Ehrenrühriges eines Grazer Gerichts zu Jörg Haiders Sexualität.

Ein junger Mann ging vor einigen Wochen zu einem deutschen Boulevard-Medium, um seine persönliche Geschichte mit dem ehemaligen Landeshauptmann von Kärnten zu erzählen, der vor 14 Monaten alkoholisiert und mit überhöhter Geschwindigkeit bei einem Autounfall ums Leben kam. „Die Anzahl der trauernden Witwen steigt auf 3“ meinten dazu Stermann & Grissemann. Bereits vor diesem Going-public* des jungen René war die Sexualität Haiders ständiges Thema, auch in einem Kommentar der Anderen für den Standard, den ich verfasste (hier zu lesen), und in einem Blogbeitrag hier.Die mediale und politische Diskussion nach Renés Going-public drehte sich vor allem um die Frage, was privat und was öffentlich ist. Darf ein Medium das Privatleben (z.B.) eines Politikers darstellen? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um darüber berichten zu dürfen? Hat Haider nicht selbst sein Privatleben öffentlich gemacht und muss sich also – auch posthum – gefallen lassen, dass sein vermeintlich verheimlichtes Privatleben ebenfalls öffentlich wird?NEWS meinte in dieser Debatte etwa, veröffentlichen sei okay, Armin Thurnher vom Falter meinte wiederum, sogar das Privatleben Jörg Haiders müsse geschützt bleiben.Ein Aspekt wurde allerdings in diesen Diskussionen überhaupt nicht berücksichtigt: Die abgrundtiefe und widerliche Doppelmoral Kärntens; die Tatsache, dass in Kärnten alle Meldungen über Haiders angebliche Bi- oder Homosexualität als etwas ganz Schreckliches dargestellt wurde und eine Rufschädigung bedeuten würden. Das wäre nämlich tatsächlich eine Geschichte wert gewesen: Wie abgrundtief ein Bundesland mit Homosexualität an sich umgeht. Man hätte nämlich auch ganz gelassen mit einem „Na und?“ reagieren können. Tat man aber nicht. Auch nicht die einzige offizielle Witwe Haiders: Claudia.Diese klagte nämlich die Zeitung BILD vor einem Gericht. Und dieses Grazer Gericht hat gestern ein Urteil gesprochen, wie ein anderes Boulevardblättchen (hier) berichtet: Jörg Haider darf nicht mehr homosexuell oder schwul genannt werden!Ein wirklicher Skandal ist die Begründung des Gerichts: Die Darstellung von Haider in der BILD-Zeitung wäre „ehrenrührig“ gewesen, würden Haider ein „unehrenhaftes und gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten“ vorwerfen und ihn in der „Öffentlichkeit verächtlich machen und herabsetzen“.Das Urteil des Richters Herbert Painsi ist ein Skandal und lässt eher vermuten, der Richter hat ein etwas gestörtes Verhältnis zu Homosexualität und bräuchte dringend etwas wissenschaftliche und sexualkundliche Aufklärung. Ich hätte verstanden, wenn das Gericht BILD verurteilt hätte, weil die Zeitung die Privatsphäre missachtet hat. Aber Homosexualität ist was Unehrenhaftes? Etwas Sittenwidriges? Etwas, das verächtlich macht? Hallo? Wir haben das Jahr 2009 und eine moderne Sexualwissenschaft!Glauben Sie, ein österreichisches Gericht hätte so geurteilt, wenn es sich um eine Affäre mit einer Frau gehandelt hätte? Wohl kaum. Das Urteil ist also zutiefst homophob, denn (zum Glück) steht in keinem österreichischen Gesetz mehr irgendetwas davon, dass Homosexualität unsittlich oder unehrenhaft sei. Das dürfte eher ein Problem des Richters sein – stellvertretend für ein ganzes Land allerdings.Wir könnten es ja mal versuchen: Outen Sie mich doch irgendwo als heterosexuell. Lassen Sie mich das dann einklagen und Sie werden sehen: Kein Gericht dieses Landes würde eine öffentlich kolportierte Affäre eines Mannes mit einer Frau als etwas Ehrenrühriges wahrnehmen. Daher ist dieses Urteil so falsch und wirft jede Aufklärung um Jahre zurück!* Going-public ist kein Coming-out und kein Outing, was leider immer verwechselt wird: Going public ist der Schritt in die Öffentlichkeit, Coming-out bedeutet, seine Homosexualität seinem persönlichen Umfeld zu erzählen und dazu zu stehen. Von Outing ist dann die Rede, wenn eine andere Person die sexuelle Orientierung aufdeckt, meist unfreiwillig und gegen den Wunsch des Betroffenen.

