Mein Kommentar in der Futurezone: Wie Netzpolitik Korruption bekämpfen kann.

Auf der Technologie-News-Site futurezone.at wurde heute mein Kommentar „Wie Netzpolitik Korruption bekämpfen kann“ veröffentlicht.

Nach all dem Aufdecken der zahlreichen Korruptionsaffären und dem Desaster rund um den U-Ausschuss, ist es meine tiefste Überzeugung, dass es nunmehr dringend an der Zeit ist Hoffnung zu geben: Korruption ist bekämpfbar. Eine saubere Politik möglich. Open Data und Open Government dafür geeignete Maßnahmen.

Appell an die Sozialdemokratie!

Ich kenne sie, viele Grüne kennen sie – und vermutlich die anderen Parteien auch: Die vielen, vielen Sozialdemokraten und -demokratinnen, die kritisch denken. Die wissen und spüren, wo die Probleme in dieser Republik liegen. Und wenn wir Missstände aufzeigen, Verhältnisse kritisieren, Gegenentwürfe präsentieren und Vorschläge einer anderen Politik machen dann zu mir oder anderen Grünen kommen und zuflüstern: „Ihr habt ja so recht“, „Ich kann das leider nicht laut sagen, gottseidank tut ihr das“ oder „ich ärgere mich ja auch über meine eigenen Leut“.

Wir kennen euch. Ihr sitzt in Landtagen, in Gemeinden, seid Bürgermeister_in, Bezirksvorsteher_in, Landeshauptmensch und ihr sitzt im Parlament. Manche von euch sind Schauspieler_innen oder Sänger_innen, die alle paar Jahre wieder Unterstützungskomitees behübschen.

Warum flüstert ihr jetzt noch immer? Warum schweigt ihr öffentlich? Warum sagt ihr nicht laut zu Josef Cap und seinen Getreuen: „Es reicht!“

In diesen Tagen entscheidet sich Wesentliches für diese Republik! Hat die politische Elite dieses Landes die Lehren aus den Korruptionsaffären (die sich schon nicht mehr mit zwei Händen aufzählen lassen) gezogen? Ist die Politik bereit das große Misstrauen zu begegnen und eine neue Politik zu starten, die Missstände aufklären will, und alles tut, damit so etwas nie wieder passiert – und zwar durch Offenheit und Transparenz? Will die Politik Vertrauen wieder herstellen?

Leute in der SPÖ: Es geht um eure Glaubwürdigkeit und eure Zukunftschancen!

Ihr SP-Parlamentarier_innen: Wollt ihr wirklich, dass ein Sommergespräch das Parlament unbedeutend macht – und damit auch eure eigene Arbeit? Nur weil es ein paar Leuten in der SPÖ gerade so recht ist und diese ein Ablenkungsmanöver starten und die anerkannte Nationalrätin Gabi Moser diskreditieren? Wollt ihr wirklich, nachdem so viele Missstände der schwarz-blauen Ära aufgearbeitet wurden, ihr es seid, die Aufklärung stoppen, wenn es um euch geht? Wollt ihr wirklich dafür verantwortlich sein, dass die VP auf irgendein Ehrenkodex hinweist, dabei Unmengen Korruptionsfälle in ihren Reihen hat(te) -aber ihr es seid, die blockieren, abdrehen und nicht mehr aufklären wollen?

Die Leute in diesem Land haben zurecht die Schnauze voll. Da befindet sich Europa in einer veritablen Krise mit Auseinandersetzungen, ob gespart oder investiert werden soll. Jetzt – in diesen Wochen und Monaten – entscheiden sich viele Dinge: Ist die Politik fähig und willens die großen Zukunftsfragen – von Wirtschaftspolitik bis Europapolitik, von Außenpolitik bis Klimawandel, von der digitalen Revolution bis Verteilungsfragen zwischen Arm und Reich – zu begegnen, offen zu diskutieren, ehrlich zu sein, reinen Wein einzuschenken und Szenarien zu entwickeln, wie man diesen Herausforderungen begegnet. Die Menschen wollen genau jetzt eine klare Politik und eine Diskussion darüber. Sie wollen die Politik vertrauen. Sie sind von der Politikverdrossenheit verdrossen! Und da wollt ihr in der Sozialdemokratie das Vertrauen nicht zurück gewinnen, sondern genau das Gegenteil erreichen? Warum?

Bitte, liebe intelligente Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die ihr seit Jahren flüstert, einem heimlich recht geben und die ihr wisst, dass Josef Cap und Co. gerade dabei sind, das Vertrauen in die Politik endgültig zu zerstören: Tut was! Seid laut, hört auf zu flüstern und rettet eure eigene Zukunft! Und die der Republik.

Ein Wiki für die Forschung: Albrecht Dürer und seine Zeit

Bis 2. September zeigt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg die Ausstellung „Der frühe Dürer“. Für die Dürerforschung war und ist das Museum seit vielen Jahren das Zentrum, ist Dürer doch einer der berühmtesten Nürnberger aller Zeiten. Für die Forschung setzt das Museum mittlerweile auch auf interessante Web-Tools.

Dass Albrecht Dürer zu seiner Zeit bereits ein gefeierter Star war ist hinlänglich bekannt. Daran Schuld war auch das Umfeld der im Spätmittelalter reichen Stadt Nürnberg. Inwieweit das Nürnberger Netzwerk an Patriziern, den Organisationen der Stadt, der wissenschaftlichen Neugier der Stadt (man denke an die erste Sternwarte Europas 1471, die „Schedelsche Weltchronik“ 1493, im selben Jahr der Globus von Martin Behaim und natürlich die Taschenuhr von Peter Henlein 1510) eine Rolle spielten: Das war eine Forschungsaufgabe, die neue technologische Möglichkeiten benötigte.

Zahlreiche Forscher_innen hatten Daten, Biografien und Namen erforscht. Diese konnten sie zeit- und ortsunabhängig auf einem Dürer-Wiki eingeben. So gelang es dem Germanischen Nationalmuseum völlig neue Ansätze der Dürer-Forschung zu präsentieren: Wer wohnte wo in Nürnberg? Wer war wie mit wem vernetzt? Wer stiftete wertvolle Kunstwerke an welche Kirche? Wer war mit welchem Nachbar befreundet? Wie waren die Gebäude künstlerisch ausgestattet?

