Deine Lieblingsstellung? Die Kampagne der Grünen Andersrum

Heute startet die Wahlkampagne der Grünen Andersrum. In dieser Kampagne zur Nationalratswahl 2013 spielen wir mit erotischen Sujets in verschieden- und gleichgeschlechtlichen Kombinationen und in verschiedenen Stellungen, um dann zum Slogan zu kommen: „Unsere  Lieblingsstellung? Die Gleichstellung!“

Das Video:

Was ist deine Lieblingsstellung? from Gregor Schmidinger on Vimeo.
 

Natürlich war und ist uns bewusst, dass erotische Sujets Aufmerksamkeit erregen. Und es wäre gelogen, wenn wir diese nicht haben wollten in einer Zeit, in der wir mit Kampagnen und Informationen bombardiert werden. Aber mit diesen erotischen Sujets wollen wir auch zusätzliche Botschaften transportieren. Denn die Gegner_innen einer Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgendern moralisieren gerne. Und dieses Moralisieren basiert auf einer Vorstellung von Sexualität, die in gut und böse einteilt. SIE sexualisieren die Debatte sehr gerne um von Fragen wie Liebe, Verantwortung oder Familiengründung abzulenken.

Gleichzeitig führen wir seit Jahrzehnten eine Debatte eben über Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, Ehe für alle, Adoptionsrecht oder Recht auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung, usw. Und das ist auch notwendig! Allerdings haben wir dabei vor allem durchaus konservative Werte kommuniziert und diejenigen – und zwar ganz egal ob homo-, bi- oder heterosexuell! – aus den Augen verloren, die freie Sexualität leben, die sich nicht in traditionellen Korsetts des Zusammenlebens drängen wollen. Aber auch für die müssen wir da sein!

Es gibt viele Menschen in diesem Land, die sehen, wie tradierte Rollenbilder und Vorstellungen von der Politik nach wie vor als Idealbild dargestellt und gefördert werden, dies aber mit der Lebensweise moderner Menschen, die Sexualität nicht mehr tabuisieren und moralisieren, nichts mehr zu tun haben. Es sind viele da draußen, die mit dieser Politik nichts mehr anfangen können! Und da geht es überhaupt nicht nur um Lesben und Schwule, sondern um viele. Ob in einer Landdisco oder im Museumsquartier, ob in einem Heustadl oder in einer schwulen Lederbar: Immer mehr Menschen lassen sich ihre Sexualität nicht mehr von Moralaposteln, ÖVP, FPÖ, Pfarrern oder Eltern vorschreiben, sondern wollen selbstbestimmt durchs Leben gehen. Frei. Darum geht es. Und das ist noch immer nicht selbstverständlich, denn warum sonst soll man Lesben und Schwulen etwa die Ehe verwehren?

Die Kampagne ist von den Grünen Andersrum in Kooperation mit vielen kreativen Menschen aus der lesbisch-schwulen Community entstanden. Die Darsteller_innen ebenso wie Regisseur Gregor Schmidinger (Kurzfilm „Homophobia“, 2012) und  Grafiker. So können wir dieses Jahr eine Kampagne nicht nur für, sondern auch aus der Community starten. Ein Danke an alle, die mitgemacht haben!

Und wie war das erste Mal? – In Schulen über Homosexualität reden.

Ich feiere diese Tage mein zehnjähriges Jubiläum als Sprecher der Grünen Andersrum Wien. Und in diesen 10 Jahren hat sich viel getan. Ein vom VfGH gekippter §209, Antidiskriminierungsgesetze und zuletzt 2010 das – allerdings immer noch ungleichbehandelnde – Eingetragene Partnerschaftsgesetz.

Und in all diesen Jahren habe ich wohl hunderte Podiumsdiskussionen, TV-Diskussionen oder andere Formen der Auseinandersetzung erlebt, in dem es vor allem um Gesetze, Paragrafen, Diskriminierungen in Beruf und Alltag, seltener auch um queere Kultur oder den Blick auf die eigene Emanzipations-Geschichte ging.

