Christoph Chorherr verändert! Ein kulturell-politisches Buch.

Verändert! Wenn dieser Begriff auf einem Druckwerk eines Politikers steht, könnte man ein Wahlprogramm vermuten und fühlt sich an Obamas Change erinnert. Und irgendwie ist das neue Buch von Christoph Chorherr, Grüner Gemeinderat in Wien, auch ein Programm – allerdings ganz ohne Wahl und ganz persönlich von Chorherr, der auch seine eigene Partei zum Nachdenken und Umdenken animieren möchte. Denn hier, in diesem Buch, geht es um die größeren Bögen der Zeitläufte, längerfristiges Denken und im Grunde um unsere (post-)industrielle und (post-)demokratische Kultur, und was daran nicht stimmt, aber sehr wohl veränderbar ist. Wenn man nur will.

Wenn ein Kommunalpolitiker im Untertitel seines Buches schreibt: Über die Lust, Welt zu gestalten, erstaunt das vermutlich viele. Welt? In Wien? Als Kommunalpolitiker? Wie soll das denn gehen? Aber genau deshalb ist das Buch so lesenswert. Globale Fragestellungen werden anhand persönlicher Beispiele des politischen Lebens von Chorherr beantwortet.

Die Themenfelder, die Christoph Chorherr im Buch in einfacher, flüssiger und sehr animierender Sprache behandelt, sind wenig überraschend für diejenigen, die Chorherrs Arbeit seit Jahren kennen. Und trotzdem öffnen sich neue Perspektiven, werden Zusammenhänge seines Handelns hergestellt, die sonst in dieser Form in der politischen Kommunikation kaum möglich sind.

Das Buch beginnt mit Chorherrs Engagement in den Townships Südafrikas, vertieft dann Einsichten in die Bildungspolitik und die verlorene Lust am Lernen in unseren Bildungseinrichtungen, hinterfragt anschließend unsere heutige Demokratie und schwärmt von unterschiedliche Wahlen für Exekutive/Regierung und Legislative/Parlament (was hier im Blog auch bereits gefordert wurde), um dann in mehreren Kapiteln die Themenbereiche Ökologie anzugehen: die Kapitel über eine ökologische Zeitenwende, der Sonne als Energielieferant und das Glück des Radfahrers. Schlussendlich wirft Chorherr ein Blick in die Urbanität – über das gute Leben in der Stadt durch kluge Stadtentwicklung.

So sehr die Themen, die behandelt werden, Chorherrs eigene Schwerpunkte – und somit auch seine über Parteigrenzen hinaus respektierte Expertise – widerspiegeln (er selbst erklärt im Nachwort, warum er etwa nichts zur aktuellen Wirtschaftskrise geschrieben hat), so neu sind viele Gedanken, weil sie der medialen Alltagsdarstellung entrissen werden.

Chorherr ist allem voran ein Kulturpolitiker! Diese für viele wohl erstaunliche Feststellung wird nach der Lektüre von „Verändert!“ deutlich. Denn es sind tatsächlich grundkulturelle Fragestellungen, die der Grüne Gemeinderat stellt: Wie wollen wir zusammen leben? Diese Frage durchzieht das ganze Buch und ist der rote (oder doch eher grüne) Faden.

Beispiele: Wenn Chorherr unser Bildungssystem der Schulen in Frage stellt und fordert, dass wieder vielmehr die Lust am Lernen in den Vordergrund gestellt werden soll, dann ist das mehr als eine politische Frage. Wenn er ökologische Themen behandelt, geht es nicht um Endzeitstimmungen – die von manchen Grünen gerne an die Wand gemalt werden, und die Chorherr dezidiert ablehnt – sondern um die Frage, ob die Gesellschaft mit dem Klimawandel leben will – ganz ohne Weltuntergang aber mit dramatischen Folgewirkungen, auf die wir uns einzustellen hätten. Und fordert eine neue Kultur: nichts weniger als das Ende des industriellen und fossilen Zeitalters. Der ewige Konflikt zwischen Radfahrer_innen, Autofans und den zu Fuß Gehenden wird auch kulturell beleuchtet: Was ist eigentlich Mobilität und Freiheit?