Daraus entstand ein vielschichtes Beziehungsnetzwerk, das auf der Website des GNM bestaunt werden kann. Außerdem kann man dort auch eine alte Ansicht der Stadt Nürnberg aufrufen und herausfinden, wer wo wohnte und mit Mausklick in das Beziehungsnetzwerk eintauchen.

Wikimedia ist wohl ein ausgezeichnetes Tool für die Forschung. Das GNM hat dies bewiesen. Bedauerlich ist lediglich, dass Außenstehende die meisten Forschungsseiten des Wikis – samt Diskussionen – nicht aufrufen können, denn das würde auch ein Riesenfortschritt für die Transparenz von Forschung darstellen. Es wäre ja durchaus interessant zu erfahren, bei welchen Punkten Forscher_innen etwa nicht einer Meinung waren.

Trotzdem zeigt dieses Projekt, wie erfolgreich Social Media auch für die Forschung eingesetzt werden kann.

Wer sich für die Forschung über den jungen Albrecht Dürer interessiert, sei nicht nur die Ausstellung in Nürnberg empfohlen, sondern auch die epoc-Ausgabe 2/2012 empfohlen.

Was die ÖVP von den Tories unterscheidet. Zum Beispiel: Homophobie.

„Ich trete nicht für die gleichgeschlechtliche Ehe ein, obwohl ich ein Konservativer bin. Ich trete für sie ein, gerade weil ich ein Konservativer bin.“ Diese Aussage tätigte nicht irgendein Konservativer, sondern der Premierminister Großbritanniens, David Cameron.

Die österreichischen Konservativen, die ÖVP, schrieben soeben eine Fibel, in der mit apokalyptischen Bedrohungsszenarien ein Rot-Grünes Menetekel an die Wand gemalt wird. Was nicht alles kommt, wenn Rot-Grün kommt. „Chaos und Anarchie“ würde da etwa drohen. Oder „Abtreibung auf Krankenschein“ etc. Wobei ich gegen Letzteres nichts einzuwenden habe, um das hier klar zu sagen.

Wie auch immer: Die Fibel wurde in einer kleinen Auflage gedruckt und ÖVP-Funktionären und -Funktionärinnen in ganz Österreich zugestellt. Die Absicht ist eh klar: Die ÖVP droht 2013 in einer rot-blauen Schlammschlacht unterzugehen, während die Grünen sich in Oberösterreich, Wien, Innsbruck oder Bregenz als konstruktive und erneuernde Kraft beweisen konnten, sich auch trauten auch unpopulärere Maßnahmen zu ergreifen (Parkpickerl!) und sich als korruptionsfrei beweisen konnten, während die ÖVP (und BZÖ und FPÖ) im Korruptionssumpf versinkt.

Daher kann man das Pamphlet auch ironisch betrachten, wie viele User_innen das gestern auf Twitter mit dem Hashtag #fibel und #antifibel machten. Und auch die Reaktionen der Grünen und der SPÖ waren gelassen, ja fast belustigt. Zu Recht.

Aber eines zeigt die Fibel schon: Die ÖVP hat mit Einführung der Eingetragenen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare 2010 versucht das Image einer durch und durch homophoben Partei loszuwerden. Was eh schon schwierig war, nachdem man dem EP-Gesetz zahlreiche Schikanen und unzählige Unterschiede zur Ehe verpasst hat. Man erinnere sich an Bindestrich- und Standesamtsverbot. Trotzdem: Dass ein Partnerschaftsgesetz für Lesben und Schwule überhaupt mit einer ÖVP in der Regierung möglich war, galt eh als Sensation. Das hatte sie den tatsächlich mutigeren ehemaligen Parteichef Josef Pröll zu verdanken. Man denke etwa an die Perspektivengruppe, die es da mal gab. Doch mit Spindelegger kehrte das Ultrakonservative zurück. Und mit ihr blanke Homophobie.

Und man erinnert sich wieder an Spindelegger Aussage 2008, also zwei Jahre bevor es eine Eingetragene Partnerschaft gab. Auf die Frage nämlich, ob Lesben und Schwule denn nicht einfach am Standesamt heiraten sollten, sagte er:
„Nein. Mir wäre eine andere Variante lieber. Weil am Standesamt der Eindruck erweckt wird, es sei eine Ehe. Es ist aber keine Ehe. Und es ist ja so, dass am Standesamt zur schönen Jahreszeit besonders gerne geheiratet wird – das führt automatisch zum Kontakt zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren. Ob das so gut ist, sei dahingestellt.“
Und die aktuelle Fibel zeichnet wieder das düstere Szenario von lesbischen und schwulen Paaren- ja sogar Familien! Pfui! Auf ggg.at wurden die entsprechenden Fibel-Passagen abgedruckt. Darin heißt es zum Beispiel:
„Zudem würde Rot-Grün sofort die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnen und damit die besondere Stellung einer auf Kinder und Familie ausgerichteten Partnerschaft zwischen Mann und Frau untergraben.“
Da haben wir sie wieder: Die homophobe ÖVP, die einerseits ignoriert, dass es längst Familien mit lesbischen und schwulen Eltern oder Elternteilen gibt und die nichts anderes brauchen, als gleiche rechtliche Rahmenbedingungen wie andere Familien auch. Es geht gar nicht darum, ob man nun Regenbogenfamilien gut oder schlecht findet (wir wissen eh alle, dass viele in der ÖVP das schlecht finden), sondern um Fairness und Gerechtigkeit: Heterosexuelle Familien werden priviligienartig beschützt, andere Familienformen wird mitgeteilt: Ihr seid nichts wert. Ihnen wird sogar der Familien-Status aberkannt.

Und nicht nur das! Die ÖVP lügt schamlos in ihrem Anti-Rot-Grün-Pamphlet. Zum Beispiel heißt es:
„Rot-Grün will die Adoption für Homosexuelle ermölichen – so wie es in der Stadt Wien schon gemacht wird“
Die Stadt Wien kann gar keine Adoptionen ermöglichen, denn das ist immer noch Bundesmaterie. Das einzige, das die Stadt Wien machen kann, ist Pflegekindern, die es bitter nötig haben, einen schönen, sicheren, liebevollen Platz zu sichern. Auch bei Lesben und Schwulen. Das ist aber keine Adoption. Die ÖVP lügt schamlos! Sie lügt schamlos, um gegen Lesben und Schwule zu hetzen. Anders ist das nicht interpretierbar.

