PlanetRomeo: Ein stiller Internet-Gigant wird 10.

Im Oktober 2002 tüftelten ein paar schwule Jungs in Berlin rum und machten eine Dating-Plattform. Gayromeo hieß das Ergebnis. Dabei gab es damals schon einiges an Plattformen und durchaus Konkurrenz, allem voran das britische Portal Gaydar. Dass PlanetRomeo, wie das einstige GayRomeo mittlerweile heißt, zu ihrem 10. Geburtstag 1,4 Millionen User haben würden und mehr als nur eine reine Dating-Plattform sein würde, hätten sie damals bestimmt nicht erwartet. Aber auch nicht, dass die mobile Internet-Welt durchaus für neue Herausforderungen und Schwierigkeiten sorgen werden würde. 10 Jahre später gibt es auch bereits alternative Namen für Planetromeo: Die blauen Seiten und etwas ironischer:  Das schwule Einwohnermeldeamt. Der Standort ist aus rechtlichen Gründen mittlerweile Amsterdam.

Ohne Marketing zum deutschsprachigen Marktführer

Der Erfolg von PlanetRomeo ist erstaunlich. Denn PlanetRomeo hat nie großes Tamtam gemacht, keine Werbungen, keine Marketing-Strategien, sondern stellten eigentlich nur eine Website online. Der Trick und das Geheimnis des Erfolges lag anfangs wohl einfach darin, dass man unlimitiert Profile anschauen konnte und unlimitiert Messages schicken konnte. Eine Bezahl-Version gab es zwar kurz nach Gründung, die einige (etwa nicht jugendfreie) Vorteile bot, die Gratis-User aber trotzdem weiterhin eine komfortable Usability garantierte.

Politik

Politisch zeigte sich das Portal auch. User, die in Staaten leben, in denen Homosexualität nach wie vor unter Strafe steht, bekamen kostenlosen SSL-Zugang. Deutsche oder österreichische User müssen dafür etwa die Bezahl-Version in Anspruch nehmen. Aids-Aufklärung ist mittlerweile auch Bestandteil von PlanetRomeo, dafür haben sie allerdings das aktive Suchen nach unsicheren Sex nie verboten.

Mehr als Dating

Branchenbücher mit Lokalen, Shops, etc. und tausende Clubs, die von Politik bis Star Trek, von Aquaristik bis Technik, von Fußball bis sexuelle Vorlieben reichen, ließen PlanetRomeo mehr als „nur“ eine Dating-Plattform werden. Man tauscht sich mittlerweile über alles mögliche aus. Zudem bot PlanetRomeo eine einfache Möglichkeit User als Favoriten zu markieren und so ständig mit seinen Freunden in Kontakt zu bleiben, egal ob aus der eigenen Stadt oder in einem fernen Land – lange bevor es Facebook gab!

Auch als Kommunikationsplattform für öffentliche Personen wurde das Portal genutzt: Der deutsche Grüne Volker Beck bot 2005 etwa „Bürgersprechstunden“ auf PlanetRomeo an.

Die mobile Internet-Welt

Doch in den letzten Jahre drohte PlanetRomeo eine Entwicklung völlig zu verschlafen: Internet wurde zunehmend mobil genutzt und das Design der Website war auf Smartphones einfach vollkommen unbrauchbar. Lange wartete man. Fast zu lange. Zwar hatte ein österreichischer Entwickler eine iPhone-Version gebastelt, die aber von Apple rasch wieder gesperrt wurde, weil es möglich war nicht jugendfreie Darstellungen zu sehen. Doch dann kam die erste offizielle App und seit einigen Tagen eine vollkommen überarbeitete App, die allerdings von Usern heftig kritisiert wird. Man wird sehen, ob sich der bisherige Internet-Gigant hier noch gegen Mobil-Konkurrenten wie Grindr wird behaupten können.

Warum der Erfolg?

