Impfpflicht – Meine Rede und Antwort auf viele Mails

Heute stimmt der Bundesrat darüber aber, ob wir die Impfpflicht beeinspruchen werden oder nicht. Dazu habe ich den letzten Wochen und Monaten einige hundert E-Mails und Briefe erhalten. Aus Mangel an Ressourcen ist es mir leider nicht möglich jede einzeln zu beantworten.

Daher habe ich mich entschlossen, meine heute geplante Rede hier online zu stellen – als öffentliche Antwort an alle, die sich diese Mühe gemacht haben. Dies ist „nur“ mein Entwurf, ich neige in Reden frei zu sprechen und mal anders zu reden.

Rede zur Impflicht im Bundesrat von Marco Schreuder

(Entwurf)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich weiß, dass viele Menschen jetzt zuschauen. Ich weiß, dass viele Menschen vor dem, was wir heute beschließen, Angst haben. Ich weiß, dass Menschen sich heute in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt sehen. Auch ich habe diese vielen E-Mails bekommen.

Ich weiß aber auch, dass viele Menschen große Hoffnungen darin haben, was wir heute beschließen. Dass es viele Menschen gibt – ja eine Mehrheit – die sich über jede Maßnahme freut, die ein normaleres Leben ermöglicht, die ermöglicht aus dem Kreislauf der Lockdowns rauszukommen, die uns Gesetzgeber:innen die Daumen drücken, dass wir heute einen Weg in Richtung Freiheit beschließen. Die darauf Vertrauen, dass der Staat funktioniert, die darauf vertrauen, dass die Wissenschaft besser weiß, was sie tut, als diejenigen die keine Pharmazeut:innen, keine Virolog:innen oder keine Mathematiker:innen sind. Sie sind halt weniger in Telegram-Gruppen organisiert. Aber es sind viele. 

Es wurden in Österreich mehr als 17,5 Millionen Impfungen erfasst. Wir haben nur gestern rund 26.500 Booster-Impfungen verabreicht, 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben mindestens eine Dosis, mehr als die Hälfte eine dritte, und es werden tagtäglich mehr. Aktuell, Stichtag heute, treten 77 Prozent der symptomatischen Erkrankungen in der Gruppe der Ungeimpften und somit ungeschützten Bevölkerung auf.

Diese stille Mehrheit ist es, die uns Mut machen sollte, weil diese Menschen nicht nur bereit sind sich selbst zu schützen – vor allem vor einem schweren Covid-Verlauf. Sie wollen vor allem einen Beitrag leisten unsere medizinische Infrastruktur zu schützen. Damit alle notwendige medizinische Maßnahmen erhalten können, die es brauchen. Auch für diejenigen, die ungeschützt sind. Und das ist keine Spaltung der Gesellschaft, ganz im Gegenteil! Das zeigt, dass viele Menschen verstehen, dass wir Rücksicht nehmen müssen, dass wir das WIR vor dem ICH stellen müssen, gerade in einer so schwierigen und für alle so unendlich zermürbenden Zeit einer Pandemie. 

Damit diese Rücksicht auch funktioniert, brauchen wir –  vor allem bei den gefährlicheren Varianten – eine deutlich höhere Impfquote. Sonst kommen wir aus dem unerträglichen Kreislauf der Lockdowns nicht raus. Klar: wir können hoffen, dass im Herbst und Winter 2022/2023 keine schwereren Virusvarianten mehr kommen – aber wir wissen es schlicht nicht.

Als die Krise Beginn 2020 begann, dachte ich mir eigentlich, dass in der Politik alle – zumindest in einem solchen Ausnahmefall – zusammen halten werden, dass man einzelne Maßnahmen natürlich auch mal kritisiert, aber es klar ist, dass wir im Grundprinzip der Rücksichtnahme solidarisch zusammen halten. Leider ist in der politischen Diskussion allerdings der Ton so brutal verschärft worden, weil man sich einen politischen Vorteil für sich selbst versprach – und nicht das Wohl Österreichs mehr im Auge hatte. Weil viele in Verschwörungserzählungen gekippt sind.

