Warum ich im Bundesrat einen Israel-Antrag als Einziger ablehnte.

Gestern war ich im Bundesrat ein bisschen einsam. Ich stimmte als Einziger gegen einen Antrag, den Sie hier nachlesen können. Ich kann in diesem Fall aber ganz gut damit leben.

Hintergrund:

Israel hat mehrere palästinensische Abgeordnete verhaftet. Und zwar in Verwaltungshaft. Verwaltungshaft ist ein Mittel, das mir auch nicht gefällt und in vielen Staaten der Welt angewandt wird – vor allem in Ausnahmesituationen und bei Gefahr für die Sicherheit, etwa bei Gefahr von Terroranschlägen. Es sei angemerkt, dass vor kurzem wieder über 150 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel regneten.

Unter anderem wird die Verwaltungshaft übrigens in Großbritannien, den USA, Irland oder Australien eingesetzt. Leider wird diese Form auch sehr oft gegen Asylwerber_innen eingesetzt. Die Verwaltungshaft gibt es auch in den palästinensischen Autonomiegebieten, wie Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner in seinem Redebeitrag erwähnte! Was ich mehr als bemerkenswert finde.

Die Probleme:

Und hier ist auch eines der Kernprobleme des Antrags, wie ich meine: Warum richtet sich der Antrag nur gegen die israelische Form und nicht gegen eine weltweite Ächtung? Und warum – wenn man schon den Nahostkonflikt in den Mittelpunkt rücken möchte – nicht auch gegen die Verwaltungshaft der palästinensischen Autoritäten? Oder warum richtet sich der Antrag nicht auch gegen Exekutionen angeblicher „Kollaborateure“ Israels in Gaza? (Als Kollaborateure werden übrigens auch oft schwule palästinensische Männer verhaftet, wenn sie etwa Kontakt zu lesbisch-schwulen Selbsthilfegruppen oder NGOs in Israel hatten – siehe Artikel hier).

Zweites Problem: Die meisten Gefangenen sind von der Hamas. Und die Hamas als friedliche und „normale“ Partei darzustellen halte ich für äußerst problematisch. Dazu mehr in meiner Rede weiter unten.

Daher war mir der Antrag zu einseitig. Ich war der Einzige, der das so sah. Mir war es aber wichtig, das im Bundesrat trotzdem zu thematisieren, weil es sonst keiner gemacht hätte. Und tatsächlich: Mein Redebeitrag war der Erste zum Thema (von insgesamt sechs), und somit konnte ich immerhin eines erreichen: Eine differenzierte Debatte zum Thema ohne das übliche einseitige Bashing. Genau das wollte ich erreichen!

Gelebte Demokratie:

Mein Kollege Efgani Dönmez, den ich bekanntermaßen enorm schätze, kam zu einer anderen Schlussfolgerung und unterstützte den Antrag. Wir haben darüber geredet, debattiert – mit großer Wertschätzung – und meinten, dass es gut ist, dass Themen auch innerhalb der Grünen mal kontroverser diskutiert werden. Er ist – und das weiß jeder, der ihn kennt – ein tapferer Kämpfer gegen Extremismus und somit auch Islamismus. Aber in diesem Fall fand er den Antrag richtig.

Ich jedenfalls bin froh Mitglied einer Partei zu sein, wo sich Meinungen auch mal trennen können und wir diese unterschiedliche Sichtweisen auch transparent machen. Woanders wäre ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete wohl einfach rausgegangen und hätte weder Hand gehoben noch dazu gesprochen. Das ist leider üblicher, als man denkt!

Ich finde: Eine Demokratie hat auch Debatten verdient und dazu gehört auch verschiedene Perspektiven einnehmen wie in diesem Fall. Ganz egal um welchen Verhandlungsgegenstand es geht. Politik ist nicht nur schwarz/weiß, sondern hat viele Graustufen dazwischen. Daher danke ich Efgani ganz herzlich. Es war eine feine Diskussion – und die Freundschaft bleibt.

Sobald ich die Rede von Efgani Dönmez habe, werde ich sie hier auch platzieren. Die Reden der Anderen werde ich verlinken sobald sie auf der Parlaments-Website zu finden sind.

Die Rede im Bundesrat im Wortlaut:

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich habe mir diesen Antrag ziemlich lange und genau durchgelesen, und ich glaube, ich bin wahrscheinlich – oder vermutlich – heute das einzige Mitglied in diesem Bundesrat, das diesen Antrag nicht unterstützen kann. Ich möchte schon auch kurz in aller Seriosität erklären, warum ich – auch als einziger der Grünen hier in diesem Hause – diesen Antrag nicht unterstützen kann, auch wenn es mir nicht leicht fällt.

Als ich vor einigen Jahren in Jerusalem war, habe ich einen Familienvater kennengelernt mit damals zwei Töchtern – es werden heute hoffentlich auch noch zwei Töchter sein. Die Töchter waren damals neun und zehn Jahre alt, und der Familienvater hat mir erzählt, dass er seine zwei Töchter immer mit zwei verschiedenen Schulbussen in dieselbe Schule schickt. – Ich glaube, besser kann man die Situation, wie Menschen in Israel leben müssen, nicht beschreiben.

Das war natürlich in einer Zeit, in der es Terroranschläge noch in einem erhöhten Ausmaß gab. Ich kann mich erinnern, ich war damals auch in Tel Aviv und war dort in einer Diskothek – das ist eine ganz gute Stadt, auch einmal zum Ausgehen –, und eine Woche später sehe ich dann dieselbe Diskothek in den Nachrichten, weil junge Menschen, die dort in der Schlange gestanden sind, in die Luft gesprengt worden sind.

Gleichzeitig wird in diesem Antrag die Administrativhaft kritisiert, die Israel über palästinensische Abgeordnete verhängt hat. Ich will diese Art von Verhaftung jetzt hier nicht gutheißen, damit ich hier nicht missverstanden werde (Ruf bei der ÖVP: Sehr gut!) – damit ich hier nicht missverstanden werde –, allerdings halte ich es in einer außenpolitischen Diskussion, wenn es um den Nahen Osten geht, für ausgesprochen wichtig, vor allem, wenn man beispielsweise auch Menschenrechte in diesem Antrag als Begründung einfügt, dass man dann genauer hinschaut und Menschenrechte eben auch wirklich universell begreift.

Es sind die verhafteten Abgeordneten nicht Abgeordnete einer demokratischen, friedlichen Partei, es sind Abgeordnete der Hamas. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man das hier auch festhält. Die Hamas hat 2006 (Ruf bei der ÖVP: Aber demokratisch gewählt!) – ja tatsächlich – in einer demokratische Wahl die Wahlen im Gazastreifen gewonnen und hat 2007 in einem Bürgerkrieg gegen die Fatah die Macht im Gazastreifen übernommen.

Jetzt kann man darüber diskutieren, ob das demokratisch ist, und dann kann man darüber nachdenken, ob die Charta der Hamas, also quasi das Parteistatut, unseren Menschenrechten entspricht. Ich zitiere aus der Charta der Hamas; Artikel 7 der Hamas-Charta:

„Der Prophet – Andacht und Frieden Allahs sei mit ihm, – erklärte: Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten; bevor sich nicht die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, welche ausrufen: Oh Muslim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt; komm und töte ihn!“

Aus Artikel 13 der Hamas-Charta:

„Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung. Denn auf irgendeinen Teil Palästinas zu verzichten bedeutet, auf einen Teil der Religion zu verzichten; der Nationalismus der Islamischen Widerstandsbewegung ist Bestandteil ihres Glaubens. Für die Palästina-Frage gibt es keine andere Lösung als den Djihad. Die Initiativen, Vorschläge und Internationalen Konferenzen sind reine Zeitverschwendung und eine Praxis der Sinnlosigkeit.“

Das steht in der Charta der Hamas. Und außerdem finden sich in der Charta der Hamas immer noch die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion. Die Protokolle der Weisen von Zion sind ein antisemitisches Pamphlet, das im frühen 20. Jahrhundert im damaligen zaristischen Russland geschrieben worden ist, von dem längst bewiesen ist, dass es eine Fälschung ist, und diese werden nach wie vor leider auch im Gazastreifen gedruckt und verkauft und sind nichts anderes als pure antisemitische Hetze.

