Wahlkampfsendungen im ORF: Reformieren bitte!

Das war also die Elefantenrunde, die wir gestern im TV sehen konnten. Ich weiß nicht wie es Ihnen gegangen ist, aber ich fand es schrecklich. Wie ich es genau fand, kann ich nicht sagen, denn ich suche noch dem richtigen Wort. Langweilig war es nicht. Ermüdend passt eher, obwohl mir diese Bezeichnung auch noch nicht gut genug ist. Vielleicht: schlaff, schlapp, lasch…
Ich frage mich, ob es beim ORF überhaupt RedakteurInnen gibt, die sich Wahlauseinandersetzungen in anderen TV-Sendern Europas ansehen. Ich fürchte nicht, denn sonst würde der ORF nicht seit Jahrzehnten auf die SpitzenkandidatInnen-Runden pochen – ohne sie zu verändern.
Dabei gäbe es weitaus spannendere TV-Formate. Beispielsweise in Flandern habe ich im dortigen Wahlkampf zum flämischen Parlament tolle Sendungen gesehen (ist auch schon wieder eine Weile her):
In drei Samstagabend-Shows wurden in einer Art Arena mit Promi-Publikum alle Themen abgearbeitet, die das Volk so bewegen. An einem Abend ging es um Wirtschaft und Arbeit, an einem anderen Abend um Familie, Frauen und gesellschaftspolitische Fragen und in einer dritten Runde um weitere Themen wie Gesundheit, usw.
Immer zu Beginn wurde eine Frage gestellt, etwa eine Frage wie: „Soll sich Antwerpen für die Olympischen Spiele 2012 bewerben?“ Dann können ZuseherInnen im Internet oder mit Handy abstimmen, wie sie das sehen. Dann kommen die SpezialistInnen der Parteien zu diesem Thema (etwa die SportsprecherInnen) und argumentieren, warum sie dafür oder dagegen sind. Am letzten Abend sind es vor allem die SpitzenkandidatInnen, die zu großen Themen diskutieren. Nach jeder Diskussionsrunde zu einer Frage kann das Publikum noch einmal mit SMS oder Internet abstimmen und natürlich auch seine Meinung ändern.
Nach der jeweiligen Sendung erhalten die ZuseherInnen übrigens SMS oder Email, mit welcher Partei sie am meisten übereinstimmten. Im Publikum sitzen dann Promis, was das ganze interessant macht, etwa wenn ein Industrieller völlig überrascht ist, weil er am meisten mit Grün übereinstimmt. Oder eine Popsängerin äußerst konservativ zu sein scheint…
Es muss ja nicht so sein, aber die Elefantenrunde geht wirklich nicht mehr, Der Fokus auf SpitzenkandidatInnen allein finde ich ohnehin falsch – auch wenn sie sehr wichtig sind. Aber eine Person allein kann gar nicht zu jedem Thema g’scheit sein – seien wir uns ehrlich. Und wenn es wahlentscheidender ist, wann wer wie schwitzt oder wie eine Person an einem Abend gerade „drauf war“, dann halte ich das ohnehin für falsch und demokratiepolitisch bedenklich.
Bitte, lieber ORF: Reformiert das! Schleunigst.

Wer rettet die HOSI Wien?

