Für Kritik an Konservativismus. Gegen One Way Tickets.

Aufregung gibt’s. Mein Bundesratskollege Efgani Dönmez sagte in der Boulevard-Zeitung heute, dass er die 5.000 Pro-Erdoğan-Demonstrant_innen, die am 23.6. eine Demonstration in Wien-Favoriten organisieren, mit einem „One Way Ticket“ ausstatten würde. Und dass ihnen keiner nachweinen würde.

Er relativierte  später seine Aussage, und meinte es ginge um die als Vereine getarnten verlängerten Arme der türkischen Regierung.

Womit wir beim Problem wären. Denn letzteres darf, muss, soll man gerne diskutieren, vor allem über Vereine, die einen ausgeprägt konservativ-islamischen Lebensstil pflegen wollen, die der Grund-, Bürger- und Menschenrechte, wie wir sie sehen, widersprechen – zumal wenn es für diese öffentliche Subventionen gibt. Etwa wenn Homosexualität verteufelt wird, oder die Gleichstellung der Frau abgelehnt wird.

D’accord.

Aber One Way Tickets?

Ich muss nämlich der Aussage meines Kollegen heftig widersprechen, dass solchen abgeschobenen One-Way-Ticket-Inhaber und -Inhaberinnen niemand nachweinen würde. Alleine in meinem persönlichen Umfeld im 15. Bezirk musste ich in einigen türkischen Familien (viele übrigens mit österreichischer Staatsbürgerschaft) erklären, dass es sich nur um die Aussage eines Einzelnen handelte, und nicht Grüne Haltung ist. Die gesellschaftliche Bruchlinie zwischen islamisch-konservativ und modern-säkular (mit hunderten Graustufen und anderen Interessen dazwischen) wurde in der Türkei in den letzten Wochen deutlich vor Augen geführt. Und sie geht quer durch Familien. Auch hier in Österreich, auch innerhalb von Familien, innerhalb von Freundeskreisen. Würde man also AKP-Anhänger_innen abschieben, würde man auch Familien auseinander reißen. Und es würde viel Leid und Tränen geben.

Zudem ist das Aussieben von politisch genehmen und unangenehmen Migrant_innen fragwürdig, denn dann könnte jede Regierung nach Ideologien aussieben. Und wer zieht die Grenze? Ist dann bald ein Engagement für politische Gruppierungen der jeweiligen Heimatländer unzumutbar? Verbieten wir bald auch die Democrats Abroad und schieben deren amerikanischen Aktivist_innen ab? Wer zieht die Grenze? Das ist schlicht autokratisches und diktatorisches Denken. Denn in einer Demokratie muss auch eine konservative Haltung erlaubt sein, so gern man sie demokratisch bekämpfen darf – also mit Argumenten, Politik und Debatten.

Die wahre Tragik, Teil 1

Die wahre Tragik ist ja, dass eine differenzierte Debatte in Sachen Integrationspolitik, Islam, Islamisierung, etc. offenbar in diesem Land nicht möglich ist. Die FPÖ hat ebenso wie die AKP in der Türkei dazu beigetragen, die Gesellschaft zu spalten, Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, das Klima zu vergiften.

Wenn Deportations-Fantasien so salonfähig geworden sind, dass viele Menschen applaudieren, wenn man in einem saloppen Sager 5000 One-Way-Tickets fordert, dann soll uns das allen zu denken geben. Auch denen, die Efganis Aussagen richtig finden.

Man muss hierzulande fast immer für gegen was sein. Graustufen interessieren niemandem mehr. Ein Teufelskreis.

