Was ich in den kommenden fünf Jahren vorhabe. Teil 2

Im 1. Teil habe ich schon skizziert, was meiner Meinung nach in den nächsten fünf Jahren wesentlich für die Stadt ist. In diesem Beitrag möchte ich mich auf „meine“ Ressorts konzentrieren.Netz- und TechnologiepolitikWien kann Vorreiter moderner Technologiepolitik sein, wenn die Stadt sich einen Ruck geben würde. Die Bundesregierung macht es genau falsch rum. Mit der so genannten Transparenzdatenbank sind wir wieder einen Schritt näher zum „gläsernen Bürger“. Parteikassen sollen aber verschlossen werden. Wien kann’s umdrehen: Zuerst die gläserne und transparente Stadt:Ein Informationsfreiheitsgesetz kann dafür sorgen, dass alle Subventionen, Spesen, Studien usw. öffentlich zugänglich sind. So werden auch Doppelinteressen, Lobby-Interventionen und dergleichen öffentlich. Auch die politischen Parteien sollen ihre Kassen öffentlich zugänglich machen.Open Data: Öffentliche Daten müssen auch öffentlich zugänglich sein und verwertbar sein. (Etwa die Fahrplandaten der Wiener Linien – vgl. diesen Blogbeitrag). Der Nutzen wäre optimal: Die Daten und Studien der Regierung und Magistrate werden transparent, die Bürger und Bürgerinnen haben jederzeit Einblick, Entwickler und Entwicklerinnen können aus den Daten neue Anwendungen gestalten, die der Allgemeinheit wieder zur Verfügung gestellt werden.Open Source: Gerade die Stadt soll sich nicht einem Konzern und einem geschlossenen System ausliefern. Eine öffentliche Verwaltung – das Wort „öffentlich“ sagt es ja bereits – soll auf Open Source setzen. Das ermöglicht auch Wiener Entwickler_innen an der technologischen Entwicklung der Stadt zu partizipieren. Das ist somit auch ative Wirtschaftsförderung. Die Kosten sind anfangs etwas höher, amortisieren sich aber sehr bald, da keine Linzenzgebühren mehr anfallen. Open Source ist zudem demokratisch – geschlossene Systeme autokratisch.Safer Surfen: Facebook, Google & Co. sind Massenphänomene geworden – egal ob Seniorin oder Schüler. Es braucht mehr Aufklärung in den Schulen zu den Themen Datenschutz und Umgang mit Technologien. Schüler_innen können binnen Sekunden mit Internet-Tools umgehen, sind aber bei manchen Punkten – etwa bei Privatsphären-Einstellungen – sehr sorglos. Hier muss aufgeklärt werden und Medienkompetenz vermittelt werden. Senior_innen sollen die Möglichkeiten des Internets ebenso nahegelegt werden. Etwa durch spezielle Schulungen.Ich freue mich, dass gleich mehrere Kandidat_innen der Grünen Wien sich für dieses Thema interessieren. Umso besser! Mein Ziel ist es, dass diese Aspekte in allen Ressorts mitgedacht werden. Ein Team der Grünen wird sich dieses Themas annehmen, u.a. Klaus Werner-Lobo, Martina Wurzer und Nikolaus Kunrath – jeweils aus etwas anderen Blickwinkeln.KulturpolitikKulturpolitik wurde in den letzten Jahren zunehmend nur auf Kunstfördervergaben reduziert. Dabei kann Kulturpolitik so vieles mehr sein: Jugend- Integrations- und Sozialpolitik etwa. Das Kulturressort darf nicht wie ein Schrebergarten behandelt werden, sondern muss sich in alle Bereiche einmischen. In die Lehrpläne etwa. Denn Kreativität sollte in den Schulen wieder einen Stellenwert bekommen.Kulturelle Nahversorgung: Je näher zur Ringstraße, umso höher die Kulturförderung pro Quadratkilometer. Das muss geändert werden. In Favoriten oder Simmering soll sich das Leben nicht auf Wohnen, Arbeiten und Shoppen beschränken. Kulturelle Nahversorgung scheint mir sehr wichtig – allerdings als selbst organisierte und nicht als ferngesteuerte Grätzlzentren. Proberäume, Raum für Kreativität und Interkulturalität: All das kann dort verwirklicht werden, sei es in Stadtteilzentren oder in leer stehenden Geschäftslokalen, die zentral angeboten werden. Dazu zählen übrigens auch die