Das neue FPÖ-Parteiprogramm aus queerer Sicht.

Dieses Wochenende war aus lesbisch-schwul-transgender Sicht der Höhepunkt des Jahres. In Wien gingen rund 110.000 Menschen auf die Straße, um an der Regenbogenparade teilzunehmen. Lesben, Schwule, Transgender, Bisexuelle und zahlreiche solidarische Heterosexuelle demonstrierten für ein vielfältiges Österreich, das alle sexuelle Orientierungen akzeptieren, respektieren und rechtlich gleichstellen will. Damit verknüpft das Motto Show your face, das allen Mut machen soll, zu ihrer sexuellen Freiheit zu stehen und einzufordern.

Apropos Freiheit.

Am selben Wochenende hielt die FPÖ Parteitag in Graz. Dort wurde das neue Parteiprogramm beschlossen. In 10 freiheitlichen Leitsätzen wird die Politik der Freiheitlichen Partei festgelegt. Über vieles wurde bereits in den Medien ausführlich berichtet und reflektiert. Aus Sicht der Lesben und Schwulen ist besonders der 4. Leitsatz interessant:

„Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft und garantiert zusammen mit der Solidarität der Generationen unsere Zukunftsfähigkeit.“
Den einen oder anderen Punkt mag man dann in den Erläuterungen zum 4. Leitsatz vielleicht noch gut heißen, zum Beispiel, dass Frauen und Männer chancengleich behandelt werden sollen – allerdings ohne Gender Mainstreaming, wie dann gleich darauf noch extra betont werden muss.

Dann heißt es:

„Die Familie, geprägt durch die Verantwortung der Partner und der Generationen füreinander, ist Grundlage unserer Gesellschaft. Die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau wird durch das Kind zur Familie. Wer alleinerziehend Verantwortung übernimmt, bildet mit den Kindern eine Familie.“
Alleinerzieher_innen haben also nochmal Glück gehabt. Gerade noch werden sie von der FPÖ knapp als Familie anerkannt. Aber Regenbogenfamilien? No way. Patchworkfamilien werden übrigens auch nicht erwähnt. Wenn also beispielsweise eine Frau aus einer früheren heterosexuellen Beziehung Kinder hat, dann eine Frau kennenlernt und mit ihr den Rest ihres Lebens als Familie verbringen will – so ist das keine Familie. Auch wenn der leibliche Vater guten Kontakt zur neuen Familie pflegt und Teil dieser ist. So meint zumindest die FPÖ. Sie definiert die Norm, alles andere wird schlicht nicht akzeptiert. Das ist die Kernaussage.

Mit anderen Worten: Gesellschaftlich real existierende Lebensformen werden von der FPÖ ausgegrenzt. Sie verdienen die Bezeichnung Familie nicht.

Doch im nächste Absatz geht es klar zur Sache:

„Wir bekennen uns zur Vorrangstellung der Ehe zwischen Mann und Frau als besondere Form des Schutzes des Kindeswohls. Nur die Partnerschaft von Mann und Frau ermöglicht unserer Gesellschaft Kinderreichtum. Ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Beziehungen lehnen wir ab.“
Die in unendlich vielen Diskussionen gestellte Frage, was denn nun mit heterosexuellen Paaren sei, die heiraten und keine Kinder haben wollen oder tragischerweise nicht können, wird freilich auch im FP-Programm nicht beantwortet. Homosexuelle sind offensichtlich die Bösen, die gesellschaftlich nutzlos sind.

Ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare wird von der FPÖ kategorisch abgelehnt. Ein Institut, das es bekanntlich im österreichischen Recht bereits gibt – mit noch zahlreichen diskriminierenden Sonderbestimmungen. Aber was bedeutet die Ablehnung der FPÖ für Lesben und Schwule, die planen eine Eingetragene Partnerschaft einzugehen? Oder für bereits eingetragene Partner und Partnerinnen? Zumal ja die FPÖ in Umfragen derzeit die stärkste Partei ist und demnächst den Kanzler stellen könnte?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Samstag auf der Wiener Ringstraße auch viele freiheitlich wählende Lesben, Schwule, Transgender, Bisexuelle und Heterosexuelle demonstrierten und dabei waren. Die tun das aus möglicherweise anderen Gründen. Auch mir persönlich sind schon viele FPÖ-Wähler_innen in der Community begegnet. Diese sollten aber jetzt wirklich dringend nochmal nachdenken darüber, was sie da tun. Bei allem Verständnis für den Stillstandsfrust, der dieses Land derzeit lahmzulegen scheint, aber Rückschritte und Ausgrenzung kann doch wohl nicht das Ziel dieses Landes sein!