Doch immer dann, wenn ich in Schulen oder Jugendzentren eingeladen wurde, um über Homosexualität zu sprechen und zu diskutieren, ist es anders. Ganz anders!

Das erste Mal im Jugendzentrum

Das erste Mal war im Wiener Gemeinderatswahlkampf 2005. Ein Jugendzentrum lud jede Woche einen anderen Politiker bzw. eine andere Politikerin einer Partei ein. Ich war der Grüne. Vor mir war Laura Rudas eingeladen, eine Woche nach mir war Gudenus jr. angekündigt. Und schon im Vorfeld wurde mir zugeflüstert: „Marco, ich weiß nicht recht ob es so klug ist in diesem Fall das schwul-lesbische Thema anzusprechen. Es handelt sich in diesem Fall um Jugendliche mit schwierigem Background. Die haben zerrüttete Familien, sind sozial benachteiligt, viele mit Migrationshintergrund. Du wirst dir keinen Gefallen tun!“

Ich kam, stellte mich vor, sprach über Grüne Schwerpunkte und was uns wichtig ist, und zuletzt – nach all den Warnungen – erzählte ich den Jugendlichen, dass auch ich eine Migrationsgeschichte habe, noch bis April 2005 niederländischer Staatsbürger war und : „Außerdem bin ich seit diesem Jahr verheiratet. Weil es ein Mann ist, den ich heiratete, musste ich das noch als Niederländer in Amsterdam machen, weil das in Österreich nicht erlaubt ist. Ich gehe auch in die Politik, weil ich erreichen will, dass das in Österreich auch mal geht.“ Es war kurz still, die Betreuerin im Jugendzentrum blickte nervös in die Runde.

Die Jugendlichen fragten daraufhin nur kurz, warum das in Österreich denn nicht ginge, und freilich meinten auch ein paar, dass die Ehe ja auch für die Zeugung von Kinder da sei. Es war recht unaufgeregt und außerdem fanden sie Themen wie Jugendpolitik und Bildungspolitik ohnehin viel spannender. Am Ende war es eigentlich kaum Thema. Nur einer meinte dann am Schluss recht laut und deutlich: „Wenn Omas und Opas, die keine Kinder mehr bekommen können, heiraten dürfen, sollen das Schwule auch dürfen“ und nahm mir ein Argument aus dem Mund. Nur dass ich das bis dahin immer viel zu kompliziert erklärte. So einfach formuliert hatte ich das selbst noch nie gehört.

Schulen

Armin Soyka kontaktierte mich später. Der damalige Schulsprecher an einem Gymnasium im 18. Bezirk hätte mit der Schulleitung, Eltern usw. gesprochen und möchte jetzt einen Tag an der Schule gestalten, damit endlich mal über das Thema gesprochen wird. Er hatte einen persönlichen Bezug zum Thema, wie er in diesem Blogbeitrag wunderbar erzählt. Wir setzten uns zusammen, einige pädagogische Spiele und Konzepte hatte ich in meiner Bibliothek und so ging er ans Werk (und hier erzählt er darüber). Zuerst wurde der Film „Sommersturm“ gezeigt. Dann wurden so genannte Minderheitsspiele gemacht (Das sind Spiele, die zeigen, dass irgendwann jede_r zu einer Minderheit gehört – seien es Brillenträger_innen oder Fans einer Fußballmannschaft), danach konnten Schüler_innen in kleineren Gruppen mit jeweils einer Lesbe und einem Schwulen über alles reden.

Diese Aktion war so erfolgreich, dass sie dieses Jahr zum dritten Mal über die Bühne ging und ich diese Woche u.a. mit Erik Accart-Huemer, Günter Strobl (der auf seinem Blog übrigens auch einen Artikel hierüber schrieb), Ines Rieder und Nina Hechenberger in die Schule in Währing kam.