In weiteren Passagen wird auch vor einem rot-grünen Fortpflanzungsmedizinrecht gewarnt. Und der – geradezu ironische – Höhepunkt ist wohl der Satz:
„Während die Familienpartei ÖVP das Wohl des Kindes – das Vater und Mutter braucht – in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen rückt, möchte Rot-Grün nur ihre Ideologie durchsetzen“
Also wer möchte hier Ideologien durchsetzen, ÖVP? Das seid ja wohl ihr! Und in eurer homophoben Ideologie unterscheidet ihr euch kaum noch von der Hetze der Freiheitlichen. Das ist einer angeblich staatstragenden Partei schlicht und ergreifend unwürdig, undemokratisch, unmenschlich und verabscheuungswürdig.

Wenn ihr ein Beispiel haben wollt, wie man auch als Konservativer zu Lesben und Schwulen stehen kann, sei euch diese Parteitagsrede (!) von David Cameron ans Herz gelegt. Und im Grunde hat der britische Premier ja recht, denn die Ehe ist an und für sich ein konservatives Thema. Über Familien, Zusammenleben usw. gibt es noch viel auseinanderzusetzen. Es auf den Rücken von Lesben und Schwulen auszutragen ist aber einfach widerlich.

Warum ich im Bundesrat einen Israel-Antrag als Einziger ablehnte.

Gestern war ich im Bundesrat ein bisschen einsam. Ich stimmte als Einziger gegen einen Antrag, den Sie hier nachlesen können. Ich kann in diesem Fall aber ganz gut damit leben.

Hintergrund:

Israel hat mehrere palästinensische Abgeordnete verhaftet. Und zwar in Verwaltungshaft. Verwaltungshaft ist ein Mittel, das mir auch nicht gefällt und in vielen Staaten der Welt angewandt wird – vor allem in Ausnahmesituationen und bei Gefahr für die Sicherheit, etwa bei Gefahr von Terroranschlägen. Es sei angemerkt, dass vor kurzem wieder über 150 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel regneten.

Unter anderem wird die Verwaltungshaft übrigens in Großbritannien, den USA, Irland oder Australien eingesetzt. Leider wird diese Form auch sehr oft gegen Asylwerber_innen eingesetzt. Die Verwaltungshaft gibt es auch in den palästinensischen Autonomiegebieten, wie Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner in seinem Redebeitrag erwähnte! Was ich mehr als bemerkenswert finde.

Die Probleme:

Und hier ist auch eines der Kernprobleme des Antrags, wie ich meine: Warum richtet sich der Antrag nur gegen die israelische Form und nicht gegen eine weltweite Ächtung? Und warum – wenn man schon den Nahostkonflikt in den Mittelpunkt rücken möchte – nicht auch gegen die Verwaltungshaft der palästinensischen Autoritäten? Oder warum richtet sich der Antrag nicht auch gegen Exekutionen angeblicher „Kollaborateure“ Israels in Gaza? (Als Kollaborateure werden übrigens auch oft schwule palästinensische Männer verhaftet, wenn sie etwa Kontakt zu lesbisch-schwulen Selbsthilfegruppen oder NGOs in Israel hatten – siehe Artikel hier).

Zweites Problem: Die meisten Gefangenen sind von der Hamas. Und die Hamas als friedliche und „normale“ Partei darzustellen halte ich für äußerst problematisch. Dazu mehr in meiner Rede weiter unten.

Daher war mir der Antrag zu einseitig. Ich war der Einzige, der das so sah. Mir war es aber wichtig, das im Bundesrat trotzdem zu thematisieren, weil es sonst keiner gemacht hätte. Und tatsächlich: Mein Redebeitrag war der Erste zum Thema (von insgesamt sechs), und somit konnte ich immerhin eines erreichen: Eine differenzierte Debatte zum Thema ohne das übliche einseitige Bashing. Genau das wollte ich erreichen!

Gelebte Demokratie:

Mein Kollege Efgani Dönmez, den ich bekanntermaßen enorm schätze, kam zu einer anderen Schlussfolgerung und unterstützte den Antrag. Wir haben darüber geredet, debattiert – mit großer Wertschätzung – und meinten, dass es gut ist, dass Themen auch innerhalb der Grünen mal kontroverser diskutiert werden. Er ist – und das weiß jeder, der ihn kennt – ein tapferer Kämpfer gegen Extremismus und somit auch Islamismus. Aber in diesem Fall fand er den Antrag richtig.

Ich jedenfalls bin froh Mitglied einer Partei zu sein, wo sich Meinungen auch mal trennen können und wir diese unterschiedliche Sichtweisen auch transparent machen. Woanders wäre ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete wohl einfach rausgegangen und hätte weder Hand gehoben noch dazu gesprochen. Das ist leider üblicher, als man denkt!

Ich finde: Eine Demokratie hat auch Debatten verdient und dazu gehört auch verschiedene Perspektiven einnehmen wie in diesem Fall. Ganz egal um welchen Verhandlungsgegenstand es geht. Politik ist nicht nur schwarz/weiß, sondern hat viele Graustufen dazwischen. Daher danke ich Efgani ganz herzlich. Es war eine feine Diskussion – und die Freundschaft bleibt.

Sobald ich die Rede von Efgani Dönmez habe, werde ich sie hier auch platzieren. Die Reden der Anderen werde ich verlinken sobald sie auf der Parlaments-Website zu finden sind.

Die Rede im Bundesrat im Wortlaut:

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich habe mir diesen Antrag ziemlich lange und genau durchgelesen, und ich glaube, ich bin wahrscheinlich – oder vermutlich – heute das einzige Mitglied in diesem Bundesrat, das diesen Antrag nicht unterstützen kann. Ich möchte schon auch kurz in aller Seriosität erklären, warum ich – auch als einziger der Grünen hier in diesem Hause – diesen Antrag nicht unterstützen kann, auch wenn es mir nicht leicht fällt.

Als ich vor einigen Jahren in Jerusalem war, habe ich einen Familienvater kennengelernt mit damals zwei Töchtern – es werden heute hoffentlich auch noch zwei Töchter sein. Die Töchter waren damals neun und zehn Jahre alt, und der Familienvater hat mir erzählt, dass er seine zwei Töchter immer mit zwei verschiedenen Schulbussen in dieselbe Schule schickt. – Ich glaube, besser kann man die Situation, wie Menschen in Israel leben müssen, nicht beschreiben.