Die Homosexuellen Initiative Wien – kurz HOSI Wien – hat in der Geschichte der Lesben- und Schwulenbewegung eine unglaublich wichtige Rolle gespielt. Sie wurde 1979 gegründet und hat seit dieser Zeit Meilensteine der queeren Emanzipation gesetzt: Sei es die ersten „Hochzeiten“ im öffentlichen Raum mit der erstmals 1988 gestellten Forderung nach Eingetragenen Partnerschaften, das Bewusstsein der Verfolgung homosexueller Opfer der NS-Zeit (etwa bei der Ausstellung Aus dem Leben oder der Proteste bei der Enthüllung des Hrdlicka-Denkmals am Albertinaplatz 1988), der Kampf gegen diskriminierende Paragrafen, usw.
Auch heute leistet die HOSI Wien Großartiges. Seit der Implosion des Vereins CSD hat sie die Organisation des Regenbogenballs und der Regenbogenparade übernommen (und macht das ausgezeichnet) oder organisiert etwa im Herbst die große Konferenz der International Lesbian and Gay Association (ILGA) in Wien.
Kurzum: Die HOSI Wien ist wichtig, unverzichtbar und trotzdem schlittert sie gerade in ein Spirale von Unglaubwürdigkeit und Unvereinbarkeit, von Parteinahme und verliert den Status einer unabhängigen NGO (Zu meiner Sichtweise zu NGOs siehe auch diese Post).
Warum verliert die all dies?
Was bisher geschah
Aus meiner persönlichen grünen Sicht war die uns schon länger bekannte SPÖ-Mitgliedschaft des HOSI Wien-Obmanns Christian Högl (er hat uns das fairerweise in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, was ich damals sehr fein fand!) zwar immer wieder Grund zur Verärgerung, aber die großen Ziele waren wichtiger und so konnten wir darüber hinwegsehen

dass bei gemeinsamen Aktionen der Grünen Andersrum und der HOSI Wien in den HOSI Wien eigenen Lambda Nachrichten nur noch die HOSI Wien vorkam (zum Beispiel letztens beim Kampf gegen Konzerte jamaikanischer Hass-Sänger),
dass bei Interviews mit Parteichefs immer SP-Chefs zu finden sind, während – zumindest mir – keine Interview-Anfrage an Alexander Van der Bellen bekannt ist,
dass bei den Patenschaften für Straßenbahnlinien die Linien mit Buchstaben (D, N, O) plötzlich am Ende der Liste standen, vermutlich weil sie Grüne übernommen hatten,
dass in Promi-Befragungen für die Lambda Nachrichten vor allem sozialdemokratische WählerInnen präsentiert wurden um Pro-SP-Stimmung zu verbreiten,
dass Grüne PolitikerInnen (wie letztens Eva Glawischnig) am Regenbogenball nicht über Presse-Empfänge vorab informiert wurden, wohl damit Presse-FotografInnen nur SP-PolitikerInnen ablichten konnten,
dass bei der diesjährigen Regenbogenparade die Grünen erst eine Stunde nach der SPÖ dran kamen (was angeblich ein Missverständnis war und nicht die HOSI Wein beabsichtigte),
dass wir immer etwas kurz vor Nennschluss gefragt werden ob wir Transparente oder andere Werbeformen irgendwo anbringen wollen, weil die SPÖ/SoHo das ja auch macht (also wesentlich früher informiert gewesen sein muss), usw. usf.