Jetzt kann man sagen, Israel geht nicht gut mit den Arabern um. – Das kann man sagen. Kann man sagen, dass man deswegen Israel einseitig verurteilen muss, oder kann man in einem Antrag, der einerseits Israel kritisiert, nicht auch sagen, dass man auch gleichzeitig die Hamas zum Beispiel auffordert, den Staat Israel anzuerkennen, sein Existenzrecht überhaupt einmal anzuerkennen? – Diese Fragen stelle ich mir.

Und deshalb halte ich einen Antrag, der einseitig ist, in diesem Fall für falsch. Ich halte es für falsch, auch wenn ich der Einzige in diesem Haus sein mag – vielleicht ändert sich das ja jetzt, ich weiß es nicht (Bundesrat Mag. Klug: Eher nicht!) –, ich halte es also für falsch, dass wir als Mitglieder des Bundesrates die antisemitische und gewalttätige Hamas verteidigen (Bundesrätin Mag. Duzdar: Das ist nicht der Antrag!), denn so würde es interpretiert werden (Bundesrätin Mag. Duzdar: Das interpretieren Sie!), solange nicht alle Facetten der Menschenrechte in der gesamten Region berücksichtigt werden.

Und jetzt erlauben Sie mir, auch als offen schwul lebender Mann, hier einen Satz zu sagen. Wenn wir Menschenrechte universell begreifen, dann schaue ich mir gerne auch die Menschenrechte – zum Beispiel Frauenrechte, das sind auch Menschenrechte, oder Lesben- und Schwulenrechte – an und dann stelle ich fest, dass es in Israel ein Antidiskriminierungsgesetz gibt, Schutz gibt, eine Gay-Pride-Parade gibt – auch umstritten, aber gut, das ist ja nicht anders als hierzulande, wenn in Tel Aviv die Lesben und Schwulen auf eine Parade gehen –, die Schwulen und Lesben in den palästinensischen Gebieten aber wohin fliehen? – Nach Israel, weil es der einzige sichere Hafen für sie ist!

Deswegen sage ich: Achtung! Wenn wir schon Menschenrechte als Argument verwenden, dann beachten wir bitte die Menschenrechte als universelles Thema und verurteilen hier nicht einseitig. Und wenn wir schon – und ich halte das für richtig – hier in diesem Haus über Außenpolitik sprechen, dann finde ich es schon bemerkenswert, dass wir in einer Zeit, in der wir eigentlich über Syrien sprechen müssten, über Israel reden. (Bundesrat Mag. Klug: Es kann sich jeder einbringen!)

Und ich bin sehr traurig darüber, dass die Außenpolitik Österreichs nicht mehr so konsequent ist, wie sie es einmal war. Als im Iran Salman Rushdie durch eine Fatwa verfolgt worden ist, war es damals Rudolf Scholten, liebe Sozialdemokratie, der für Schutz und für ein Versteck gesorgt hat. Jetzt gibt es wieder eine Fatwa im Iran gegen Shahin Najafi, einen Rapper. Eigentlich könnte doch Österreich dasselbe wieder tun, aber wir tun es nicht mehr. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Macht es ja!) Und ich frage mich, warum wir mittlerweile so einseitig geworden sind in dieser Wahrnehmung.

Und ich empfinde auch die mediale – ich mache jetzt auch Medienkritik, ich gebe es zu –, ich empfinde also auch die mediale Berichterstattung über den Nahostkonflikt in diesem Land zu einem erheblichen Teil einseitig. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Wieso?)

Wenn 150 Raketen auf Südisrael niederregnen, so wie in den letzten Tagen, erfahren wir darüber in unseren Medien nichts. Wenn dann das israelische Militär eine Aktion dagegen ausführt, wird ganz groß in den Medien berichtet (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), dass Israel jetzt wieder eine Attacke gegen Gaza durchführt. Ich halte das für eine Einseitigkeit, ich halte das für eine einseitige Sicht, mit der ich zunehmend ein Problem habe. Und ich bitte um Verständnis, ich kann diesem Antrag, auch wenn er inhaltlich in vielen Punkten stimmen mag, nicht zustimmen.

Nebenbei bemerkt, zur Administrativhaft: Wir könnten hier auch eine Resolution machen, dass wir die Administrativhaft generell ablehnen – dann würde ich sogar zustimmen –, dann würden wir die Administrativhaft ablehnen, die es zum Beispiel in Großbritannien gibt, in den USA, in Australien oder in Irland. In Australien und in Irland wird diese Administrativhaft übrigens sogar gegen Asylwerber und Asylwerberinnen eingesetzt. Das halte ich für mindestens genauso verachtenswert wie alles andere. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

(Update 2.7.2012, 14:30 Uhr)

Und hier die Rede von Efgani Dönmez:

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diesem Entschließungsantrag ist eine sehr intensive und von Wertschätzung geprägte und getragene parteiinterne Diskussion vorausgegangen. Und das ist auch eine Stärke unserer Partei, dass wir, obwohl wir, Kollege Schreuder und ich, uns für die gleiche Partei engagieren, nebeneinander sitzen und in vielen Bereichen kein Blatt zwischen uns passt, in gewissen Punkten doch auch verschiedene Meinungen haben können und dürfen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und entspricht auch einer politischen Kultur, die, so glaube ich, fast nur bei den Grünen anzutreffen ist. (Beifall bei den Grünen. – Die Bundesrätinnen Grimling und Mag. Neuwirth: Na, na!)

Zum Entschließungsantrag: Ich möchte Kollegin Duzdar recht herzlich danken, dass sie die Initiative ergriffen hat, denn auch für mich ist es ein ganz, ganz wichtiger Punkt, und zwar darum, weil es in diesem Antrag um Menschen geht, die in Verwaltungshaft angehalten werden, insbesondere um Abgeordnete. Mir ist es ehrlich gesagt egal, von wem wem gegenüber Unrecht begangen wird. Man darf und muss das thematisieren dürfen, ohne dass man in ein bestimmtes Eck gestellt wird, ob es einem gefällt oder auch nicht.

Wenn Menschen ohne Anklage, ohne nachvollziehbare Gründe bis zu sechs Monate in Verwaltungshaft angehalten werden oder sogar über diesen Zeitraum hinaus, und wenn diese Haft nicht einmal von einem Gericht, sondern von einem Militärgericht verhängt wird, dann ist das ein Vorenthalten von Grundrechten, von Grundrechten, die meiner persönlichen Überzeugung nach universal gültige Grundrechte für alle sind, unabhängig davon, ob es sich um Menschen handelt, die einer bestimmen Ideologie anhängen oder einer bestimmten religiösen Gruppierung angehören oder nicht. Diese Grundrechte sind universal gültige Menschenrechte und Grundrechte und haben für alle Gültigkeit, egal, ob es sich um Menschen einer politischen oder religiösen Strömung handelt, die einem sympathisch sind oder auch nicht.

Mich persönlich braucht diesbezüglich wirklich niemand in ein bestimmtes Eck zu stellen, denn jeder von Ihnen/von euch, der auch nur oberflächlich meine Arbeit verfolgt, weiß, welchen Zugang ich zu Islamisten und zu Extremisten habe. Das möchte ich hier auch klarstellen und festhalten.

Dieser Antrag ist nicht gegen etwas, richtet sich nicht gegen Israel oder was auch immer, sondern es ist ein Eintreten für die Rechte von Menschen, welche unrechtmäßig behandelt werden. Nicht weniger und auch nicht mehr! Und dazu stehe ich, und dazu stehen wir alle, und das ist gut und schön so.