Musikschulen.Transkulturalität: Migrant_innen – etwa 40{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} der Stadt – dürfen nicht länge raus dem Kulturleben ferngehalten werden. Kulturinstitutionen haben sich hier als erstaunlich starr dargestellt. Im 19. Jahrhundert war es völlig normal, dass im Theater in der Josefstadt tschechischsprachige Theaterstücke aufgeführt wurden. Zu einer Zeit, als es eine starke Zuwanderung aus Tschechien gab. Warum gelingt das 2010 nicht mehr?Zukunftsplan 2020: Kulturpolitik darf nicht erstarren. Wenn nahezu alle Mitteln des Budgets quasi als Tradition den immer selben Institutionen zugute kommen, dann gibt es keinen Raum, kein Geld und keine Ressourcen für Neues. Meine Kulturpolitik bedeutet aber nicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben – sondern partizipativ Kulturpolitik immer wieder und immer wieder neu erfinden und neu positionieren.Vereinige Bühnen Wien: Warum kommen andere Städte ohne Subventionen von Musicals aus, Wien muss aber mit aberwitzigen Summen zwei Musicalbühnen subventionieren? Ich habe nichts gegen Musicals, aber die Fördersummen müssen völlig neu bewertet werden. Ebenso die Anzahl der Musicalbühnen.MA7 als Servicecenter: Das Kulturamt könnte soviel mehr sein, als eine reine Beamt_innen-Burg. „Meine“ MA7 wäre ein Straßenlokal, zugänglich, transparent mit Servicecenter, Hilfe bei Ansuchen, Vermitteln von EU-Förderungen, Hilfe bei Buchhaltung und Abrechnungen. Steuergeld-Verschwendung wäre so prophylaktisch abgestellt und alle Wienerinnen und Wiener können sich immer zur Kultur in Wien informieren.Kulturelles Erbe von gestern: Ja, der Jüdische Friedhof muss restauriert werden, so wie unser kulturelles Erbe überhaupt Ernst genommen und gepflegt werden muss.Kulturelles Erbe von morgen: Was Künstler_innen heute schaffen, ist das Erbe von morgen. Ausbildung und das Schaffen einer kreativen Szene ist essenziell für die Zukunft. Lehrpläne, Schulen, Jugendeinrichtungen müssen durchforstet werden, Talente gefördert und Raum zur Verfügung gestellt werden. Hier schließt sich der Kreis zum ersten Punkt.QueerpolitikLesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern geht es im Wien des Jahres 2010 sicher besser, als in den Jahrzehnten davor. Trotzdem: Auch wenn es nunmehr Eingetragene Partnerschaften gibt: Bis zu einer völligen Gleichstellung – etwa durch die Öffnung der Ehe – ist noch ein weiter Weg. Gerade die Kommunalpolitik kann punktuell arbeiten und für mehr Verständnis sorgen und Homophobie aktiv entgegenwirken.Homophobie bekämpfen: Ob eine Stadt Wien-Aktion mit Fußball-Fanclubs, ob Aktionen in Jugendzentren und in Schulen, ob Aufklärung und niederschwellige Beratung: Hier hat die Stadt unendlich viele Möglichkeiten, aktiv Ausgrenzungen und Vorurteile zu begegnen.Mahnmal für die homosexuellen NS-Opfer: es hat bis 2005 (!) gedauert, bis homosexuelle Opfer überhaupt als solche anerkannt wurden. Als beinahe alle Betroffenen schon gestorben war. Umso wichtiger, heute ein zeichen zu setzen. Ebenfalls 2005 wurde von Stadrat Mailath-Pokorny ein Mahnmal versprochen. Bis heute nicht umgesetzt – also: Neustart!Neue Ideen für queeres Leben: Ob ein Wohnprojekt, in dem ätere Lesben und Schwule mit jüngeren zusammenleben, ob betreute Jugend-WGs, in denen lesbische schwule und transidente Jugendliche Schutzraum finden, ob Senior_innenclubs in Seniorenwohnhäuser der Stadt Wien oder queere Netzwerke für Magistrats-Beamte und -Beamtinnen. Die Stadt kann Diversität unterstützen.Die genannten Punkte sind nur einige wenige Punkte und nur ein kleiner Ausschnitt. Aber es soll zeigen, dass ich tatsächlich noch viel – sehr viel – vorhabe. Und es kommen ja noch einige Themen dazu, etwa Tourismus-Politik und Europ
apolitik. Aber dazu ein anderes Mal sicher mehr.

