Huch, ich wurde von FPÖ-TV geoutet.

Gestern wurde ich geoutet. Jaja, ich weiß eh, ich habe das selber vor etlichen Jahren schon gemacht. Immerhin seit den 90-er Jahren Redakteur für lesbisch-schwule Magazine gewesen, 2002 Sprecher der Grünen Andersrum Wien geworden, 2005 als mit einem Mann verheirateter Mann Kandidat der Grünen gewesen, usw.

Aber immerhin: Es war die FPÖ, die mich outete. Die stellte nämlich ein Video auf ihrem YouTube-Channel online und enthüllte, dass ich auf der diesjährigen Regenbogenparade tanzte. Was ich übrigens seit der ersten Parade 1996 mache. Aber seht selbst:

Auf Twitter und Facebook erfuhr ich gestern erst spät darüber. Eine Lachrunde ging durchs Netz. Ich lachte kräftig mit, kommentierte das Video, das übrigens auch ein Like von mir bekam (hätte etwa ein Freund genau dieses Video gedreht, hätte ich es sofort anstandslos auf meinem Channel hochgeladen), eine Facebook-Seite machte ein Comic darüber, usw.

Aber nach dem Lachen soll doch auch einmal Zeit sein, dieses Geschehen zu reflektieren. Und auch mal ein bissl ernst zu werden (auch wenn ich mich immer noch abpecken kann):

1. Die Pride-Strategie

Regenbogen- oder CSD-Paraden werden auch als Gay Pride, Lesbian Pride, Gay-Lesbian Pride oder einfach nur Pride bezeichnet. Stolz also. Damit haben besonders die Hasser und Hasserinnen von Lesben und Schwulen mittlerweile ein sehr großes Problem. Denn zum Einen ist mittlerweile eine überragende Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass Homo-, Bi- und Transsexualität ein völlig selbstverständlicher Aspekt der menschlichen Gesellschaft darstellt, weil sich in den letzten Jahrzehnten so viele in ihrem persönlichen Umfeld – in ihren Familien, am Arbeitsplatz, in der Schule oder auf der Uni, im Freundeskreis – stolz geoutet haben. Fast jeder und jede kennt einen Schwulen, eine Lesbe, eine Trans-Person oder eine_n Bisexuelle_n. Wir sind da und sichtbar. Das Outen war und ist einer der Schlüssel zum Erfolg dieser (ja doch recht jungen) Emanzipationsbewegung.

Und dieser „Stolz“ führt zu einem sehr interessanten Ergebnis. Wenn jemand Lesben und Schwule ausgrenzt, gegen sie hetzt oder verächtlich spricht, dann reagiert die Community selten aus einer Opfer-Haltung heraus, sondern kontert deutlich und sagt laut und – eben – stolz: Nicht wir sind die Opfer, sondern du bist Opfer deiner eigenen Vorurteile und deines Menschenhasses.

Diese Haltung ist nicht unumstritten, denn selbstverständlich gibt es noch immer zahlreiche tatsächliche Opfer: Bullying und Mobbing in der Zeit des Coming-Outs oder am Arbeitsplatz, höhere Suizidgefahr bei lesbisch-schwulen Jugendlichen, Verlust von Arbeitsplätzen oder kaum Karrierechancen in vielen Betrieben, Ungleichheit im Recht, usw.

Aber trotzdem war die „Strategie Pride“ erfolgreich. Und manchmal wundert es mich, dass andere diskriminierte Gruppen diese Strategie nicht übernommen haben, sondern sich immer noch gerne hauptsächlich als Opfer inszenieren (was sie aber auch leider oft sind! Ich weiß eh, dass das nicht so einfach ist!).

Der Nachteil der „Pride-Strategie“ ist natürlich auch, dass viele Menschen sich mittlerweile denken: Na, wenn es denen so gut geht, was machen die dann eigentlich immer noch für einen Wirbel? Dann muss man eben wieder auf die tatsächlichen Probleme aufmerksam machen.

2. Die Opfer-Umkehr

Ich habe oben schon die Opfer-Umkehr angesprochen. Warum ist die so wichtig?