Dass wir in unserer Partei auch unterschiedliche Meinungen haben können und dürfen, stellt für mich auch einen sehr großen Wert dar. Es ist für mich auch kein Widerspruch, dass Kollege Schreuder kontra und ich pro stimmen werde. Ich stehe zu diesem Antrag, und ich danke allen, die diesen Antrag unterstützt haben, insbesondere Kollegin Duzdar. – Danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 

Innsbruck: Mitten im Wahlkampf Koalition verhandeln.

Am 15. April wählte Innsbruck einen neuen Gemeinderat. Das Ergebnis überraschte viele. Die ÖVP konnte besser abschneiden als erwartet, zauberte sie doch mit Christoph Platzgummer zwei Wochen vor der Wahl plötzlich einen neuen Spitzenkandidaten messiasgleich aus dem Hut. Dazu noch einen Kandidaten, der von der früheren und unvergessenen Bürgermeisterin Hilde Zach aus dem Amt des Vizebürgermeisters entfernt wurde. Finanzielle Unregelmäßigkeiten der Euro 2008-Aktivitäten in der Tiroler Hauptstadt, für die Platzgummer verantwortlich war, waren der Grund. Doch 2012 scheint das vergessen zu sein. Die ÖVP wurde knapp stärkste Kraft.

Jedoch sitzt die ÖVP im Gemeinderat zwei fast gleich starken Fraktionen gegenüber. „Für Innsbruck“ mit der Farbe Gelb heißt die bürgerliche ÖVP-Abspaltung, die mit Herwig Van Staa und Hilde Zach seit 1994 den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin stellt. Die amtierende Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörrer erhielt mehr Stimmen als Bürgermeisterkandidatin, ihre Fraktion blieb aber knapp unter dem Ergebnis der ÖVP. In Mandaten (9) ist man aber gleich starke Kraft.

Und dann sind da noch die Grünen, die mit etwas über 19{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} ein hervorragendes Ergebnis erreichten. Sie sind mit 8 Mandaten im Gemeinderat vertreten und werden 2 Stadträt_innen stellen. Auch das eine Eigenart in Innsbruck: Die Gemeinderatswahl legt auch die Stadtregierungsmitglieder fest (insgesamt 7, möglicherweise werden es zukünftig 9). Diese sind zur Zusammenarbeit also quasi verpflichtet: 2 ÖVP, 2 FI, 2 Grüne und 1 SPÖ.

Apropos SPÖ: Sie war die große Wahlverliererin und ist seit dem mit internen Konflikten und Spaltungstendenzen konfrontiert. Und Spaltungen sind in Innsbruck (aber auch in Tirol, man denke etwa an die Liste Dinkhauser) keine Seltenheit: Die FPÖ spaltete sich einst und neben der Mutterpartei, die bei der Wahl 2012 mit Marokkaner-Plakate weltweit für Aufsehen sorgte und bei der Wahl enttäuschte, gibt es da auch noch Rudi Federspiel, der eine eigene Liste anführt. Und die Piraten konnte einen Sitz erobern. Die Innsbrucker Parteienvielfalt fällt einem Außenstehenden sofort ins Auge.

Da Innsbruck erstmals eine Bürgermeister_innen-Direktwahl hat, treten nunmehr das amtierende Stadtoberhaupt Christine Oppitz-Plörrer und Christoph Platzgummer in einer Stichwahl nochmal gegeneinander an. Am 29.4. wird gewählt.

Grüne Regierungsverhandlungen

Vor einigen Wochen erreichte mich ein Anruf aus Innsbruck: Ob ich denn Interesse hätte, den Innsbrucker Grünen bei den Regierungsverhandlungen als so genannten Notetaker zu begleiten. Ich hätte ja Verhandlungserfahrung aus Wien. Meine Aufgaben wären u.a.: Bei den Verhandlungen dabei sein, Strategien anderer herausfinden und bei den Grünen Strategien mit entwickeln, Atmosphäre, Stimmung und wichtige Botschaften notieren, die Basis informieren, damit alle schnell und gut informiert sind, usw. Ich musste nicht lange nachdenken. Ich sagte rasch zu. Denn Grüne Regierungsbeteiligungen halte ich für eine gute und unterstützenswerte Sache. Und man kann immer dazu lernen.

Als ich nach Innsbruck kam war ich begeistert: Eine motivierte Grüne Partei – mit erfahrenen Lokalpolitiker_innen und mit starken, frischen und jungen Kräften, hatte jahrelang Konzepte entwickelt, wusste was sie wollte und war nun endlich bereit, was 2006 nur knapp scheiterte: Regierungsverantwortung zu übernehmen!

Womit aber vor dem Aus-dem-Hut-Zaubern von Platzgummer niemand rechnete war, dass 2 Wochen nach der Gemeinderatswahl noch immer ein Wahlkampf das Geschehen dominierte. Eine zwischen FI und VP.

Also mussten die Grünen neue Stategien überlegen, denn es gab gleich einige Probleme: Die SPÖ wollte vor der Stichwahl gar nicht verhandeln und war mit sich selbst beschäftigt. Die ÖVP empfing uns zwar zu Gesprächen, in denen wir ihre Konzepte als Referat hören durften, aber inhaltliche Verhandlungen nicht möglich waren und auch gar nicht gewollt waren. Lediglich die Liste „Für Innsbruck“ mit der amtierenden Bürgermeisterin Oppitz-Plörrer war interessiert und setzte sich mit den Grünen einige Male an einem Tisch und man konnte sich auf 5 Eckpunkte einer zukünftigen Koalition einigen.

Auffällig für mich als Notetaker: Die Grünen waren auch die einzige gut organisierte Partei bei all den Verhandlungen. Die Partei also, die gerne immer noch als „Chaotenhaufen“ bezeichnet wird, war das Gegenteil davon.

Verhandlungen mitten in einem Wahlkampf

Freilich waren die Verhandlungen nicht so, wie sie sonst über die Bühne gehen. Denn beide Parteien (FI und Grüne) hatten äußerst unterschiedliche Rahmenbedingungen: Die eine Partei stand noch mitten im Wahlkampf und hatte neben inhaltliche auch strategische Überlegungen anzustellen und Hunderte andere Wahlkampftermine. Die Grünen wiederum wollten ihren Wähler_innen klar machen, was sie bei der Bürgermeister_innen-Stichwahl zu erwarten haben. Denn für Grüne gäbe es ohne Inhalte keinen Grund überhaupt zur Stichwahl zu gehen! Die ÖVP übersah dieses Problem und schielten lieber nach rechten und rechtsextremen Stimmen, während Oppitz-Plörrer ihre Chance darin sah, sich als kommunale Sachpolitikerin „der Mitte“ zu positionieren.

Und so eigenartig es klingen mag: Plötzlich traten zwei bürgerliche Kandidat_innen gegeneinander an – und trotzdem wurde es ein Lagerwahlkampf Mitte-Links-Grün-Bürgerlich/liberal versus Konservativ-Rechts-Rechtsextrem.

Die amtierende Bürgermeisterin deklarierte sich jedenfalls am vergangenen Donnerstag: Der Koalitionspakt zwischen FI und Grüne wurde der Öffentlichkeit präsentiert. Für Grün-Wähler und -Wählerinnen gibt es also plötzlich doch einen mehr als guten Grund am Sonntag zur Stichwahl zu gehen. Und für alle, die ein weltoffenes Innsbruck wollen, auch.

Das Interessante daran zudem: Auch wenn die ÖVP, die ja in Prozenten stärkste Fraktion ist, am Sonntag auch den zukünftigen Bürgermeister stellen sollte: Sie kann an Grün und Gelb nicht vorbei. Ihre Weigerung inhaltliche Verhandlungen führen zu wollen, rächt sich. Die VP beließ es bei Sprechblasen und Unverbindlichkeiten, während Oppitz-Plörrer den gelb-grünen Weg bis 2018 klar vorzeichnete und den Wähler_innen reinen Wein einschenkt. Die ÖVP kann sich auch als Siegerin nur noch dazu setzen.