Das ATV-Spektakel: Sowohl-als-auch-Politik

Mein lieber Kollege Christoph Chorherr schreibt in seinem Blog (hier) mehrere Gründe, warum er die gestrige Sendung Meine Wahl auf ATV für gefährlich hält.Ich bin einmal (selten genug :-)) anderer Meinung als Christoph Chorherr. In Zeiten, in denen Politik – insbesondere die Kommunalpolitik! – froh sein kann, wenn sie 6 bis 9 Sekunden O-Ton in den Nachrichten bekommt, in Zeiten, in denen Politik weniger diskursiv als emotional bewertet wird, in Zeiten in denen die Politikverdrossenheit zunimmt, halte ich ein Hauptabendformat, wie ATV ihn gestern präsentierte, für legitim.Im täglichen Straßenwahlkampf begegne ich viele – allzu viele Menschen – die sich darüber beklagen, dass sie die Inhalte und Positionen der Parteien nicht kennen oder erkennen. Und sie lesen täglich auf Plakaten, die ja eigentlich das Hauptthema der jeweiligen Parteien kommunizieren sollten, nur Plattitüden wie „Frischer Wind“, „Es geht auch anders“, „Er glaubt an euch“, „Kraft der Mitte“ oder „Jetzt geht’s um Wien“. Das sind keine politischen Programme, und tatsächlich sind die Grünen Plakate die einzigen, die Programme kommunizieren: Öffi-Tarif, Wohnpolitik und Bildungspolitik etwa.In der gestrigen Sendung auf ATV konnten alle Spitzenkandidat_innen ganz konkrete Themen ansprechen, auf sehr konkrete Fragen antworten und sich untereinander austauschen – und ja: untergriffig befetzen. Michael Häupl und HC Strache entscheiden sich für Untergriffe („Konsumgewohnheiten“ oder „Weinseligkeit“), während Christine Marek zwar spröde aber sachpolitisch und Maria Vassilakou erfreulich visionär, klar und zielgerichtet ihre Positionen vermitteln konnten, ohne diese Untergriffigkeit der zwei Männer. Das war die Entscheidung und das Verhalten der vier Spitzen und nicht des Fernsehens.Politik hatte viel Zeit, kommuniziert zu werden. War das wirklich so schlimm? Okay, über die Auswahl des Publikums könnte man noch diskutieren, aber da alle vier Parteien gleich viele Personen und Schlachtenbummler_innen mitnehmen konnten, hatte das TV-Event sogar etwas demokratisches. Selten habe ich in meiner Laufbahn Michael Häupl als einen politischen Mitbewerber erlebt. Meistens trägt er einen Bürgermeister-Nimbus mit sich mit und meint und vermittelt, er stehe ohnehin über allem anderen. Gestern war das schon ganz etwas anderes! Plötzlich war er nur einer von vieren und nicht der Übervater à la Kim Jong-Il.Chorherr meint zudem, das Sendeformat sei eine „Als-ob-Politik“, eine TV-Inszenierung als anti-aufkärerischer politischer Akt. Das mag stimmen (auch mich störte das Inszenieren als Gladiator_innen), aber kann Politik nicht „Sowohl-als-auch“ sein?Ich meine ja: Politik darf „Sowohl-als-auch“ sein. Wenn denn tausende Menschen sich erst durch solche Sendungen politisch bewegen und interessieren lassen und sich nicht für tiefgründigere Diskussionen mit komplizierten Abwägungen von Thesen und Gegenthesen begeistern