Das gemeinsame Ziel der rechtlichen Gleichstellung, der Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierungen, der Coming-Out-Hilfe – all das ist so ungleich viel wichtiger, dass über die Parteinähe Högls und den oben genannten „Kleinigkeiten“ dann doch immer hinweg geschaut wurde. Das geht aber seit dem Tag, an dem Justizministerin Maria Berger ein Lebenspartnerschaftsgesetz präsentierte und insbesondere seit dem Wahlkampf 2008 nicht mehr wirklich.
Maria Bergers Lebenspartnerschaftsgesetz
Das vor fast einem Jahr präsentierte (neulich übrigens auch von SP-Politikerin Angela Lueger so bezeichnete) Rumpfgesetz, das viele Pflichten, aber keine Rechte für gleichgeschlechtliche Paare beinhaltete, wurde von allen NGOs und den Grünen kritisiert. Nur eine einzige NGO schlug sich auf die Seite der SPÖ und einer deren lesbisch-schwulen Vorfeldorganisationen SoHo: das war die HOSI Wien. Alle anderen waren dagegen; auch die sonst ebenfalls SP-nahe Grazer NGO Rosa Lila PantherInnen, die wirkliche Unabhängigkeit demonstrierte und als vorbildhaftes Beispiel dienen kann, wie NGO-Arbeit funktioniert.
Obwohl der Generalsekretär der HOSI Wien Kurt Krickler (den ich bei aller Kritik ungemein schätze – das muss ich hier unbedingt erwähnen!), das Gesetz anfangs selbst als „Rumpfgesetz“ bezeichnete, war die HOSI Wien bald ganz auf SP-Linie. In den Lambda Nachrichten wurde Maria Berger als Heldin dargestellt und die SPÖ als einzige konstruktive Kraft gefeiert. Alle anderen Parteien und alle anderen NGOs wurden entweder mit Kritik überschüttet, da sie eine historische Chance verpassen würden, oder sie wurden einfach ignoriert.
Christian Högls Kandidatur für die SPÖ
Christian Högl hat einen aussichtslosen Platz auf der Liste der SPÖ bekommen und macht nun einen Vorzugsstimmenwahlkampf (für den er so gut wie unerreichbare 27.000 Vorzugsstimmen bräuchte). Das ist das gute Recht eines jeden Staatsbürgers und einer jeden Staatsbürgerin. Das ist Demokratie!
Aber was passiert mit der NGO, für den dieser Nationalrats-Kandidat Obmann ist? Ist eine NGO tatsächlich noch unabhängig, wenn dessen Obmann im Vereinsblatt Lambda Nachrichten seinen Leitartikel dazu benutzt um für sich – und damit der SPÖ – Wahlkampf  zu machen? Wenn dieser Obmann die Lambda Nachrichten ausschickt (vermutlich mit Adress-Datenbanken der HOSI Wien) und dazu eigene Vorzugsstimmen-Kärtchen mitschickt? Wenn er in der selben Ausgabe ein großes Interview mit Werner Faymann publiziert und andere Parteichefs vermutlich gar nicht fragte, ob sie auch Interviews geben möchten? Wenn die HOSI Wien eine Presse-Aussendung macht, dabei betont keine Wahlempfehlung abzugeben, um dann den eigenen Obmann zugleich als Kandidaten der SPÖ stolz zu präsentieren?
Ich halte das alles für völlig unvereinbar. Ich bin aber auch kein HOSI Wien-Mitglied, da ich in einer Partei tätig bin – also einer ganz anderen Säule der Demokratie – und eine Distanz für unbedingt notwendig halte. Die HOSI Wien soll Parteien als NGO nämlich kritisieren können, ohne Probleme in den eigenen Reihen zu bekommen. So hätte ich mir das zumindest gedacht. So ist zumindest mein Demokratieverständnis.
Die Rolle der SPÖ
Die SPÖ wird natürlich froh sein, über das fleißige Engagment Högls (denn fleißig war Christian Högl bewunderswert immer). Er macht Wahlwerbung, obwohl er so gut wie sicher kein Mandat erringen wird – wie im Übrigen auch kein anderer schwuler Kandidat oder keine andere lesbische bzw. transgender Kandidatin der SPÖ aussichtsreiche Chancen hätte. Die SPÖ hat in Wien und vermutlich auch im Nationalrat die meisten Mandate zu vergeben. Sie tut immer so, als ob ihr das Thema so unendlich wichtig sei. Das Thema selbst darf aber nicht in Form von offen gleichgeschlechtlich liebenden Menschen im Parlament oder im Wiener Gemeinderat vertreten sein. Dann schon lieber verstecken und weiter engagierte Menschen wahlkämpfen lassen, die sich dazu benützen lassen, obwohl sie keine Chance haben.
Wer rettet die HOSI Wien?
Wie gesagt: Ich bin kein Mitglied der HOSI Wien. Ich kann daher auch nicht mitreden, muss mir aber als Politiker sorgen um eine der wichtigsten NGOs machen, auf die niemand verzichten kann und will.
Ich hoffe daher einfach, dass dieser Beitrag eine Hilfe für viele ist, die HOSI Wien zu retten. Ich will im Übrigen sicher keine grün-nahe NOSI Wien. Ganz im Gegenteil. Die Demokratie braucht unabhängige NGOs und keine von Parteien zu Tode umarmten…