Aber: jeder Schritt wurde abgelehnt. Jeder. Jeder noch so vernünftige. Masken, die erwiesenermaßen andere Menschen schützen. Lockdowns, die niemand wollte, aber notwendig waren um Menschenleben zu retten und vor allem: um unsere Spitäler und dem Pflegepersonal die Arbeit zu ermöglichen, übrigens auch damit ungeschützte Menschen ihre medizinische Versorgung erhalten. Daher möchte ich deutlich sagen: Impfung und – weil leider notwendig – die Impfpflicht, ist nicht eine Spaltung der Gesellschaft sondern ein solidarischerer Akt, insbesondere für die Ungeschützten.

Ja, die Frage ob man eine Pflicht einführt, ist keine einfache. Und hier gibt es kein schwarz-weiß. Hier gibt es Argumente dafür und dagegen. Hier gibt es Argumente, die man behutsam abwägen muss. Zwischen individueller Freiheit und einem solidarischen Gemeinwohl. Im Grunde ja eine Frage, die wir uns ohnehin immer wieder stellen müssen.

Und ja, als dieses Gesetz vorgeschlagen wurde, dominierte die Delta-Variante und wir steckten vor Weihnachten in einem Lockdown, einfach weil es zu viele ungeschützte Menschen gab – und gerade für diese sind wir alle solidarisch in den Lockdown gegangen. Bitte erinnern Sie sich.

Natürlich hat Omikron vieles geändert, und natürlich müssen Maßnahmen, so auch die Pflicht, die wir heute beschließen, immer wieder überprüft und nötigenfalls adaptiert werden. Genau deshalb haben wir ja behutsam auf viele Stellungnahmen, viele Stakeholder, viele viele Interessengruppen gehört und dies eingearbeitet. Und genau deshalb haben sich vier Parteien geeinigt. Und zwar nicht diktatorisch – sorry, nein absolut nicht, so oft das auch behauptet werden mag – sondern in einem höchst demokratischen Prozess.

Ich habe auch die Bedenken gelesen – und ja, den einen oder anderen Aspekt verstehe ich, und manche teile ich sogar. Ich habe aber auch die guten Gründe für eine Impfpflicht gelesen, mich ausgetauscht – und lieber die Wissenschaftsseiten von Medien gelesen, die der journalistischen Sorgfaltspflicht verpflichtet sind. Denn was wir alle lernen müssen, und uns sicher noch beschäftigen wird: Wir haben aktuell nicht nur eine akute Klimakrise und eine akute Gesundheitskrise zu bewältigen, sondern auch eine Informations- und Vertrauenskrise, insbesondere gegenüber des demokratischen Rechtsstaats und gegenüber der Wissenschaft.

Wenn ich sehe welche Chancen die neue Art und Weise, wie Impfstoffe entstehen können und welche – und ich bin vorsichtig – möglicherweise Hoffnungen die mRNA-basierten Impfstoffe geben, die übrigens seit den 90ern Jahren erforscht werden: Etwa beim Kampf gegen HIV, eine Pandemie die auch noch viele Länder plagt, oder andere Therapien ermöglichen könnte, so können wir nur froh sein, dass wir eine funktionierende Wissenschaft haben.

Es war keine Verschwörung, die in den letzten zwei Jahren entstanden ist. Das wäre bei den 10.000en an Menschen ja auch gar nicht organisierbar. Sondern Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt, haben sich in Windeseile in einer noch nie dagewesene Form, vernetzt und haben entwickelt:

Die beste Methode um einer Tod bringenden Krankheit Herr zu werden. Mir persönlich fehlt daher das Verständnis weswegen man daher gegen Impfungen sein kann, wenn es die beste Rettung ist Menschenleben zu retten und die medizinische Versorgung aufrecht zu halten.

Zustimmen heute ist ein solidarischer Akt für möglicherweise wieder brandgefährliche Wellen morgen. Und wenn man im Abwägen der Pros und Kontras dieses Argument in die Waagschale legt, dann kann man heute nur zustimmen.