Hallo Heterosexuelle. Ich hätte da eine Bitte.

Kaum eine Rechtsmaterie betrifft so viele Personen und ist zeitgleich so unbekannt, wie das über 200 Jahre alte Eherecht, das freilich die eine oder andere Novelle bekam, aber in der Grunddefinition gleich geblieben ist. Und ich spreche da jetzt übrigens einzig und allein von der staatlichen Zivilehe und nicht von einer kirchlichen Trauung! Leider schaut beim Wort „Ehe“ in Österreich immer noch ein Sakrament um die Ecke, auch wenn man sich „nur“ standesamtlich trauen lässt.

Wenn Frau und Mann heiraten gilt das gemeinhin noch immer als Grund zur Freude und für ordentliches Feiern, man denkt an schöne Kleider, fesche Anzüge, wen man einlädt, Kutsche und Party. Das ist auch okay so, denn sowas soll ja auch gebührend gefeiert werden, wenn mann und frau denn mag. Nur wäre es nicht besser, wenn heiratende Menschen auch ein bisschen mehr darüber erfahren würde, auf was sie sich da eigentlich einlassen? Rechtlich gesehen, natürlich.

Mir persönlich geht es wie viele politisch aktive und interessierte Lesben und Schwule, die sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Eherecht auseinandergesetzt haben. Zwangsläufig mussten wir uns damit auseinandersetzen, denn das Partnerschaftsrecht für homosexuelle Paare, das seit vielen Jahren diskutiert wurde – und seit 1.1.2010 auch in Österreich existiert – veranlasste eine ganze Reihe von Aktivist_innen sich die Frage zu stellen: Was passt denn am Eherecht noch und was denn nicht mehr? Immerhin ist das Eingetragene Partnerschaftsgesetz (EPG) ja an das Eherecht angelehnt, wenn auch viele Unterschiede sauer und diskriminierend aufstoßen.

Im Zuge der Diskussionen rund um ein modernes Partnerschaftsrecht für homo- und teilweise auch für heterosexuelle Paare gab es immer wieder grundsätzliche Fragen, die teilweise sehr unterschiedlich beantwortet wurden oder zumindest mit unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert worden sind:

Wenn das Eherecht antiquiert ist, soll man gleichgeschlechtlichen Paaren ein solches antiquiertes Gesetz dann überhaupt zumuten?
Wollen wir diese veralteten Bestimmungen des österreichischen Eherechts überhaupt in einem EPG (oder einem ähnlichen Institut, etwa dem Grünen Konzept eines auch für Heteros offen stehenden Zivilpakts) haben oder soll das EPG eine Avantgarde für ein modernes Partnerschaftsrecht sein? Warum sollen Heterosexuelle das dann eigentlich nicht eingehen können? Und warum sollen dann Lesben und Schwule nicht einfach eine Ehe eingehen können, wenn sie das wollen?
Wollen wir überhaupt, dass es unterschiedliche Rechtsinstitutionen für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare gibt?
Wer soll für ein modernes Partnerschafts- und Eherecht sorgen? Wir Homosexuelle – sozusagen als die Avantgarde der Gesellschaft? Oder ist das nicht eine gemeinsame Aufgabe aller, die auch eine öffentliche Debatte aller bedeuten müsste – inklusive der Heterosexuellen?

Die Antworten waren daher auch sehr unterschiedlich: Pochten einige Vertretungen der lesbisch-schwulen Community auf ein modernes Partnerschaftsrecht für Lesben und Schwule ohne „Altlasten“ des Eherechts, waren Andere wiederum der Meinung, dass ein modernes Partnerschaftsrecht alle Menschen betrifft, und keine rein homosexuelle Frage wäre. Letztere meinten (und ich gehörte und gehöre bekanntermaßen zu dieser Gruppe von Menschen!), dass ein nunmal im Zivilrecht vorkommendes Eherecht, das eine Bevölkerungsgruppe aussperrt, schlicht diskriminierend ist – egal ob es nun ein gutes oder ein schlechtes Gesetz sei. Und wenn man nun parallel ein neues Gesetz für Homosexuelle macht und Unterschiede zum Recht für Heterosexuelle macht, unterstreicht man Unterschiede, die de facto nicht argumentierbar sind. Reformen und Novellierungen sollten demnach für alle gelten – egal ob homo- oder heterosexuell.

