Warum ein Österreicher nicht bei EADS arbeiten darf.

„Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen.“
(Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 18)
Die britische Firma Computacenter gibt es seit 1981 und ist ein IT-Dienstleister. Mittlerweile hat die Firma Standorte in Großbritannien, Niederlande, Belgien, Deutschland, Frankreich, Spanien und Luxemburg, erwirtschaftete 2010 mehr als 3 Milliarden Euro und beschäftigt über 10.000 Mitarbeiter_innen.

Ein Kunde von Computacenter: Der Luft- und Raumfahrt sowie Rüstungskonzern European Aeronautic Defence and Space Company, kurz EADS, Hersteller der Eurofighter, Eurocopter, Airbus-Flugzeuge usw. Die Skandale und Korruptionsvorwürfe gegen die EADS sind mittlerweile weltbekannt: Die Clearstream II-Affäre in Frankreich, Insidergeschäfte, deutsche Bundespolizisten im Auftrag der EADS in Saudi-Arabien, Verdacht auf Korruption in Südafrika, Rumänien, Deutschland, Indien und Österreich.

In einem der Büros von Computacenter arbeitete ein junger Österreicher, der sich gerne beruflich weiterentwickeln wollte. Es gab im April 2012 eine interne Ausschreibung, die ihn interessierte. Gesucht wurde: „Opportunity for both Level 1 or Level 2 German Speaker Analyst to take part in the training program for Eurocopter in Toulouse and act as trainers for the EADS desk in Barcelona.“

In der Ausschreibung fanden sich allerdings auch eine irritierende Voraussetzung. Gesucht wurde ausschließlich ein Inhaber eines deutschen Reisepasses.

Der Österreicher wollte sich innerhalb der Firma verändern, erfüllte alle sonstigen Kriterien und erkundigte sich, ob er sich – als ohnehin Deutsch Sprechender – nicht doch bewerben könne. Die Antwort war eindeutig:
„Thank you for your interest in this Discovery opportunity. Unfortunately, the Eurocopter security is very strict and we can only have a German national. Although German is your native language, Austria is not part of a NATO country and for this reason it will not be accepted.“
Daraufhin erinnerte sich der junge Österreicher an den Artikel 18 des EU-Vertrags. Darin wird ausdrücklich die Diskriminierung aufgrund der Staatsbürgerschaft innerhalb der EU verboten. Jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin hat freies Aufenthalts- und Arbeitsrecht in jedem EU-Staat.
Deshalb hakte er am 21.5.2012 nach und zitierte sowohl den EU-Vertrag als auch Richtlinien des Europäischen Rates und fragte wie eine Ausschreibung dermaßen EU-Recht widersprechen könne. Er musste noch eine Mail nachschießen mit der Bitte, seine Fragen doch endlich zu beantworten.
Die erhielt er dann am 29.5.: Alles sei ein Missverständnis, man hätte nur jemanden mit Deutscher Muttersprache gesucht, der Deutschen Dialekt (!) spricht und den NATO-Sicherheitsrichtlinien entsprechen würde:

„Everyone who follows the requirements can apply for the role. Two of the requirements are to be native Geman speaker (German dialect – which was not clear on the advertisement) and the other requirement is to be eligible for NATO Security Clearance.“

Da stellen sich allerdings doch ein paar Fragen, denn die Vorgaben über die Sicherheitsrichtlinien gingen vermutlich vom Kunden EADS aus:

Wieso dürfen bei Eurocopter/EADS nur Mitarbeiter_innen aus NATO-Ländern arbeiten?
Wieso stellt die EADS NATO-Interessen über die Europäische Union und ihren Gesetzen?
Dürfen Österreicher_innen in sensiblen Bereichen des Rüstungskonzerns überhaupt arbeiten – ja oder nein?

Wenn man die EADS fragen würde, würde sie wohl alles verneinen und als Missverständnis darstellen. Dann dürfen sich wohl auch wieder Staatsbürger aus einem neutralen Staat, also auch Österreicher_innen, überall bewerben. Ob sie dann allerdings den Job bekommen, steht wohl auf einem anderen Blatt. Denn die oben genannte Ausschreibung zum Job bei Eurocopter wurde nachträglich geändert und die Voraussetzung „Deutscher Staatsbürger“ entfernt.

Der Österreicher bewarb sich dann übrigens nicht für den Job, wurde aber kurz danach von seiner Firma fristlos gekündigt. Angegebener Grund: 7 Minuten Verspätung und ein grammatikalischer Rechtschreibfehler in einer Email an einen Kunden.
(Anm.: Zum Schutz des jungen Österreichers nenne ich hier seinen Namen nicht. Die Email-Korrespondenz liegt mir vor.)