Das war natürlich in einer Zeit, in der es Terroranschläge noch in einem erhöhten Ausmaß gab. Ich kann mich erinnern, ich war damals auch in Tel Aviv und war dort in einer Diskothek – das ist eine ganz gute Stadt, auch einmal zum Ausgehen –, und eine Woche später sehe ich dann dieselbe Diskothek in den Nachrichten, weil junge Menschen, die dort in der Schlange gestanden sind, in die Luft gesprengt worden sind.

Gleichzeitig wird in diesem Antrag die Administrativhaft kritisiert, die Israel über palästinensische Abgeordnete verhängt hat. Ich will diese Art von Verhaftung jetzt hier nicht gutheißen, damit ich hier nicht missverstanden werde (Ruf bei der ÖVP: Sehr gut!) – damit ich hier nicht missverstanden werde –, allerdings halte ich es in einer außenpolitischen Diskussion, wenn es um den Nahen Osten geht, für ausgesprochen wichtig, vor allem, wenn man beispielsweise auch Menschenrechte in diesem Antrag als Begründung einfügt, dass man dann genauer hinschaut und Menschenrechte eben auch wirklich universell begreift.

Es sind die verhafteten Abgeordneten nicht Abgeordnete einer demokratischen, friedlichen Partei, es sind Abgeordnete der Hamas. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man das hier auch festhält. Die Hamas hat 2006 (Ruf bei der ÖVP: Aber demokratisch gewählt!) – ja tatsächlich – in einer demokratische Wahl die Wahlen im Gazastreifen gewonnen und hat 2007 in einem Bürgerkrieg gegen die Fatah die Macht im Gazastreifen übernommen.

Jetzt kann man darüber diskutieren, ob das demokratisch ist, und dann kann man darüber nachdenken, ob die Charta der Hamas, also quasi das Parteistatut, unseren Menschenrechten entspricht. Ich zitiere aus der Charta der Hamas; Artikel 7 der Hamas-Charta:

„Der Prophet – Andacht und Frieden Allahs sei mit ihm, – erklärte: Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten; bevor sich nicht die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, welche ausrufen: Oh Muslim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt; komm und töte ihn!“

Aus Artikel 13 der Hamas-Charta:

„Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung. Denn auf irgendeinen Teil Palästinas zu verzichten bedeutet, auf einen Teil der Religion zu verzichten; der Nationalismus der Islamischen Widerstandsbewegung ist Bestandteil ihres Glaubens. Für die Palästina-Frage gibt es keine andere Lösung als den Djihad. Die Initiativen, Vorschläge und Internationalen Konferenzen sind reine Zeitverschwendung und eine Praxis der Sinnlosigkeit.“

Das steht in der Charta der Hamas. Und außerdem finden sich in der Charta der Hamas immer noch die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion. Die Protokolle der Weisen von Zion sind ein antisemitisches Pamphlet, das im frühen 20. Jahrhundert im damaligen zaristischen Russland geschrieben worden ist, von dem längst bewiesen ist, dass es eine Fälschung ist, und diese werden nach wie vor leider auch im Gazastreifen gedruckt und verkauft und sind nichts anderes als pure antisemitische Hetze.

Jetzt kann man sagen, Israel geht nicht gut mit den Arabern um. – Das kann man sagen. Kann man sagen, dass man deswegen Israel einseitig verurteilen muss, oder kann man in einem Antrag, der einerseits Israel kritisiert, nicht auch sagen, dass man auch gleichzeitig die Hamas zum Beispiel auffordert, den Staat Israel anzuerkennen, sein Existenzrecht überhaupt einmal anzuerkennen? – Diese Fragen stelle ich mir.

Und deshalb halte ich einen Antrag, der einseitig ist, in diesem Fall für falsch. Ich halte es für falsch, auch wenn ich der Einzige in diesem Haus sein mag – vielleicht ändert sich das ja jetzt, ich weiß es nicht (Bundesrat Mag. Klug: Eher nicht!) –, ich halte es also für falsch, dass wir als Mitglieder des Bundesrates die antisemitische und gewalttätige Hamas verteidigen (Bundesrätin Mag. Duzdar: Das ist nicht der Antrag!), denn so würde es interpretiert werden (Bundesrätin Mag. Duzdar: Das interpretieren Sie!), solange nicht alle Facetten der Menschenrechte in der gesamten Region berücksichtigt werden.

Und jetzt erlauben Sie mir, auch als offen schwul lebender Mann, hier einen Satz zu sagen. Wenn wir Menschenrechte universell begreifen, dann schaue ich mir gerne auch die Menschenrechte – zum Beispiel Frauenrechte, das sind auch Menschenrechte, oder Lesben- und Schwulenrechte – an und dann stelle ich fest, dass es in Israel ein Antidiskriminierungsgesetz gibt, Schutz gibt, eine Gay-Pride-Parade gibt – auch umstritten, aber gut, das ist ja nicht anders als hierzulande, wenn in Tel Aviv die Lesben und Schwulen auf eine Parade gehen –, die Schwulen und Lesben in den palästinensischen Gebieten aber wohin fliehen? – Nach Israel, weil es der einzige sichere Hafen für sie ist!

Deswegen sage ich: Achtung! Wenn wir schon Menschenrechte als Argument verwenden, dann beachten wir bitte die Menschenrechte als universelles Thema und verurteilen hier nicht einseitig. Und wenn wir schon – und ich halte das für richtig – hier in diesem Haus über Außenpolitik sprechen, dann finde ich es schon bemerkenswert, dass wir in einer Zeit, in der wir eigentlich über Syrien sprechen müssten, über Israel reden. (Bundesrat Mag. Klug: Es kann sich jeder einbringen!)

Und ich bin sehr traurig darüber, dass die Außenpolitik Österreichs nicht mehr so konsequent ist, wie sie es einmal war. Als im Iran Salman Rushdie durch eine Fatwa verfolgt worden ist, war es damals Rudolf Scholten, liebe Sozialdemokratie, der für Schutz und für ein Versteck gesorgt hat. Jetzt gibt es wieder eine Fatwa im Iran gegen Shahin Najafi, einen Rapper. Eigentlich könnte doch Österreich dasselbe wieder tun, aber wir tun es nicht mehr. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Macht es ja!) Und ich frage mich, warum wir mittlerweile so einseitig geworden sind in dieser Wahrnehmung.

Und ich empfinde auch die mediale – ich mache jetzt auch Medienkritik, ich gebe es zu –, ich empfinde also auch die mediale Berichterstattung über den Nahostkonflikt in diesem Land zu einem erheblichen Teil einseitig. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Wieso?)

