Für eine gute Sexualpädogik an den Schulen.

Im aktuellen Standard ist ein interessantes Interview mit dem Sexualpädagogen Wolfgang Kostenwein zu lesen (HIER). Tatsächlich dürfte sich der Zugang zu Sexualität in den letzten Jahren sehr verändert haben. Wenn ich an meine eigene Pubertät und die ersten Ansätze eines Coming-outs erinnere (Bravo sei Dank), denke ich oft, dass Informationen und Vernetzungen im Internet mir damals sehr geholfen hätten. Darum beneide ich die Jugend heute ein bisschen.
Gleichzeitig ist das Internet sicher auch eine Gefahr. War zu „meiner Zeit“ (Meine Güte, klinge ich alt!) Sex noch etwas, worüber man nur vereinzelt und mit ausgewählten Menschen reden konnte, erhöht sich heute sicher der Druck von der anderen Seite: Leichter Zugang zu Pornographie und dessen weite Verbreitung kann sicher auch dazu führen, dass der Druck eine „gute Leistung“ vollbringen zu müssen und genau so toll zu sein, wie die in den Filmchen, höher ist.
Leider fehlt mir im Interview ein Beitrag zu Aufklärung in Sachen Homosexualität und Safer Sex. Denn gerade in den Schulen kann hier sicher wertvolles geleistet werden. Dazu habe ich ja in dieser Legislaturperiode ein grün-rotes Projekt in Wien initiiert, das leider von der SPÖ Wien und dem Stadtschulrat bislang erfolgreich verschleppt wird. Diesbezüglich muss ich den Herren und Damen der Wiener Regierung wohl noch etwas in den Allerwertesten treten. Vielleicht und hoffentlich wird das einfacher, wenn die jetzt zuständige Stadträtin Grete Laska abgedankt hat und wir wissen, wer ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin wird. Vielleicht ändert sich ja auch im Stadtschulrat noch personelles. Die Wiener Schulen hätten es sich verdient…

Doppelmoral in Kärnten: Das schwierige schwule Leben in der Provinz.

Im Fernsehen läuft gerade das Begräbnis von Jörg Haider. Staatstragende Menschen, Haiders Familie, PolitikerInnen aller Art, Ex-MinisterInnen,…
 
Seit gestern wissen wir mehr oder weniger offiziell, wie Haider die letzten Stunden vor seinem tragischen Tod verbracht hat. Gerüchte gab es ja immer schon und bereits einige Tage nach seinem Tod erzählten mir Freunde, dass er im Stadtkrämer war – das Schwulenlokal Klagenfurts, wo auch die Grünen Andersrum Kärnten gerne Veranstaltungen durchführen…

Im Fernsehen spricht soeben Ex-Minister Böhmdorfer und erzählt von Haiders Familie – seinem „Fundament“… 
Wirklich überraschend kommen die Statements zum Privatleben Haiders wohl nicht wirklich. Schon jahrelang gab es Outingversuche, Gerüchte, Fotos von Komasauf-Parties mit Landeshauptmann samt Jungs, usw. Es war die FPÖ, die auf der Vorurteilsklaviatur zu spielen begann und im vergangenen Wahlkampf lieber von „warmen Brüdern“ als vom BZÖ sprach. Auch ich wurde immer wieder angesprochen, wie das denn nun sei mit Haiders Homo- oder Bsexualität. Ich antwortete immer in etwa: Ich kenne ihn nicht persönlich. Ich habe auch davon gehört. Seine Partei hat immer gegen die Gleichstellung von Lesben und Schwule gestimmt. Angehörige seiner Partei haben oft extrem homophobe Sprüche gesagt. Nein, Jörg Haider selber nicht. Ich bin gegen Zwangsoutings.

