und bei genau fest geschriebenen Ausnahmen wie zB. Sicherheitsfragen.
Open Data im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Auch der ORF muss bei Open Data mit berücksichtigt werden. Die 7-Tages-Beschränkung von Sendungen muss fallen. Im Gegenteil: Stattdessen soll das historisch wertvolle Archiv online gestellt werden.
Breitbandoffensive: Trotz der Budgetkürzungen der Digitalen Agenda auf EU-Ebene muss der Breitband-Ausbau voran schreiten, um auch in infrastrukturell schlecht ausgestatteten Regionen den Zugang zu gewährleisten, unfreiwillige Abwanderung zu unterbinden und Arbeitsplätze regional zu schaffen oder zu erhalten.
Medienkompetenz: Die Medienkompetenz muss im Bildungswesen stärker verankert werden.
Anonymität im Internet: Die Anonymität ist in einer Demokratie wichtig. Ohne Anonymität wären etwa der Arabische Frühling (trotz oder gerade wegen der enormen Repressionen gegen Onlineaktivist_innen bis heute) oder die Protest in der Türkei in dieser Form nicht organisierbar gewesen.

Offene Fragen:

Immer wieder wird von netzpolitischen Akteuren unterstrichen, dass Netzpolitik in der Politik zu wenig deutlich verankert ist, um ihr die Bedeutung zu geben, die sie verdient. Soll daher ein eigenes Staatssekretariat für Digitales geschaffen werden? Oder ein parlamentarischer netzpolitischer Ausschuss?
Soll das Recht auf Anonymität im Internet rechtlich festgeschrieben werden oder soll die Politik allen Bestrebungen (von Behörden zB.) schlicht eine Abfuhr erteilen (denn Anonymität ist derzeit ja möglich)?
Wie soll die Medienkompetenz in den Schulen implementiert werden? Als Teil des Faches „Politische Bildung“ oder als eigenes Fach? Oder ganz anders?

Jetzt freue ich mich auf eure Kommentare hier, auf Twitter, Facebook oder per Mail.

Die Lehre aus PRISM kann nur sein: Mehr Europa!

Europa steht unter Schock. Der langjährige Partner der Europäischen Union, die Vereinigten Staaten von Amerika, haben offenbar auch EU-Gebäude in den USA und in Brüssel verwanzt. Dass Geheimdienste sowas machen kommt nicht wirklich überraschend, das Ausmaß der Überwachung ist allerdings nicht mehr erträglich und muss Konsequenzen haben. Das muss laut und deutlich gesagt werden. Immerhin verstoßen US-Behörden damit gegen Europäischen Datenschutz. Und gegen ein Vertrauensverhältnis, das nachhaltig zerrüttet wurde.

Die EU ist aber derzeit leider fast schon ein „Jausengegner“. Mit sich selbst beschäftigt, streitend über den Umgang mit der Wirtschaftskrise, die die USA zwar seinerzeit verursacht haben, aber auch wesentlich besser bewältigt haben. Streit über Sparen und Konjunkturbelebung, Streit über den Umgang mit strauchelnden Mitgliedsländern, eine Währung, die unter Druck geraten ist, selten klare Reaktionen und Statements, weil auf innenpolitische Dynamiken in den jeweiligen Mitgliedsländern Rücksicht genommen werden muss, usw.

Und im globalen Wettbewerb stehen sich auch Demokratien wie die USA und die Europäischen Staaten so genannten „gelenkten Demokratien“ wie Russland oder Staatskapitalismus samt Einheitspartei-Regime wie in China gegenüber. Und letztere sind ohnehin der Meinung, dass Demokratien à la Europa zum Scheitern verurteilt sind, und wollen das vielen Schwellenländern auch ziemlich deutlich zum Ausdruck bringen und diese Idee exportieren.

In diesem Zusammenhang muss man – wie so oft, und wie so oft leider ohne dementsprechende politische Taten – deutlich sagen: Die Antwort kann nur mehr Europa sein! Die Antwort kann nur ein selbstbewusstes Europa sein, dass sowohl zu paranoiden Überwachungsmethoden deutlich Nein sagt, aber auch zu den Autokratien, die die neuesten Skandale jetzt für ihre Zwecke verwenden, deutlich Nein sagt.

Die Europäische Union kann – ja muss – ein globales Beispiel dafür sein, dass Freiheit, Demokratie und Menschenrechte (inklusive die Beachtung der Privatsphäre und des Datenschutzes) möglich ist.
Großbritannien, ein so wichtiges Land der EU und maßgeblich daran beteiligt, dass Europa vom Nationalsozialismus befreit wurde und die EU überhaupt gegründet wurde, muss endlich enscheiden, ob sie Teil eines solchen Projekts sein will oder nicht. Ständig zu jammern, eher nur Halbmitglied sein, geht auf Dauer nicht. Und Abhören in diesem großen Stil schon gar nicht. Immerhin verletzt Großbritannien damit EU-eigene Gesetze.
Menschenrechte, Demokratie und Freiheit verteidigen bedeutet auch, Whistleblowern Asyl gewähren zu können. Damit kann Europa auch verhindern, dass Menschen wie Edward Snowden in halbdiktatorischen Staaten Unterschlupf finden müssen, die das weniger aus Menschenliebe machen, sondern lieber aus Propaganda-Gründen.
Die Politiker_innen in den Mitgliedsstaaten müssen endlich aufhören auf Kosten der Europäischen Idee innenpolitisches Kleingeld zu machen, sondern ehrlich und offen globale Zusammenhänge deutlich machen und warum es ein starkes Europa in einer globalisierten Welt braucht.
Und die EU selbst braucht eindeutig eine bessere PR. Denn wenn mehr über Olivenöl-Fläschchen in Restaurants debattiert wird, und zu Themen der Grundrechte von Bürgerinnen und Bürger – etwa dem Datenschutz und der Privatsphäre – keine Einigung zustande kommt und man den PRISM- und Tempora-Abhörskandalen keine deutliche Abfuhr erteilt, dann wird das Vertrauen der Unionsbürger_innen auch nicht gewonnen werden.

Wenn Europa zur Kleinstaaterei zurückkehren will, gäbe es viele Gewinner_innen auf der Welt. Europa würde nicht dazu gehören.