Eine der großen Hoffnungen, die ich und andere Aktivist_innen hatten, war, dass sich Heterosexuelle auch im Zuge der Partnerschaftsdebatte einbringen und mal überprüfen, ob sie das Eherecht und Partnerschaftsrecht (im Übrigen auch das Recht für Lebensgemeinschaften ohne Hochzeit!) überhaupt so haben wollen, wie es derzeit der Fall ist.

Das passierte allerdings nicht. Oder zumindest nur kaum. Im Zuge des Diskussion um das Partnerschaftsrecht für Lesben und Schwule, waren zwar viele Heterosexuelle interessiert, solidarisch und bildeten sich eine Meinung. Dass die Debatte sie aber genau so anging wie es Homosexuellen betraf, wurde kaum wahrgenommen. Und das war und ist ein echtes Problem! Für zu viele Menschen war die Debatte eine zwischen Politik einerseits und Lesben und Schwule andererseits zu führende Debatte – und übersahen, dass es sie eigentlich genau so betraf!

Das österreichische Eherecht ist nur auf wenigen Seiten tatsächlich ein Eherecht. Es ist vor allem ein Scheidungsrecht. Denn wie eine Ehe geschieden wird, verbraucht den Großteil der Paragrafen des Gesetzes. Und da gibt es Absurditäten en masse: „Schuldfragen“, die geklärt werden müssen, völlig antiquierte Pflichten (wie etwa gemeinsames Wohnen, was in unserer globalisierten Welt rein arbeitstechnisch nicht immer und überall funktionieren kann, Pflicht zur Mitwirkung im Betrieb des Partners, Scheidungsgrund „ekelerregende Krankheit“, etc.). Alle Bestimmungen aufzuführen, würde zu viel Platz in Anspruch nehmen. Nehmt euch mal die Zeit und lest das Eherecht durch, so wie es zahlreiche Lesben und Schwulen es machten! Ihr werdet staunen!

Jetzt haben wir also zwei verschiedene Rechtsinstitutionen, eine für homosexuelle und eine für heterosexuelle Paare. Das kann doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein!

Liebe Heteros, mischt euch ein bisschen stärker in die Diskussion ein, denn sonst werden wir Lesben und Schwule nie von einem für uns eigens eingesetzten „Ghetto“-Gesetz befreit werden – und werden dann zudem nie mit euch gleichgestellt. Und ich weiß, dass viele Heteros Ungleichbehandlung ebenso albern finden. Gleichzeitig ist das Eherecht ja derzeit immer noch „euer“ Gesetz: Wollt ihr das wirklich so haben, wie es ist? Mit all seinen absurden Bestimmungen, die ausschließlich Scheidungsanwälte freuen und reich machen? Das kann’s doch nicht sein.

Lasst bitte Politiker wie Albert Steinhauser nicht alleine, der sich schon lange für ein modernes Eherecht einsetzt, aber in der öffentlichen Debatte gerne totgeschwiegen wird – von politischen Mitbewerbern ebenso wie von den Medien. Bringt euch ein und fordert eine Modernisierung. Ihr habt mit vielen Lesben und Schwulen jedenfalls Partner und Partnerinnen für diese dringend notwendige Debatte. Ohne Euch werden wir das Partnerschaftsrecht nicht modernisieren können. Das haben die letzten Jahre bewiesen. Zusammen wären wir aber um einiges lauter! Und immerhin ist die Frage eines modernen Partnerschaftsrecht eine Frage, die uns alle angeht.
Weiterführende Links:

Insgesamt gibt es 60 bisher entdeckte Unterschiede zwischen dem heterosexuellen Eherecht und dem homosexuellen Partnerschaftsrecht, wie das Rechtskomitee Lambda hier auflistet.