Wenn 150 Raketen auf Südisrael niederregnen, so wie in den letzten Tagen, erfahren wir darüber in unseren Medien nichts. Wenn dann das israelische Militär eine Aktion dagegen ausführt, wird ganz groß in den Medien berichtet (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), dass Israel jetzt wieder eine Attacke gegen Gaza durchführt. Ich halte das für eine Einseitigkeit, ich halte das für eine einseitige Sicht, mit der ich zunehmend ein Problem habe. Und ich bitte um Verständnis, ich kann diesem Antrag, auch wenn er inhaltlich in vielen Punkten stimmen mag, nicht zustimmen.

Nebenbei bemerkt, zur Administrativhaft: Wir könnten hier auch eine Resolution machen, dass wir die Administrativhaft generell ablehnen – dann würde ich sogar zustimmen –, dann würden wir die Administrativhaft ablehnen, die es zum Beispiel in Großbritannien gibt, in den USA, in Australien oder in Irland. In Australien und in Irland wird diese Administrativhaft übrigens sogar gegen Asylwerber und Asylwerberinnen eingesetzt. Das halte ich für mindestens genauso verachtenswert wie alles andere. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

(Update 2.7.2012, 14:30 Uhr)

Und hier die Rede von Efgani Dönmez:

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diesem Entschließungsantrag ist eine sehr intensive und von Wertschätzung geprägte und getragene parteiinterne Diskussion vorausgegangen. Und das ist auch eine Stärke unserer Partei, dass wir, obwohl wir, Kollege Schreuder und ich, uns für die gleiche Partei engagieren, nebeneinander sitzen und in vielen Bereichen kein Blatt zwischen uns passt, in gewissen Punkten doch auch verschiedene Meinungen haben können und dürfen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und entspricht auch einer politischen Kultur, die, so glaube ich, fast nur bei den Grünen anzutreffen ist. (Beifall bei den Grünen. – Die Bundesrätinnen Grimling und Mag. Neuwirth: Na, na!)

Zum Entschließungsantrag: Ich möchte Kollegin Duzdar recht herzlich danken, dass sie die Initiative ergriffen hat, denn auch für mich ist es ein ganz, ganz wichtiger Punkt, und zwar darum, weil es in diesem Antrag um Menschen geht, die in Verwaltungshaft angehalten werden, insbesondere um Abgeordnete. Mir ist es ehrlich gesagt egal, von wem wem gegenüber Unrecht begangen wird. Man darf und muss das thematisieren dürfen, ohne dass man in ein bestimmtes Eck gestellt wird, ob es einem gefällt oder auch nicht.

Wenn Menschen ohne Anklage, ohne nachvollziehbare Gründe bis zu sechs Monate in Verwaltungshaft angehalten werden oder sogar über diesen Zeitraum hinaus, und wenn diese Haft nicht einmal von einem Gericht, sondern von einem Militärgericht verhängt wird, dann ist das ein Vorenthalten von Grundrechten, von Grundrechten, die meiner persönlichen Überzeugung nach universal gültige Grundrechte für alle sind, unabhängig davon, ob es sich um Menschen handelt, die einer bestimmen Ideologie anhängen oder einer bestimmten religiösen Gruppierung angehören oder nicht. Diese Grundrechte sind universal gültige Menschenrechte und Grundrechte und haben für alle Gültigkeit, egal, ob es sich um Menschen einer politischen oder religiösen Strömung handelt, die einem sympathisch sind oder auch nicht.

Mich persönlich braucht diesbezüglich wirklich niemand in ein bestimmtes Eck zu stellen, denn jeder von Ihnen/von euch, der auch nur oberflächlich meine Arbeit verfolgt, weiß, welchen Zugang ich zu Islamisten und zu Extremisten habe. Das möchte ich hier auch klarstellen und festhalten.

Dieser Antrag ist nicht gegen etwas, richtet sich nicht gegen Israel oder was auch immer, sondern es ist ein Eintreten für die Rechte von Menschen, welche unrechtmäßig behandelt werden. Nicht weniger und auch nicht mehr! Und dazu stehe ich, und dazu stehen wir alle, und das ist gut und schön so.

Dass wir in unserer Partei auch unterschiedliche Meinungen haben können und dürfen, stellt für mich auch einen sehr großen Wert dar. Es ist für mich auch kein Widerspruch, dass Kollege Schreuder kontra und ich pro stimmen werde. Ich stehe zu diesem Antrag, und ich danke allen, die diesen Antrag unterstützt haben, insbesondere Kollegin Duzdar. – Danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 

Innsbruck: Mitten im Wahlkampf Koalition verhandeln.

Am 15. April wählte Innsbruck einen neuen Gemeinderat. Das Ergebnis überraschte viele. Die ÖVP konnte besser abschneiden als erwartet, zauberte sie doch mit Christoph Platzgummer zwei Wochen vor der Wahl plötzlich einen neuen Spitzenkandidaten messiasgleich aus dem Hut. Dazu noch einen Kandidaten, der von der früheren und unvergessenen Bürgermeisterin Hilde Zach aus dem Amt des Vizebürgermeisters entfernt wurde. Finanzielle Unregelmäßigkeiten der Euro 2008-Aktivitäten in der Tiroler Hauptstadt, für die Platzgummer verantwortlich war, waren der Grund. Doch 2012 scheint das vergessen zu sein. Die ÖVP wurde knapp stärkste Kraft.

Jedoch sitzt die ÖVP im Gemeinderat zwei fast gleich starken Fraktionen gegenüber. „Für Innsbruck“ mit der Farbe Gelb heißt die bürgerliche ÖVP-Abspaltung, die mit Herwig Van Staa und Hilde Zach seit 1994 den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin stellt. Die amtierende Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörrer erhielt mehr Stimmen als Bürgermeisterkandidatin, ihre Fraktion blieb aber knapp unter dem Ergebnis der ÖVP. In Mandaten (9) ist man aber gleich starke Kraft.

Und dann sind da noch die Grünen, die mit etwas über 19{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} ein hervorragendes Ergebnis erreichten. Sie sind mit 8 Mandaten im Gemeinderat vertreten und werden 2 Stadträt_innen stellen. Auch das eine Eigenart in Innsbruck: Die Gemeinderatswahl legt auch die Stadtregierungsmitglieder fest (insgesamt 7, möglicherweise werden es zukünftig 9). Diese sind zur Zusammenarbeit also quasi verpflichtet: 2 ÖVP, 2 FI, 2 Grüne und 1 SPÖ.

