Wie Justizministerin Beatrix Karl die Verfassung ignoriert

Justizministerin Beatrix Karl steht derzeit – zurecht – in der Kritik rund um die tragische Vergewaltigung eines 14-jährigen in U-Haft und ihre beschämende Reaktion darauf.

Es gibt aber noch einen anderen Grund die amtierende Justizministerin zu kritisieren. Denn sie brach aus unserer Sicht die Verfassung!

Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner von der lesbisch-schwulen NGO Rechtskomitee Lambda betreut eine Klage vor dem VfGH, weil lesbische Paare von der medizinisch unterstützen Fortpflanzung ausgeschlossen sind. Die Verfahren G 16/13 und G 44/13 sind derzeit in Behandlung.

Und jetzt muss man auf zwei wesentliche rechtsstaatliche Prinzipien eingehen:

Den Verfassungsgerichtshof gibt es, um Landes- oder Bundesgesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Soweit bekannt.
Die Bundesregierung hat bei solchen Klagen die Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben. Und wie es geregelt bzw, ausjudiziert ist, geht das nur einstimmig und als Kollegialorgan.

Im Fall des Ausschlusses gleichgeschlechtlicher Paare von der künstlichen Befruchtung hat die Bundesregierung keine Stellungnahme abgegeben. Damit hat die Regierung also explizit verzichtet.

Dafür langte allerdings eine Stellungnahme im Namen der Justizministerin ein. Jedoch wurden weder die Ministerin noch das Ministerium zu einer Stellungnahme seitens des VfGH aufgefordert. Zudem kann das Justizministerium gar keine Verfahrenspartei sein, weil das eben nur die gesamte Bundesregierung sein kann. In der Stellungnahme wird übrigens der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der medizinisch unterstützen Fortpflanzung verteidigt. Zudem werden sogar Vertreter_innen des Ministeriums für eine allfällige mündliche Verhandlung nominiert.

Damit begeht die Justizministerin aus unserer juristischen Sicht glatt Verfassungsbruch.

Das hat Helmut Graupner und mich dazu veranlasst sowohl eine schriftliche Anfrage an die Justizministerin als auch an den Bundeskanzler zu stellen. Auf die Antworten sind wir sehr gespannt.

Politisch ist das ein ungeheuerlich Vorgang, denn bekanntlich ist die SPÖ, allem voran die SP-Minister_innen Stöger und Heinisch-Hosek, explizit für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung für alleinstehende Frauen und Lesben-Paare. Sie hintergeht also ihren Koalitionspartner und handelt eigenmächtig, obwohl sie dazu gar nicht befugt ist. Gerade eine Justizministerin sollte sich aber an die Verfassung halten, würde man meinen.

Zwei weitere Anfragen, die ich gemeinsam mit dem Rechtskomitee Lambda eingebracht habe, betreffen übrigens einen aktuellen Fall homophober Gewalt. Eine Anfrage betrifft das Versagen der Justiz und richtet sich an Justizministerin Beatrix Karl (hier), eine weitere betrifft schwere Gewalttaten durch vorbestrafte Angestellte von Bewachungsunternehmen und geht an Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (hier). Gerade nach den Erkenntnissen der EU-Grundrechteagentur mit Sitz in Wien sehr wichtige Fragestellungen!

So nicht, Frau Justizministerin!

Man würde ja meinen, die Politikerinnen und Politiker Europas hätten die ACTA-Lektion vom ersten Halbjahr 2012 gelernt: Verhandlungen, die im engeren oder weiterem Sinne mit dem Internet zu tun haben ohne Konsumentenschützer_innen, ohne Datenschutz-Expert_innen und ohne NGOs der Bürgerrechtsbewegung zu machen: Das geht einfach nicht. Undemokratische Vorgänge ohne alle Beteiligten am Tisch, ohne die Perspektive des freien und neutralen Internets, ohne Vertretung der Bürgerrechte hatten bei ACTA ganz klar verloren. Und zurecht europaweit zu Protesten geführt.

Unserer Justizministerin scheint das völlig kalt zu lassen. Die macht munter weiter, so als ob es ACTA nie gegeben hätte.

Beatrix Karl lädt am 11.12. zu einem Round Table, in der das Urheberrecht diskutiert wird. Was das bedeuten könnte, lässt Schlimmes befürchten: Vorratsdaten sollen gegen Filesharer verwendet werden, wie ein orf.at vorliegendes Arbeitspapier besagt (siehe hier) und Albert Steinhauser und der AK Vorrat bei einem kürzlich statt gefundenem Hearing im Justizausschuss heraushören durften. Eingeladen am 11.12. sind die Verwertungsgesellschaften und die Industrie. Das Konsumentenschutz-Mascherl trägt die Arbeiterkammer. Immerhin. Nicht eingeladen: Netzpolitische NGOs, Bürgerrechts-NGOs, usw.

Sollten die Befürchtungen tatsächlich begründet sein (noch sind die Ergebnisse der geplanten Novelle des Urheberrechts nicht endgültig bekannt), dann darf das Justizministerium mit heftigem Widerstand rechnen. Ich verspreche jedenfalls alles zu tun, um das gemeinsam mit den Grünen zu Fall zu bringen.

Ehrlicherweise erwarte ich mir von einer VP-Justizministerin nicht sehr viel, die schon oft bewiesen hat, dass ihr ein freies und neutrales Internet kaum ein Anliegen ist, und Bürgerrechte schon gar nicht. Die Industrie und viele Anwält_innen freuen sich vermutlich schon auf die Novelle und reiben sich die Hände, droht uns in Österreich eine ähnliche Abmahn-Industrie wie es bei unserem deutschen Nachbarn der Fall ist. Und sie dürfen am 11.12. dafür lobbyieren – ohne groß Einspruch zu erwarten. Einseitiger geht’s gar nicht!

Was macht aber die SPÖ? Wird sie sich dagegen stemmen? Wird sie mit der ÖVP verhandeln? Oder umfallen?

Ich finde Protestschreiben an die Justizministerin prinzipiell richtig. Ich finde aber auch, dass genau jetzt Druck auf die SPÖ ausgeübt werden muss. Denn ohne den Koalitionspartner kann Beatrix Karl genau nichts machen.

Sonja Ablingers Aussendung gefällt mir schon mal.