16 Gedanken zu „Das neue FPÖ-Parteiprogramm aus queerer Sicht.“

  1. ich akzeptiere ja grundsätzlich viele sichtweisen, aber DAS ist ja ein zustand. traurig,.. es läuft genug anderes schief um das sich die wertesten kümmern sollten, aber na. wart nur nich auf die fpö-plakate die dann überall in wien rumhängen wo drauf steht „steuern vermindern, gaskammern bauen.“
    und waaaarum bitte gibt es in ‚unserer‘ szene soviele die blau wählen? unwissenheit.. oh gott, das ist SO peinlich! ich mein, vorschreiben kann mans ja niemanden, aber das ist ja kontraproduktiv.
    entschuldigen sie, ich hab wirklich versucht mich wertfrei zu verhalten.
    ab in die schublade .. grrrr

  2. ich akzeptiere ja grundsätzlich viele sichtweisen, aber DAS ist ja ein zustand. traurig,.. es läuft genug anderes schief um das sich die wertesten kümmern sollten, aber na. wart nur nich auf die fpö-plakate die dann überall in wien rumhängen wo drauf steht „steuern vermindern, gaskammern bauen.“
    und waaaarum bitte gibt es in ‚unserer‘ szene soviele die blau wählen? unwissenheit.. oh gott, das ist SO peinlich! ich mein, vorschreiben kann mans ja niemanden, aber das ist ja kontraproduktiv.
    entschuldigen sie, ich hab wirklich versucht mich wertfrei zu verhalten.
    ab in die schublade .. grrrr

  3. Ist ja nix neues wie die FPÖ zu diesem Thema steht. Dennoch ist die Politik der FPÖ nicht mehr auszuhalten. Aber zumindest lässt die FPÖ eine nicht im Unklaren wie sie zu Lesben und Schwulen und deren (Menschen-)Rechte stehen. Auch wenn es es nun übertrieben scheint hier die SPÖ ins Spiel zu bringen, weiß man bei denen nicht wie sie wirklich zu den Rechten von Homosexuellen stehen. Wasser predigen und Wien trinken scheint deren Motto zu sein, denn außer Lippenbekenntnissen tun sie für unserere Rechte nichts. Anträge der Grünen werden niedergestimmt. Aus angst vor der Rechten in Ö (FPÖVP) trauen sich die Roten nicht bei wirklich wichtigen Dingen wenn es drum geht Homosexuellen die Rechte zu geben die ihnen zustehen das Händchen zu heben.
    Was die Rechte von Homosexuellen betrifft, ist für mich die SPÖ nicht besser als FPÖVP. Nur das sich die SPÖ nicht traut es zuzugeben. Erst wenn die SPÖ ihren Ankündigungen taten folgen lässt, ist die bei diesem Thema wieder glaubwürdig.

  4. Ist ja nix neues wie die FPÖ zu diesem Thema steht. Dennoch ist die Politik der FPÖ nicht mehr auszuhalten. Aber zumindest lässt die FPÖ eine nicht im Unklaren wie sie zu Lesben und Schwulen und deren (Menschen-)Rechte stehen. Auch wenn es es nun übertrieben scheint hier die SPÖ ins Spiel zu bringen, weiß man bei denen nicht wie sie wirklich zu den Rechten von Homosexuellen stehen. Wasser predigen und Wien trinken scheint deren Motto zu sein, denn außer Lippenbekenntnissen tun sie für unserere Rechte nichts. Anträge der Grünen werden niedergestimmt. Aus angst vor der Rechten in Ö (FPÖVP) trauen sich die Roten nicht bei wirklich wichtigen Dingen wenn es drum geht Homosexuellen die Rechte zu geben die ihnen zustehen das Händchen zu heben.
    Was die Rechte von Homosexuellen betrifft, ist für mich die SPÖ nicht besser als FPÖVP. Nur das sich die SPÖ nicht traut es zuzugeben. Erst wenn die SPÖ ihren Ankündigungen taten folgen lässt, ist die bei diesem Thema wieder glaubwürdig.