Ich glaube, dass der große Erfolg von PlanetRomeo einfach darin liegt, dass die Site nicht perfekt ist, und auch nie perfekt sein wollte. Große monetäre Giganten des Internet wie Parship mit dem Ableger Gay-Parship buttern zwar erhebliche Beträge in Werbung und Marketing, erreichen trotzdem bei weitem nicht die Zahlen von PlanetRomeo. Und wer sich bei einer Konkurrenz anmeldet, hat vermutlich trotzdem zusätzlich ein PlanetRomeo-Profil.

Es waren anfangs schwule Jungs aus der Community, die das Portal aufbauten und das immer noch so. Man hat auf PlanetRomeo nie den Eindruck, ein großer Konzern würde den User umwerben, um Profit zu machen. Und das ist wohl das wahre Geheimnis und der Kern des Erfolgs: Authentizität. Mann bleibt „unter sich“.

Und davon kann jedes Start-Up etwas lernen. Denn man kann auch ganz still und leise ein Gigant werden.

World Wide Wahnsinn – meine neue Kolumne

World Wide Wahnsinn – so lautet meine neue Kolumne im Magazin Name it, dem Gay Lifestyle Magazin aus Wien, das sich vor allem – aber nicht nur – an ein queeres Publikum wendet. In der Kolumne werde ich Neues, Absurdes, Spannendes, Komisches manchmal Politisches rund um das Thema Internet mit all seinen sonnigen und schattigen Seiten berichten.

In der Sommerausgabe begann es mit einem kleinen Artikel zum damaligen Start von Google+, woraus die Idee entstand daraus eine fixe Kolumne zu gestalten. In der soeben erschienen Ausgabe, die ab sofort in guten Kiosken und in der Szene zu bekommen ist, beleuchte ich die Diskussion rund um die neuen terms of use bei den bei Schwulen beliebten blauen Seiten Gayromeo. Und frage daher mal provokant:

Wem gehört mein Schwanzpic?

Groß war die Aufregung. GayRomeo veröffentlichte neue Terms of use und prompt wunderten sich viele User: Was? Die wollen, dass ich die Fotorechte abtrete? So zumindest wurde es unter Artikel 5.3 der Nutzungsbedingungen geschrieben:
„The user agrees […] he automatically grants PlanetRomeo a […] right to use, reproduce, circulate and make public content […] for PlanetRomeo’s own marketing and/or promotional purposes“.
Und auch die Weitergabe an Dritte wurde da als möglich erwähnt. Ja, das Nutzerverhalten hat sich in den letzten Jahren verändert – Google und Facebook sei Dank. Dating-Plattformen gab es bereits vor Facebook und können als Vorläufer der großen sozialen Medien gelten. Es sind die User, die den Content und die Attraktivität ausmachen. Die Diskussionen, wem dieser von Usern generierte Content dann eigentlich gehört, sind nicht unbekannt und wurden vor allem über Facebook geführt. Dabei wurde auch viel Nonsens berichtet.

Da gab und gibt es Panikmacher auf der einen Seite, die Philosophie, die Welt möge sich doch bitte auf die neuen Medien einstellen (Alles ist öffentlich! Das ist eine Revolution wie damals bei der Erfindung desBuchdrucks!) auf der anderen Seite. Doch wem gehören die Fotos wirklich? GayRomeo machte mittlerweile einen Rückzieher und die Rechte gehören wieder dem Nutzer.

Man muss aber auch Positives erwähnen: Immerhin hat GayRomeo überhaupt Nutzungsbedingungen und macht sich Gedanken. Ihr Verschlüsselungsdienst ist in Ländern, die Homosexualität kriminalisieren, gratis. Und andere schwule Dating-Sites? Da gibt es teilweise gar keine Terms of use. Also User: Seid aktiv, wachsam und fordert. Denn ohne Euch sind Social Media- und Dating-Seiten gar nichts. Und schlussendlich ist es eine (europa-)politische Frage, denn Firmen dürfen nur das, was ihnen Gesetze erlauben. Oder man klagt. Auch wenn es sich um ein Schwanzpic handelt. Immerhin ist es dein Schwanz.

Außerdem im neuen Name it:

Schwule im Iran – Report aus Teheran
Tschüss Jungs – warum Männer ab 40 begehrt wie nie sind
Rosenstolz – Das Interview zum Comeback
Die besten Reistipps für Paris
und vieles mehr…