Ich empfehle ausdrücklich das Buch zu lesen. Denn nicht nur Grundgedanken, die politisches Handeln erfordern werden deutlicher gemacht. Auch das Bild des Politikers bekommt in Zeiten des allgemeinen (und berechtigten) Politikfrustes und der Parteienverdrossenheit ein Gegenbild geliefert: Es gibt sie! Die Politiker, die einfach Welt gestalten wollen. Auch in Wien.

Christoph Chorherr
Verändert! Über die Lust, Welt zu gestalten
Verlag Kremayr-Scheriau
192 Seiten, € 22,-
ISBN: 978-3-218-00824-2

Mehr Info:

Über das Buch
Christoph Chorherrs Blog
Amazon-Link
Ithuba
W@lz

Das ATV-Spektakel: Sowohl-als-auch-Politik

Mein lieber Kollege Christoph Chorherr schreibt in seinem Blog (hier) mehrere Gründe, warum er die gestrige Sendung Meine Wahl auf ATV für gefährlich hält.Ich bin einmal (selten genug :-)) anderer Meinung als Christoph Chorherr. In Zeiten, in denen Politik – insbesondere die Kommunalpolitik! – froh sein kann, wenn sie 6 bis 9 Sekunden O-Ton in den Nachrichten bekommt, in Zeiten, in denen Politik weniger diskursiv als emotional bewertet wird, in Zeiten in denen die Politikverdrossenheit zunimmt, halte ich ein Hauptabendformat, wie ATV ihn gestern präsentierte, für legitim.Im täglichen Straßenwahlkampf begegne ich viele – allzu viele Menschen – die sich darüber beklagen, dass sie die Inhalte und Positionen der Parteien nicht kennen oder erkennen. Und sie lesen täglich auf Plakaten, die ja eigentlich das Hauptthema der jeweiligen Parteien kommunizieren sollten, nur Plattitüden wie „Frischer Wind“, „Es geht auch anders“, „Er glaubt an euch“, „Kraft der Mitte“ oder „Jetzt geht’s um Wien“. Das sind keine politischen Programme, und tatsächlich sind die Grünen Plakate die einzigen, die Programme kommunizieren: Öffi-Tarif, Wohnpolitik und Bildungspolitik etwa.In der gestrigen Sendung auf ATV konnten alle Spitzenkandidat_innen ganz konkrete Themen ansprechen, auf sehr konkrete Fragen antworten und sich untereinander austauschen – und ja: untergriffig befetzen. Michael Häupl und HC Strache entscheiden sich für Untergriffe („Konsumgewohnheiten“ oder „Weinseligkeit“), während Christine Marek zwar spröde aber sachpolitisch und Maria Vassilakou erfreulich visionär, klar und zielgerichtet ihre Positionen vermitteln konnten, ohne diese Untergriffigkeit der zwei Männer. Das war die Entscheidung und das Verhalten der vier Spitzen und nicht des Fernsehens.Politik hatte viel Zeit, kommuniziert zu werden. War das wirklich so schlimm? Okay, über die Auswahl des Publikums könnte man noch diskutieren, aber da alle vier Parteien gleich viele Personen und Schlachtenbummler_innen mitnehmen konnten, hatte das TV-Event sogar etwas demokratisches. Selten habe ich in meiner Laufbahn Michael Häupl als einen politischen Mitbewerber erlebt. Meistens trägt er einen Bürgermeister-Nimbus mit sich mit und meint und vermittelt, er stehe ohnehin über allem anderen. Gestern war das schon ganz etwas anderes! Plötzlich war er nur einer von vieren und nicht der Übervater à la Kim Jong-Il.Chorherr meint zudem, das Sendeformat sei eine „Als-ob-Politik“, eine TV-Inszenierung als anti-aufkärerischer politischer Akt. Das mag stimmen (auch mich störte das Inszenieren als Gladiator_innen), aber kann Politik nicht „Sowohl-als-auch“ sein?Ich meine