  5. Du hast im großen und ganzen Recht, Alex. Aber zwischen Mutlosigkeit und dem Programm, die Eingetragene Partnerschaft wieder abzuschaffen, würde ich einen Unterschied machen. Nerven und Nichtgleichstellen tut beides natürlich.

  6. Du hast im großen und ganzen Recht, Alex. Aber zwischen Mutlosigkeit und dem Programm, die Eingetragene Partnerschaft wieder abzuschaffen, würde ich einen Unterschied machen. Nerven und Nichtgleichstellen tut beides natürlich.

  7. Sicher, die „EP“ gehört mit zu den Kernthemen der Grünen, aber gehört die EP auch zu den Kernthemen der Homosexuellen in Österreich?

    Wieviele Homosexuelle interessieren sich ernsthaft und konkret für eine EP, bzw. sind eine EP eingegangen? 1’410 Menschen waren es 2010, davon 1/3 homosexuelle Frauen. Wenn wir (konsverativ?) einen landesweiten Anteil von 5{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung ausgehen (400’000) dann haben 0,3525{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} aller Homosexuellen im ersten Jahr 2010 von der Möglichkeit der EP Gebrauch gemacht.

    Ich meine, daß das Ergebnis doch zumindest mal eine Tendenz widerspiegelt, ganz abgesehen davon, daß sicherlich auch einige Paare von den teilweise skurril-kafkaesken Regelungen (Wechsel vom Familien- zum Nachnamen usw.) abgeschreckt werden.

    Vielleicht rechne ich nur meine eigene Rezeptionspraxis hoch, aber ich halte die EP (und schließlich auch das Adoptionsrecht) für ein Minderheitenthema innerhalb einer gesamtgesellschaftlichen Minderheit.

    Wollen und brauchen Homosexuelle überhaupt ein eigenes Rechtsinstitut, ein aus bourgoisem Versorgungs- und Anpassungsdenken heraus geborenes Pendant zur Ehe? In wieweit ist homosexuelles Leben nicht auch ein Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft und der Familie als der strukturellen „Keimzelle des Staates“?

    Wer so denkt, gehört sicher nicht zur FPÖ-Klientel, aber auch ohne ideologischen Unterbau gestalten meiner Erfahrung nach die meisten Homosexuellen ihr Leben abseits gesellschaftlicher Institutionen und Korsette.

    Man kann und man sollte darüber streiten, ob „Mainstreaming“, das „Zum-Hauptstrom-Machen“ grundsätzlich für die in den Fokus geratenen Minderheiten nur positive Effekte hat. Vor allem, wenn es zu einem „In-Den-Hauptstrom-Bringen“ mutiert, was ja nichts anderes als Anpassung oder Assimilation der Minderheitengruppe bedeutet: Gleichberechtigung kann doch im Ende nicht bedeuten, daß „die Minderheit das Recht hat, sich der Mehrheit anzupassen“ (Gerhard Polt).

    Natürlich kann man argumentieren, daß es egal ist, ob Menschen von ihren gleichen Rechten und Möglichkeiten Gebrauch machen oder nicht, solange Ungerechtigkeiten gegenüber Ungleichheit beseitigt werden. Aber ist – auch das muß gefragt werden – Ungleichbehandlung von Ungleichem von vornherein eine Ungerechtigkeit? Und ist Ungleichheit überhaupt ein Ãœbel, das generell behoben werden muß?

    Jedes Land hat die Regierung, die es verdient, aber meiner Meinung nach gibt es validere Gründe, die FPÖ nicht zu wählen, als ausgerechnet das Thema „EP“. Denn daß bei einer Regierungsbeteiligung der FP die EP beseitigt wird, halte ich für wenig wahrscheinlich. Und nicht deshalb, weil die EP doch eigentlich ein Minderheitenthema ist.

  8. Sicher, die „EP“ gehört mit zu den Kernthemen der Grünen, aber gehört die EP auch zu den Kernthemen der Homosexuellen in Österreich?

    Wieviele Homosexuelle interessieren sich ernsthaft und konkret für eine EP, bzw. sind eine EP eingegangen? 1’410 Menschen waren es 2010, davon 1/3 homosexuelle Frauen. Wenn wir (konsverativ?) einen landesweiten Anteil von 5{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung ausgehen (400’000) dann haben 0,3525{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} aller Homosexuellen im ersten Jahr 2010 von der Möglichkeit der EP Gebrauch gemacht.