Die Sonne fiel vom Himmel (Immer noch!). In Kärnten sind die Uhren stehen geblieben, heißt es beim Begräbnis vom neuen Landeshauptmann. 
Is Haiders sexuelle Orientierung privat? Ja! Ist Schwulsein oder Bisein überhaupt etwas Privates? Ja! Geht es der Öffentlichkeit etwas an? Nein, aber es gibt ein öffentliches Interesse – und genau hier liegt das Problem. Solang nämlich Coming-out Prozesse bei Jugendlichen mit großen Schwierigkeiten verbunden sind – sogar mit erhöhter Suizid-Gefahr -, Lesben und Schwule diskriminiert werden – egal ob staatlich im Recht, in der Arbeit, in der Familie -, müssen wir über Homosexualität reden, denn nur dann wird es sowas von normal, dass es niemandem mehr interessiert. Das ist der Hauptgrund, warum ich als offen schwuler Politiker agiere. Man ist erstens nicht mehr angreifbar, schafft zweitens Sichtbarkeit, kann drittens politisch agieren und bessere Rahmenbedingungen für Lesben und Schwule schaffen – und setzt schließlich das Signal: Sehr her, man kann ganz selbstbewusst schwul sein. Jörg Haider machte das nicht und das gibt dem Begräbnis, der aktuellen Berichterstattung und dem Gossip eine merkwürdige Note. Einerseits wird Haider glorifiziert, angebetet und betrauert. Und wenn über die letzten Stunden geredet wird, appelliert man mit den Worten Pietät und Respekt. Und was oder wer Haider war wird Gegenstand von Spekulation und Gerüchten, über die „man nicht reden darf“.

…Jörg, du hast vielen Menschen Freundschaft geschenkt…. 

Was bleibt? Eine Familie, die hoffentlich das wohl schwierige Zusammenleben auf die Reihe bekam. Ein junger Mann im Stadtkrämer, der mit Haider – laut Zeitungen – Vodka trank. Er hat es wohl am wenigsten verdient da hineingezogen werden und sein Foto in den Zeitungen wiederzufinden. Denn egal ob dieser junge Mann, Jörg Haider selbst oder andere schwule Männer und lesbische Frauen, die in ähnlichen Familien – oftmals nationalsozialistische Familien – aufwuchsen: Sie hatten es nicht leicht. Und oft mussten sich gerade solche Töchter und Söhne aus ländlich-konservativen oder nationalistischen Familien sich besonders behaupten, noch braver und kräftiger sein als die anderen, um nicht ganz ausgeschlossen zu werden. Das ist es, warum Haiders Tod bei mir Traurigkeit hinterlässt. Er tut – oder tat – mir im Grunde leid. Wie einfacher wäre es doch für alle gewesen, wäre offen damit umgegangen worden.

 

Die Politik und der Alkohol.

Politik und Alkohol. Eine verhängnisvolle Liaison, wie der Tod des Kärtner Landeshauptmanns vor Augen führt. Ehrlich gesagt, habe ich mich über dieses Thema oft den Kopf zerbrochen und wenn ich das Thema mit KollegInnen besprach, wird eigentlich gar nicht so gerne darüber geredet. Ich frage mich zum Beispiel: Könnte ein/eine Nicht- oder Wenig-TrinkerIn je BürgermeisterIn von Wien werden?
Ich bin beispielsweise ein durchaus geselliger Mensch. Ich bin gerne mal unter Leute, diskutiere stundenlang, feiere auch mal spät Nachts (oder Frühmorgens) oder treffe mich mit FreundInnen. Zudem bin ich ein leidenschaftlicher Wahlkämpfer und habe auch außerhalb der Wahlen viele Einladungen zu Abendveranstaltungen, Vernissagen, Premierenfeiern, usw.
Ich trinke aber nicht viel. Ich vertrage nicht viel Alkohol. Ich bin nicht gerne betrunken. Ich habe den Vorteil in Wien nicht Auto fahren zu müssen, könnte also durchaus mal über die Strenge schlagen. Ich mag es aber schlichtweg nicht. Am schlimmsten sind ja die nächsten Tage. Man muss ja wieder aufstehen, Termine vormittags wahrnehmen, fit und vorbereitet sein… und da tut ein Brummschädel nicht gut. Ich trinke ganz gerne hie und da ein Bierchen oder ein Gin-Tonic. Aber nach zwei Gläser ist für mich meist schon wieder Schluss mit lustig.
Und da kommt aber der gesellschaftliche Zwang zum Tragen. Man steht mitten in einer Menge, diese Menschen wiederum wissen, dass man Politik macht, und laden einen ein. Man will ja nicht fad wirken oder abweisend wirken (Ja! Man will gewählt werden – zugegeben – so ist das!) und man geht das Risiko schon mal ein, lässt sich überreden und trinkt dann das Zeug runter und denkt sich insgeheim: „Ich will das jetzt gar nicht.“ Und wenn ich dann mal ablehne und höflich sage: „Auf ein Mineralwasser gerne!“ wird man angeschaut, also ob man von einem anderen Planeten stammt.
Ich kenne das aber noch aus meiner Studentenzeit, als ich durch Barkeeping mein Studium finanzierte. Auch dann laden die Gäste dich dauernd ein. Man muss mittrinken. Hätten diese Gäste das Geld, was sie für meinen Drink bezahlten, halbiert und mir als Trinkgeld gegeben, wäre es für sie günstiger gewesen und für mich auch angenehmer. Als Student konnte ich 20 Schilling besser brauchen als vier Vodka. Aber so funktioniert das nunmal nicht. Auch auf ein Cola oder ein Mineralwasser wollte mich niemand einladen. Die Gäste brauchten wohl mich als Mittrinker um ihr eigenes Trinken irgendwie zu entschuldigen oder zu rechtfertigen.
Ein Politiker, der bei all den Gelegenheiten nicht mittrinkt, gilt als suspekt. Es wäre wirklich an der Zeit, dass sich das ändert. Dafür muss sich aber die ganze Kultur des Landes ändern. Schwierig…
Ich habe heute beschlossen mich nicht mehr überreden zu lassen. Ob mir das dann wirklich gelingt?