Wäre ich übrigens Innsbrucker, würde ich nicht aus Begeisterung, sondern aus schlichter Notwendigkeit Christine Oppitz-Plörrer wählen.

Google startet Google Art Project.

Google startete heute zeitgleich in vielen Museen rund um den Erdball, darunter auch im Kunsthistorischen Museum Wien, das erweiterte Projekt des Konzerns: Das Google Art Project. Mit 151 Museen und 30.000 Kunstwerken.

User und Userinnen haben die Möglichkeit Kunst und Museen zu erforschen, und zwar daheim vor dem Bildschirm aus. Man hat zunächst einmal die Wahl welches Kunstwerk, welches Museum oder welchen Künstler/welche Künstlerin man sich anschauen will. So kann man etwa durch ein Museum wandern (und wahlweise auch eine Diaschau starten) oder sich Kunstwerke einer einzigen kunstschaffenden Person der Kunstgeschichte zu Gemüte führen.

Beispiel: Bacchus von Caravaggio

Ich wählte aus dem umfangreichen Google Art Project-Katalog Caravaggio, einfach weil er einer der faszinierendsten Künstler seiner Zeit war und ich sein Werk liebe! Die Suche nach einem Künstler oder einer Künstlerin geht entweder durch Direkteingabe des Namens im Suchfeld, man kann aber auch alle Künstler_innen von A-Z durchblättern und dann eine_n auswählen. Für Museen gilt das gleiche Prinzip! Museen lassen sich freilich auch nach Länder anzeigen. So sind etwa bislang drei österreichische Museen vertreten (KHM, Albertina und das Leopold Museum).

Nach der Suche nach Caravaggio erhalte ich einen Überblick über sein Werk (alle Screenshot durch Klick vergrößerbar):

Ich wähle nun seinen berühmten „Bacchus“ (ca. 1595) aus den wunderbaren Uffizien in Florenz. Ein Klick und das Bild füllt meinen Bildschirm aus:

Nun kann ich das Bild erforschen. Rechts unten erscheint durch Mouseover ein Miniaturbild. Dort kann ich Größen verändern und mir Details anschauen. Das sieht dann so aus:

Nachdem ich dort die Größenangaben verändert habe (durch ziehen von minus nach plus), kann ich auch das Bild direkt verschieben und mir so genau Details ansehen:

Durch einen Klick oben auf „Details“ erhalte ich mehr Information zum Gemälde. Allerdings – und das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen – fehlt die Größenangabe des Bildes! In diesem Fall wären es 95 cm x 85 cm. Ich hoffe Google wird das noch reparieren, denn Größenangaben sind sehr wichtig, um ein Kunstwerk einschätzen zu können, das man noch nie im Original gesehen hat – ist es Miniatur oder ein Monumentalwerk? Keine unwichtige Kleinigkeit und ein grober Fehler vom Google Art Project.

So sieht dann die Detailansicht aus:

Zudem kann ich mir durch Klick auf Floormap (eine kleines gelbes Männchen neben der Detailansicht) auch die Museumsansicht ansehen. Und schon stehe ich mitten im Museum und kann – wie von Google Street View bekannt – durch das Museum wandern, ein anderes Kunstwerk entdecken und mich dann mit diesem Werk beschäftigen:

Neben diesen Möglichkeiten kann man die gewählten Werke auch teilen, in einer eigenen Galerie abspeichern, Galerie-Ordner einrichten, auf Facebook, Google+ oder anders teilen, und vieles mehr! Allerdings: Google-Account ist für alle Features notwendig!

Fazit

Prinzipiell ist Google Art Project wirklich gelungen. Eine hervorragende Art sich mit Kunst zu beschäftigen. Zudem macht es ungeheure Lust wieder ein Museum zu besuchen. Die fehlenden Größenangaben sind aber eigentlich nicht zu entschuldigen und wird hoffentlich bald nachgereicht, denn diese Lücke ist einfach zu groß.

Man kann sich zudem natürlich fragen, ob es sinnvoll ist Kunstvermittlung nur über einen großen Megakonzern stattfinden zu lassen. Ich sehe das aber recht gelassen, denn Kunstvermittlung fand schon immer durch Firmen statt, seien es Kunstbücher, Puzzles, Posters, Repros oder andere Möglichkeiten. Google macht halt das, was es am besten kann: Vernetzen, weltweit agieren und es user_innenfreundlich gestalten. Ich finde das gut! Und es mindert nicht andere digitale Sammlungen, die es schon länger gibt.

Zudem kann man sich auch fragen, ob solche Projekte nicht vom Museumsbesuch eher abhalten, als es zu unterstützen. Aber auch hier: Solche Projekte werden sogar zu einem Museumsbesuch anregen. Dazu gibt es – wie auf Twitter vermittelt wurde – auch Untersuchungen und Studien, die ich aber im Moment hier nicht verlinken kann (wenn jemand Links weiß, dann gerne unten posten!) und daher nicht genau weiß, ob es stimmt. Das ahne ich jetzt nur.

Ich glaube, alles in allem ist Google etwas wirklich schönes gelungen, das vermutlich viele Anhänger_innen finden wird. Probiert es doch einfach mal aus:

googleartproject.com

Diskutieren wir bitte Heteronormativität.

Als die Turbulenzen rund um das Café Rosa medial ausgeschlachtet wurden, verschob sich der Fokus und die Kritik schnell auf die vielen „Anti-„-Grundsätze, die der Freiraum für Studentinnen und Studenten in seinen Statuten geschrieben hat. Unter anderem steht da anti-heteronormativ. Was etwa den Kurier-Leitartikler Peter Rabl dazu veranlasste von „Anti-Gestammel“ zu twittern. Oder Hans Rauscher im Standard so. Kommentator_innen war es vor allem der Begriff „anti-heteronormativ“, der sauer aufstieß. Auch unter aufgeklärten Menschen.

Zugegeben: Man kann darüber diskutieren, ob viele „Anti-“ Bezeichnungen klug sind, und ob nicht positive Begriffe möglich sind. Gleichzeitig aber werde ich wütend, wenn gerade die Anti-Heteronormativität angegriffen wird. Klar, bin ich ja bekanntermaßen ein Kämpfer für gleiche Rechte und Akzeptanz von Lesben, Schwulen und Transgendern.

Der viel diskutierte Begriff stammt aus der Queer-Theorie. Er wurde erstmals 1991 von Michael Warner verwendet, der die Queer Theorie u.a. mit Judith Butler begründete.

Der Begriff Heteronormativität bedeutet, dass Heterosexualität – mit all seinen Konsequenzen – die Norm darstellt:

dass man davon ausgeht, dass Männer prinzipiell Frauen begehren, und umgekehrt.
dass es nur zwei Geschlechter gibt.
dass Männer und Frauen sich diesem System unterzuordnen haben.
dass Geschlechterrollen dadurch vorgegeben sind (Muttersein, Vatersein, etc.)
dass es nur eine richtige Geschlechtsidentität und eine sexuelle Orientierung gibt, die der Norm entspricht – also „normal“ ist. Alles andere ist dadurch zwangsläufig „abnormal“.
dass das biologische Geschlecht das alles entscheidende Geschlecht ist.

Die Queer Theorie hat die Heteronormativität so genannt, um deutlich zu machen, dass es für viele Menschen in diesem vorgegebenen und als „natürlich“ definierten System keinen Platz für andere Formen gibt. Transsexuelle und Intersexuelle entsprechen nicht dieser Norm, weil sie sich nicht in bipolare Geschlechter einteilen lassen. Lesben, Schwule und Bisexuelle passen nicht in dieses System, weil sie nicht gegengeschlechtlich begehren.