Die wahre Tragik, Teil 2

Die Medienlogik ist hier auch ganz deutlich zu erwähnen! Wäre Efgani an die Zeitung heute (oder eine andere beliebige Boulevard-Zeitung) herangetreten und hätte über islamisch-konservative Vereine gesprochen, versucht eine differenzierte Debatte zu starten, wie wir in Österreich damit umgehen sollen, hätten genau diese Zeitungen wohl dieser Debatte keinen Raum gegeben and abgewunken. Es braucht schon ordentliche Sager, damit man überhaupt in den Medien vorkommt. Am besten provokant. Also einfach mal so Deportationen fordern. Und schon ist man Hauptgeschichte der österreichischen politischen Debatte.

Dies ist seit den späten 80-er Jahren – nicht zufällig mit dem ersten Höhenflug Jörg Haiders – zu beobachten. Sager und Populismus ist nicht nur eine politische Krankheit. Sie ist vor allem auch eine mediale.
Auch ich habe schon mehrmals so etwas erlebt.

Um nur ein Beispiel nennen: Ich setze mich seit Jahren für den Erhalt der historischen Jüdischen Friedhöfe ein. Eines Tages habe ich mit einem Journalisten eine Story dazu gemacht, habe alle kulturpolitische, alle historisch bedingte und tourismuspolitische Argumente vorgebracht. Am Ende wurde ich nach einem Sager gefragt, ich blieb bei meinen Argumenten. Dann fragte mich der Journalist, was denn nun mein Sager sei und wörtlich: „Darf ich dich zitieren und Häupls Umgang mit den Friedhöfen antisemitisch nennen?“ Mein „Nein“ enttäuschte ihn und die Geschichte wurde kleiner als ausgemacht. Es handelte sich übrigens nicht um eine Boulevard-Zeitung.
Freie Meinung, Versammlungsfreiheit

Wenn die Erdoğan-Regierung mit brachialer Polzeigewalt, mit Androhung einer militärischen Operation, mit Verbalattacken der untersten Schublade gegen friedliche Demonstrant_innen am Taksim Platz, im Gezi Park, in Ankara oder sonstwo vorgeht, dann kann man nicht diese Verletzung der Menschenrechte (denn sowohl die Versammlungsfreiheit als auch das Recht auf freie Meinungsäußerung sind fundamentale Menschenrechte) kritisieren und diese dann Zuhause nicht einhalten!

Ich bin – allein schon als Aktivist aus der Lesben- und Schwulenbewegung kommend – für Kritik an Konservativismus und Fundamentalismus (ganz gleich ob christlich, islamisch oder sonstwas) und halte Debatten darüber für nötig. Aber bitte ohne Deportationsfantasien.

Zuguterletzt hat übrigens auch Efgani das Recht auf freie Meinungsäußerung. So wie andere – etwa ich – das Recht haben, die 5000 One-Way-Tickets heftig zu kritisieren oder eine Partei (auch Vereine, Medien oder andere Initiativen) das Recht haben, Grundwerte zu definieren. That’s democracy.

Und daher lehne auch ich inhaltlich die Demonstration der Erdoğan-Fans am 23.6. ab. Aber ich werde zeitgleich dafür kämpfen, dass diese das Recht haben ihre Meinung öffentlich kundzutun.

Nachtrag!

Efgani Dönmez hat sich hier auf Facebook mittlerweile von den „5000 One Way Tickets“ distanziert. Was ich gut finde.

Warum ich im Bundesrat einen Israel-Antrag als Einziger ablehnte.

Gestern war ich im Bundesrat ein bisschen einsam. Ich stimmte als Einziger gegen einen Antrag, den Sie hier nachlesen können. Ich kann in diesem Fall aber ganz gut damit leben.

Hintergrund:

Israel hat mehrere palästinensische Abgeordnete verhaftet. Und zwar in Verwaltungshaft. Verwaltungshaft ist ein Mittel, das mir auch nicht gefällt und in vielen Staaten der Welt angewandt wird – vor allem in Ausnahmesituationen und bei Gefahr für die Sicherheit, etwa bei Gefahr von Terroranschlägen. Es sei angemerkt, dass vor kurzem wieder über 150 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel regneten.