Das Ende der Weltmacht USA?

In New York muss der National Debt Clock, eine Uhr, die die Schulden der USA anzeigt, umgebaut werden. Der Schuldenstand ist nämlich nicht mehr darstellbar.
Noch vor einigen Wochen wollte ich einen Blogeintrag zur US-Präsidentenwahl schreiben. Ich glaube zwar nach wie vor, dass die Entscheidung der AmerikanerInnen, ob sie Obama oder McCain zum Präsidenten wählen werden, entscheidend für die Welt sein wird, aber nicht mehr in dem Ausmaß als noch vor wenigen Wochen. Die Finanzkrise hat das geändert.
Warum?
Die Hypothekenblase – der Auslöser für das globale Desaster – ging von den USA aus. Jetzt sind unzählige US-BürgerInnen verschuldet und sitzen auf Hypotheken, die sie nicht zurückbezahlen können, da ihre Häuser dramatisch an Wert eingebüßt haben. Der Staat springt auch in den USA ein und wird dort wohl wirklich Geld ausgeben müssen, um das System aufrecht zu halten.
Gleichzeitig ist die USA immer (noch) militärische Großmacht und – wie viele sagen – „Weltpolizist“. Die Kriege in Afghanistan und vor allem im Irak haben dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin Milliarden an Dollar gekostet. Nun müssen aber viele US-BürgerInnen sparen – und der Staat wohl auch. Gleichzeitig droht die Rezession. Ich glaube kaum, dass die USA sich in absehbarer Zeit noch weitere Kriege leisten wird können und wohl auch genötigt sein wird, ihr jetziges Engagement so bald als möglich zu beenden.
Dass AnlegerInnen in Zukunft in den Dollar investieren werden ist ebenfalls kaum anzunehmen. Der internationale Finanzplatz USA könnte bald der Vergangenheit angehören. Andere Volkswirtschaften dürften da interessanter werden – auch Europa. Der USA droht ein großer Abfluss an ausländischem Kapital.
Hoffnung?
So schwer es für die USA und für die Welt ist (denn immerhin brauchen die großen Wirtschaftsmächte die USA als Handelspartner und eine schwache USA ist auch schlecht für viele Marktwirtschaften in der Welt), so sehe ich in dieser Situation auch eine Chance.
Die USA wird auch bei strikten Sparkursen eine Interesse an Welt- und Außenpolitik haben. Wenn sie aber Alleingänge nicht mehr bezahlen kann, wird es notwendig sein wieder auf internationale Institutionen zurückzugreifen. Und da meine ich nicht unbedingt die NATO, sondern vor allem die UNO. Die UNO könnte daher wieder die ihr zugewiesene weltpolitische Rolle spielen.
Und dann müsste noch Obama gewinnen. Mit einem Präsidenten Barack Obama wird eine spannende Debatte über die Zukunft von Marktwirtschaften, Regelwerke für Finanzsysteme und internationale Spielregeln leichter zu bewältigen sein. Denn die Zukunft unseres Planeten ist nicht nur die Klimafrage. Es werden viele Menschen eine neue Marktwirtschaft wollen. Der Kommunismus hat sich 1989 selbst erledigt. Der Neoliberalismus 2008 auch.
Die USA könnte wieder eine weltweite Rolle spielen, allerdings nicht mehr als Führungsmacht, sondern als global player. Schauen wir mal, ob das gelingt. Und ob wir auf etwas zusteuern, das soziale oder humane Marktwirtschaft genannt werden könnte. Spannende Zeiten jedenfalls!