    Ich meine, daß das Ergebnis doch zumindest mal eine Tendenz widerspiegelt, ganz abgesehen davon, daß sicherlich auch einige Paare von den teilweise skurril-kafkaesken Regelungen (Wechsel vom Familien- zum Nachnamen usw.) abgeschreckt werden.

    Vielleicht rechne ich nur meine eigene Rezeptionspraxis hoch, aber ich halte die EP (und schließlich auch das Adoptionsrecht) für ein Minderheitenthema innerhalb einer gesamtgesellschaftlichen Minderheit.

    Wollen und brauchen Homosexuelle überhaupt ein eigenes Rechtsinstitut, ein aus bourgoisem Versorgungs- und Anpassungsdenken heraus geborenes Pendant zur Ehe? In wieweit ist homosexuelles Leben nicht auch ein Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft und der Familie als der strukturellen „Keimzelle des Staates“?

    Wer so denkt, gehört sicher nicht zur FPÖ-Klientel, aber auch ohne ideologischen Unterbau gestalten meiner Erfahrung nach die meisten Homosexuellen ihr Leben abseits gesellschaftlicher Institutionen und Korsette.

    Man kann und man sollte darüber streiten, ob „Mainstreaming“, das „Zum-Hauptstrom-Machen“ grundsätzlich für die in den Fokus geratenen Minderheiten nur positive Effekte hat. Vor allem, wenn es zu einem „In-Den-Hauptstrom-Bringen“ mutiert, was ja nichts anderes als Anpassung oder Assimilation der Minderheitengruppe bedeutet: Gleichberechtigung kann doch im Ende nicht bedeuten, daß „die Minderheit das Recht hat, sich der Mehrheit anzupassen“ (Gerhard Polt).

    Natürlich kann man argumentieren, daß es egal ist, ob Menschen von ihren gleichen Rechten und Möglichkeiten Gebrauch machen oder nicht, solange Ungerechtigkeiten gegenüber Ungleichheit beseitigt werden. Aber ist – auch das muß gefragt werden – Ungleichbehandlung von Ungleichem von vornherein eine Ungerechtigkeit? Und ist Ungleichheit überhaupt ein Übel, das generell behoben werden muß?

    Jedes Land hat die Regierung, die es verdient, aber meiner Meinung nach gibt es validere Gründe, die FPÖ nicht zu wählen, als ausgerechnet das Thema „EP“. Denn daß bei einer Regierungsbeteiligung der FP die EP beseitigt wird, halte ich für wenig wahrscheinlich. Und nicht deshalb, weil die EP doch eigentlich ein Minderheitenthema ist.

  9. > Erst wenn die SPÖ ihren Ankündigungen taten folgen lässt, ist die bei diesem Thema wieder glaubwürdig.

    Die SPÖ hat immerhin 2009 das EP möglich gemacht. Nicht perfekt, aber ein wichtiger erster Schritt. Und die SPÖ hat dort, wo sie eine ausreichende Mehrheit hatte (Wien) auch früher schon einiges an Gleichstellungsarbeit geleistet. Dass mehr möglich wäre und dass sie vor allem auf Bundesebene den konservativen Teilen der ÖVP gegenüber mehr Druck machen sollte, ist keine Frage. Aber dagegen, dass die SPÖ hinsichtlich Rechten von Lesben und Schwulen (und Transgenderpersonen) nicht besser ist als die FPÖ, wehre ich mich schon.

  10. > Erst wenn die SPÖ ihren Ankündigungen taten folgen lässt, ist die bei diesem Thema wieder glaubwürdig.

    Die SPÖ hat immerhin 2009 das EP möglich gemacht. Nicht perfekt, aber ein wichtiger erster Schritt. Und die SPÖ hat dort, wo sie eine ausreichende Mehrheit hatte (Wien) auch früher schon einiges an Gleichstellungsarbeit geleistet. Dass mehr möglich wäre und dass sie vor allem auf Bundesebene den konservativen Teilen der ÖVP gegenüber mehr Druck machen sollte, ist keine Frage. Aber dagegen, dass die SPÖ hinsichtlich Rechten von Lesben und Schwulen (und Transgenderpersonen) nicht besser ist als die FPÖ, wehre ich mich schon.