Unter anderem wird die Verwaltungshaft übrigens in Großbritannien, den USA, Irland oder Australien eingesetzt. Leider wird diese Form auch sehr oft gegen Asylwerber_innen eingesetzt. Die Verwaltungshaft gibt es auch in den palästinensischen Autonomiegebieten, wie Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner in seinem Redebeitrag erwähnte! Was ich mehr als bemerkenswert finde.

Die Probleme:

Und hier ist auch eines der Kernprobleme des Antrags, wie ich meine: Warum richtet sich der Antrag nur gegen die israelische Form und nicht gegen eine weltweite Ächtung? Und warum – wenn man schon den Nahostkonflikt in den Mittelpunkt rücken möchte – nicht auch gegen die Verwaltungshaft der palästinensischen Autoritäten? Oder warum richtet sich der Antrag nicht auch gegen Exekutionen angeblicher „Kollaborateure“ Israels in Gaza? (Als Kollaborateure werden übrigens auch oft schwule palästinensische Männer verhaftet, wenn sie etwa Kontakt zu lesbisch-schwulen Selbsthilfegruppen oder NGOs in Israel hatten – siehe Artikel hier).

Zweites Problem: Die meisten Gefangenen sind von der Hamas. Und die Hamas als friedliche und „normale“ Partei darzustellen halte ich für äußerst problematisch. Dazu mehr in meiner Rede weiter unten.

Daher war mir der Antrag zu einseitig. Ich war der Einzige, der das so sah. Mir war es aber wichtig, das im Bundesrat trotzdem zu thematisieren, weil es sonst keiner gemacht hätte. Und tatsächlich: Mein Redebeitrag war der Erste zum Thema (von insgesamt sechs), und somit konnte ich immerhin eines erreichen: Eine differenzierte Debatte zum Thema ohne das übliche einseitige Bashing. Genau das wollte ich erreichen!

Gelebte Demokratie:

Mein Kollege Efgani Dönmez, den ich bekanntermaßen enorm schätze, kam zu einer anderen Schlussfolgerung und unterstützte den Antrag. Wir haben darüber geredet, debattiert – mit großer Wertschätzung – und meinten, dass es gut ist, dass Themen auch innerhalb der Grünen mal kontroverser diskutiert werden. Er ist – und das weiß jeder, der ihn kennt – ein tapferer Kämpfer gegen Extremismus und somit auch Islamismus. Aber in diesem Fall fand er den Antrag richtig.

Ich jedenfalls bin froh Mitglied einer Partei zu sein, wo sich Meinungen auch mal trennen können und wir diese unterschiedliche Sichtweisen auch transparent machen. Woanders wäre ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete wohl einfach rausgegangen und hätte weder Hand gehoben noch dazu gesprochen. Das ist leider üblicher, als man denkt!

Ich finde: Eine Demokratie hat auch Debatten verdient und dazu gehört auch verschiedene Perspektiven einnehmen wie in diesem Fall. Ganz egal um welchen Verhandlungsgegenstand es geht. Politik ist nicht nur schwarz/weiß, sondern hat viele Graustufen dazwischen. Daher danke ich Efgani ganz herzlich. Es war eine feine Diskussion – und die Freundschaft bleibt.

Sobald ich die Rede von Efgani Dönmez habe, werde ich sie hier auch platzieren. Die Reden der Anderen werde ich verlinken sobald sie auf der Parlaments-Website zu finden sind.

Die Rede im Bundesrat im Wortlaut:

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich habe mir diesen Antrag ziemlich lange und genau durchgelesen, und ich glaube, ich bin wahrscheinlich – oder vermutlich – heute das einzige Mitglied in diesem Bundesrat, das diesen Antrag nicht unterstützen kann. Ich möchte schon auch kurz in aller Seriosität erklären, warum ich – auch als einziger der Grünen hier in diesem Hause – diesen Antrag nicht unterstützen kann, auch wenn es mir nicht leicht fällt.