Das österreichische Eherecht kann hier nachgelesen werden.

Das Gesetz zur Eingetragenen Partnerschaft findet sich hier.

24 Gedanken zu „Hallo Heterosexuelle. Ich hätte da eine Bitte.“

  1. Hallo. Also erstmal: danke für den (notwendigen) Blogpost. Bin da mit Dir völlig d’accord. Ich habe mir mal die Liste mit den Unterschieden angesehen und muss zugeben, dass ich trotz meiner Informationsgeilheit was österr. Politik betrifft, nicht gewusst habe, dass dieses Partnerschaftsrecht in Wirklichkeit eigentlich ein Pseudo-Recht ist. Denn viele der Dinge sind einfach lächerlich bzw. eine Frechheit (z.B. Witwen-pension, Waisenpension für Stiefkinder, die Sache mit dem Nachnamen, usw.).
    Die Frage ist jetzt nur: was kann man tun? Wieweit könnte man denn vorgehen, um dieses Recht zu reformieren und es gleichzeitig auf Homo- als auch Heterosexuelle gleichwertig anzuwenden?

  2. Hallo. Also erstmal: danke für den (notwendigen) Blogpost. Bin da mit Dir völlig d’accord. Ich habe mir mal die Liste mit den Unterschieden angesehen und muss zugeben, dass ich trotz meiner Informationsgeilheit was österr. Politik betrifft, nicht gewusst habe, dass dieses Partnerschaftsrecht in Wirklichkeit eigentlich ein Pseudo-Recht ist. Denn viele der Dinge sind einfach lächerlich bzw. eine Frechheit (z.B. Witwen-pension, Waisenpension für Stiefkinder, die Sache mit dem Nachnamen, usw.).
    Die Frage ist jetzt nur: was kann man tun? Wieweit könnte man denn vorgehen, um dieses Recht zu reformieren und es gleichzeitig auf Homo- als auch Heterosexuelle gleichwertig anzuwenden?

  3. Das ist natürlich eine mehr als berechtigte Kernfrage, Iwona! Ich hoffte damals (im Zuge der Partnerschaftsdebatte), dass ach Heteros sich stärker einsetzen, und die damalige Debatte als Anlass nehmen, überhaupt mal das antiquierte Recht zu reformieren und das lautstark einzufordern. Ich denke, es braucht eine Zivilbewegung aller – Heteros und Homos!

  4. Das ist natürlich eine mehr als berechtigte Kernfrage, Iwona! Ich hoffte damals (im Zuge der Partnerschaftsdebatte), dass ach Heteros sich stärker einsetzen, und die damalige Debatte als Anlass nehmen, überhaupt mal das antiquierte Recht zu reformieren und das lautstark einzufordern. Ich denke, es braucht eine Zivilbewegung aller – Heteros und Homos!

  5. Ich frage mich nur, wie so eine Bewegung aussehen könnte. Verstehe mich nicht falsch, aber als aktive #unibrennt Mit-Aktivistin habe ich gemerkt, dass Demos alleine nichts bringen, hat man ja gesehen. Kann man da denn nicht juristisch vorgehen?

  6. Ich frage mich nur, wie so eine Bewegung aussehen könnte. Verstehe mich nicht falsch, aber als aktive #unibrennt Mit-Aktivistin habe ich gemerkt, dass Demos alleine nichts bringen, hat man ja gesehen. Kann man da denn nicht juristisch vorgehen?

  7. Ich halte die „Institution Ehe“,die ja eigentlich nur den Sinn der Zugewinngemeinschaft mit Nachkommensgenerierung hatte, grundsätzlich für antiquiert und zu hinterfragen. Vielleicht sollte man sich eher gleich ganz davon lösen?