Apropos SPÖ: Sie war die große Wahlverliererin und ist seit dem mit internen Konflikten und Spaltungstendenzen konfrontiert. Und Spaltungen sind in Innsbruck (aber auch in Tirol, man denke etwa an die Liste Dinkhauser) keine Seltenheit: Die FPÖ spaltete sich einst und neben der Mutterpartei, die bei der Wahl 2012 mit Marokkaner-Plakate weltweit für Aufsehen sorgte und bei der Wahl enttäuschte, gibt es da auch noch Rudi Federspiel, der eine eigene Liste anführt. Und die Piraten konnte einen Sitz erobern. Die Innsbrucker Parteienvielfalt fällt einem Außenstehenden sofort ins Auge.

Da Innsbruck erstmals eine Bürgermeister_innen-Direktwahl hat, treten nunmehr das amtierende Stadtoberhaupt Christine Oppitz-Plörrer und Christoph Platzgummer in einer Stichwahl nochmal gegeneinander an. Am 29.4. wird gewählt.

Grüne Regierungsverhandlungen

Vor einigen Wochen erreichte mich ein Anruf aus Innsbruck: Ob ich denn Interesse hätte, den Innsbrucker Grünen bei den Regierungsverhandlungen als so genannten Notetaker zu begleiten. Ich hätte ja Verhandlungserfahrung aus Wien. Meine Aufgaben wären u.a.: Bei den Verhandlungen dabei sein, Strategien anderer herausfinden und bei den Grünen Strategien mit entwickeln, Atmosphäre, Stimmung und wichtige Botschaften notieren, die Basis informieren, damit alle schnell und gut informiert sind, usw. Ich musste nicht lange nachdenken. Ich sagte rasch zu. Denn Grüne Regierungsbeteiligungen halte ich für eine gute und unterstützenswerte Sache. Und man kann immer dazu lernen.

Als ich nach Innsbruck kam war ich begeistert: Eine motivierte Grüne Partei – mit erfahrenen Lokalpolitiker_innen und mit starken, frischen und jungen Kräften, hatte jahrelang Konzepte entwickelt, wusste was sie wollte und war nun endlich bereit, was 2006 nur knapp scheiterte: Regierungsverantwortung zu übernehmen!

Womit aber vor dem Aus-dem-Hut-Zaubern von Platzgummer niemand rechnete war, dass 2 Wochen nach der Gemeinderatswahl noch immer ein Wahlkampf das Geschehen dominierte. Eine zwischen FI und VP.

Also mussten die Grünen neue Stategien überlegen, denn es gab gleich einige Probleme: Die SPÖ wollte vor der Stichwahl gar nicht verhandeln und war mit sich selbst beschäftigt. Die ÖVP empfing uns zwar zu Gesprächen, in denen wir ihre Konzepte als Referat hören durften, aber inhaltliche Verhandlungen nicht möglich waren und auch gar nicht gewollt waren. Lediglich die Liste „Für Innsbruck“ mit der amtierenden Bürgermeisterin Oppitz-Plörrer war interessiert und setzte sich mit den Grünen einige Male an einem Tisch und man konnte sich auf 5 Eckpunkte einer zukünftigen Koalition einigen.

Auffällig für mich als Notetaker: Die Grünen waren auch die einzige gut organisierte Partei bei all den Verhandlungen. Die Partei also, die gerne immer noch als „Chaotenhaufen“ bezeichnet wird, war das Gegenteil davon.

Verhandlungen mitten in einem Wahlkampf

Freilich waren die Verhandlungen nicht so, wie sie sonst über die Bühne gehen. Denn beide Parteien (FI und Grüne) hatten äußerst unterschiedliche Rahmenbedingungen: Die eine Partei stand noch mitten im Wahlkampf und hatte neben inhaltliche auch strategische Überlegungen anzustellen und Hunderte andere Wahlkampftermine. Die Grünen wiederum wollten ihren Wähler_innen klar machen, was sie bei der Bürgermeister_innen-Stichwahl zu erwarten haben. Denn für Grüne gäbe es ohne Inhalte keinen Grund überhaupt zur Stichwahl zu gehen! Die ÖVP übersah dieses Problem und schielten lieber nach rechten und rechtsextremen Stimmen, während Oppitz-Plörrer ihre Chance darin sah, sich als kommunale Sachpolitikerin „der Mitte“ zu positionieren.

Und so eigenartig es klingen mag: Plötzlich traten zwei bürgerliche Kandidat_innen gegeneinander an – und trotzdem wurde es ein Lagerwahlkampf Mitte-Links-Grün-Bürgerlich/liberal versus Konservativ-Rechts-Rechtsextrem.

Die amtierende Bürgermeisterin deklarierte sich jedenfalls am vergangenen Donnerstag: Der Koalitionspakt zwischen FI und Grüne wurde der Öffentlichkeit präsentiert. Für Grün-Wähler und -Wählerinnen gibt es also plötzlich doch einen mehr als guten Grund am Sonntag zur Stichwahl zu gehen. Und für alle, die ein weltoffenes Innsbruck wollen, auch.

Das Interessante daran zudem: Auch wenn die ÖVP, die ja in Prozenten stärkste Fraktion ist, am Sonntag auch den zukünftigen Bürgermeister stellen sollte: Sie kann an Grün und Gelb nicht vorbei. Ihre Weigerung inhaltliche Verhandlungen führen zu wollen, rächt sich. Die VP beließ es bei Sprechblasen und Unverbindlichkeiten, während Oppitz-Plörrer den gelb-grünen Weg bis 2018 klar vorzeichnete und den Wähler_innen reinen Wein einschenkt. Die ÖVP kann sich auch als Siegerin nur noch dazu setzen.

Wäre ich übrigens Innsbrucker, würde ich nicht aus Begeisterung, sondern aus schlichter Notwendigkeit Christine Oppitz-Plörrer wählen.

Google startet Google Art Project.

Google startete heute zeitgleich in vielen Museen rund um den Erdball, darunter auch im Kunsthistorischen Museum Wien, das erweiterte Projekt des Konzerns: Das Google Art Project. Mit 151 Museen und 30.000 Kunstwerken.

User und Userinnen haben die Möglichkeit Kunst und Museen zu erforschen, und zwar daheim vor dem Bildschirm aus. Man hat zunächst einmal die Wahl welches Kunstwerk, welches Museum oder welchen Künstler/welche Künstlerin man sich anschauen will. So kann man etwa durch ein Museum wandern (und wahlweise auch eine Diaschau starten) oder sich Kunstwerke einer einzigen kunstschaffenden Person der Kunstgeschichte zu Gemüte führen.