Als ich vor einigen Jahren in Jerusalem war, habe ich einen Familienvater kennengelernt mit damals zwei Töchtern – es werden heute hoffentlich auch noch zwei Töchter sein. Die Töchter waren damals neun und zehn Jahre alt, und der Familienvater hat mir erzählt, dass er seine zwei Töchter immer mit zwei verschiedenen Schulbussen in dieselbe Schule schickt. – Ich glaube, besser kann man die Situation, wie Menschen in Israel leben müssen, nicht beschreiben.

Das war natürlich in einer Zeit, in der es Terroranschläge noch in einem erhöhten Ausmaß gab. Ich kann mich erinnern, ich war damals auch in Tel Aviv und war dort in einer Diskothek – das ist eine ganz gute Stadt, auch einmal zum Ausgehen –, und eine Woche später sehe ich dann dieselbe Diskothek in den Nachrichten, weil junge Menschen, die dort in der Schlange gestanden sind, in die Luft gesprengt worden sind.

Gleichzeitig wird in diesem Antrag die Administrativhaft kritisiert, die Israel über palästinensische Abgeordnete verhängt hat. Ich will diese Art von Verhaftung jetzt hier nicht gutheißen, damit ich hier nicht missverstanden werde (Ruf bei der ÖVP: Sehr gut!) – damit ich hier nicht missverstanden werde –, allerdings halte ich es in einer außenpolitischen Diskussion, wenn es um den Nahen Osten geht, für ausgesprochen wichtig, vor allem, wenn man beispielsweise auch Menschenrechte in diesem Antrag als Begründung einfügt, dass man dann genauer hinschaut und Menschenrechte eben auch wirklich universell begreift.

Es sind die verhafteten Abgeordneten nicht Abgeordnete einer demokratischen, friedlichen Partei, es sind Abgeordnete der Hamas. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man das hier auch festhält. Die Hamas hat 2006 (Ruf bei der ÖVP: Aber demokratisch gewählt!) – ja tatsächlich – in einer demokratische Wahl die Wahlen im Gazastreifen gewonnen und hat 2007 in einem Bürgerkrieg gegen die Fatah die Macht im Gazastreifen übernommen.

Jetzt kann man darüber diskutieren, ob das demokratisch ist, und dann kann man darüber nachdenken, ob die Charta der Hamas, also quasi das Parteistatut, unseren Menschenrechten entspricht. Ich zitiere aus der Charta der Hamas; Artikel 7 der Hamas-Charta:

„Der Prophet – Andacht und Frieden Allahs sei mit ihm, – erklärte: Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten; bevor sich nicht die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, welche ausrufen: Oh Muslim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt; komm und töte ihn!“

Aus Artikel 13 der Hamas-Charta:

„Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung. Denn auf irgendeinen Teil Palästinas zu verzichten bedeutet, auf einen Teil der Religion zu verzichten; der Nationalismus der Islamischen Widerstandsbewegung ist Bestandteil ihres Glaubens. Für die Palästina-Frage gibt es keine andere Lösung als den Djihad. Die Initiativen, Vorschläge und Internationalen Konferenzen sind reine Zeitverschwendung und eine Praxis der Sinnlosigkeit.“

Das steht in der Charta der Hamas. Und außerdem finden sich in der Charta der Hamas immer noch die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion. Die Protokolle der Weisen von Zion sind ein antisemitisches Pamphlet, das im frühen 20. Jahrhundert im damaligen zaristischen Russland geschrieben worden ist, von dem längst bewiesen ist, dass es eine Fälschung ist, und diese werden nach wie vor leider auch im Gazastreifen gedruckt und verkauft und sind nichts anderes als pure antisemitische Hetze.