Ist die Finanzkrise typisch männlich?

Seit vielen Tagen sehen wir immer wieder die gleichen Bilder auf unseren Fernsehschirmen. Panische Banker, Broker mit gehobenen Händen, heftig diskutierende Finanzexperten. Überall Männer, die viel Geld verspielt haben und nun neues Spielgeld und neue Spielregel brauchen. Jetzt haben sie das bekommen und schon gibt es wieder „Kursfeuerwerk“, wie das dann heißt. Von Frauen ist weit und breit nichts zu sehen.
Ist die Finanzkrise also typisch männlich?
Vieles deutet darauf hin. Der „Spieltrieb“ des Mannes ist sprichwörtlich und es stimmt wohl, dass Männer gerne spielen. Dieser Spieltrieb hat ja oft auch etwas gutes hervorgebracht – sei es in Forschung, Entwicklung oder in der Kunst. Stellt Euch etwa mal einen Leonardo da Vinci ohne Spieltrieb vor… Aber ist das Bankenwesen, sind die privaten Pensionsfonds, ist die Börse nur noch Spielplatz? Ein Art Monopoly ohne Spielregel? Vieles deutet darauf hin.
In einer Erwachsenenwelt der Männer würde man vermuten, dass die Mitspieler weise genug sind, sich selbst zu kontrollieren. In diesem Fall ist das aber offensichtlich kläglich gescheitert. Schneller als die Anderen, reicher als die Anderen und gewiefter als die Anderen zu sein war irgendwie wichtiger – auch wenn das Geld, das man da verzockt gar nicht das eigene war. Hauptsache Sieg. Als erstes durchs Ziel. Die meisten Punkte oder Dollar.
Wahrscheinlich braucht es in der Finanzwelt nicht nur neue Spielregel. Es braucht vor allem Frauen! Dann kann man/frau auch wieder spielen, denn Spiel an sich ist nichts schlechtes.

Sehr persönliche Notizen zum Tod Jörg Haiders.