lassen, so ist dieses TV-Formal legitim. Dass dies so ist, ist ja ein gesellschaftliches und politisches Problem – eine Bildungsfrage – aber das darf man nicht einem TV-Sender vorwerfen.Am Ende schreibt Christoph Chorherr, dass er große Erwartungen in diskursive Medien – wie etwa dem Web 2.0 – hat. Da bin ich absolut seiner Meinung. Nur ist die Welt, sind Wahlmotive, sind Zugänge zu politischen Diskussionen in einer vielfältigen Gesellschaft eben genau so vielfältig. Diskursive, hintergründige Diskussionen werden durch das ATV-Format ja nicht abgeschafft oder in Frage gestellt! Es gesellt sich einfach ein neues Format zu den bereits bekannten und weniger bekannten Formaten. Das entspricht nunmal unserer gesellschaftlichen Realität. Es liegt an der Politik für eine diskursiv neugierige Gesellschaft zu sorgen. Und wenn das Minderheitenprogramm ist, dann sollte man etwa im Fach „Politische Bildung“ an den Schulen anfangen und nicht bei einer Privatfernseh-Anstalt.Politik sollte – so weit es geht – breite Publikumsschichten ansprechen und klar machen, dass das, was sie da reden, allen was angeht und möglichst jede und jeder wählen gehen soll. Und da brauchen wir natürlich auch die ganze Vielfalt der Kommunikation: Von Blogs bis Symposien, von Zeitungen bis eben unterhaltsame TV-Formaten.Und: Was Politiker und Politikerinnen aus einem Format machen, liegt immer noch an sie selbst und nicht unbedingt am TV-Format. Machen sie daraus ein grausliches Alphatier-Duell unter der Gürtellinie (Häupl, Strache), oder versuchen sie eher trocken Sachpolitik zu machen (Marek), oder versuchen sie Hoffnung, Visionen und Ideen zu vermitteln (Vassilakou): Es ist deren Entscheidung.Die Fragen der Moderator_innen fand ich übrigens sogar sehr okay und würde ich mit im staubtrockenen und mittlerweile völlig schnarchigen ORF wünschen, auch wenn ich noch nie erlebt habe, dass so lange über Hundstrümmerl diskutiert wurde. Aber sogar das fand ich dann ganz unterhaltsam und interessant. Also: Why not?Darf Politik unterhaltsam sein? Ja, finde ich. Soll das als Grundprinzip gelten? Nein, natürlich nicht – aber so lange Politik in dieser Form viele Interessent_innen findet, ist es legitim. Und warum es gerade bei solchen TV-Formaten „funktioniert“ ist eben eine gesamtgesellschaftliche Frage.Mir ist es lieber, es interessieren sich mehr Menschen für Politik, als dass sie auseinander driftet in einem Elite-Denken von Menschen, die diskursiv politisieren wollen und einem Teil, die es „denen da oben“ nur noch irgendwie und diffus zeigen wollen. Es gibt genug Grauzonen dazwischen. Politik darf vielfältig kommunizieren, so wie die Gesellschaft eben tickt.Und wenn man sich über eine Richtung dieser Gesellschaft sorgen macht, dann sollte man das politisch angehen.Im übrigen bin ich auf Maria Vassilakou sehr stolz! Ein paar Gespräche im (druchaus unentschlossenem) Freundeskreis bestätigt mir, dass sie gestern punkten und überzeugen konnte.