  11. @Joachim:

    So sehr ich deine Ablehnung einer bürgerlichen Konvention namens Ehe nachvollziehen kann, so sehr schreckt mich diese Ideologisierung deines Postings ab, weil sie diejenigen, die eine Ehe (oder EP) eingehen wollen, sagt, dass es eh Quatsch ist. Das ist eine persönliche Meinung, die okay ist, hat aber den Staat nicht zu interessieren, den der muss Rahmenbedingungen für vielfältige Lebenskonzepte gestalten. Und dazu gehören auch – ja meinetwegen bourgoise Lesben und Schwule – die heiraten wollen. Und gesetzliche Ungleichbehandlung ist diskriminierend. Gleichbehandlung ist daher grundsätzlich antidiskriminierend und ein notwendiger erster Schritt.

    Wo ich bei dir bin: Klar sollen und müssen wir die Zukunft solcher Lebensformen immer wieder überprüfen und schauen, ob es nicht neue gesellschaftliche Formen gibt, die ebenso eine rechtliche Basis brauchen – abseits normierter, bürgerlicher Konventionen. Aber das ist doch bitte nicht Aufgabe der lesbisch-schwulen Community! Das betrifft Heteros in gleicher Weise. Diskutieren wir also DAS bitte gesamtgesellschaftlich – egal welche sexuelle Orientierung. Damit das aber ergebnisoffen diskutiert werden kann, muss die Basis sein, dass Lesben und Schwule erstmals gleichgestellt sind. Denn ansonsten begänne man die Diskussion von völlig verschiedenen Blickwinkeln.

    Und im Ãœbrigen: Ich war immer dafür, dass man die Wahlfreiheit hat. Man darf sich gerne gegen EP oder Ehe entschließen. Aber wenn man es muss, weil es keine andere Option gibt: Dagegen bin ich mit größter Leidenschaft. Ich halte dein Posting daher auch für in hohem Maße illiberal, weil sie persönliches Dogma über Vielfalt der Gesellschaft stellt.

  12. @Joachim:

    So sehr ich deine Ablehnung einer bürgerlichen Konvention namens Ehe nachvollziehen kann, so sehr schreckt mich diese Ideologisierung deines Postings ab, weil sie diejenigen, die eine Ehe (oder EP) eingehen wollen, sagt, dass es eh Quatsch ist. Das ist eine persönliche Meinung, die okay ist, hat aber den Staat nicht zu interessieren, den der muss Rahmenbedingungen für vielfältige Lebenskonzepte gestalten. Und dazu gehören auch – ja meinetwegen bourgoise Lesben und Schwule – die heiraten wollen. Und gesetzliche Ungleichbehandlung ist diskriminierend. Gleichbehandlung ist daher grundsätzlich antidiskriminierend und ein notwendiger erster Schritt.

    Wo ich bei dir bin: Klar sollen und müssen wir die Zukunft solcher Lebensformen immer wieder überprüfen und schauen, ob es nicht neue gesellschaftliche Formen gibt, die ebenso eine rechtliche Basis brauchen – abseits normierter, bürgerlicher Konventionen. Aber das ist doch bitte nicht Aufgabe der lesbisch-schwulen Community! Das betrifft Heteros in gleicher Weise. Diskutieren wir also DAS bitte gesamtgesellschaftlich – egal welche sexuelle Orientierung. Damit das aber ergebnisoffen diskutiert werden kann, muss die Basis sein, dass Lesben und Schwule erstmals gleichgestellt sind. Denn ansonsten begänne man die Diskussion von völlig verschiedenen Blickwinkeln.

    Und im Übrigen: Ich war immer dafür, dass man die Wahlfreiheit hat. Man darf sich gerne gegen EP oder Ehe entschließen. Aber wenn man es muss, weil es keine andere Option gibt: Dagegen bin ich mit größter Leidenschaft. Ich halte dein Posting daher auch für in hohem Maße illiberal, weil sie persönliches Dogma über Vielfalt der Gesellschaft stellt.

  13. Irre ich mich, oder identifizierst Du die von mir in Grundzügen referierte Position der „Queer Theory“ als idoelogisch, ja gar dogmatisch? – Was mich wundert, denn Du wolltest ja eine explit „queere“ Sicht (und nicht nur eine schwul-lesbische Sicht) auf das neue FPÖ-Programm bieten.

    „Queer“ heißt ja, die gängigen heteronormativen Muster und Institutionen wie die Ehe grundsätzlich zu kritisieren und zu dekonstruieren. Ehe und Familie sind Begriffe und zivilrechtliche Einrichtungen eben der heteronormativen Gesellschaft, die – wie die FPÖ es exemplarisch macht – auch durc die Geschlechterdichotomie begründet werden.