Die Person und das Phänomen Jörg Haider war ein Hauptgrund, warum ich ein politischer Mensch wurde. Wenn wohl auch nicht so, wie er es hätte haben wollen. Ich entwickelte nämlich Widerstand – vor allem gegenüber einer Politik, die er verkörperte. Da es in den Medien genug Erinnerungen und Rückblicke gibt, veröffentliche ich hier lieber sehr, sehr persönliche Gedanken zum plötzlichen Tod Haiders. Das tue ich, weil er nun einmal prägend für mein Leben war und ich – heute an seinem Todestag – nicht darüber schweigen kann und will. Denn mein politisches Bewusstsein wäre ohne Jörg Haider nicht so, wie es ist.
Das Salzkammergut.
Was Jörg Haider und ich gemeinsam haben ist die Region, in der wir aufwuchsen. Er südlich von Bad Ischl – in Bad Goisern; ich ab meiner Volksschulzeit westlich davon – zuerst in St. Wolfgang, dann in Bad Ischl. Der Unterschied: Er wuchs in einer nationalsozialistisch geprägten Familie auf, ich in einer zugewanderten Familie, die zwar nicht ganz als „Gastarbeitsfamilie“ galt, denn NiederländerInnen waren irgendwie keine „bösen Ausländer“, aber ich begriff sehr bald, was es heißt zuhause eine andere Sprache zu sprechen als in der Schule – und was es heißt zur Muttersprache den Kontakt zu verlieren ohne die neue Sprache (anfangs) perfekt zu beherrschen.
Das Salzkammergut war immer schon geprägt von Gegensätzen. Ein Teil des Salzkammerguts ist katholisch. der südliche Teil im oberösterreichischen Teil ist aber seit der Gegenreformation fast ausschließlich evangelisch. Einerseits gab und gibt es noch immer zahlreiche Verherrlicher der NS-Zeit, andererseits war gerade im Inneren Salzkammergut auch eine starke Widerstandsgruppe aktiv (noch heute werden viele Orte traditionell rot regiert). Einerseits war das Salzkammergut – dank kaiserlicher Traditionen und Tourismus – geprägt von Weltoffenheit und langer kultureller Tradition, andererseits gab es aber auch ländliche Strukturen und Abschottungstendenzen. Das Salzkammergut war und ist eine Region der Gegensätze. Was alle im Salzkammergut eint – und wohl auch Haider und mich einte: Die Liebe zur wunderbaren Natur, den Seen, die Berge, des kulturellen Reichtums. Vielleicht ist letzteres ohnehin die klassische Heimatliebe. Who knows?
Die Mittachtziger.
Die 80-er Jahre waren prägend in meinem Leben und machten mich zu einem politischen Menschen. Ich konnte mich zwar noch an Kreisky erinnern, aber das war bevor ich wirklich politisch wurde. Das passierte erst so richtig ab 1984, und da spielt Jörg Haider sehr bald eine Rolle. Jetzt muss ich aber etwas ausholen…
Denn es waren drei Ereignisse, die mich vor allem prägten:
1. Hainburg: Als noch sehr junger Bub, der aber schon eigenständiges Denken entwickeln konnte, war ich von dem Widerstand, der in Hainburg – weit weg im Osten Österreichs –  passierte, sehr beeindruckt. Widerstandsgeist gefiel mir. Sich nicht alles gefallen lassen, sondern auch mal aufmucken, wenn einem das Gewissen oder der Gerechtigkeitssinn sagt, dass man sich wehren muss… Das imponierte.
2. Tschernobyl: 1986. Meine Eltern waren gerade bei ihren Eltern in den Niederlanden. Meine Schwester und ich wurden – und das fanden wir toll! – zum ersten Mal als alt genug angesehen, allein auf uns selbst aufzupassen, denn mitfahren ging nicht, denn wir mussten ja in die Schule. Da passierte das Unglück in der damaligen Sowjetunion.
Ich erinnere mich noch an die erste Meldung in den Morgennachrichten, als von einer radioaktiven Wolke die Rede war. Irgendwo auf den Weg nach Skandinavien. Kurz darauf wurden wir eingeschult: Schuhe draußen stehen lassen, nicht in Sandkasten spielen, uvm. Das war ein traumatisches Erlebnis. Man konnte die Gefahr nicht sehen, nicht riechen, nicht anfassen. Sie war aber da.
Ich wollte kurz danach auch zu den Anti-Wackersdorf Demos, fand aber keine Mitfahrgelegenheit, was ich sehr bedauerte. Ich weiß auch bis heute nicht, ob mir meine Eltern das überhaupt erlaubt hätten.