Jetzt kann man sagen, Israel geht nicht gut mit den Arabern um. – Das kann man sagen. Kann man sagen, dass man deswegen Israel einseitig verurteilen muss, oder kann man in einem Antrag, der einerseits Israel kritisiert, nicht auch sagen, dass man auch gleichzeitig die Hamas zum Beispiel auffordert, den Staat Israel anzuerkennen, sein Existenzrecht überhaupt einmal anzuerkennen? – Diese Fragen stelle ich mir.

Und deshalb halte ich einen Antrag, der einseitig ist, in diesem Fall für falsch. Ich halte es für falsch, auch wenn ich der Einzige in diesem Haus sein mag – vielleicht ändert sich das ja jetzt, ich weiß es nicht (Bundesrat Mag. Klug: Eher nicht!) –, ich halte es also für falsch, dass wir als Mitglieder des Bundesrates die antisemitische und gewalttätige Hamas verteidigen (Bundesrätin Mag. Duzdar: Das ist nicht der Antrag!), denn so würde es interpretiert werden (Bundesrätin Mag. Duzdar: Das interpretieren Sie!), solange nicht alle Facetten der Menschenrechte in der gesamten Region berücksichtigt werden.

Und jetzt erlauben Sie mir, auch als offen schwul lebender Mann, hier einen Satz zu sagen. Wenn wir Menschenrechte universell begreifen, dann schaue ich mir gerne auch die Menschenrechte – zum Beispiel Frauenrechte, das sind auch Menschenrechte, oder Lesben- und Schwulenrechte – an und dann stelle ich fest, dass es in Israel ein Antidiskriminierungsgesetz gibt, Schutz gibt, eine Gay-Pride-Parade gibt – auch umstritten, aber gut, das ist ja nicht anders als hierzulande, wenn in Tel Aviv die Lesben und Schwulen auf eine Parade gehen –, die Schwulen und Lesben in den palästinensischen Gebieten aber wohin fliehen? – Nach Israel, weil es der einzige sichere Hafen für sie ist!

Deswegen sage ich: Achtung! Wenn wir schon Menschenrechte als Argument verwenden, dann beachten wir bitte die Menschenrechte als universelles Thema und verurteilen hier nicht einseitig. Und wenn wir schon – und ich halte das für richtig – hier in diesem Haus über Außenpolitik sprechen, dann finde ich es schon bemerkenswert, dass wir in einer Zeit, in der wir eigentlich über Syrien sprechen müssten, über Israel reden. (Bundesrat Mag. Klug: Es kann sich jeder einbringen!)

Und ich bin sehr traurig darüber, dass die Außenpolitik Österreichs nicht mehr so konsequent ist, wie sie es einmal war. Als im Iran Salman Rushdie durch eine Fatwa verfolgt worden ist, war es damals Rudolf Scholten, liebe Sozialdemokratie, der für Schutz und für ein Versteck gesorgt hat. Jetzt gibt es wieder eine Fatwa im Iran gegen Shahin Najafi, einen Rapper. Eigentlich könnte doch Österreich dasselbe wieder tun, aber wir tun es nicht mehr. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Macht es ja!) Und ich frage mich, warum wir mittlerweile so einseitig geworden sind in dieser Wahrnehmung.

Und ich empfinde auch die mediale – ich mache jetzt auch Medienkritik, ich gebe es zu –, ich empfinde also auch die mediale Berichterstattung über den Nahostkonflikt in diesem Land zu einem erheblichen Teil einseitig. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Wieso?)

Wenn 150 Raketen auf Südisrael niederregnen, so wie in den letzten Tagen, erfahren wir darüber in unseren Medien nichts. Wenn dann das israelische Militär eine Aktion dagegen ausführt, wird ganz groß in den Medien berichtet (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), dass Israel jetzt wieder eine Attacke gegen Gaza durchführt. Ich halte das für eine Einseitigkeit, ich halte das für eine einseitige Sicht, mit der ich zunehmend ein Problem habe. Und ich bitte um Verständnis, ich kann diesem Antrag, auch wenn er inhaltlich in vielen Punkten stimmen mag, nicht zustimmen.

