Wozu überhaupt eine Regenbogenparade?

Seit 1996 findet in Wien alljährlich die Regenbogenparade statt. Sie gedenkt den Aufständen in New York vor genau 40 Jahren, als Lesben, Schwule, Transvestiten und Freunde sich gegen Razzien und Willkür der Behörden wehrten.

Die Motive für viele Teilnehmer, bei der Regenbogenparade mit zu marschieren, sind mannigfaltig. Gehen die einen hin, um für Gleichstellung ihrer Partnerschaften und gegen Diskriminierungen zu demonstrieren, sehen andere in der Parade mehr ein gemeinsames Feiern von Lesben, Schwulen und Transgendern im öffentlichen Raum. Gehen einige dort hin, um sich in ihrem gerade erst vollzogenem Coming-out weniger alleine zu fühlen, wollen andere lieber heterosexuelle Denk- und Rollenmuster mit Provokation begegnen. Die Drag Queens und Bodygepainteten wiederum dominieren das mediale Bild der Parade, sind doch Männer in Frauenkleidern und Federboas oder nackte Menschen halt schönere und buntere Bilder, als in stinknormalen Straßenklamotten teilnehmende Menschen, obwohl letztere in der großen Mehrzahl sind. Die Fotografen sind im übrigen mehrheitlich heterosexuell.
Parade erfolglos?
Das mediale Bild der exaltierten Lesben und Schwulen führt auch oft zu Kritik, durchaus auch aus der Lesben- und Schwulencommunity selbst. Nicht selten wird über die Parade gesagt, sie würde eher abschrecken und der Forderung nach Gleichstellung einen Bärendienst erweisen. Dass es in Österreich noch immer keine Möglichkeit gibt, dass Lesben und Schwule heiraten können, wird dann als Beispiel der Erfolglosigkeit der Parade angeführt. Allerdings ist die Nicht-Umsetzung ja nicht an der Regenbogenparade, sondern allem voran an der ÖVP gescheitert. Aber hat die ÖVP das tatsächlich blockiert, weil auf der Parade bewusst lustvoll und provokant Lebensgefühl und Protest dargestellt werden?
Um die Regenbogenparade wirklich zu begreifen, braucht es allerdings zwei Perspektiven: die historische und die alltägliche.
Im Lokal Stonewall Inn in der Christopher Street, New York City, befanden sich in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 zahlreiche trauernde Menschen, die wenige Stunden davor beim Begräbnis der Schwulenikone Judy Garland teilnahmen. Dementsprechend emotionalisiert waren die Gäste. Als dann nachts die Polizei eine Razzia durchführte, entlud sich der Frust. Das Viertel wehrte sich gegen die Schikanen. Die Stonewall Riots, wie der Aufstand genannt wurde, dauerten mehrere Tage. Historisch wurde das Ereignis allerdings erst im Jahr darauf, als eine Parade im New Yorker Village stattfand, die an die Ereignisse von 1969 erinnerte. Der Christopher Street Day (CSD) war geboren und wurde nach und nach zum wichtigsten Tag der globalen Emanzipationsbewegung von trans-, bi- und homosexuellen Menschen. In Wien heißt der CSD seit ihrer ersten Parade 1996 eben Regenbogenparade.
Die täglichen Parädchen
Der Blick in den Alltag von Lesben und Schwulen zeigt aber noch deutlicher, warum es die Regenbogenparade gibt. Sie zeigt auch, warum es 1970 so wichtig war, auf die Straße zu gehen, denn viele der damals formulierten Anliegen haben sich 40 Jahre später kaum verändert. Lesben und Schwule wollten und wollen sich nicht verstecken müssen, hatten und haben keine Lust, sich zu verstellen und ein Scheinleben zu führen. Sie wollen Akzeptanz und Respekt und merken immer noch häufig, dass sogar das zu viel verlangt ist.
Lesben und Schwule erleben häufig ihre ganz privaten, kleinen und eigenen Regenbogenparädchen. Seien es neue Nachbarn, die nebenan einziehen, seien es neue Kollegen im Büro, sei es ein Taxifahrer, der höflich ein Gespräch beginnen will (nachdem man soeben in der Rosa Lila Villa war) und fragt, wo man denn gerade seinen Abend verbracht habe, oder seien es Schulfreunde, die fragen, ob man denn schon einen Freund oder eine Freundin habe: Überall und zu jeder Zeit müssen Lesben und Schwule sich entscheiden: Sag ich’s oder sag ich’s nicht? Dieses den Alltag ständig begleitende Bewusstsein ist heterosexuellen Menschen freilich fremd.
Noch immer erleben zahlreiche Jugendliche ein Coming-out, ohne dass sie irgend etwas darüber wissen, weil einem weder in den Schulen etwas darüber erzählt wird, und weil die allermeisten Menschen – auch Eltern – immer noch das heterosexuelle Muster als Norm ansehen, und eben genau diese normierten Erwartungshaltungen an Jugendliche weitergegeben werden, was wiederum zu enormen persönlichen Krisen führen kann.
Mut machen!
Die Regenbogenparade sollte daher vor allem eines: Mut machen! Sie soll vor allem den Lesben, Schwulen und Transgendern signalisieren: Sehr her, ihr seid nicht allein. Machen wir uns Mut, seien wir stolz, auf das was wir sind, und lassen wir uns von irgendwelchen religiösen Fundis, rechten Recken und anderen Ignoranten nicht die Freude an unsere eigene Identität nehmen. Erst, wer das begriffen hat, begreift die Regenbogenparade und weiß auch erst dadurch, warum politische Gleichstellung und Antidiskriminierung so notwendig sind.
Die Grünen Andersrum haben übrigens soeben die Publikation Stonewall in Wien herausgegeben, die die lesbisch-schwule-transgender Emanzipation Wiens mit zahlreichen Interviews von Zeitzeugen dokumentiert. Zu bestellen unter andersrum.wien@gruene.at.

Dieser Text wurde für ein Printmedium geschrieben, blieb aber unveröffentlicht. Daher ist der Text nicht geschlechtsneutral formuliert. Ich bitte um Verständnis. 

4 Gedanken zu „Wozu überhaupt eine Regenbogenparade?“

  1. nicht nur ÖVP auch die SPÖ sind Blockierer!

    die SPÖ könnte da nämlich wesentlich mehr Druck ausüben. Anstelle regiert eigentlich nur die ÖVP und die SPÖ stimmt immer nur zu.

  2. nicht nur ÖVP auch die SPÖ sind Blockierer!

    die SPÖ könnte da nämlich wesentlich mehr Druck ausüben. Anstelle regiert eigentlich nur die ÖVP und die SPÖ stimmt immer nur zu.

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