Heteronormativität hat in der Praxis enorme Folgen. Wenn etwa Eltern prinzipiell davon ausgehen, dass der Sohn mal eine Freundin haben wird, später heiraten wird und viele tolle Kinder bekommt, oder die Tochter lieber ein Junge wäre und dies schon früh artikuliert, ohne dass die Eltern das wahrhaben wollen, dann schafft diese Normierung der Gesellschaft tragische Folgen:

Die Suizidrate unter Jugendlichen im Coming-out (egal ob aufgrund von Homo- oder Transsexualität) ist erwiesenermaßen hoch, weil die Angst zu groß ist, die an einem gesetzten Erwartungen von Eltern, Freunden und Freundinnen und der Verwandtschaft zu enttäuschen.
Dass Transgender oder Homosexuelle zu einem viel späteren Coming-out gezwungen werden (wenn es überhaupt passiert) oder die Geschlechtsidentität unterdrücken, was oft zu Selbsthass führt („internalisierte Homophobie“).
Unterdrückung führt zu psychischen Erkrankungen.
Normen festlegen führt automatisch dazu, andere nicht in diese Norm passende Lebensweisen abzulehnen, zu verfolgen, unter Strafe zu stellen (sowohl rechtlich bis zur Todesstrafe, als auch privat z.B. durch Rauswurf aus dem elterlichen Heim).
Im besten Fall lebt ein Schwuler, oder eine Lesbe ihr Leben in einem heterosexistischen Umfeld zwar aus, aber versteckt. Das führt nicht zu mehr Akzeptanz oder politischen Fortschritten, sondern stärkt sogar die festgesetzte Norm.

Es gäbe noch mehr Beispiele, die hier azuführen wären.

Gerade heute erreichte mich eine private Nachricht, in der ich gebeten wurde, meine sexuelle Orientierung doch bitte nicht so öffentlich zu machen, denn das sei ausschließlich privat. Das wäre genau dieses Festhalten an Heteronormativität mit all den tragischen Konsequenzen. Diese Nachricht veranlasste mich auch diesen Blogbeitrag zu schreiben.

Und nochmal für alle:

Mein Schwulsein mache ich öffentlich, weil es politisch ist. Weil in den letzten Jahrzehnten immer mehr Lesben und Schwule sowie Transgender dazu stehen, es ihrem eigenen Umfeld in der Familie, unter Freund_innen und am Arbeitsplatz erzählt haben, kennen immer mehr Menschen selbst und persönlich Lesben, Schwule und Transgender. Das hat erheblich zu einer höheren Akzeptanz beigetragen. Und ich hoffe eh, dass wir eine Stufe erreichen werden, wo auch öffentliche Bekenntnisse unnötig sind. Aber davon sind wir weit entfernt! Gerade in Österreich sind es etwa nur ganz, ganz wenig Prominente, die dazu stehen. Im vergleich zu anderen westeuropäische Ländern sind es hier sehr wenige. Kaum Role-Models weit und breit.

Allerdings: Wie ich mein Schwulsein auslebe – ja das geht tatsächlich niemandem etwas an. Das ist privat. Aber sicher nicht die sexuelle Orientierung an sich! Lesben und Schwule haben irgendwann bewusst statt „Homosexualität“ die Bezeichnungen „lesbisch“ oder „schwul“ für sich verwendet, weil schwul und lesbisch Leben ja viel mehr ist als nur die Sexualität!

Wer die Heteronormativität verteidigt – manchmal sogar unbewusst – sollte sich klar machen, dass er oder sie damit zum Beispiel die hohe Suizidraten unterstützt. Think about it!

Eine Begegnung bei der Vorratsdatenspeicherungsdemo.

Heute demonstrierten zwischen 500 (lächerliche Zahl der Polizei) und 2000 (wahrscheinlicher!) Menschen gegen die Vorratsdatenspeicherung, die am 1. April in Kraft tritt. Dieser Blogbeitrag handelt aber jetzt nicht inhaltlich von dieser Demo. Nur so viel dazu: Bitte, klagt mit: www.verfassungsklage.at.

Ich will aber eine andere Geschichte erzählen.

Kurz nachdem ich die wunderbaren Reden von u.a. Albert Steinhauser und der großartigen isländischen Parlamentarierein Birgitta Jónsdóttir lauschte und mit letzterer noch kurz sprach, ging ich ein bisschen durch das Demo-Publikum.

Plötzlich sprach mich ein junger Mann mit Guy Fawkes-Maske an. Man konnte nur seine wirklich schönen blauen Augen sehen.Er sagte zu mir nur: „Danke!“.
Darauf fragte ich: „Wofür?“
Er antwortete: „Für deine Arbeit!“.
Ich erwiderte: „Das ist schön, dass du mir das sagst. Sowas motiviert wirklich. Danke!“ und ging weiter. Warm ums Herz.

Ich weiß gar nicht, wer dieser junge Mann war. Sollte er das hier lesen, sei nochmals herzlich ‚Dankeschön‘ gesagt. Warum erzähle ich das jetzt hier? Weil es so selten vorkommt. Man kritisiert gerne und laut. Das ist ja auch gut so. Aber einfach einmal zu jemanden gehen, der oder die seinen oder ihren Job – ganz egal ob Eisverkäuferin, Friseur, KfZ-Mechaniker, Rezeptionistin, Politiker oder Journalistin, whatever – gut macht, einfach mal loben. Und ‚Danke‘ sagen. Das tut so gut. In der Politik ja besonders selten.

Ich werde jedenfalls wieder öfter feedbacken und jemandem, der/die was Gutes tut, einfach mal ein „Danke“ zuwerfen. Auch meinen Politik-Kolleg_innen gegenüber. Wir tun das alle viel zuwenig. Die Bashing-Kultur hat uns das Loben und Bedanken anscheinend irgendwie ausgetrieben. Dabei wird Kritik doch viel eher entgegengenommen, wenn man auch mal lobt…

Ein kleiner Nachtrag und eine Richtigstellung zum ZiB 24 Auftritt.

Ich war am 26.3. in der ZiB 24 und konnte zum Thema Sizzla sowie zur eklatanten und tödlichen Homophobie auf Jamaika Stellung nehmen. Mit Werner Zips war ein sehr guter Jamaika- und Reggae-Kenner dabei und im Grunde waren wir uns einig, wenn auch nicht im Detail. Ich glaube die Diskussion war sehr gut, nicht gehässig und sachlich. Also recht anders und ohne die merkwürdigen und zutiefst homophoben Verteidigungskommentare der Reggae- und Sizzla-Fans, die sich meiner Meinung nach alle selbst disqualifizieren und tatsächliche Morde an Schwule erschreckend verharmlosen.

Aber darum geht es jetzt nicht.

Ich habe in der Sendung zwei Mal darauf hingewiesen, dass das Lokal Reigen Subventionsempfänger der Stadt Wien ist. Nun haben viele das so verstanden, dass ich die Stadt Wien für diese Subvention kritisiert hätte. So war das nicht gemeint! Denn die Stadt Wien unterstützt nur die Veranstaltungsreihe Reigen Live. Was das Lokal als Firma macht, und mit welchem Untermieter es einen Vertrag abschließt (wie etwa im Fall Sizzla mit BunFireSquad), kann von der Stadt Wien weder beeinflusst werden, noch kann die Stadt da was tun, weil es einfach zwei Firmen sind. Sonst war die Stadt Wien, insbesondere die MA7, in all den Wochen eine großartige Kooperationspartnerin, die das Problem hervorragend verstand.

Gemeint hatte ich:

Ein Subventionsempfänger der Stadt Wien muss bei Acts, die sei in ihrem Lokal oder Ort auftreten lassen, besonders aufpassen und überprüfen, wen sie denn da einladen.

Es kann ja nicht sein, dass bei den wirklich extrem homophoben Acts (aber auch antisemitischen, rassistischen oder ähnlichen Acts) immer NGOs, Aktivist_innen oder Menschen wie ich aufschreien müssen, und erst dann geprüft wird, ob eh keine verhetzenden Hass-Songs gespielt werden. Verträge sind dann leider längst schon unterzeichnet. Es wird Zeit, dass Veranstalter und Veranstalterinnen das selbstverständlich vorher erledigen! Das gilt insbesonders für Empfänger_innen von Steuergelder!