2003 war ein Schlüsseljahr für das politische Thema Homosexualität. Damals gab es in Hamburg eine Koalition aus CDU (mit dem Bürgermeister Ole von Beust) und der rechtspopulistischen Partei Rechtsstaatliche Offensive von Ronald Schill. Es kam zu einem Streit und Schill outete den Bürgermeister öffentlich als schwul. Der zeigte sich nach der Affäre erleichtert, dass es raus war, gewann an Popularität während Schills politisches Ende eingeläutet wurde.

Dies war das erste Mal (zumindest in den deutschsprachigen Medien), dass nicht der Geoutete ein Problem bekam und seine Karriere beendet wurde, sondern die vom Outer. Ein Turning Point!

Wenn man sich nun die Kommentare auf dem YouTube-Channel zu obigem Video ansieht, geschieht eigentlich genau dies auch jetzt: Die FPÖ-TV-Macher_innen werden von den User_innen angegriffen bzw. ausgelacht. Nicht ich. (Danke dafür, übrigens.) Denn nicht ein schwuler Politiker wird hier Opfer einer extrem rechten Partei, sondern die FPÖ wird Opfer ihrer eigenen Vorurteile. Weil’s ja auch wahr ist.

3. Öffentliche Sichtbarkeit

Auch warum Sichtbarkeit so wichtig ist, habe ich oben bereits beschrieben. Dadurch wurden Lesben und Schwule überhaupt erst sichtbar und Thema. Und erst dadurch musste eine Gesellschaft politisch, rechtlich, sozial und kulturell darüber debattieren, wie sehr sie eine sexuelle Minderheit überhaupt akzeptiert, respektiert und rechtlich gleichstellt.

Als schwuler Politiker ist das gar nicht immer so einfach. Als ich 2005 als noch unbekannter Neo-Grüner für den Wiener Gemeinderat kandidierte, war es öffentlich das einzige Profil, das medial kommuniziert wurde. Ich fühlte mich in der Rolle als stolzer Schwuler einerseits, aber auch als politisch denkender Grüner andererseits, ziemlich darauf reduziert. Oder wie ich es damals in einem „Falter“-Interview ausdrückte: „Schwulsein ist nicht abendfüllend.“

Manchmal beneidete ich Politiker wie etwa den Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Denn der war zuerst Politiker, und outete sich erst danach. Bei mir war es quasi umgekehrt und musste in mühevoller Arbeit in der Politik erst „beweisen“, dass ich nicht nur schwul bin, sondern auch Politiker, der Kultur-, Netzpolitik oder wasauchimmer für politische Felder genau so betreut und sich engagiert.

Trotzdem blieb ich bis heute dabei, dass ich das Thema der Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgendern als Thema behielt und mich auch immer noch vehement dafür einsetze. Einfach weil ich das als Verpflichtung sehe. Einfach weil ich nunmal aus der LGBT-Community komme, sie sonst keine Sprachrohre im Parlament sitzen hat (Gerald Grosz mag etwa geoutet sein, aber setzt sich innerparlamentarisch leider kaum für LGBT-Rechte ein) und weil es verdammt noch einmal nötig ist, solange es tatsächliche Opfer von Diskriminierung, Gewalt und Hass gibt (national und international) und solange es zahlreiche Ungleichbehandlungen im Recht gibt.

Mir wäre es eh lieber, mein Schwulsein wäre völlig wurscht. Dass dies aber noch lange nicht so ist, beweist auch das FPÖ-TV-Video. Also bleibe ich politisch dran. Nicht nur weil ich will. Sondern weil ich muss.

Gastbeitrag: Don't ask, don't tell – Wie ist das eigentlich im österreichischen Bundesheer?

In den USA wurde vor kurzem die Don’t ask, don’t tell-Regel im Militär abgeschafft. Auch US-Soldaten und -Soldatinnen dürfen nunmehr an ihrem Arbeitsplatz offen ihre sexuelle Orientierung kundtun. In Europa blickt man mitunter skeptisch Richtung USA, Kanada oder Australien. Möglicherweise ist in Europa das Militär ein einfach zu konservativ-national besetztes Thema, als das man sich damit in Menschenrechtsgruppen auseinander setzen will.