3. Waldheim – Haider – Gedenkjahr: In der selben Woche, als in der Ukraine ein Reaktor explodierte, wurde in Österreich ein neuer Bundespräsident gewählt. Die Wahl wurde von Kurt Waldheim gewonnen. Als davor seine Vergangenheit Hauptthema des Wahlkampf wurde, begann ich mich für die Geschichte Österreichs, aber auch für meine eigene Geschichte zu interessieren. Woher komme ich? Was bin ich? Wer sind meine Feinde? Wo finde ich Allianzen? Ganz normale Gedanken eines nach Identität suchenden Pubertierenden… Ich fragte also nach – insbesonders 1988, als auch in meiner Schule das so genannte Gedenkjahr mit großem Aufwand betrieben wurde und wofür ich heute noch dankbar bin.
Ich war 6 Jahre alt, als meine Eltern die Niederlande verließen um in Österreich zu leben. Nun fand ich plötzlich heraus, dass meine Großeltern die NS-Zeit ja erlebt hatten und wollte wissen, wie das damals war. Da fand ich heraus, dass mein Geburtsort Putten eines der am härtesten bestraften Gemeinden der Niederlande war. Die Nazis brannten bei der so genannten Razzia von Putten im Oktober 1944 nach einem Attentat das Dorf nieder und alle Männer, deren sie habhaft wurden, verschleppten sie in Konzentrationslager. Mein Großvater wurde mit großem Glück verschont. Meine Großeltern mütterlicherseits wiederum kamen aus Rotterdam und berichteten von den Zerstörungen der alten stolzen Hafenstadt und dem Leid während der NS-Zeit. Und da wurde mir – im Zuge des Wahlkampfs 1986 bis zum Gedenkjahr 1988 – bewusst, dass meine Eltern in ein Land gezogen waren, in denen die Männer lebten, die meinen Großeltern, meinem Dorf, der Stadt meiner Mutter, das angetan hatten. Ich sah zum ersten Mal Gedenkbücher meines Geburtsortes und fand einige mit dem Namen Schreuder unter den Opfern. Österreich war plötzlich nicht nur ein schönes Land. Es legte sich ein Schatten über meine Liebe zu Österreich. Die Liebe aber blieb.
Gleichzeitig gehörten meine Eltern den Jehovas Zeugen an – eine Religion in der ich aufwuchs (die ich auch bald verlassen sollte, aber vor der ich durchaus Respekt habe). Unser Nachbar und „Glaubensbruder“ war der heute noch lebende Leopold Engleitner, der sechs Jahre KZ überlebte und darüber mit großem Engangement berichtete – und heute 103-jährig noch immer berichtet.
Meine eigene Homosexualität konnte ich damals schon erahnen, aber noch nicht wirklich fassen. Das gelang aber kurz darauf und half mir diese Identitätsfindung voranzutreiben. Mir war bald auch in dieser Hinsicht klar, zu einer potenziellen „Opfergruppe“ zu gehören. Zu einer Minderheit, die gerne diskriminiert und verfolgt wird und wurde.
Und genau in dieser Zeit der persönlichen Entwicklung begann der Aufstieg Jörg Haiders. In den aktuellen Rückblenden kann darüber genug gelesen werden, daher erspare ich mir jetzt die Erinnerungen an 1986, dem deutschnationalen Putsch innerhalb der FPÖ, den Aufstieg, dem Bann von Vranitzky, den Äußerungen zur „ordentlichen Beschäftigungspolitik“, usw.
Ich will aber davon berichten, dass genau diese Äußerungen und die plötzliche Salonfähigkeit rechtsnationaler Ideologien mich echt schockierten. Ich wurde aktiv! Einer meiner ersten Aktionen war diesbezüglich ein Maturaheft einer Parallelklasse in der Tourismusschule Bad Ischl. Darin wurde ein enorm xenophober Text veröffentlicht. Einige meiner Klasse (darunter auch Christine Hartenthaler, die heute erfolgreich das Theaterprojekt muunkompanie betreut) wehrten sich vehement gegen diesen offenen Rassismus und bekamen prompt Unterstützung seitens des Schuldirektors. Das Heft wurde eingestampft. Mein erster politischer Erfolg.
Nach dem politischen Erdbeben in Hainburg und Gründung der Grünen, der Vergangenheitsbewältigung des Landes durch die Diskussionen rund um Waldheim und der Anti-AKW-Bewegung nach dem Trauma Tschernobyl, war mir plötzlich klar: Widerstand kann sich lohnen. Nationalsozialismus, Nationalismus, Andere zu Sündenböcken machende Politik: Das war bald meine Hauptantriebsfeder meines politischen Denkens.
Die Neunziger.