ja: Politik darf „Sowohl-als-auch“ sein. Wenn denn tausende Menschen sich erst durch solche Sendungen politisch bewegen und interessieren lassen und sich nicht für tiefgründigere Diskussionen mit komplizierten Abwägungen von Thesen und Gegenthesen begeistern lassen, so ist dieses TV-Formal legitim. Dass dies so ist, ist ja ein gesellschaftliches und politisches Problem – eine Bildungsfrage – aber das darf man nicht einem TV-Sender vorwerfen.Am Ende schreibt Christoph Chorherr, dass er große Erwartungen in diskursive Medien – wie etwa dem Web 2.0 – hat. Da bin ich absolut seiner Meinung. Nur ist die Welt, sind Wahlmotive, sind Zugänge zu politischen Diskussionen in einer vielfältigen Gesellschaft eben genau so vielfältig. Diskursive, hintergründige Diskussionen werden durch das ATV-Format ja nicht abgeschafft oder in Frage gestellt! Es gesellt sich einfach ein neues Format zu den bereits bekannten und weniger bekannten Formaten. Das entspricht nunmal unserer gesellschaftlichen Realität. Es liegt an der Politik für eine diskursiv neugierige Gesellschaft zu sorgen. Und wenn das Minderheitenprogramm ist, dann sollte man etwa im Fach „Politische Bildung“ an den Schulen anfangen und nicht bei einer Privatfernseh-Anstalt.Politik sollte – so weit es geht – breite Publikumsschichten ansprechen und klar machen, dass das, was sie da reden, allen was angeht und möglichst jede und jeder wählen gehen soll. Und da brauchen wir natürlich auch die ganze Vielfalt der Kommunikation: Von Blogs bis Symposien, von Zeitungen bis eben unterhaltsame TV-Formaten.Und: Was Politiker und Politikerinnen aus einem Format machen, liegt immer noch an sie selbst und nicht unbedingt am TV-Format. Machen sie daraus ein grausliches Alphatier-Duell unter der Gürtellinie (Häupl, Strache), oder versuchen sie eher trocken Sachpolitik zu machen (Marek), oder versuchen sie Hoffnung, Visionen und Ideen zu vermitteln (Vassilakou): Es ist deren Entscheidung.Die Fragen der Moderator_innen fand ich übrigens sogar sehr okay und würde ich mit im staubtrockenen und mittlerweile völlig schnarchigen ORF wünschen, auch wenn ich noch nie erlebt habe, dass so lange über Hundstrümmerl diskutiert wurde. Aber sogar das fand ich dann ganz unterhaltsam und interessant. Also: Why not?Darf Politik unterhaltsam sein? Ja, finde ich. Soll das als Grundprinzip gelten? Nein, natürlich nicht – aber so lange Politik in dieser Form viele Interessent_innen findet, ist es legitim. Und warum es gerade bei solchen TV-Formaten „funktioniert“ ist eben eine gesamtgesellschaftliche Frage.Mir ist es lieber, es interessieren sich mehr Menschen für Politik, als dass sie auseinander driftet in einem Elite-Denken von Menschen, die diskursiv politisieren wollen und einem Teil, die es „denen da oben“ nur noch irgendwie und diffus zeigen wollen. Es gibt genug Grauzonen dazwischen. Politik darf vielfältig kommunizieren, so wie die Gesellschaft eben tickt.Und wenn man sich über eine Richtung dieser Gesellschaft sorgen macht, dann sollte man das politisch angehen.Im übrigen bin ich auf Maria Vassilakou sehr stolz! Ein paar Gespräche im (druchaus unentschlossenem) Freundeskreis bestätigt mir, dass sie gestern punkten und überzeugen konnte.

Erdöl – Das notwendige Ende einer Kulturgeschichte.