Nebenbei bemerkt, zur Administrativhaft: Wir könnten hier auch eine Resolution machen, dass wir die Administrativhaft generell ablehnen – dann würde ich sogar zustimmen –, dann würden wir die Administrativhaft ablehnen, die es zum Beispiel in Großbritannien gibt, in den USA, in Australien oder in Irland. In Australien und in Irland wird diese Administrativhaft übrigens sogar gegen Asylwerber und Asylwerberinnen eingesetzt. Das halte ich für mindestens genauso verachtenswert wie alles andere. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

(Update 2.7.2012, 14:30 Uhr)

Und hier die Rede von Efgani Dönmez:

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diesem Entschließungsantrag ist eine sehr intensive und von Wertschätzung geprägte und getragene parteiinterne Diskussion vorausgegangen. Und das ist auch eine Stärke unserer Partei, dass wir, obwohl wir, Kollege Schreuder und ich, uns für die gleiche Partei engagieren, nebeneinander sitzen und in vielen Bereichen kein Blatt zwischen uns passt, in gewissen Punkten doch auch verschiedene Meinungen haben können und dürfen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und entspricht auch einer politischen Kultur, die, so glaube ich, fast nur bei den Grünen anzutreffen ist. (Beifall bei den Grünen. – Die Bundesrätinnen Grimling und Mag. Neuwirth: Na, na!)

Zum Entschließungsantrag: Ich möchte Kollegin Duzdar recht herzlich danken, dass sie die Initiative ergriffen hat, denn auch für mich ist es ein ganz, ganz wichtiger Punkt, und zwar darum, weil es in diesem Antrag um Menschen geht, die in Verwaltungshaft angehalten werden, insbesondere um Abgeordnete. Mir ist es ehrlich gesagt egal, von wem wem gegenüber Unrecht begangen wird. Man darf und muss das thematisieren dürfen, ohne dass man in ein bestimmtes Eck gestellt wird, ob es einem gefällt oder auch nicht.

Wenn Menschen ohne Anklage, ohne nachvollziehbare Gründe bis zu sechs Monate in Verwaltungshaft angehalten werden oder sogar über diesen Zeitraum hinaus, und wenn diese Haft nicht einmal von einem Gericht, sondern von einem Militärgericht verhängt wird, dann ist das ein Vorenthalten von Grundrechten, von Grundrechten, die meiner persönlichen Überzeugung nach universal gültige Grundrechte für alle sind, unabhängig davon, ob es sich um Menschen handelt, die einer bestimmen Ideologie anhängen oder einer bestimmten religiösen Gruppierung angehören oder nicht. Diese Grundrechte sind universal gültige Menschenrechte und Grundrechte und haben für alle Gültigkeit, egal, ob es sich um Menschen einer politischen oder religiösen Strömung handelt, die einem sympathisch sind oder auch nicht.

Mich persönlich braucht diesbezüglich wirklich niemand in ein bestimmtes Eck zu stellen, denn jeder von Ihnen/von euch, der auch nur oberflächlich meine Arbeit verfolgt, weiß, welchen Zugang ich zu Islamisten und zu Extremisten habe. Das möchte ich hier auch klarstellen und festhalten.

Dieser Antrag ist nicht gegen etwas, richtet sich nicht gegen Israel oder was auch immer, sondern es ist ein Eintreten für die Rechte von Menschen, welche unrechtmäßig behandelt werden. Nicht weniger und auch nicht mehr! Und dazu stehe ich, und dazu stehen wir alle, und das ist gut und schön so.

Dass wir in unserer Partei auch unterschiedliche Meinungen haben können und dürfen, stellt für mich auch einen sehr großen Wert dar. Es ist für mich auch kein Widerspruch, dass Kollege Schreuder kontra und ich pro stimmen werde. Ich stehe zu diesem Antrag, und ich danke allen, die diesen Antrag unterstützt haben, insbesondere Kollegin Duzdar. – Danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)