Social Media und Politik – eine Mutprobe (von Feri Thierry)

Gastbeitrag von Feri Thierry, Politikberater in Wien (www.thierry.at)

In der Politikberatung sind Social Media hoch im Kurs. Zumindest verbal. In der Praxis allerdings sieht die Welt des politischen Web 2.0 dann manchmal doch noch etwas anders aus.

Massiv an Bedeutung gewinnen Social Media zweifellos in der Politischen Kommunikation: Ministerien und Parteien z.B. entwickeln eigene Präsenzen auf Facebook und Twitter, um ihre Dialoggruppen über Positionen und Aktivitäten zu informieren und für Reformanliegen zu gewinnen. Für viele Kommunikationsverantwortliche in politischen bzw. öffentlichen Stellen noch immer ein großer Schritt: Denn Web 2.0 braucht Mut. Kein Kommunikationskanal ist so schwer zu steuern, so unberechenbar wie die sozialen Medien. Daher ist das Interesse von politischer Seite oft viel größer als dann die tatsächliche Umsetzungsbereitschaft.

Die größte Hürde aber bildet – noch mehr als in der klassischen Kommunikation – die Glaubwürdigkeit. Diese muss nicht nur inhaltlich gegeben sein, sondern noch vielmehr methodisch. Eine Ministerin oder ein Landeshauptmann mit einem Twitter-Profil, das ausschließlich vom Pressesprecher bedient wird, kann leicht entlarvt werden. Barack Obama hat den Weg der Transparenz gewählt: Statements von seinem persönlichen Twitter-Account werden ganz offiziell von seinen Presseleuten verfasst – außer sie sind mit dem Zusatz „bo“ versehen, dann stammen sie vom Präsidenten himself. Das ist glaubwürdig – und sexy.

Die größte Resonanz haben Social Media-Angebote öffentlicher Stellen, wenn sie dialogisch und nutzenorientiert angelegt sind. Nicht umsonst hat das Bundeskriminalamt mit seinem Facebook-Account eine der erfolgreichsten Web 2.0-Anwendungen einer öffentlichen Institution in Österreich. User/innen können dort sachdienliche Hinweise zu möglicherweise kriminellen Handlungen deponieren. Aktenzeichen XY im Mitmach-Internet.

Aber auch in einer anderen Disziplin der Politikberatung wird das Instrument der Social Media wichtiger: dem Lobbying. NGOs arbeiten seit Jahrzehnten mit Graswurzel-Bewegungen, mit denen Betroffene für ein Anliegen mobilisiert werden. Das Web 2.0 ist dafür ein perfekter Kanal: Seine Stärken sind Dialog, Partizipation und Multiplikation. Das Beispiel der USA zeigt, dass auch immer mehr Unternehmen Grassroots-Lobbying als Instrument identifizieren und einsetzen.

Fazit: Social Media werden in der Politikberatung wichtiger. Entscheidend ist, dass sie richtig und glaubwürdig eingesetzt werden.

Twitter als politisches Kommunikationsmedium verwirrt.

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert kommuniziert seit einiger Zeit mittels Twitter mit der Öffentlichkeit. Man mag ja von der schwarz-gelben Regierung halten, was man will. Aber immerhin zeigt sich in diesem Punkt die deutsche Bundesregierung auf der Höhe der Zeit. Denn welches andere Medium ist schneller und direkter?Viele Journalist_innen klassischer Herkunft haben das Kommunikationsmedium längst verstanden, und so finden sich mittlerweile auch zahlreiche österreichische Journalist_innen auf Twitter. Aber manchen Traditionellen der Zunft ist das Medium ungeheuer. Die wollen etwa nicht „Abonnent“ werden (und übersehen, dass Twitter ein offenes Medium ist).Jedenfalls ist dieses Video köstlich. Journalisten und Journalistinnen diskutieren mit dem stellvertretenden Regierungssprecher über Twitter. Und lassen dabei die Maske fallen: Sie gehen nicht mit der Zeit und verstehen es nicht…Das Unbehagen der Hauptstadtjournalisten mit dem twitternden Regierungssprecher – Das Video from Carta on Vimeo.

Die Politik und der Alkohol.

Politik und Alkohol. Eine verhängnisvolle Liaison, wie der Tod des Kärtner Landeshauptmanns vor Augen führt. Ehrlich gesagt, habe ich mich über dieses Thema oft den Kopf zerbrochen und wenn ich das Thema mit KollegInnen besprach, wird eigentlich gar nicht so gerne darüber geredet. Ich frage mich zum Beispiel: Könnte ein/eine Nicht- oder Wenig-TrinkerIn je BürgermeisterIn von Wien werden?
Ich bin beispielsweise ein durchaus geselliger Mensch. Ich bin gerne mal unter Leute, diskutiere stundenlang, feiere auch mal spät Nachts (oder Frühmorgens) oder treffe mich mit FreundInnen. Zudem bin ich ein leidenschaftlicher Wahlkämpfer und habe auch außerhalb der Wahlen viele Einladungen zu Abendveranstaltungen, Vernissagen, Premierenfeiern, usw.
Ich trinke aber nicht viel. Ich vertrage nicht viel Alkohol. Ich bin nicht gerne betrunken. Ich habe den Vorteil in Wien nicht Auto fahren zu müssen, könnte also durchaus mal über die Strenge schlagen. Ich mag es aber schlichtweg nicht. Am schlimmsten sind ja die nächsten Tage. Man muss ja wieder aufstehen, Termine vormittags wahrnehmen, fit und vorbereitet sein… und da tut ein Brummschädel nicht gut. Ich trinke ganz gerne hie und da ein Bierchen oder ein Gin-Tonic. Aber nach zwei Gläser ist für mich meist schon wieder Schluss mit lustig.
Und da kommt aber der gesellschaftliche Zwang zum Tragen. Man steht mitten in einer Menge, diese Menschen wiederum wissen, dass man Politik macht, und laden einen ein. Man will ja nicht fad wirken oder abweisend wirken (Ja! Man will gewählt werden – zugegeben – so ist das!) und man geht das Risiko schon mal ein, lässt sich überreden und trinkt dann das Zeug runter und denkt sich insgeheim: „Ich will das jetzt gar nicht.“ Und wenn ich dann mal ablehne und höflich sage: „Auf ein Mineralwasser gerne!“ wird man angeschaut, also ob man von einem anderen Planeten stammt.
Ich kenne das aber noch aus meiner Studentenzeit, als ich durch Barkeeping mein Studium finanzierte. Auch dann laden die Gäste dich dauernd ein. Man muss mittrinken. Hätten diese Gäste das Geld, was sie für meinen Drink bezahlten, halbiert und mir als Trinkgeld gegeben, wäre es für sie günstiger gewesen und für mich auch angenehmer. Als Student konnte ich 20 Schilling besser brauchen als vier Vodka. Aber so funktioniert das nunmal nicht. Auch auf ein Cola oder ein Mineralwasser wollte mich niemand einladen. Die Gäste brauchten wohl mich als Mittrinker um ihr eigenes Trinken irgendwie zu entschuldigen oder zu rechtfertigen.
Ein Politiker, der bei all den Gelegenheiten nicht mittrinkt, gilt als suspekt. Es wäre wirklich an der Zeit, dass sich das ändert. Dafür muss sich aber die ganze Kultur des Landes ändern. Schwierig…
Ich habe heute beschlossen mich nicht mehr überreden zu lassen. Ob mir das dann wirklich gelingt?