  8. Ich halte die „Institution Ehe“,die ja eigentlich nur den Sinn der Zugewinngemeinschaft mit Nachkommensgenerierung hatte, grundsätzlich für antiquiert und zu hinterfragen. Vielleicht sollte man sich eher gleich ganz davon lösen?

  9. Liebe @linzerschnitte! Da hast du recht. Das würde der katholischen Kirche vermutlich eh gefallen, denn dann gehört die „Ehe“ wieder einzig und allein ihr, während man im Zivilrecht einfach eine Partnerschaftsregelung macht. Aber auch dann bitte: Für alle gleich!

  10. Liebe @linzerschnitte! Da hast du recht. Das würde der katholischen Kirche vermutlich eh gefallen, denn dann gehört die „Ehe“ wieder einzig und allein ihr, während man im Zivilrecht einfach eine Partnerschaftsregelung macht. Aber auch dann bitte: Für alle gleich!

  11. mir fällt allerdings auf, dass einige unterschiede durchaus gut sind und zwar für jemanden der EP eingeht. so ist etwa eine ep zwischen „blutsverwandten“ möglich, es gibt auch kein „treue“ gebot, keine obsorgepflicht für kinder (okay ich weiß, das ergibt sich aus dem diskriminierenden verbot der obsorge), kein verlöbnis, weniger tatbestände bei verschuldungsscheidung usw.

    klar, die negativen unterschiede überwiegen, vor allem wenn es um kinder geht. ein paar sachen wären aber auch durchaus auf die ehe anzuwenden. da bin ich ganz bei dir marco, da müsste längst ein modernes ehe und partnerrecht geschaffen werden.

  12. mir fällt allerdings auf, dass einige unterschiede durchaus gut sind und zwar für jemanden der EP eingeht. so ist etwa eine ep zwischen „blutsverwandten“ möglich, es gibt auch kein „treue“ gebot, keine obsorgepflicht für kinder (okay ich weiß, das ergibt sich aus dem diskriminierenden verbot der obsorge), kein verlöbnis, weniger tatbestände bei verschuldungsscheidung usw.

    klar, die negativen unterschiede überwiegen, vor allem wenn es um kinder geht. ein paar sachen wären aber auch durchaus auf die ehe anzuwenden. da bin ich ganz bei dir marco, da müsste längst ein modernes ehe und partnerrecht geschaffen werden.

  13. also wenns nach mir ginge könnten wir der Kirche den begriff „ehe“ gleich schenken (geschenkt!) bin dafür dass es zivilrechtlich nur mehr eine form der Partnerschaft gibt und dafür würd ich mich auch einsetzen, alles andere ist auf Dauer ohnehin nur beschäftigungstherapie für scheidungs- und trennungsanwälte und Spielwiese für Diskriminierungswillige ÖVPler die die Aufklärung verschlafen haben

  14. also wenns nach mir ginge könnten wir der Kirche den begriff „ehe“ gleich schenken (geschenkt!) bin dafür dass es zivilrechtlich nur mehr eine form der Partnerschaft gibt und dafür würd ich mich auch einsetzen, alles andere ist auf Dauer ohnehin nur beschäftigungstherapie für scheidungs- und trennungsanwälte und Spielwiese für Diskriminierungswillige ÖVPler die die Aufklärung verschlafen haben

  15. Die Homophobie und den Heterosexismus von erstaunlich.at kenne ich mittlerweile zu Genüge. Ich habe nie gesagt, es gäbe unter Homosexuellen kein erhöhtes Risiko. So zu tun, als sei die HIV-Ãœbertragung für Heterosexuelle irrelevant und kein Thema ist fahrlässig, gemeingefährlich und schlicht unwahr.

  16. Die Homophobie und den Heterosexismus von erstaunlich.at kenne ich mittlerweile zu Genüge. Ich habe nie gesagt, es gäbe unter Homosexuellen kein erhöhtes Risiko. So zu tun, als sei die HIV-Übertragung für Heterosexuelle irrelevant und kein Thema ist fahrlässig, gemeingefährlich und schlicht unwahr.

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