Witzige Begegnungen im Wahlkampf Teil 5

Als Vorbild diente Delacroix‘ Darstellung der Französischen Revolution, die das Grüne Andersrum-Wahlkampfteam mit Regenbogenfahne statt Tricolore darstellen wollte. Daraus wurde aber nichts, wie am VdB-Tour-Foto am Wiener Naschmarkt zu sehen ist.
Von links nach rechts: Peter Kraus, Hansi Eitler, Ulrike Lunacek und ich.

Warum Liberale Grün wählen sollten!

Viel wurde über den so genannten Wahlkampfstil zwischen den Grünen und dem LiF geschrieben, gesagt und diskutiert. Die Grüne Bildungswerkstatt hat einen sehr umfassenden Text geschrieben, der einen komplexen Zusammenhang zwischen dem historisch gewachsenen Liberalismus, dessen Scheitern und der neuen Alternative – der Grün-Bewegung –  zusammenfasst. Daher veröffentliche ich den Artikel hier und stelle ihn zur Diskussion.
Warum Liberale grün wählen sollten
Freiheit ist ein hoher Wert, den es zu verteidigen gilt. Doch Freiheit ohne Sozialstaat ist ein Luxus für wenige. Über die blinden Flecken liberaler Politik und die Notwendigkeit von grünen Alternativen.  

Freiheit ist ein hoher Wert, für den es gerade in einem Land wie Österreich mit seiner obrigkeitsstaatlichen Tradition immer wieder neu zu kämpfen gilt. Die gegenwärtige Auseinandersetzung um die Anwendung von Untersuchungshaft gegen TierschützerInnen ist nur eines der Felder, auf denen Bürgerrechte verteidigt und staatliche Willkür verhindert werden müssen.

Auch die Versuche, die Methoden des von der Regierung Bush initiierten Kampfs gegen den Terror auf Österreich anzuwenden, bergen die Gefahr, einen Überwachungsstaat zu schaffen. Auch bei der Verweigerung von Minderheitenrechten, sei dies von slowenischen Sprachgruppen oder Homosexuellen, besteht Handlungsbedarf. In all diesen Bereichen braucht es eine politische Kraft, die Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Offenheit verteidigt. Zu all diesen Fragen haben sich die Grünen immer lautstark zu Wort gemeldet. In weiten Teilen sind die Grünen mittlerweile eine Partei, die das Anliegen von individueller Freiheit und Selbstbestimmung konsequent vertritt. Das ist gut so.

Mehr privat, weniger Staat? Wozu und für wen?

Warum kokettieren trotzdem nicht wenige, gerade gebildete StädterInnen damit, das Liberale Forum zu wählen, das im vergangenen Jahrhundert aus dem Parlament geflogen ist und sich nun erneut zur Wahl stellt? Warum erscheinen die Grünen nicht liberal genug und was gelte es zu ändern? Der Liberalismus als progressive Ideologie entstand im 18. Jahrhundert im Kampf des Bürgertums, gegen den Adel. Gegen staatliche Willkür und Monopole wurden die Eigeninitiative der Einzelnen und die Rechte der Bürger betont. Die Privatsphäre sollte dem Zugriff des Staates entzogen werden. Historisch betrachtet ist allerdings im Laufe der letzten 200 Jahre der Staat nicht schwächer geworden, sondern Bürokratie, Steueraufkommen und Zentralmacht sind kontinuierlich angewachsen. Der Staat erscheint vielen daher weiterhin als Moloch, als Macht, die die eigenen Möglichkeiten einschränkt und die individuelle Entfaltung behindert; nicht nur, wenn ihre Telefonate abgehört werden oder Behörden ohne Schmiergeld untätig bleiben. In diesem tiefen Unbehagen gegenüber dem Staat wurzelt die Attraktion des Liberalismus bis heute. Mehr privat zu fordern, ist seit 200 Jahren sein Credo. Aber dies wollen die Grünen gerade nicht – und zu Recht!