    Weder „Heterosexuelle“ noch „Homosexuelle“ brauchen nach der Queer Theory ein mit dieser Tradition verbundenes und darauf gegündetes Institut, sondern die Gesellschaft soll alle denkbaren Formen zwischenmenschlicher Partnerschaft fördern (oder – was ja auch denkbar ist – keine).

    Und aus der Sicht der „Queer Theory“ ist die EP keineswegs ein antidiskriminierender Forschritt, sondern im Gegenteil durch die Sonderregelung für gleichgeschlechtliche Paare die Zementierung der bestehenden heteronormativen Ordnung, die die Ehe als die Regel und die EP als die Ausnahme definiert.

    Was ist denn eigentlich aus dem Grünen Projekt „Zivilpakt“ geworden, an dem ich 2004 (?) mitgetan habe, und das als zivilrechtliche Alternative zum Regelwerk „Ehe“ für Menschen jedweder sexueller Orientierung und Lebensweise offenstehend angedacht war?

    Auch wenn ich wie alle Menschen einen Anschauung der Welt (Ideologie) und eine Meinung (doxa) habe, liegt es mir doch fern, anderen Menschen und Gruppen meine eigenen Lebensentwürfe andienen oder sogar überstülpen zu wollen.

    Wenn wir allerdings das FPÖ-Programm kritisieren wollen (und es auch müssen), dann müssen wir auch festhalten, daß angesichts der hohen Scheidungsrate und der niedrigen Geburtenrate in Österreich – auch schon vor Einführung der EP im Jahr 2010 – die „Ehe“ kaum mehr eine stabile Keimzelle unserer Gesellschaft genannt werden kann, ohne die Wirklichkeit komplett auszublenden.

    Das inkludiert auch die Frage nach der Bedeutung der Rechtsinstitute Ehe für Heterosexuelle bzw. EP für Homosexuelle als Antwort auf die Bedürfnisse real gelebter Partnerschaften. Gleichberechtigung gut und schön, aber was nützt der gleichberechtigte Zugang zu einem Institut, das in seiner gegenwärtigen Form für immer weniger Menschen auf Dauer (!) die Bedürfnisse nach rechtlicher Absicherung und Lebensgestaltung bietet? (Wohlgemerkt: Ich spreche nicht von der konfessionell bzw. religiös geschlossenen Ehe, sondern nur von der zivilrechtlichen Seite.)

    Was die FPÖ über „die Ehe“ fabuliert, hat weder etwas mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu tun, geschweige denn mit der „Queer Theory“. Aber auch die anderen Parteien, so auch die Grünen, sollten auf die Tatsache reagieren, daß „die Ehe“ kein Wirtschafts- und Versorgungsinstitut auf Gegenseitigkeit ist, geschlossen zur wechselseitigen ökonomischen Absicherung, sondern in der Regel eine vertragliche Einrichtung auf Zeit ist, geschlossen aus dem flüchtigsten aller Gründe: der Liebe.

    Ich bin nun kein Anhänger der „Queer Theory“, vor allem, weil mir ihr ideologische Ansatz („Gender“ statt „Sex“) eher fremd ist und er in seiner Ausschließlichkeit doch recht dogmatisch vertreten wird. Trotzdem muß ich feststellen, daß die EP als „eigenes Rechtsnstitut für gleichgeschlechtlichen Beziehungen“ nicht nur in seiner jetztigen Form ein Rohrkrepierer ist, sondern gerade, weil es ein „eigenes [!] Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Beziehungen“ ist.

    Es ist nicht verkehrt und verwunderlich, wenn eine Gesellschaft, die wenigstens in ihrer Selbstdefinition kulturell im Christentum wurzelt, dem christlichen Familienbild durch Förderung besondere Vorzüge zukommen lassen will. Problematisch wird es gesamtgesellschaftlich, wenn diese Familien größtenteils diesem Bild real nicht mehr ehtsprechen, also „Ehen“ eingehen und führen, die im Grunde nur noch formaljuristisch eine „Ehe“ sind.

    Auch wenn das Ideal lebenslanger Partnerschaft und ewiger Liebe unsere Kultur unerbittlich in ihren Fängen hält, die Realität sieht doch völlig anders aus. Und darum braucht es keine „Ehe“ für Homosexuelle oder auch kein eigenes Rechtsinstitut, sondern eine zivilrechtlich ausgestaltete Möglichkeit für alle Menschen, ihr gemeinsames Leben in einen wenigstens juristisch absichernden Rahmen stellen zu können.