Christoph Chorherr war neulich bei den Grünen Andersrum und hat den AktivistInnen die Energiewende in seiner unvergleichlich prägnanten und eindringlichen Art erklärt: Warum brauchen wir eine Energiewende? Dieses Wissen hat er nun auch auf seinem Blog mittels youtube-Videos online gestellt (die Videos sind auch hier in der rechten Leiste zum Anklicken – EMPFEHLENSWERT!).
Ich bin – so wie die meisten Grünen Andersrum aber auch viele anderen, die bei den Grünen eine politische Heimat gefunden haben – über die Menschenrechtsthemen politisch aktiv geworden. Anfangs war das Umweltthema für mich sozusagen eine „politische Verpflichtung“, wie ich zugeben kann und muss. Mittlerweile ist es aber mehr – und umso mehr bin ich davon überzeugt, dass die Grünen die einzige Kraft in diesem Land sind, die nachhaltig die Stadt, das Land und am Ende auch die Welt verändern können. Klingt pathetisch, ist aber machbar. Die Technologie dazu gibt es nämlich bereits.
Denn worum es am 28. September und darüber hinaus wirklich geht ist:
Sind wir bereit unsere eigene Kulturgeschichte zu verändern? Sind wir bereit die Errungenschaften der Industriellen Revolution (oder der Fossilen Revolution, wie Christoph Chorherr das gerne nennt), die vor ca. 300 Jahren begann, zu beenden und eine neue Revolution ins Leben zu rufen? Eine Revolution, die nicht mit Waffen, sondern mit Intelligenz zu gewinnen ist? Die nicht mit Aufständen, sondern mit Bewusstsein und Technologie still und ohne Krieg über die Bühne gehen kann?
Es gab mehrmals Ereignisse der Menschheitsgeschichte, die globale Auswirkungen hatten. Seien es nun die Weltkriege, die Industrialisierung oder die internationale Wirtschafts- und Kapitalverflechtung. Was allerdings nun auf uns zukommt stellt alles bisherige in den Schatten: Schaffen wir es gemeinsam den Planeten lebenswert zu erhalten? Können wir – die Menschheit – gemeinsam und mittels menschlicher Intelligenz (also Forschung und Entwicklung) unsere eigene Vergangenheit bewältigen und eine neue Zivilisation schaffen und unseren eigenen Energieverbrauch auf neue Beine stellen?
Ich halte es für ein Wahnwitz, dass diese Themen in einem Wahlkampf und darüber hinaus kaum eine Rolle spielen. Dass es tatsächlich wahlwerbende Parteien gibt, die dazu einfach keine Konzepte haben. Umso wichtiger, dass wir – Die Grünen – nicht müde werden, diese unbedingte Notwendigkeit zu kommunizieren. Ich möchte ein Teil dieser Kommunikation sein, und danke Christoph Chorherr für seinen unermüdlichen Einsatz, den ich ab sofort leidenschaftlich unterstütze.
Worum geht es?

Schwellenländer – etwa China oder Indien – sind auf dem besten Weg so zu leben, wie wir in den Industriestaaten. Dazu gehört Energieverbrauch, Autos, also Erdöl. Wir sprechen von Milliarden von Menschen! Dieser Energiehunger kann mittels zweierlei Maßnahmen gestillt werden: Ausbeutung oder neue Technologien.
Es sind die so genannten Industrieländer, die Vorbildwirkung haben, denn so wie wir, möchten viele Menschen leben. Es ist daher eine Verpflichtung eines Landes wie Österreich und einer Stadt wie Wien hier Pionierarbeit zu leisten. Diese Technologie und dieses Wissen kann ein Exportschlager werden.
Die Technologie ist da. Es gilt, diese Technologie sinnvoll zu nutzen. Die Sonne kann den Energiebedarf der ganzen Erde stillen. Sie müsste nur genützt werden.
Der Energieverbrauch unserer Geräte, die wir im Haushalt und in unserer Lampenfassungen haben sind kontrollierbar. Es ist möglich, ohne Verzicht auf Lebensqualität, unseren Energieverbrauch zu drosseln. Das kann jedes Individuum, das kann jeder Staat, jede Stadt und jede internationale Staatengemeinschaft – etwa die Europäische Union – steuern und regeln. Seien es Energiesparlampen, Wärmedämmung, Passivhaus-Bauweise, Fotovoltaik, usw. Die Technologie ist da. Nun gilt es darin zu investieren.

In den nächsten Wochen werde ich näher auf einzelne Punkte eingehen. Zum Beispiel wie eine Stadt sinnvoll investieren kann, sozial sein kann und auf völlig falsche Heizkostenzuschüsse verzichten kann, und dabei gewinnt – nämlich die sozial schwachen Schichten ebenso, wie am Ende hoffentlich der Planet!