Die blinden Flecken des Liberalismus

Denn es ist dieser naiven antistaatlichen Grundhaltung zu verdanken, dass der Liberalismus seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine zunehmend unbedeutende politische Kraft geworden ist. Er verschwand Zug um Zug, 1999 zum zweiten Mal auch in Österreich, aus den Parlamenten. Warum der Liberalismus in Demokratien nicht erfolgreich ist? Die Mehrheit erkennt, dass Liberale blind sind gegenüber wirtschaftlicher Macht und den Einfluss, den Vermögende geltend machen, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Mehrheit weiß, dass der Staat nicht nur böser Moloch, sondern auch Schutz ist. Kapitalistische Marktgesellschaften ohne staatliche Regulierung verhelfen dem Recht des Stärkeren und Glücklicheren zum Vorzug: Glücklich ist, wer die richtigen Eltern und den richtigen Pass hat. Stark ist, wer Zugang zur wirtschaftlichen und politischen Macht hat. So führt die größere Freiheit weniger zu Einschränkungen für die Mehrheit: Helikopterflüge in Tourismusgebiete sind ein treffendes Beispiel dieser Form von die Allgemeinheit belastender Freiheit weniger. 

Freiheit ohne Sozialstaat ist ein Luxus für wenige

Für einen durchschnittlichen Haushalt in Österreich sind private Krankenversicherung, Privatschulen oder Privatpensionen Luxus, den sich die meisten höchstens zusätzlich zum öffentlichen sozialen Netz leisten können. Chinesische Medizin und AKH, das ist eine übliche Form, private und öffentliche Versorgung in Anspruch zu nehmen. Nur ein verschwindender Teil der Bevölkerung kann auf öffentliche Sozialleistungen gänzlich verzichten. Nur einer Minderheit wäre es gleichgültig, wenn öffentliche Spitäler oder der öffentliche Nahverkehr in Österreich die gleiche Qualität wie derartige Dienstleistungen in den USA aufweisen. Es braucht den Staat, gerade in Zeiten der Teuerung, des Klimawandels und der verschärften wirtschaftlichen Konkurrenz. In kapitalistischen Marktwirtschaften ist und bleibt der Staat Moloch, den wir fürchten, und Zufluchtsort, der Sicherheit gewährt. 

Im 20. Jahrhundert haben die liberalen politischen Parteien diese Lektion nicht verstanden. Sie blieben eng an die wirtschaftlich Mächtigen und deren Interessen gebunden und versanken mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts in die politische Bedeutungslosigkeit. Trotzig beklagten sie die Dummheit des Wahlvolks. Nur in Sonderfällen, wie bei der Freien Demokratischen Partei im reichen Deutschland, finden sich für ein derartiges Wahlprogramm heute noch genügend AnhängerInnen. Dann aber weist diese Schwesterpartei des Liberalen Forums eine Menge gemeinsamer Züge mit BZÖ und FPÖ auf. Freiheit ohne Sozialstaat ist ein Luxus für wenige. Grenzenlose Freiheit, wie es mit der freien Fahrt für freie Bürger gefordert wird, ist nur auf Kosten der Umwelt umsetzbar und daher inakzeptabel.