    Die derzeitige EP mag ja „ned nix“ sein, aber „etwas“ ist sie auch nicht: brauchbar.

  14. Irre ich mich, oder identifizierst Du die von mir in Grundzügen referierte Position der „Queer Theory“ als idoelogisch, ja gar dogmatisch? – Was mich wundert, denn Du wolltest ja eine explit „queere“ Sicht (und nicht nur eine schwul-lesbische Sicht) auf das neue FPÖ-Programm bieten.

    „Queer“ heißt ja, die gängigen heteronormativen Muster und Institutionen wie die Ehe grundsätzlich zu kritisieren und zu dekonstruieren. Ehe und Familie sind Begriffe und zivilrechtliche Einrichtungen eben der heteronormativen Gesellschaft, die – wie die FPÖ es exemplarisch macht – auch durc die Geschlechterdichotomie begründet werden.

    Weder „Heterosexuelle“ noch „Homosexuelle“ brauchen nach der Queer Theory ein mit dieser Tradition verbundenes und darauf gegündetes Institut, sondern die Gesellschaft soll alle denkbaren Formen zwischenmenschlicher Partnerschaft fördern (oder – was ja auch denkbar ist – keine).

    Und aus der Sicht der „Queer Theory“ ist die EP keineswegs ein antidiskriminierender Forschritt, sondern im Gegenteil durch die Sonderregelung für gleichgeschlechtliche Paare die Zementierung der bestehenden heteronormativen Ordnung, die die Ehe als die Regel und die EP als die Ausnahme definiert.

    Was ist denn eigentlich aus dem Grünen Projekt „Zivilpakt“ geworden, an dem ich 2004 (?) mitgetan habe, und das als zivilrechtliche Alternative zum Regelwerk „Ehe“ für Menschen jedweder sexueller Orientierung und Lebensweise offenstehend angedacht war?

    Auch wenn ich wie alle Menschen einen Anschauung der Welt (Ideologie) und eine Meinung (doxa) habe, liegt es mir doch fern, anderen Menschen und Gruppen meine eigenen Lebensentwürfe andienen oder sogar überstülpen zu wollen.

    Wenn wir allerdings das FPÖ-Programm kritisieren wollen (und es auch müssen), dann müssen wir auch festhalten, daß angesichts der hohen Scheidungsrate und der niedrigen Geburtenrate in Österreich – auch schon vor Einführung der EP im Jahr 2010 – die „Ehe“ kaum mehr eine stabile Keimzelle unserer Gesellschaft genannt werden kann, ohne die Wirklichkeit komplett auszublenden.

    Das inkludiert auch die Frage nach der Bedeutung der Rechtsinstitute Ehe für Heterosexuelle bzw. EP für Homosexuelle als Antwort auf die Bedürfnisse real gelebter Partnerschaften. Gleichberechtigung gut und schön, aber was nützt der gleichberechtigte Zugang zu einem Institut, das in seiner gegenwärtigen Form für immer weniger Menschen auf Dauer (!) die Bedürfnisse nach rechtlicher Absicherung und Lebensgestaltung bietet? (Wohlgemerkt: Ich spreche nicht von der konfessionell bzw. religiös geschlossenen Ehe, sondern nur von der zivilrechtlichen Seite.)

    Was die FPÖ über „die Ehe“ fabuliert, hat weder etwas mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu tun, geschweige denn mit der „Queer Theory“. Aber auch die anderen Parteien, so auch die Grünen, sollten auf die Tatsache reagieren, daß „die Ehe“ kein Wirtschafts- und Versorgungsinstitut auf Gegenseitigkeit ist, geschlossen zur wechselseitigen ökonomischen Absicherung, sondern in der Regel eine vertragliche Einrichtung auf Zeit ist, geschlossen aus dem flüchtigsten aller Gründe: der Liebe.

    Ich bin nun kein Anhänger der „Queer Theory“, vor allem, weil mir ihr ideologische Ansatz („Gender“ statt „Sex“) eher fremd ist und er in seiner Ausschließlichkeit doch recht dogmatisch vertreten wird. Trotzdem muß ich feststellen, daß die EP als „eigenes Rechtsnstitut für gleichgeschlechtlichen Beziehungen“ nicht nur in seiner jetztigen Form ein Rohrkrepierer ist, sondern gerade, weil es ein „eigenes [!] Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Beziehungen“ ist.