Beispiel: Bacchus von Caravaggio

Ich wählte aus dem umfangreichen Google Art Project-Katalog Caravaggio, einfach weil er einer der faszinierendsten Künstler seiner Zeit war und ich sein Werk liebe! Die Suche nach einem Künstler oder einer Künstlerin geht entweder durch Direkteingabe des Namens im Suchfeld, man kann aber auch alle Künstler_innen von A-Z durchblättern und dann eine_n auswählen. Für Museen gilt das gleiche Prinzip! Museen lassen sich freilich auch nach Länder anzeigen. So sind etwa bislang drei österreichische Museen vertreten (KHM, Albertina und das Leopold Museum).

Nach der Suche nach Caravaggio erhalte ich einen Überblick über sein Werk (alle Screenshot durch Klick vergrößerbar):

Ich wähle nun seinen berühmten „Bacchus“ (ca. 1595) aus den wunderbaren Uffizien in Florenz. Ein Klick und das Bild füllt meinen Bildschirm aus:

Nun kann ich das Bild erforschen. Rechts unten erscheint durch Mouseover ein Miniaturbild. Dort kann ich Größen verändern und mir Details anschauen. Das sieht dann so aus:

Nachdem ich dort die Größenangaben verändert habe (durch ziehen von minus nach plus), kann ich auch das Bild direkt verschieben und mir so genau Details ansehen:

Durch einen Klick oben auf „Details“ erhalte ich mehr Information zum Gemälde. Allerdings – und das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen – fehlt die Größenangabe des Bildes! In diesem Fall wären es 95 cm x 85 cm. Ich hoffe Google wird das noch reparieren, denn Größenangaben sind sehr wichtig, um ein Kunstwerk einschätzen zu können, das man noch nie im Original gesehen hat – ist es Miniatur oder ein Monumentalwerk? Keine unwichtige Kleinigkeit und ein grober Fehler vom Google Art Project.

So sieht dann die Detailansicht aus:

Zudem kann ich mir durch Klick auf Floormap (eine kleines gelbes Männchen neben der Detailansicht) auch die Museumsansicht ansehen. Und schon stehe ich mitten im Museum und kann – wie von Google Street View bekannt – durch das Museum wandern, ein anderes Kunstwerk entdecken und mich dann mit diesem Werk beschäftigen:

Neben diesen Möglichkeiten kann man die gewählten Werke auch teilen, in einer eigenen Galerie abspeichern, Galerie-Ordner einrichten, auf Facebook, Google+ oder anders teilen, und vieles mehr! Allerdings: Google-Account ist für alle Features notwendig!

Fazit

Prinzipiell ist Google Art Project wirklich gelungen. Eine hervorragende Art sich mit Kunst zu beschäftigen. Zudem macht es ungeheure Lust wieder ein Museum zu besuchen. Die fehlenden Größenangaben sind aber eigentlich nicht zu entschuldigen und wird hoffentlich bald nachgereicht, denn diese Lücke ist einfach zu groß.

Man kann sich zudem natürlich fragen, ob es sinnvoll ist Kunstvermittlung nur über einen großen Megakonzern stattfinden zu lassen. Ich sehe das aber recht gelassen, denn Kunstvermittlung fand schon immer durch Firmen statt, seien es Kunstbücher, Puzzles, Posters, Repros oder andere Möglichkeiten. Google macht halt das, was es am besten kann: Vernetzen, weltweit agieren und es user_innenfreundlich gestalten. Ich finde das gut! Und es mindert nicht andere digitale Sammlungen, die es schon länger gibt.

Zudem kann man sich auch fragen, ob solche Projekte nicht vom Museumsbesuch eher abhalten, als es zu unterstützen. Aber auch hier: Solche Projekte werden sogar zu einem Museumsbesuch anregen. Dazu gibt es – wie auf Twitter vermittelt wurde – auch Untersuchungen und Studien, die ich aber im Moment hier nicht verlinken kann (wenn jemand Links weiß, dann gerne unten posten!) und daher nicht genau weiß, ob es stimmt. Das ahne ich jetzt nur.

Ich glaube, alles in allem ist Google etwas wirklich schönes gelungen, das vermutlich viele Anhänger_innen finden wird. Probiert es doch einfach mal aus:

googleartproject.com

Diskutieren wir bitte Heteronormativität.

Als die Turbulenzen rund um das Café Rosa medial ausgeschlachtet wurden, verschob sich der Fokus und die Kritik schnell auf die vielen „Anti-„-Grundsätze, die der Freiraum für Studentinnen und Studenten in seinen Statuten geschrieben hat. Unter anderem steht da anti-heteronormativ. Was etwa den Kurier-Leitartikler Peter Rabl dazu veranlasste von „Anti-Gestammel“ zu twittern. Oder Hans Rauscher im Standard so. Kommentator_innen war es vor allem der Begriff „anti-heteronormativ“, der sauer aufstieß. Auch unter aufgeklärten Menschen.

Zugegeben: Man kann darüber diskutieren, ob viele „Anti-“ Bezeichnungen klug sind, und ob nicht positive Begriffe möglich sind. Gleichzeitig aber werde ich wütend, wenn gerade die Anti-Heteronormativität angegriffen wird. Klar, bin ich ja bekanntermaßen ein Kämpfer für gleiche Rechte und Akzeptanz von Lesben, Schwulen und Transgendern.

Der viel diskutierte Begriff stammt aus der Queer-Theorie. Er wurde erstmals 1991 von Michael Warner verwendet, der die Queer Theorie u.a. mit Judith Butler begründete.

Der Begriff Heteronormativität bedeutet, dass Heterosexualität – mit all seinen Konsequenzen – die Norm darstellt:

dass man davon ausgeht, dass Männer prinzipiell Frauen begehren, und umgekehrt.
dass es nur zwei Geschlechter gibt.
dass Männer und Frauen sich diesem System unterzuordnen haben.
dass Geschlechterrollen dadurch vorgegeben sind (Muttersein, Vatersein, etc.)
dass es nur eine richtige Geschlechtsidentität und eine sexuelle Orientierung gibt, die der Norm entspricht – also „normal“ ist. Alles andere ist dadurch zwangsläufig „abnormal“.
dass das biologische Geschlecht das alles entscheidende Geschlecht ist.