Soziale Bewegungen und der Fall des Liberalismus

Deshalb sind die Grünen eine der Antworten auf das politische Scheitern liberaler Parteien. Sie entstanden in der Auseinandersetzung engagierter BürgerInnen gegen staatliche und wirtschaftliche Macht, sei dies gegen Kraftwerke, Atomstrom oder Rüstungsindustrie. Und sie sind gleichzeitig immer schon mehr als eine liberale Partei gewesen, weil sie eng mit sozialen Bewegungen aus dem Frauen-, Friedens-, Bürgerrechts- und Umweltbereich zusammenarbeiteten. Sie waren und sind ein linkes politisches Experimentierfeld, wie sich individuelle Freiheitsrechte in einer solidarischen Gesellschaft entfalten können, wie es etwa die Open-Source-Bewegung beispielhaft demonstriert. 

Freiheit für alle

In kapitalistischen Marktgesellschaften, in denen Profit die Entwicklung bestimmt, bleibt die Freiheit der Mehrheit auf der Strecke. Daher müssen der wirtschaftlichen Macht, den Reichen und den Konzernen, Grenzen gesetzt werden, sonst gibt es keine Freiheit für alle. Angesichts ökologischer und sozialer Krisen darf Freiheit nicht mit Egoismus und Rücksichtslosigkeit verwechselt werden. Es geht darum, die Umwelt von Menschen und Natur mitzudenken. Daher ist es eine der Aufgaben der Politik, Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Nachhaltigkeit als widersprüchliche gesellschaftliche Ziele zu akzeptieren und immer neu die passende Form zu verhandeln, um sie gemeinsam zu gewährleisten. Um gleiche Chancen und Freiheiten für alle durch Staat und Gesellschaft zu schaffen, muss Reichtum gerecht geteilt werden. Es braucht mehr Geld für öffentlich bereitgestellte Kindergärten und Schulen mit Spitzenqualität, orientiert an den Bedürfnissen von Kindern und Eltern. Es braucht mehr PatientInnenrechte, damit jede Person mündig Entscheidungen für die eigene Gesundheit treffen kann.

Grüne Alternativen sind gefragt

Kurzum, es braucht Umverteilung ohne Willkür, Bürokratisierung und Bevormundung. Die Herausforderungen der nächsten Jahre erfordern Solidarität, die nur durch die gemeinsame Anstrengung umweltbewusster und solidarischer Individuen möglich wird. Es geht um ein grundlegendes Umdenken hin zu einem Mit-Welt-Denken, das die Freiheit jeder einzelnen Person, die Freiheit aller Menschen und die Nachhaltigkeit der Welt gleichermaßen gewährleistet. Ein Spagat, der ohne grüne Alternativen nicht zu schaffen ist.

Witzige Begegnungen im Wahlkampf Teil 4

Gestern fand die Diskussion SchwuLesBische Forderungen – Ein Wahlkampfthema? im Studio 67 statt. Edmund war wieder dabei und fragte mich heute, ob auf diesem Bild nicht auch das scharze Kostüm von Heide Schmidt zu sehen sei? Ich dürfte drei mal raten, dann gewinne ich ein gelbes Feuerzeug. Edmund liefert übrigens den Beweis: Nicht nur Die Christen und Pater Willi beten gerne. Wenn es um Wahlstimmen geht, ist auch mal ein Gebet von linken Parteien angebracht…
Nicht im Bild: Die Große Koalition (Wozu auch?). Von links nach rechts: Ronny Hollenstein (Moderator, und hier böse abgeschnitten), Amir Ahmed (LiF), Ulrike Lunacek (Grüne) und Christopher Frank (KPÖ)

Das Platzen der neo-liberalen Blase.

Als vor einigen Tausend Jahren Menschen in den frühen Kulturen im Zwischenstromland entschieden Arbeitsteilung zu schaffen, entstand Wirtschaft. Eine Person kann etwas anbieten, das eine andere Person braucht, die wiederum im Tausch etwas anderes anbieten kann. Geld als verbindliche Tauschware wurde bald erfunden. Die Kulturgeschichte der Menschheit erfand Wirtschaft nicht für das Geld, sondern immer noch für das Wohl des Menschen. Dreht sich das um, stimmt mit dem Wirtschaftssystem etwas nicht. Geht es nur noch um das Geld, aber nicht um die Waren und Dienstleistungen, die Menschen in Anspruch nehmen müssen oder wollen, ist doch irgendwo ein Haken?