    Es ist nicht verkehrt und verwunderlich, wenn eine Gesellschaft, die wenigstens in ihrer Selbstdefinition kulturell im Christentum wurzelt, dem christlichen Familienbild durch Förderung besondere Vorzüge zukommen lassen will. Problematisch wird es gesamtgesellschaftlich, wenn diese Familien größtenteils diesem Bild real nicht mehr ehtsprechen, also „Ehen“ eingehen und führen, die im Grunde nur noch formaljuristisch eine „Ehe“ sind.

    Auch wenn das Ideal lebenslanger Partnerschaft und ewiger Liebe unsere Kultur unerbittlich in ihren Fängen hält, die Realität sieht doch völlig anders aus. Und darum braucht es keine „Ehe“ für Homosexuelle oder auch kein eigenes Rechtsinstitut, sondern eine zivilrechtlich ausgestaltete Möglichkeit für alle Menschen, ihr gemeinsames Leben in einen wenigstens juristisch absichernden Rahmen stellen zu können.

    Die derzeitige EP mag ja „ned nix“ sein, aber „etwas“ ist sie auch nicht: brauchbar.

  15. Erstmal: queer theory verwehrt sich grundsätzlich jeder Definition, daher passt ziemlich vieles unter das Dach der queer theory – die Kritik der bürgerlichen Ehe und Familie, aber auch die Subversion von innen. Und: nicht jeder, der „queer“ verwendet, verwendet es im streng philosophischen Sinn, meist ist queer ein Kürzel für schwul-lesbisch-bisexuell-transgender-transsexuell-und-so-weiter.

    @brauchbar: für binationale Paare ist die EP die Grundlage dafür, dass sie überhaupt länger als einen Urlaub lang zusammenleben können. Man kann (und soll) die restriktive Aufenthaltspolitik kritisieren, aber so lange sie existiert, ist die EP für manche Paare wichtig.

    Anderen Paaren erleichtert sie zumindest den Alltag und Krisentituationen (Stichwort: Besuchsrecht im Spital und dgl.).

    Und nicht zuletzt schafft die EP Normalität und Sichtbarkeit. Siehe die Diskussion über die Glückwunschkarten für Verpartnerungen hier http://schreuder.at/2011/06/02/eingetragene-partnerschaften-und-die-marktlucke/

    Eine Arbeitskollegin von mir, die eher konservativ-christlich ist, hat vor kurzem einen Regenbogen für eine Hochzeitstorte gebastelt – das war wohl das erste Mal, dass sie sich bewusst machte, dass ihr aus der Jugendzeit Bekannter schwul ist. Bis dahin waren Schwule nur die sonderbaren Typen im Fernsehen.

  16. Erstmal: queer theory verwehrt sich grundsätzlich jeder Definition, daher passt ziemlich vieles unter das Dach der queer theory – die Kritik der bürgerlichen Ehe und Familie, aber auch die Subversion von innen. Und: nicht jeder, der „queer“ verwendet, verwendet es im streng philosophischen Sinn, meist ist queer ein Kürzel für schwul-lesbisch-bisexuell-transgender-transsexuell-und-so-weiter.

    @brauchbar: für binationale Paare ist die EP die Grundlage dafür, dass sie überhaupt länger als einen Urlaub lang zusammenleben können. Man kann (und soll) die restriktive Aufenthaltspolitik kritisieren, aber so lange sie existiert, ist die EP für manche Paare wichtig.

    Anderen Paaren erleichtert sie zumindest den Alltag und Krisentituationen (Stichwort: Besuchsrecht im Spital und dgl.).

    Und nicht zuletzt schafft die EP Normalität und Sichtbarkeit. Siehe die Diskussion über die Glückwunschkarten für Verpartnerungen hier http://schreuder.at/2011/06/02/eingetragene-partnerschaften-und-die-marktlucke/

    Eine Arbeitskollegin von mir, die eher konservativ-christlich ist, hat vor kurzem einen Regenbogen für eine Hochzeitstorte gebastelt – das war wohl das erste Mal, dass sie sich bewusst machte, dass ihr aus der Jugendzeit Bekannter schwul ist. Bis dahin waren Schwule nur die sonderbaren Typen im Fernsehen.

Schreibe einen Kommentar