Man kann halt leider in wenigen Minuten nicht alles genau genug sagen.

Vorhergehende Posts:

Offener Brief an Veranstalter
Antwort der Veranstalter

Ein schwuler Pfarrgemeinderat und die Politik.

Ich stecke in einem Dilemma. Die Tatsache, dass ein in Eingetragener Partnerschaft lebender junger Mann trotz 80{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} Unterstützung in einem kleinen Dorf (ist ja eigentlich eh sensationell!) nicht Pfarrgemeinderat werden darf, emotionalisiert mich genauso wie Tausende andere auch. Ich finde die Argumente der römisch-katholischen Kirche schlichtweg zum Speiben.

Also fragen mich viele in meinem Umfeld – Lesben, Schwule, Grüne, Freund_innen – warum ich nichts dazu sagen würde? Immerhin wäre ich ja der einzige Vertreter lesbisch-schwuler Interessen im Parlament. Das stimmt natürlich.

Nur bin ich für eine strikte Trennung von Kirche und religiöse Institutionen auf der einen, und von Politik und Gesetzeswerdung auf der anderen Seite. Nahezu jedes mal, wenn ich irgendwo in eine Talkshow oder in eine Podiumsdiskussion hineinging, saß dort ein Kirchenvertreter, egal wer einlud. Eine Praxis, die mir immer schon auf die Nerven ging. Offensichtlich ist für viele gelernte Österreicher_innen die Ehe immer noch ein Sakrament, auch die am Standesamt. Was natürlich Blödsinn ist. Aber es steckt tief in den Köpfen drin.

Auf oben genannten Veranstaltungen habe ich immer dasselbe gesagt, etwa sinngemäß so:
„Danke Herr Bischof [oder wer auch immer da war], Ihre Meinung überrascht mich nicht. Es ist aber eine Meinung die ausschließlich Ihre kirchliche Ehe betrifft und nicht die staatliche Ehe, nichts mit der zivilrechtlichen Ehe zu tun hat. Der Staat muss ja Ehe-Möglichkeiten für alle schaffen. Für Katholik_innen, Muslim_innen, Jüd_innen, Atheist_innen, und die dürfen auch quer heiraten. Das ist eine Errungenschaft. Früher durfte nicht interkonfessionell geheiratet werden, manche Berufsgruppen hatten auch ein Eheverbot. Und ich arbeite gegen das letzte Eheverbot: Das der gleichgeschlechtlichen Ehe. Ihre Meinung ist daher für den Staat völlig irrelevant.“
Der junge Mann, der sich ehrenamtlich für seine Pfarre einsetzen will, hat meine volle Solidarität. Trotzdem – und das ist jetzt eine persönliche Meinung – überrascht mich, dass jetzt alle so überrascht sind, weil er nicht Pfarrgemeinderat werden kann, wie es derzeit zumindest aussieht. Die Haltung der katholischen Kirche zum Thema Homosexualität ist doch längst bekannt. Da nützen auch die beschwichtigenden Äußerungen nicht, die seit langem kommen: Man darf Homosexuelle nicht prinzipiell diskriminieren, auch für sie muss Platz in der Kirche sein, etc. Wenn ein Mann mit einem anderen Mann freiwillig Sex hat (Analsex, Oralsex und lauter so Sachen!) dann ist Schluss mit lustig für Kircheninstitutionen. Das wissen wir doch längst!

(Nur mit unfreiwilligen Sex und Missbrauch sowie Pädophilie scheint die Kirche jahrzehntelang weniger Probleme gehabt zu haben, aber dieses Thema würde jetzt den Blogbeitrag sprengen. Erwähnt werden musste das aber, weil die Sexualmoral der Kirche nie mit der Realität und der menschlichen Natur zusammen passte!)

Ausgelebte Homosexualität ist immer noch eine Sünde, so meines Wissens nach immer noch die offizielle Haltung der Kirche. Liberale Kräfte innerhalb der Kirche arbeiten dagegen und wollen eine weltoffenere Haltung, die real existierende Beziehungen und Lebensentwürfe – nicht nur Homosexualität, sondern auch Scheidungen und Wiederverheiratungen, uneheliche Kinder, Patchworkfamilien etc. – stärker berücksichtigen wollen. Quasi „entsündigen“ wollen. Soweit so gut. Nur das muss die Kirche bitte mit sich selbst ausmachen. Meine Unterstützung haben die liberalen Kräfte freilich, weil es auch auf die Gesellschaft an sich ausstrahlt.

Ich werde weiter für die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eintreten. Und zwar der standesamtlichen! Ob die Kirche das auch mal mit ihrer Ehe machen wird, muss sie selbst entscheiden und sich mit ihren eigenen lesbischen und schwulen Schäfchen ausmachen. Aber das ist nicht Aufgabe der Politik. So sehe ich das jedenfalls.

Pfarrgemeinderat werden wollen ist eine ehrenamtliche Sache. Ich kann da als Politiker nichts machen. Die internen Wahlordnungen der Kirche muss sich die Kirche selbst ausmachen. Die öffentliche Debatte offenbart die Haltungen ohnehin eindrucksvoll. Und spricht für sich. Viele werden dem Pfarrgemeinderat, der keiner werden darf, vielleicht auch den Kirchenaustritt nahelegen. Und nicht die Kirche auffordern, ihn zu akzeptieren.

Was anderes wäre es allerdings, wenn es sich um einen Angestellten der Kirche handeln würde, etwa einem Sekretär, einem Hausmeister oder einem Dombau-Ingenieur, der aufgrund von Homosexualität seinen Job verliert. Dann würde meiner Meinung nach das Antidiskriminierungsgesetz zur Anwendung kommen müssen, die genau davor schützen soll. Kirchen sind aber mitunter davon ausgenommen. Hier wäre die Politik also dann sehr wohl gefragt – je nach dem zu welchem Urteil ein Gericht kommen würde. Noch gab es keine solche Verfahren.

Am Ende hat mich aber dann doch etwas – politisch! – beeindruckt: Dass in einer kleinen ländlichen Gemeinde namens Stützenhofen ein offen schwuler Mann 80{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} Unterstützung erhält wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. DAS freut mich auf jeden Fall und zeigt, dass wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel erreicht haben!

Die Antwort von BunFireSquad zum Sizzla Konzert.

Vor einigen Tagen veröffentlichte ich einen Offenen Brief an den Reigen und an die Veranstalter von BunFireSquad. Während das Lokal Reigen nur lapidar und ohne offensichtliches Interesse sehr enttäuschend reagierte, hat BunFireSquad ausführlich geantwortet.

Auf den von Sizzla unterzeichneten Vertrag warte ich derweil noch.

Hier die Antwort der BunFireSquad, die ich mal zur Diskussion stelle. Und eine Nachricht an DJ Mikey Kodak von Rebel Radio: Du kannst noch so viele menschenverachtende Hass-Postings gegen Homosexuelle hier reinschreiben, ich werde diesen Hass hier nicht veröffentlichen.

 

sehr geehrter herr schreuder

Wir haben auf ihr anliegen nun den vertrag mit dem manegment von sizzla geändert und den punkt hinzugefügt: In consideration of €……, the agent hereby agrees to make available to the promoter the services of Sizzla and the Firehouse Crew hereinafter referred to as the artist for 1 (one) concert(s) on Monday 26 March 2012 in Venue Name : Kulturverein Reigen Hadikgasse 62 / 1140 Vienna Austria It is understood that no payment will be made if homophobic songs and statements are made at the show date.

weiter haben wir eine genaue songliste von der show angefordert:

Please see the set list

1. Holding firm
2. Got it right here
3. Smoke
4. Mash dem down
5.Simplicity
6. Trod Mount zion
7. Good ways
8. Guide over us
9. Words of divine
10. Woman I need you
11.Black woman & child
12.Thank you mama
13. Taking over
14. Get real
15.Martial arts
16. I’m with the girls
17.Rise to the occasion
18. System
19. Ain’t going to see us fall
20.Chant
21.One away
22.Give them aride
23.Got to be strong
24.Give love a try
25.Take myself away.