22 Gedanken zu „Ehrenrühriges eines Grazer Gerichts zu Jörg Haiders Sexualität.“

  1. Angenommen Du bist in einer jahrelangen Beziehung mit einem anderen Mann und würdest aber ein heterosexuelles Doppelleben führen, Frauen aus zwielichtigen Bars abschleppen und mehrere geheime sexuelle Beziehungen unterhalten.

    Ich würde das Verhalten dann nicht als besonders Ehrenhaft und als Ausdruck guter Sitten verstehen.

  2. Angenommen Du bist in einer jahrelangen Beziehung mit einem anderen Mann und würdest aber ein heterosexuelles Doppelleben führen, Frauen aus zwielichtigen Bars abschleppen und mehrere geheime sexuelle Beziehungen unterhalten.

    Ich würde das Verhalten dann nicht als besonders Ehrenhaft und als Ausdruck guter Sitten verstehen.

  3. Noch skuriler finde ich folgende Ãœberlegung:
    Du bist schwerstens durch- was auch immer-*** beeinträchtigt und fährst mit den Skates oder dem Fahrrad an die Wand. Du verstirbst noch an der Unfallstelle- auch an gebrochenem Herzen . Die Grünen(Andersrum) errichten eine Urnengedenkstätte. Eine Frau behauptet kurz vor dem Jahrestag Deines Ablebens, sie hätte eine (verdeckte) heterosexuelle Beziehung mit Dir gehabt. Mann/Frau sah Euch auch immer in irgendeiner Heterobar.(Nachtschicht?) Dein Witwer klagt und gewinnt, weil Du auch post mortem ein Recht darauf hast, nicht als " HETE " geoutet bzw genannt zu werden. ;))

  4. Noch skuriler finde ich folgende Überlegung:
    Du bist schwerstens durch- was auch immer-*** beeinträchtigt und fährst mit den Skates oder dem Fahrrad an die Wand. Du verstirbst noch an der Unfallstelle- auch an gebrochenem Herzen . Die Grünen(Andersrum) errichten eine Urnengedenkstätte. Eine Frau behauptet kurz vor dem Jahrestag Deines Ablebens, sie hätte eine (verdeckte) heterosexuelle Beziehung mit Dir gehabt. Mann/Frau sah Euch auch immer in irgendeiner Heterobar.(Nachtschicht?) Dein Witwer klagt und gewinnt, weil Du auch post mortem ein Recht darauf hast, nicht als " HETE " geoutet bzw genannt zu werden. ;))

  5. Das schwul-lesbische Online-Magazin “queer.de” berichtet dagegen, diese Zitate stammen aus der Wiedergabe der Klage, nicht vom Gericht selbst. Laut dem Urteil stelle der “Vorwurf der Homosexualität”, egal ob bewiesen oder nicht, eine Ehrenbeleidigung dar, an der es kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gebe. Denn Homosexualität werde, trotz eines Wandels in der Gesellschaft, von einem maßgeblichen Teil der Mediennutzer “negativ” verstanden.

    Aber auch "Ehrenbeleidigung" ist schon schlimm genug.