In den letzten Wochen und Monaten konnten aufmerksame ZeitzeugInnen dramatische Änderungen mit globaler Wirkung wahrnehmen. Klimawandel, Kaukasus-Krise, Finanzkrise. Und worüber diskutieren wir im österreichischen Wahlkampf?… Eben.
Die derzeit aus den USA überschwappende Finanzkrise kommt eigentlich nicht unerwartet, haben doch viele Gruppen, ExpertInnen, PolitikerInnen und JournalistInnen immer wieder davor gewarnt: Die neoliberale Blase droht zu Platzen. Es konnte nicht gut gehen. Die USA hat sich im festen Glauben daran, dass Kapital sich ungehindert vermehren kann, staatliche Regulierungen kontraproduktiv sind und dass das Kasino spielen an den Börsen immer funktionieren kann, restlos verschuldet. Der Staat und die BürgerInnen in gleicher Weise.
Nun rettet die US-Regierung marode Firmen, die in den letzten Jahren unglaublich viel verdienten, waren sie die Spitze des legalen Pyramidenspiels. Die Verschuldung der USA wird durch diese Finanzspritzen noch mehr steigen. Diesmal sind es aber nicht AnlegerInnen, die Verluste übernehmen müssen – nein, es wird auf die SteuerzahlerInnen umverteilt. Dass dies zwangsläufig zu Sparmaßnahmen Einzelner und des Staates führen muss, sagt die Logik.
Es stimmt schon. Österreich war weniger betroffen, da die Hoffnungsmärkte österreichischer UnternehmerInnen vor allem in Ost-Europa liegen. Aber klar ist, dass eine internationale Rezession und Finanzkrise auch hierzulande zu spüren ist. Dass die VertreterInnen der großen Parteien so tun, als sei Österreich immer noch eine Insel der Seligen ist verantwortungslos.
Im Wahlkampf 2008 geht es nicht um den 28. September. Ganz und gar nicht. Es geht um die Politik in den Jahren 2008 bis 2013. Es geht darum, welche Ideen, Konzepte und Maßnahmen ergriffen werden sollen um auf uns zurollende Probleme zu bewältigen (auch wenn „Augen zu und durch“ das Credo in Österreich zu sein scheint und Klimawandel oder Wirtschaftskrise keine Rolle zu spielen scheinen).

Witzige Begegnungen im Wahlkampf Teil 3

Gestern waren die Grünen Andersrum mit Alexander Van der Bellen im Lesben- und Schwulencafè Savoy. Unser Edmund war natürlich wieder dabei und weiß, was geschah. Van der Bellen war ob der Euphorie seines Einsatzes für die Ehe für Lesben und Schwule (er sagt halt gerne „Homos“; daran werden die Grünen Andersrum die nächsten 124 Jahren noch arbeiten) baff erstaunt.
Auf dem Bild von links nach rechts: Petra Galková, Sprecherin der Grünen Andersrum, Marco Schreuder und Alexander Van der Bellen.

Sonntag: Andersrum im Grünen Zelt vor der Oper. Queer City Talk und Film "Before Stonewall"