Ich wollte es trotzdem wissen und bat Niki Kunrath, Grünes Mitglied der parlamentarischen Bundesheer-Kommission, zu einem Gastbeitrag. Don’t ask, don’t tell auch im österreichischen Bundesheer? Scheinbar schon, wenn auch nicht bewusst. Lesen Sie selbst:

„Du schwule Schwuchtel“

Diese Woche wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika die sogenannte Schweigeregel für Soldaten – Don’t ask, don’t tell – von der US-Regierung offiziell aufgehoben. Bislang mussten Lesben und Schwule in der US-Army entweder ihre sexuelle Orientierung verheimlichen oder sie verloren ihren Job. Die Don’t ask, don’t tell-Regel ist übrigens erst Anfang der 1990-er Jahre unter Präsidenten Bill Clinton – einem Demokraten – eingeführt worden. Doch seit dieser Woche dürfen Homosexuelle auch „offiziell“ in der US-Army dienen und sich dazu bekennen. Im US-amerikanischen Parlament wurde diese Forderung im Dezember 2010 beschlossen, und nun kam von Obama das endgültige Go! gegen eine solche diskriminierende Regel. Bedauerlich finde ich lediglich an dieser Entscheidung, dass homosexuelle Paare keineswegs noch die gleichen Rechte wie heterosexuelle Paare haben – so können gleichgeschlechtliche Paare nicht gemeinsam auf der Basis leben, und gibt es auch andere Differenzen und Benachteiligungen.

Typisch amerikanisch übrigens die Aussendung der Homosexuellen-Initiativen in den US: Dem Militär fehlen jetzt keine talentierten SoldatInnen mehr! Es gibt halt doch immer wieder verschiedene Standpunkte und Sichtweisen. Ich würde es für besser halten, wenn es gar keine „talentierten SoldatInnen“ braucht.

Übrigens Standpunkte:

Ich bin nun seit zehn Jahren in der Parlamentarischen Bundesheer-Kommission Mitglied für die Grünen. Und in all den Jahren gab es noch nie (!) einen Beschwerdegrund von einem Soldaten, bzw. von einer Soldatin,der sich auf seine/ihre sexuelle Orientierung und etwaige daraus resultierende Diskriminierungen bezogen hat.

Wohl wurden Menschen mit „Schwule Schwuchtel“, oder Ähnlichem diskriminiert und beschimpft, doch war dies dann leider eine Stereotype von eher „einfachen“ vorgesetzten Ausbildnern gegenüber Grundwehrdienern, die in deren Augen zum Beispiel zu wenig Leistung – in was auch immer – gebracht hatten.

Im Gegensatz zu den Gay Cops Austria, also der Vereinigung der schwulen und lesbischen PolizistInnen in der Bundespolizeibehörde, gibt es analog keinerlei solche Bewegung im Kader des Österreichischen Bundesheers. Wenn auch nicht in Österreich, so ist zumindest in Deutschland die Situation eine Andere: der ehemalige Wehrbeauftragte des deutschen Bundestags, also jener Mann ,der zuständig ist, analog der österreichischen parlamentarischen Beschwerdestelle für Diskriminierung, Übergriffe und andere Fehlleistungen innerhalb des Militärs, Reinhold Robbe hat heuer seinen langjährigen Freund geheiratet.

Vielleicht kommt das „Outing“ der Einen/des Einen auch bald im österreichischen Bundesheer und schauen wir dann, wie wir damit umgehen. Früher glaube ich mich zu erinnern, war das ein Grund vom Wehrdienst befreit zu werden, das hat sich zumindest gesetzlich deutlich verändert, aber deswegen nur verdrängt?

Niki Kunrath, Mitglied der Parlamentarischen Bundesheer-Kommission für die Grünen, Referent für Migrations-und Menschenrechtspolitik, sowie Sicherheit im Grünen Klub im Rathaus

Morrissey begleitet mein Leben.

No, it’s not like any other love
This one is different – because it’s us

And if the people stare
Then the people stare
Oh, I really don’t know and I really don’t care

(The Smiths, Hand in Glove, 1983)
Gestern hatte ich die Freude Morrissey im Wiener Konzerthaus zu erleben. Es gibt ja nun einige Popkünstler und -künstlerinnen, die einen 42-jährigen Mann wie mich bereits das ganze Leben lang begleiten. Madonna war immer irgendwie da und nie weg. U2 natürlich, die ich bereits 1987 live erleben konnte. Aber keiner prägte mein Leben so, wie Morrissey und The Smiths es taten.