  6. Das schwul-lesbische Online-Magazin “queer.de” berichtet dagegen, diese Zitate stammen aus der Wiedergabe der Klage, nicht vom Gericht selbst. Laut dem Urteil stelle der “Vorwurf der Homosexualität”, egal ob bewiesen oder nicht, eine Ehrenbeleidigung dar, an der es kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gebe. Denn Homosexualität werde, trotz eines Wandels in der Gesellschaft, von einem maßgeblichen Teil der Mediennutzer “negativ” verstanden.

    Aber auch "Ehrenbeleidigung" ist schon schlimm genug.

  7. es lässt sich nicht mehr feststellen, ob homosexuell, bisexuell oder nur heterosexuell.

    Aber reine Homosexualität kann man sicherlich ausschließen, sonst hätte er niemals 3 Kinder gezeugt und wäre glücklich in seiner Ehe. So lange kann man den Schein nicht bewahren!
    also bleibt eigentlich nur mehr die Bisexualität.

    und nun zu den Spekulationen in den Zeitungen: es ging schon Wochen, Monate lang nur um dasselbe Thema in den Zeitungen und Zeitschriften, etc. DAS ist unehrenhaft gegenüber einem Toten. Es reicht wirklich, wenn das einmal berichtet wird.
    Außerdem frage ich mich selbst als homosexueller, warum MUSS JEMAND (AUCH DU) STÄNDIG ANDEREN DIE SEXUALITÄT HINTERFRAGEN! Sowas IST Privatssache und sollte man erst recht als Homosexueller wissen!
    Andere outen zu wollen, ist genauso unehrenhaft!

  8. es lässt sich nicht mehr feststellen, ob homosexuell, bisexuell oder nur heterosexuell.

    Aber reine Homosexualität kann man sicherlich ausschließen, sonst hätte er niemals 3 Kinder gezeugt und wäre glücklich in seiner Ehe. So lange kann man den Schein nicht bewahren!
    also bleibt eigentlich nur mehr die Bisexualität.

    und nun zu den Spekulationen in den Zeitungen: es ging schon Wochen, Monate lang nur um dasselbe Thema in den Zeitungen und Zeitschriften, etc. DAS ist unehrenhaft gegenüber einem Toten. Es reicht wirklich, wenn das einmal berichtet wird.
    Außerdem frage ich mich selbst als homosexueller, warum MUSS JEMAND (AUCH DU) STÄNDIG ANDEREN DIE SEXUALITÄT HINTERFRAGEN! Sowas IST Privatssache und sollte man erst recht als Homosexueller wissen!
    Andere outen zu wollen, ist genauso unehrenhaft!

  9. bemerkenswert, dass es einigen menschen wirklich wichtig ist, dass jörg haider zumindest ein BISSCHEN heterosexuell gewesen sein muss. :>

    klar, sexualität ist privatsache. das muss auch für jörg haider gelten. schwierig wird es nur, wenn die offizielle witwe via "bunte" an die öffentlichkeit geht und verkündet: "mein mann wir nicht homo- oder bisexuell".

    denn jetzt wäre es an den österreichischen qualitätsmedien gewesen, die aussage zu überprüfen. aber die mussten sich ja im chor der homophoben und xenophoben über die deutsche bild-zeitung beschweren. die medien news und österreich sind mir egal. was mich wirklich aufregt ist, ob österreichische qualitätsmedien das wort homophobie überhaupt schon buchstabieren können.

  10. bemerkenswert, dass es einigen menschen wirklich wichtig ist, dass jörg haider zumindest ein BISSCHEN heterosexuell gewesen sein muss. :>

    klar, sexualität ist privatsache. das muss auch für jörg haider gelten. schwierig wird es nur, wenn die offizielle witwe via "bunte" an die öffentlichkeit geht und verkündet: "mein mann wir nicht homo- oder bisexuell".

    denn jetzt wäre es an den österreichischen qualitätsmedien gewesen, die aussage zu überprüfen. aber die mussten sich ja im chor der homophoben und xenophoben über die deutsche bild-zeitung beschweren. die medien news und österreich sind mir egal. was mich wirklich aufregt ist, ob österreichische qualitätsmedien das wort homophobie überhaupt schon buchstabieren können.

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