Die Diskussionen, Fragen und Auseinandersetzungen gehen wesentlich tiefer, als es bei „herkömmlichen“ politischen Debatten je werden kann. Sie sind auch persönlicher, weil es sind die Biografien und eigenen Geschichten und Anekdoten, die Schüler_innen hören wollen, um dadurch etwas zu begreifen. Und so ist es interessant zu erfahren, wie es beim „Ersten Mal“ denn so war. Oder wie man es den Eltern und den Freunden erzählte. Und wie lange das denn überhaupt gedauert hätte und wie man es entdeckt hätte, dass man so ist. Und ob es schlimm ist, wenn man in der Schule jemanden als „Schwuchtel“ beschimpft. Und warum es gerade für Jugendliche in der Coming-out Phase schwierig ist.

Am Interessantesten: Viele erkennen erst nach einem solchen Gespräch erst, dass tatsächlich die gesamte Umwelt in heterosexuellen Kategorien denkt. Die Eltern gehen davon aus, dass man als Junge irgendwann mal mit einer Freundin auftaucht, oder als Mädchen mit einem Jungen. Oder dass in Gesprächen ausschließlich in diesen Denkmustern und Erwartungshaltungen diskutiert wird. Und plötzlich verstehen viele, wie schwer es sein muss, wenn man diesen Erwartungen gar nicht entspricht. Und wie groß die Angst sein muss, Eltern, Freund_innen oder Geschwister enttäuschen zu müssen, weil man „andersrum“ ist. Und auch wenn politische Fragen wie Adoption, Regenbogenfamilien, künstliche Befruchtung oder Ehe und Partnerschaft eine Rolle spielen, so sind es vor allem tatsächliche Auswirkungen im Alltagsleben, die Jugendliche besonders interessieren.

Armin Soyka lässt am Ende eines solchen Aktionstages immer Feedback-Bögen ausfüllen. Und tatsächlich sind es vor allem die persönlichen Dinge, Erinnerungen und Erfahrungen, die am besten ankommen. Dies zeigt: Abstrakte politische Diskussionen sind okay, persönliche Lebenserfahrungen aber viel interessanter.

Weitere Erfahrungen

Ich war freilich schon öfter in Schulen eingeladen, etwa zu Podiumsdiskussionen rund um Wahlen, als Gast beim Fach „Politische Bildung“ und im Parlament selbst gibt es die Demokratiewerkstatt, zu der Schulen kommen um sich mit Politik, Demokratie und Parlamentarismus zu beschäftigen. Bei Letzterem informieren sich die Schüler_innen immer vorab über den oder die Gast-Politiker_in. Und da ich der Einzige im Hohen Haus bin, der offen zu seiner sexuellen Orientierung steht, ist es natürlich auch dort ein Thema.

Und ja freilich habe ich Kichern gesehen, oder wie Schüler_innen mit vorgehaltener Hand flüstern, sich gegenseitig belustigt anschauen, wenn es zur Sprache kommt, aber da darf man sich eben nicht beirren lassen, muss ruhig bleiben und ganz gelassen und selbstbewusst von persönlichen Erfahrungen sprechen. Und dann spürt man schnell, wie tiefer drüber nachgedacht wird.

Mehr Projekte, bitte!

Es ist erfreulich, dass etwa die HOSI Wien auch Schulprojekte anbietet oder die Rosa Lila Villa Schulgruppen ins Haus einlädt. Doch damit erreichen wir nur einen Bruchteil der Schüler_innen. Ich finde, es muss viel mehr solche Projekte geben. Es bräuchte viel mehr Armin Soykas! Ich nehme nach wie vor jede Einladung einer Schule, eines Jugendzentrums oder anderen Einrichtungen sehr gerne entgegen. Denn diese Schulgespräche sind so ziemlich das Sinnvollste meiner politischen Arbeit in den letzten zehn Jahren!

Und noch etwas lernt man daraus. Die Maxime aus den 70-ern „Das Private ist politisch“ stimmt immer noch.

Links:

Günter Strobl über das Schulprojekt
Armin Soyka über sein Konzept