Meine Teenager-Zeit in den glamourösen 80-er Jahren fiel zusammen mit dem Höhepunkt schwuler Popkunst. Smalltown Boy von Bronski Beat war bahnbrechend für meine Generation. Dann gab es da noch Frankie Goes To Hollywood, Erasure, Soft Cell, usw. Wir hatten damals zwar noch kein Internet, das Coming-outs seit den späten 90-er Jahren ziemlich anders ablaufen lässt.

Aber wir hatten Pop!

Die Musik, die in den Hitparaden war, aus dem Radio trällerte und desses Musikvideos man im Fernsehen sehen konnte (MTV war langsam überall empfangbar – noch in der guten alten englischsprachigen Version) war unser Soundtrack. Der Soundtrack der heutigen 40+ Generation.

Trotzdem war einem jungen Mann wie mich, der für Oscar Wilde und Thomas Mann schwärmte (und erst später begriff warum es ausgerechnet diese Autoren waren), Morrissey und seine Band The Smiths, die mir am meisten bedeuteten. Waren Erasure, Bronski Beat & Co. hitparadentaugliche Nummern, boten The Smiths eine intellektuelle Variante schwulen Pops. Nur, dass diese Band sich zum Unterschied der anderen Acts gar nicht als schwul deklarieren ließ.

The Queen Is Dead war die erste Platte, die ich von The Smiths 1985 kaufte. Und seit Erscheinen dieses Albums war ich Smiths-Fan. Bis heute. Gleichzeitig kaufte ich damals die beiden früheren Platten der Band nach und wusste nicht, dass nur noch ein Studioalbum 1987 folgen sollte. Die Texte trafen mein damaliges Lebensgefühl im Herzen. Es waren die oft depressiven, manchmal ironischen bis zynischen Texte, die Lieder über unerfüllte Liebe, Einsamkeit und Sehnsucht. Das passte nunmal zu einem 16-jährigen, der sich begann für Literatur, seine Sexualität und seine (gefühlte und teilweise eingebildete) Einsamkeit im Landleben zu interessieren und der alles um sich herum, die Politik, die Religion, das Leben und die Gesellschaft, in Frage stellte. Hand In Glove, This Charming Man, Handsome Devil, The Boy With The Thorn In His Side, usw. wurden mein Sondtrack und begleiteten mich überall.

Trotzdem wurde ich bald ein selbstbewusster schwuler Mann. Wurde quasi mehr Jimmy Somerville als Morrissey, der sich nie deklarieren ließ, der nie sagte, er sei schwul, sondern der – ganz im Gegenteil – solche Schubladisierungen in sexuelle Orientierungen immer verachtete. Morrissey war mehr Thomas Mann als schwuler Emanzipierter. Und vielleicht ist es gerade das, was ihn bis heute auch ausmacht. Er war und ist insofern modern, indem er homoerotische Texte schrieb, aber gleichzeitig Klischees, Schubladendenken und so etwas wie eine „schwule Szene“ (in diesem Fall popkulturell gemeint) ablehnte.

Gestern trat also der Mann, der den Soundtrack meines Lebens schrieb, in Wien auf. In der Stadt, in der ich 1988 zog um ein neues, offen schwules Leben zu führen. In dem selben Jahr, in dem Morrissey seine Solo-Karriere ohne Johnny Marr und den Smiths startete. Morrissey begleitete danach also einen erwachsen werdenden Mann und nicht mehr einen pubertierenden Möchtegern-Depressiven am Land. Ich blieb ihm aber treu.

Wenn also ein 42-jähriger Mann im Jahr 2011 ein Morrissey Konzert besucht, dann ist es natürlich eine Reminiszenz an die Jugend, an früher. Aber gleichzeitig auch ein Fest meiner Generation. Und dass dann viele Menschen zu sehen waren, die noch gar nicht geboren waren als ich Smiths-Singles und LP’s kaufte, zeigt, dass seine Musik und seine Lyrics nach wie vor funktionieren. Dass seine Texte nie an Aktualität, an Kraft und an Ironie verloren haben.

Trotzdem hat sich etwas geändert. Als Erwachsener, der sein Leben selbstbewusst lebt, schwärmt man weniger für einen Popkünstler. Er ist zwar immer noch Held, doch mittlerweile stelle ich auch Morrissey mitunter in Frage. Obwohl ich ihn verehre. Bis heute. Erwachsenenpop halt.