Sizzla wurde eingeladen, da er sehr viele Fans in der Reggae Szene hat und nicht wegen seiner „antigaysongs“, sondern wegen seiner Songs gegen Unterdrückung. Zu seinen „antigaysongs“ wollen wir anmerken, dass sie religiös motiviert sind (die Missionare haben da „tolle Arbeit“ in Jamaika geleistet) und wir uns von diesen distanzieren. Wir  können aber nicht kontrollieren, welche Songs ein Künstler komponiert, sehr wohl aber, dass sie auf unseren Konzerten nicht gesungen werden.

Bei unseren Konzerten ist es noch nie vorgekommen, dass sich  jemand nicht an vereinbarte Abmachungen, gehalten hat.

Zu dem „Waffenfund“ auf Sizzlas Anwesen: Ja, es ist wahr, dass Waffen gefunden worden sind. Es handelte sich um Waffen der Security Leute, die das Anwesen und auch das dort liegende Studio bewachen. Da in Jamaikas Armenvierteln, in dem dieses eine Gemeindezentrum von Sizzla liegt (er unterstützt mehrere Zentren) , eine sehr hohe Kriminalitätsrate besteht und bewaffnete Raubüberfälle leider an der Tagesordnung sind ,ist das wohl nachvollziehbar (wie viele amerikanische Superstars  haben Waffen im Haus!).   Fakt ist, dass mit diesen Waffen keine Gewalttaten verübt worden sind und wir sonst die Justiz von Jamaika  in Frage stellen müssten!

Wir verfügen über ein professionelles  Securityteam, das genaue Ausweiskontrollen durchführt  und unter 18jährigen den Einlass verweigern wird.

Unsere Haltung gegenüber Homosexuellen ist genau die Gleiche wie die gegenüber allen Menschen – leben und leben lassen. Mit dem Thema „Mordaufrufe“ – haben wir uns sehr genau befasst und 2 jamaikanische Sprachwissenschaftler befragt , die uns versichert haben , dass Sizzla zwar sehr wohl gegen Schwule ist, und zwar aus religiösen Gründen aber die Mordaufrufe ein metaphorischer Sprachgebrauch ist, der für etliche andere Themen auch verwendet wird und sicher nicht als Mordaufruf- so wie wir Europäer das interpretieren würden- gedeutet werden kann. Es wurde  noch nie ein Schwuler auf irgendeinem Reggae Konzert verletzt oder gar ermordet. Wir sehen hier  also absolut keine Gefahr. Wir sind uns dennoch bewusst, dass Sizzla ein kontroversieller Künstler ist und auch nicht ohne Problematik. Da wir aber wirklich sicher sind ,dass diese von euch als Mordaufrufe verstandenen Songs , das eben nicht sind, sondern aus der Ghettosprache, die diese Künstler benützten- sehr rau, hart und manchmal auch beleidigend – entspringen, haben wir keine Bedenken, sie den österreichischen Fans zu präsentieren. In diesem Zusammenhang wollen wir darauf hinweisen, dass es auch  Rapkünstler gibt, die das Wort „Fucking Bitch“ benützen  und so Proteste von  feministischen Vereinen hervorrufen , trotzdem sind diese Songs nicht verboten worden , sondern aufgeführt . Wir distanzierten uns auch damals von den “ bitch “ Texten,  können aber nicht jedem Künstler, den wir buchen, vorschreiben welche Songs er komponieren darf.?

Das Wort Hass-Sänger ist einfach falsch, da werden in letzter Zeit alle möglichen Sänger in einen Topf getan. Ja, es gibt jamaikanische Sänger, die gegen Schwule sind,  dürfen die ihre Meinung nicht kundtun? Das ist halt deren Einstellung und  sie sind auch in der Reggaeszene total in der Minderheit .Aber nicht jeder ist ein Hass-Sänger , manche sind einfach durch ihre Religion dagegen , die Wörter, die dann verwendet werden , eben diese, die dann als „Mordaufrufe“ gewertete werden , sind von unserer Sicht aus sehr wohl falsch gewählt.

Wir möchten noch einmal betonen, dass diese Einstellung in der Dancehall eine sehr geringe Minderheit ist .Viele der Künstler sind in den USA aufgewachsen und haben eine weltoffenere Einstellung. Bitte lasst uns den Focus auf diese richten. Hätten wir gewusst, dass Sizzla wieder so ein Problem wird,  hätten wir es vielleicht anders gemacht…

Wir haben uns nach der ganzen Diskussion, die jetzt in Gange ist, entschlossen, für das nächste reggae/dancehall Event den Künstler „Tarrus Riley“ zu buchen, der dafür bekannt ist, dass er ausschließlich über Liebe und Liebeslieder singt. Bitte überprüfen!  Als nächster Act wäre dann „Cecile“ geplant. Eine sehr liebe Frau , die gegen die Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft singt , aber auch einige Songs hat, in denen es um Sex geht, aber nicht gegen Homosexualität , sondern nur um ihre eigene Sexualität, die sie frei leben möchte.

Wir hoffen, dass sie sehen,  dass wir ihr Bedenken sehr wohl ernst nehmen und versucht haben,  genau auf eure Argumente einzugehen.

Ich möchten ihn nochmal ausdrücklich versichern das wir mit homosexualität in keinster weise ein problem haben.Schon in der volksschule (WUK) hatte ich einen schwulen lehrer und mittlerweiler auch viele schwule freunde.

selbstverständlich kann ich ihnen noch eine kopie des vertrages schicken, weiters sind sie natürlich herzlichst eingeladen und vieleicht können wir uns ja auch mal zusammen setzten um an produktiven lösungen für die zukunft zu arbeiten.

mfg

Mein Leben mit der Aids-Krise. Oder: Wütend auf Lugner.

Das wird wieder so ein Blogpost, in dem ich persönlich werde. Um eine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines schwulen Mannes, der 1969 geboren wurde und in den 80-er Jahren sein Coming-out hatte. Zur Zeit als Aids aufkam. Und diese Geschichte betrifft einen Großteil meiner Generation plusminus einige Jahre. Eigentlich betrifft es alle, die vor 1996 die schöne, bunte und die damals irgendwie auch als gefährlich verrufene Welt der Schwulenszene kennenlernte. Damals änderte sich diese dramatisch. Grund: Die Aids-Krise.

Der Anlass, warum ich das hier schreibe heißt übrigens Richard Lugner. Ich weiß, der wäre es eigentlich nicht wert einen Artikel zu schreiben, in dem er vorkommt. Aber eben: Ein Anlass ist er allemal. Im ORF sagte Lugner nämlich:
„Ein Veganer wird aus mir nicht, auch kein Homosexueller. Das sind so gewisse Dinge, wo ich sage: ‚Das überlasse ich anderen, diese Späße.‘ … Ich habe jetzt unlängst ein Buch gelesen, also ein Kapitel über Homosexualität, und da habe ich gelesen, wie gefährlich das ist und was da alles für Gefahren schlummern. Deswegen wird man eben Aids-krank“,
Lugner war oft am Life Ball, dem größten Aids-Charity-Event überhaupt. Und Life Ball-Macher Gery Keszler reagierte sofort und erklärte Lugner für unerwünscht. Er brauche den Life Ball nicht mehr besuchen, so Keszler. Das ist eine richtige Antwort auf die unsäglichen Äußerungen eines medial viel zu hochgepushten Pensionisten. Bleibt nur noch die Frage, wie man Life Ball-Besucher und -Besucherinnen sensibilisieren kann, die nur aufgrund der Events und des Gesehenwerdens dort sind. Nicht aus inhaltlichen Gründen.

Trotzdem bin ich wütend. Warum?

