Das Problem der SPÖ heißt vielleicht Gusenbauer. Aber sicher nicht nur.

Derzeit scheint ein Sündenbock für den dramatischen Vertrauensverlust der SPÖ gefunden zu sein: Bundeskanzler Gusenbauer. Aber ist das so einfach? Wie die SPÖ sich in den letzten Jahren entwickelt hat, ist Besorgnis erregend. Das ließ sich in Wien in besonderer Weise beobachten (aus meiner grünen Oppositionsperspektive): Machte sie auf Bundesebene 7 Jahre Opposition gegen schwarz/blau-orange, konnte sie in der Bundeshauptstadt mit absoluter Macht regieren. Die SPÖ konnte mit beidem nicht umgehen und zeigt zwei verheerende Bilder: Die SozialdemokratInnen haben in sieben Jahren Opposition nichts gelernt. Und sie können zudem mit Macht nicht verantwortungsvoll umgehen.

Nach sieben Jahren Opposition auf Bundesebene würde man meinen, dass die SPÖ neue Perspektiven entwickeln konnte. Seien wir mal ehrlich: So schrecklich und grausam schwarz-blau war, so hat es doch ein großkoalitionärer Postenschacher und die Aufteilung einer ganzen Republik in zwei Reichshälften beendet. Kaum sind sie an der Macht ist alles wieder wie früher: Das Parteibuch entscheidet über alles. Da werden Vorstände mit hohen Abfertigungen nach Hause geschickt um eigene Leute zu positionieren, da wird aus reinem Machtbewusstsein eigene Themen und Wahlversprechen über Bord geworfen, um wieder Posten besetzen zu können und den eigenen Einflussbereich zu sichern. Alles andere spielt keine Rolle: Eurofighter, eine wirkliche Gleichstellung lesbischer und schwuler Paare, Studiengebühren, Steuergerechtigkeit – alles wurscht. Das ist nicht nur ein Problem von Gusenbauer. Es ist ein Problem einer verkrusteten Partei.

In Wien regiert die SPÖ derweil mit absoluter Mehrheit. Was das zur Folge hat, kann ich als Oppositionspolitiker tagtäglich erleben. Noch heute rief mich ein Kulturveranstalter an, der völlig verzweifelt ist und deshalb an alle Parteien Hilferufe sandte. Heute bekam er einen Anruf aus dem Stadtratbüro: Das Problem hat nun er, denn wenn er OppositionspolitikerInnen informiert, dann hat er halt – auf gut wienerisch – ausgesch..sen. Wenn andere – unabhängige aber von städtischen Subventionen lebende – Initiativen mit uns Kooperationen eingehen, dann werden sie mit Anrufen bombardiert: Ob sie sich denn nicht erinnern, von wem sie das Geld bekommen? Dabei zahlt der und die SteuerzahlerIn das Geld. Die SPÖ glaubt aber, sie sei es, weil sie ständig die Stadt Wien mit der Partei verwechselt, weil sie ununterbrochen glaubt, sie vergebe Geld und nicht die Stadt Wien. Davon haben sogar zahlreiche sozialdemokratische, aber unabhängig agierende, Initiativen die Schnauze voll.

In Sachen Postenschacher sind die Wiener GenossInnen auch nicht zimperlich: Medien-Imperien wie der Echo-Verlag und alle mit ihr zusammenhängende Firmen bekommen zahllose Aufträge und Bevorzugungen. Die Gewista bekommt ein Plakatmonopol. Und zufällig verdient die SPÖ mit, denn sie ist an allen Firmen beteiligt oder sogar Eigentümerin. Sogar vor unabhängigen Kulturinitiativen macht sie SPÖ nicht halt: Der schon mit der Gewista kooperierende Muff Sopper darf einfach mal so die Szene Wien übernehmen. Der Grund ist simpel: Er ist brav, darf die Gastro auf der Donauinsel und am 1. Mai übernehmen und ist gut mit dem SP-Landesgeschäftsführer verhabert.

Ist also Gusenbauer das Problem? Nein, sicher nicht. Das Problem ist die SPÖ selbst. Und für eine Mehrheit links der Mitte ist das ein ausgesprochen trauriger Befund.

Ich will auch ins Standesamt!

Heute präsentierten die Grünen Andersrum die neue Aktion: Wir wollen da rein!

Mittels Postkarten und eMails sollen Kanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer an ihre Versprechen erinnert werden. Denn das wirklich traurige an der derzeitigen Debatte um die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist ja das: Beide versprachen mehr, als was jetzt vorliegt!

ZUR ERINNERUNG – Gusenbauer verprach:

In regenbogengeschmückten Inseraten auf lesbischwulen Webseiten und in Magazinen versprach die Fotomontage von Gusenbauer auf der Regenbogenparade: Eingetragene Partnerschaft mit gleichen Rechten und Pflichten der Ehe, langfristig Öffnung der Ehe. Der nunmehr vorliegende Berger-Entwurf ist nur ein kleiner Bruchteil davon – und der wurde noch OHNE ÖVP ausgearbeitet!

ZUR ERINNERUNG – Molterer versprach:

Als die mit großem Medientamtam initiierte Perspektivengruppe die konservative ÖVP in ein etwas liberaleres 21. Jahrhundert führen sollte (um die Absurdität eines Familiensplittings neu zu erfinden), versprache Molterer die Umsetzung 1:1. Darin enthalten: das Schweizer Modell einer Partnerschaft für Lesben und Schwule. Der Berger-Entwurf liegt weit darunter. Die VP-Ministerien haben noch nichts gesagt, was sie wann umsetzen wollen, dafür hören wir vom Parteichef himself: Kein Standesamt. In der Schweiz können Lesben und Schwule natürlich am Standesamt feiern!Wer also nun Postkarten und eMails schicken will surft hierher und erinnert unsere zwei Regierungs- und Parteichefs an das, was sie versprachen.