Wer es noch nicht weiß: Vor der Wiener Staatsoper haben die Grünen Wien ein Zelt aufgestellt. Dort gibt es tolles Programm und jeder Tag ist ein so genannter Thementag (siehe Programm hier). Sonntag sind es Themen der Grünen Andersrum. Ab ca. 17:30 h beginnen wir mit zwei Queer City Talks, die ich moderieren darf. Anschließend zeigen wir den Film „Before Stonewall“.
17:30 – Queer City Talk:
Beziehungsweisen
In dieser Talkrunde wollen wir einen Blick in die Zukunft der PartnerInnenschaftsdiskussion werfen. Welche Beziehungsmuster gibt es jenseits und diesseits der Ehe? Darf der Staat vorschreiben, wer mit wem Sex hat? Was wenn sich 3 Menschen ineinander verlieben?
Mit:
Margareth Lanzinger, Historikerin
Helena Planicka, Verein Eltern für Kinder
Katharina Miko, Soziologin
Michaela Tulipan, Rechtskomitee Lambda
Albert Steinhauser, grüner Nationalrat und Justizsprecher
ca. 19:00 Uhr Queer City Talk
Before Stonewall
Ein Jahr vor dem 40. Jubiläum der Stonewall-Riots beleuchtet NR-Abg. Ulrike Lunacek mit ZeitzeugInnen und ExpretInnen die Zeit vor Stonewall: Was geschah vor 40 Jahren? Welche Emanzipation fand in Österreich statt? Wie sieht die Situation für Lesben, Schwule und TransGender heute aus und welche Zukunftsperspektiven ergeben sich?

Mit:

Andreas Brunner, Historiker
Ines Rieder, Historikerin
Kurt Krickler, HOSI Wien
Ulrike Lunacek, offen lesbische Nationalratsabgeordnete
Sabrina Rotter, Landessprecherin der Grünen Jugend NÖ
Birgit Meinhard-Schiebel, Landessprecherin der Grünen Wien
Peter Kraus, Student

Im Anschluss (ca. 20:30 Uhr) zeigen wir den Film Before Stonewall.
BEFORE STONEWALL zeichnet die Geschichte des Sichtbarwerdens von Schwulen und Lesben in der amerikanischen Gesellschaft auf – ein lebendiges Dokument einer verborgenen Geschichte, voller Witz und Ironie und manchmal auch Traurigkeit. Ein Film von Greta Schiller, Robert Rosenberg und Andrea Weiss , USA 1984, 87 Minuten, s/w und Farbe.

TV Duell: Van der Bellen und Molterer haben nicht geheiratet.

Danke Sascha, der unsere Postkarte der Grünen Andersrum soeben VP-Chef Molterer überreichte. Molterer meint leider immer noch, dass er „gegen Diskriminierung“ sei, aber keine „Gleichstellung“ will… Das meint er wirklich! Das soll er uns aber bitteschön nochmal erklären.
Also keine Gleichstellung im Fremden-, Steuer-, Errecht, und, und, und… Wenn Lesben und Schwule am Standesamt „Ja“ sagen würden, so wäre das – zumindest laut Molterer – das Hauptproblem für die demographische Entwicklung, also der Untergang des Abendlandes… Bitte, Herr Molterer, was soll das? Werden Lesben und Schwule brave, VP wählendeund kinderzeugende  Heterosexuelle, nur weil sie nicht am Standesamt heiraten dürfen? Das ist wirklich der größte Unsinn, den ich je zu diesem Thema gehört habe (bis auf Äußerungen fundamentalistischer Kleinparteien).
Auf jeden Fall ein Dankeschön an VdB: Eine klare Hürde für die VP. Da wird sie drüber müssen, wenn sie mit uns ein „Ja-Wort“ tauschen will. Nur halt mit dem Unterschied, dass nicht der Tod, sondern die Legislaturperiode scheidet…
Molterer war übrigens die ganze Sendung hindurch defensiv und unsicher. VdB hat ihn buchstäblich an die Wand diskutiert. Ob Bildungspolitik oder Integrationspolitik, ob Asylrecht oder Steuerpolitik.
Dieses TV-Duell war wieder so ein richtig schöner Moment, denn ich weiß wieder ganz genau (obwohl ich das eh immer weiß, aber es war so wunderbar bestätigend), warum ich ein Grüner bin!
PS an Sascha: Super, dass Du deutlich gemacht hast, dass es bereits Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen gibt… Es heißt übrigens Regenbogenfamilien, aber das kriegen wir schon noch hin. 😉