Ich wurde nicht gleich Politiker, aber politisch. Ich hatte noch keine österreichische Staatsbürgerschaft, denn ich hoffte bald irgendwann eine doppelte Staatsbürgerschaft haben zu dürfen. Ich erwartete immer, dass irgendwann die Menschen und die Politik verstehen, dass man zugleich eine österreichische UND eine niederländische Identität haben kann (…darauf warte ich übrigens bis heute).
Jörg Haiders FPÖ eilte von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Er initiierte das so genannte „Ausländer-Volksbegehren“ und ich war eines der vielen Lichter beim so genannten Lichtermeer 1993 (ich trug eine Tafel mit der Aufschrift: Ich bin Ausländer, ich bin schwul, was noch?). Ich war am Max-Reinhardt-Seminar und wir überlegten uns, wie wir in unserer künstlerischen Arbeit auf die neue Rechts-Bewegungen antworten konnten – fanden aber nur unbefriedigende Lösungen. Ein Phänomen, das sich im Kunstschaffen Österreichs leider bis heute fortsetzt – mit einer Ausnahme: der kurz davor verstorbene Thomas Bernhard.
1999 dann der Wahltriumph der FPÖ.
2000 – 2008
Die Regierungsverhandlungen 1999/2000 sind bekannt. Das Ergebnis auch. Auch mein Geburtsland zeigte Österreich die diplomatische kalte Schulter. So sehr ich mich über die Aufnahme einer extrem rechten Partei in die Regierung empörte, empfand ich plötzlich Widersprüche. Ein großer Teil meiner Freundinnen und Freunde wählten grün, liberal, schwarz oder rot – und wurden nun kollektiv mit abgestempelt. Das empfand ich ebenfalls als ungerecht. Ich musste bei vielen Auslandsaufenthalte – besondern in den Niederlanden – einen differenzierteren Blick auf Österreich einmahnen. Es ist vielleicht diese Diskrepanz, die auch irgendwie typisch österreichisch ist: Einerseits die Politik und das Ewiggestrige bekämpfen – andererseits das Land vor banalen Schubladisierungen verteidigen müssen. Ein ständiges zwischen den Stühlen sitzen. Anti-Nationalistisch sein und trotzdem das Land lieben.
Ich kam Ende 2001 in die Politik. Nach den Attentaten in New York und Washington war die politische Diskussion ganz wo anders. Erst später sollte die FPÖ auseinander fallen und mit HC Strache ein Mann groß werden, der den Islam als Hauptfeind aussuchte – um dadurch gleichzeitig eine differenzierte Debatte wieder zu verunmöglichen, da man vor allem mit der Bekämpfung der banalen populistischen Sprüche beschäftigt war, statt sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Was bleibt.
Nach Bruno Kreisky ist Jörg Haider sicher einer der prägendsten politischen Figuren Österreichs. Auch einen wirklichen Verdienst kann man ihm zuschreiben. Er trat auch an, um die österreichische Tradition, die das ganze Land in eine rote und eine schwarze Reichshälfte einteilte (von Sportvereinen bis Autofahrerklubs, von Rettungsdiensten bis staatsnahen Betrieben), zu bekämpfen. Das ist ihm sogar in vielen Bereichen gelungen.
Was aber auch bleibt: Eine ernsthafte, sinnvolle und inhaltliche Debatte über die Aufgaben von Integrationspolitik und Zuwanderung wurde durch plumpe Propaganda unmöglich gemacht. Die Klaviatur der Vorurteile wurde so geschickt gespielt, dass bis heute die Auseinandersetzung über diese Vorurteile vorherrscht. Deswegen ist es kaum möglich in einer inhaltlichen und öffentlichen Debatte über Integration ernsthaft zu reden. Mit HC Strache hat er diesbezüglich einen Schüler, der dies ebenso beherrscht und es sogar noch weiter trieb. Auch ein Erbe Haiders…
An seinem heutigen Todestag muss man natürlich vor allem an seine Familie und an seine Angehörige und FreundInnen denken. Der Tod ist schockierend. Der Autounfall unfassbar und passiert mitten in einer spannenden Zeit – weltpolitisch und innenpolitisch.
Es gab aber auch in den Erinnerungen heute etwas äußerst Irritierendes: Seine Äußerungen zur NS-Zeit wurde in den österreichischen Medien wieder unter der Rubrik „Was das Ausland zum Tod Haiders sagt“ gebracht. Dass er den Rechtsstaat missachtete – etwa bei den Orttafeln in Kärnten – wird kaum erwähnt. Warum kann Österreich eigentlich nicht selbst darüber reflektieren, sondern lässt das wieder nur als Außensicht geschehen? Pietät: ja. Verschweigen: nein.
Auch das bleibt von Jörg Haider, einem Mann der mich politische mitprägte.