Wie oben geschrieben bin ich Jahrgang 1969. Das heißt, dass mein Coming-out zeitlich parallel geschah, als Aids auftauchte und Forscher feststellten, dass besonders in der Schwulenszene Menschen betroffen sind. Ich hörte zuerst nur in den Medien davon. Von „Schwulenkrebs“ war damals die Rede. Und ich kurz vor dem Coming-out! Nicht gerade lustig, sowas. Und bei einer Veranstaltung, die mein damaliger Schuldirektor der Tourismusschule in Bad Ischl veranlasste (was ich bis heute außergewöhnlich und großartig fand), hörte ich von Übertragungswege und Kondomen, die helfen. Mein Coming-out war also gleichzeitig mit dem Erlernen von Safer Sex-Regeln. Erste Erfahrungen hatte ich bereits, aber noch nicht so wirklich den Durchbruch.

1988 kam ich dann nach Wien. Und kurz darauf besuchte ich die ersten Szenelokale. Ich hatte Angst. Aidsfolder hier, Aidsplakate da. Ich stellte anfangs zwei Sachen fest:

1. In der Schwulenszene muss ich verdammt aufpassen und immer mindestens 3 Kondome und 3 Gleitgel-Packs dabei haben.
2. Die Jungs halten aber ganz schön zusammen!

Und nach einem Jahr Lokale, Clubs, Parties, Freunde kennen lernen, Netzwerkaufbau usw. konnte ich noch etwas Drittes feststellen:

3. Die Freunde, die man gerade gewonnen hat, können jederzeit sterben.

Und das taten sie auch. „Wie die Fliegen“, wie wir damals oft bitter feststellten.

Als sehr junger Mann 1988 (19 Jahre alt) war ich einer der jüngeren Generation. Ich gehörte also zu denen, die bereits mit Safer Sex-Regeln in die Szene ankamen. Das unterschied mich und Gleichaltrige von der Generation, die einige wenige Jahre älter war. Die sich noch an die Zeit erinnern konnte, in der man nach Mykonos, San Francisco und Amsterdam fuhr, um auf wilde Parties teilzunehmen und eines nie dabei hatte: Ein Kondom. Wozu auch? Das war ja nur was für Heteros, damit die keine Kinder kriegen. Diese Generation hat es erheblich erwischt. Oder sie hatten einfach Glück.

Die Szene vor Aids stellte noch keine Forderungen nach Ehe oder Anerkennung ihrer Partnerschaften. Das war sogar ein ziemlich lächerlicher Gedanke! Wozu heterosexuelle Lebensmodelle kopieren? Man verstand sich vielmehr als Teil der sexuellen Revolution, die in den späten 1960-ern begann. Feminismus, Ablehnung von Ehe und konservativen Lebensmodelle! Das war der Geist, der die 70-er Jahre ziemlich prägte. Und dann kam Aids. Promiskuität galt plötzlich als gefährlich. Auch in der Schwulenszene wurden progressive und konservativere Konzepte neu hinterfragt. Die Forderung nach so genannten „Homo-Ehen“ bzw. rechtliche Anerkennung von Partnerschaften begann. Die erste Partnerschaft wurde dann 1988 in Dänemark anerkannt. Zeitlich kein Zufall.

Hier spaltete sich auch die Lesben- und die Schwulenszene zu einem gewissen Grad. Zwar trugen viele Lesben die Forderungen, die unter dem Eindruck der Aids-Krise entstand, mit – immerhin waren und sind Lesben und Schwule gern und oft privat befreundet. Doch die aus der feministischen, anti-patriarchalen Ecke stammenden Frauen konnten staatlich anerkannten Lebenspartnerschaften eigentlich nicht viel abgewinnen, ist die Ehe doch ein von Männer für Männer erfundenes Instrument zur Unterdrückung der Frau. Ein Konflikt, der auch heute oft noch auftaucht, wenn auch mittlerweile mit etwas mehr Gelassenheit diskutiert wird.

Doch zurück zur Schwulenszene Ende der 80-er und zu Beginn der 90-er Jahre.

Ich arbeitete in Beisln und hatte Stammcafés. Ich lernte damals ungeheuer spannende Menschen kennen. Man ging ins Café Savoy, ins Café Willendorf, ins Nightshift oder ins Kaiserbründl. Man sah viele Menschen, kannte viele Menschen, und mit Einigen hatte man auch was… Und ein paar wurden enge Freunde. Bis heute. Und manchmal verschwand plötzlich ein Gesicht und man fragte sich: „Wo steckt er denn?“ Man wusste nicht: Ausland? Baumgartner Höhe (Synonym für das auf HIV-Patienten spezialisierte Annenheim)? Neuer fixer Freund? Und man hörte Freunde sagen: „Mich hat’s erwischt.“ Und dieser flüsterte einige Wochen später „Rate mal, wenn ich oben auf der Baumgartner Höhe noch getroffen habe! Erinnerst du dich noch? Der ist eh seit Monaten verschwunden!“ Und man rannte zu vielen Beerdigungen. Sie starben. Als junger schwuler Mann war man früh mit dem Tod konfrontiert. So war das in dieser Zeit.

Aber noch etwas geschah in dieser Zeit: Die Schwulencommunity hatte ein Problem, und dieses Problem galt es zu lösen. Daher gründeten sich früh Aidshilfe-Gruppen, die Kondome verteilten. Überall waren Plakate zu sehen. Folder gab es an jeder Ecke und für jedes Spezialgebiet. Bis zu Safer S/M-Praktiken für schwule Lederkerle. Man hielt unglaublich zusammen, man redete darüber. Und man kümmerte sich um die Patienten, die „oben lagen“, also im Annenheim. Die Medien begannen sich dafür zu interessieren. Schwule wurden plötzlich Experten, vermittelten Safer Sex, machten vermehrt darauf aufmerksam, dass auch Heterosexuelle betroffen sind. Zahlen wurden publik, Frauen waren betroffen! Doch immer noch blieb Aids irgendwie die „Schwulenkrankheit“. Aber Schwule wurden mittlerweile breit wahrgenommen. Sie traten im TV auf. Sie wurden ernster genommen. Dänemark Anerkennung der Partnerschaften 1988, der Beginn des Life Balls 1993 und die erste Regenbogenparade 1996 zeugen von dieser Zeit.

Bis heute wird Aids aber trotzdem noch vorwiegend als ein Problem von homosexuellen Männern wahrgenommen, denn wie viele interpretieren den Life Ball immer noch als Schwulenevent? Dabei ist es längst bekannt, dass es mehrere Risikogruppen gibt (Ungeschützter Analverkehr ist etwa eines der möglichen Risikoverhalten, der aber auch unter Heterosexuellen praktiziert wird) und Sex nicht der einzige Übertragungsweg ist – wenn auch ein wesentlicher.

1996 änderte sich dann vieles. Es kamen die ersten Kombi-Therapien auf, die sich im Laufe der Jahre verbesserten. Bis heute. Nebenwirkungen – etwa ungleiche Fettverteilungen im Körper – wurden sichtbarer Bestandteil der Community, aber besserten sich auch im Laufe der Jahre. Aber es ging plötzlich nicht mehr um einen gewissen Tod, sondern um das Leben mit dem HI-Virus. Um die Integration ins Alltags- und Berufsleben. Die Aids-Prävention freilich wurde dadurch schwieriger. Es starben nicht mehr Freunde weg. Nicht mehr wie die Fliegen.

Ich lernte also zu Beginn meiner Erfahrungen in der Schwulenszene Menschen kennen, die andere befreundete Menschen verloren, Angst hatten, für einander da waren, es thematisierten und neue Lebenskonzepte und ein neues Selbstbewusstsein entwickelten . Und dann hört man Lugner im jahr 2012. Und man fühlt sich einige Jahrzehnte zurück geworfen. Das macht so wütend!
Foto: Keith Haring, Safe Sex, 1988. Später setzte sich der Ausdruck Safer Sex durch.