Die Queer Theorie hat die Heteronormativität so genannt, um deutlich zu machen, dass es für viele Menschen in diesem vorgegebenen und als „natürlich“ definierten System keinen Platz für andere Formen gibt. Transsexuelle und Intersexuelle entsprechen nicht dieser Norm, weil sie sich nicht in bipolare Geschlechter einteilen lassen. Lesben, Schwule und Bisexuelle passen nicht in dieses System, weil sie nicht gegengeschlechtlich begehren.

Heteronormativität hat in der Praxis enorme Folgen. Wenn etwa Eltern prinzipiell davon ausgehen, dass der Sohn mal eine Freundin haben wird, später heiraten wird und viele tolle Kinder bekommt, oder die Tochter lieber ein Junge wäre und dies schon früh artikuliert, ohne dass die Eltern das wahrhaben wollen, dann schafft diese Normierung der Gesellschaft tragische Folgen:

Die Suizidrate unter Jugendlichen im Coming-out (egal ob aufgrund von Homo- oder Transsexualität) ist erwiesenermaßen hoch, weil die Angst zu groß ist, die an einem gesetzten Erwartungen von Eltern, Freunden und Freundinnen und der Verwandtschaft zu enttäuschen.
Dass Transgender oder Homosexuelle zu einem viel späteren Coming-out gezwungen werden (wenn es überhaupt passiert) oder die Geschlechtsidentität unterdrücken, was oft zu Selbsthass führt („internalisierte Homophobie“).
Unterdrückung führt zu psychischen Erkrankungen.
Normen festlegen führt automatisch dazu, andere nicht in diese Norm passende Lebensweisen abzulehnen, zu verfolgen, unter Strafe zu stellen (sowohl rechtlich bis zur Todesstrafe, als auch privat z.B. durch Rauswurf aus dem elterlichen Heim).
Im besten Fall lebt ein Schwuler, oder eine Lesbe ihr Leben in einem heterosexistischen Umfeld zwar aus, aber versteckt. Das führt nicht zu mehr Akzeptanz oder politischen Fortschritten, sondern stärkt sogar die festgesetzte Norm.

Es gäbe noch mehr Beispiele, die hier azuführen wären.

Gerade heute erreichte mich eine private Nachricht, in der ich gebeten wurde, meine sexuelle Orientierung doch bitte nicht so öffentlich zu machen, denn das sei ausschließlich privat. Das wäre genau dieses Festhalten an Heteronormativität mit all den tragischen Konsequenzen. Diese Nachricht veranlasste mich auch diesen Blogbeitrag zu schreiben.

Und nochmal für alle:

Mein Schwulsein mache ich öffentlich, weil es politisch ist. Weil in den letzten Jahrzehnten immer mehr Lesben und Schwule sowie Transgender dazu stehen, es ihrem eigenen Umfeld in der Familie, unter Freund_innen und am Arbeitsplatz erzählt haben, kennen immer mehr Menschen selbst und persönlich Lesben, Schwule und Transgender. Das hat erheblich zu einer höheren Akzeptanz beigetragen. Und ich hoffe eh, dass wir eine Stufe erreichen werden, wo auch öffentliche Bekenntnisse unnötig sind. Aber davon sind wir weit entfernt! Gerade in Österreich sind es etwa nur ganz, ganz wenig Prominente, die dazu stehen. Im vergleich zu anderen westeuropäische Ländern sind es hier sehr wenige. Kaum Role-Models weit und breit.

Allerdings: Wie ich mein Schwulsein auslebe – ja das geht tatsächlich niemandem etwas an. Das ist privat. Aber sicher nicht die sexuelle Orientierung an sich! Lesben und Schwule haben irgendwann bewusst statt „Homosexualität“ die Bezeichnungen „lesbisch“ oder „schwul“ für sich verwendet, weil schwul und lesbisch Leben ja viel mehr ist als nur die Sexualität!

Wer die Heteronormativität verteidigt – manchmal sogar unbewusst – sollte sich klar machen, dass er oder sie damit zum Beispiel die hohe Suizidraten unterstützt. Think about it!

Eine Begegnung bei der Vorratsdatenspeicherungsdemo.

Heute demonstrierten zwischen 500 (lächerliche Zahl der Polizei) und 2000 (wahrscheinlicher!) Menschen gegen die Vorratsdatenspeicherung, die am 1. April in Kraft tritt. Dieser Blogbeitrag handelt aber jetzt nicht inhaltlich von dieser Demo. Nur so viel dazu: Bitte, klagt mit: www.verfassungsklage.at.

Ich will aber eine andere Geschichte erzählen.

Kurz nachdem ich die wunderbaren Reden von u.a. Albert Steinhauser und der großartigen isländischen Parlamentarierein Birgitta Jónsdóttir lauschte und mit letzterer noch kurz sprach, ging ich ein bisschen durch das Demo-Publikum.

Plötzlich sprach mich ein junger Mann mit Guy Fawkes-Maske an. Man konnte nur seine wirklich schönen blauen Augen sehen.Er sagte zu mir nur: „Danke!“.
Darauf fragte ich: „Wofür?“
Er antwortete: „Für deine Arbeit!“.
Ich erwiderte: „Das ist schön, dass du mir das sagst. Sowas motiviert wirklich. Danke!“ und ging weiter. Warm ums Herz.

Ich weiß gar nicht, wer dieser junge Mann war. Sollte er das hier lesen, sei nochmals herzlich ‚Dankeschön‘ gesagt. Warum erzähle ich das jetzt hier? Weil es so selten vorkommt. Man kritisiert gerne und laut. Das ist ja auch gut so. Aber einfach einmal zu jemanden gehen, der oder die seinen oder ihren Job – ganz egal ob Eisverkäuferin, Friseur, KfZ-Mechaniker, Rezeptionistin, Politiker oder Journalistin, whatever – gut macht, einfach mal loben. Und ‚Danke‘ sagen. Das tut so gut. In der Politik ja besonders selten.

Ich werde jedenfalls wieder öfter feedbacken und jemandem, der/die was Gutes tut, einfach mal ein „Danke“ zuwerfen. Auch meinen Politik-Kolleg_innen gegenüber. Wir tun das alle viel zuwenig. Die Bashing-Kultur hat uns das Loben und Bedanken anscheinend irgendwie ausgetrieben. Dabei wird Kritik doch viel eher entgegengenommen, wenn man auch mal lobt…