Foto: Das Lichtermeer 1993 (SOS Mitmensch). Ein Beispiel, wie Jörg Haider nicht nur seine AnhängerInnen, sondern auch diejenigen, die seiner Politik eine klare Absage erteilten, mobilisierte. 

Sonntag: Touren durch den Jüdischen Friedhof Währing – Noch Restplätze frei!

Seit 2006 führen die Historikerin Tina Walzer und ich nun schon durch den Jüdischen Friedhof Währing und haben schon etwa 2500 Menschen das unbekannteste Freiluftmuseum Wiens zeigen können. Seit dieser Zeit kämpfen wir auch für eine Lösung für den Währinger und all die anderen Jüdischen Friedhöfe, die dem Verfall preisgegeben sind. Das Washingtoner Abkommen verpflichtet Österreich zu einer Sanierung und einer Pflege. Doch weder Stadt Wien noch der Bund konnten sich aufraffen – auch nicht gemeinsam. So konnte ich auf Wiener Ebene nur eine einmalige Baumsanierung bei Stadträtin Uli Sima erreichen. Eva Glawischnigs Vorstoß eines eigenen Gesetzes blieb leider ohne Erfolg.
Dass sich aber sehr viele für die eigene Wiener (und Jüdische) Geschichte interessieren zeigt der BesucherInnen-Ansturm, den wir seit Jahren haben. Am Sonntag starten wir in die Herbstsaison – UND: Es gibt am Sonntag, 12.10, noch einige freie Plätze! Das Wetter soll schön werden…
Wer also um 10 Uhr oder um 14 Uhr dabei sein will, schicke noch bis Morgen – Samstag – abend eine Email an mich.
Weitere Termine:
26. Oktober 10:00 und 11:30 durch den Jüdischen Friedhof Seegasse
3. und 9. November, 10:00 und 14:00 Uhr Jüdischer Friedhof Währing.
Anmeldungen für diese Termine: Email hierher.
Einen Folder zum Jüdischen Friedhof Währing kann man sich HIER anschauen (vergleiche auch den ausgezeichneten Eintrag bei Wikipedia)
Vor Ort gibt es auch einen Folder zum Jüdischen Friedhof Seegasse.

Weitere (wunderschöne!) Fotos HIER. 

Kaupþing, Glitnir, Landsbankinn: Islands globale Krise.

Vor wenigen Minuten tickerten die Nachrichtenagenturen: Nach den beiden Banken Glitnir und Landsbankinn verstaatlicht Island nun auch die größte Bank des Landes Kaupþing. Die Banken kauften quer durch ganz Europa unglaublich viele Unternehmen auf. Das ganze auf Kredit. Gleichzeitig lebten IsländerInnen auf Pump. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist in Island enorm hoch, obwohl es ein bisher extrem reiches, aber auch sehr teures Land war (wie Urlauber wie ich, die Island lieben und gerne besuchen immer wieder erschrocken feststellen mussten). Nahezu jeder Isländer oder Isländerin hat ein Auto oder zwei, Sommerhäuser, das Neueste und Beste und überhaupt… Und nun verschuldet sich auch der Staat, der vielleicht vor dem Kollaps steht.
Können wir aus Island was lernen?
Ja, ich denke schon. Island diskutiert zwar immer wieder über einen EU-Beitritt, aber über Debatten ist es noch nicht hinausgegangen. Gerade bei Finanzkrisen könnte die Einbettung in der EU sich als hilfreich erweisen. Was allerdings seitend der EU noch zu beweisen wäre.
Dass über den Verhältnissen zu leben nicht nur einen Privathaushalt ruinieren kann, sondern ein ganzes System, wäre wohl auch eine gute Lehre.
Dass Verstaatlichung im 21. Jahrhundert wieder eine Lösung wird, statt es generell zu verteufeln – wer hätte das vor einigen Monaten gedacht?
Zuletzt bleibt noch das Urlaubsland Island. So billig wie jetzt – die Krone wurde ständig abgewertet – war es wohl noch nie auf die Vulkan-Insel zu fahren. Und Devisen kann das Land derzeit sehr brauchen…

Das Foto der Papagaientaucher oben wurde übrigens von mir auf der isländischen Insel Papey gemacht.