Wedad Lootah, der Islam, die Homosexualität, das Profil und ein Leserbrief

Im Profil der Vorwoche erschien ein Interview (nachzulesen hier) mit einer Art „islamischen Sexpertin“, wie das neudeutsch heißt. Wedad Lootah wird dort über den von ihr geschriebenen ersten islamischen Sexratgeber interviewt. Im Interview sagt sie über Homosexualität unter anderem, es „verursache viele Krankheiten“ und dass Homosexualität nicht als persönliche Freiheit akzeptiert werden kann, denn dann würde die Menschheit aussterben.
Dies veranlasste mich dem Profil einen Leserbrief zu schreiben. Da dieses Statement diese Woche nicht abgedruckt wurde (was ich natürlich bedauere, aber so wichtig dürfte dem Profil das Thema nicht sein), veröffentliche ich ihn eben hier:

Die Überschrift des Interviews mit Wedad Lootah machte mich hellhörig und voller Neugierde las ich das Interview mit der Autorin eines islamischen Sexualratgebers. Im Vortext wird ihr Lächeln betont, dass sie mit Morddrohungen konfrontiert ist, und wie sie einen Tabubruch beging. Das macht den Eindruck, als bekäme man es mit einer gehörigen Portion islamischer Aufklärung zu tun. Nachdem ich schon islamische Feministinnen kennenlernte, mit Interesse gelesen hatte, wie in Südafrika eine Moschee für Lesben und Schwule eingerichtet wurde, und viele andere – noch kleine aber zarte – Liberalisierungen stattfinden, freute ich mich auf das Interview. 

Doch was muss ich lesen? Dass Homosexualität, falls es als persönliche Freiheit des Einzelnen gesehen wird, zum Aussterben der Menschheit führt! Dass Homosexualität überhaupt nur Krankheiten verursacht!

Diese Aussagen unter dem Titel „Eigentlich ist im Islam alles möglich“ unwidersprochen im Profil zu lesen, der vermutlich und hoffentlich auch von österreichischen MuslimInnen gelesen wird, halte ich für einen enormen Rückschritt. Zurecht würden solche Aussagen eines österreichischen Autors kritisiert werden. Ist es statthaft solche extremen lesben- und schwulenfeindliche Äußerungen kommentarlos abzudrucken, ohne darauf hinzuweisen, dass in den meisten islamischen Ländern Homosexuelle verfolgt, gefangen genommen und in vielen Staaten erhängt und ermordet werden? Ich hätte das Interview verdaut, wenn diese Fakten erwähnt worden wären. Interviews wie diese zu führen und zu lesen ist wichtig, aber dann bitte auch mit den dazu gehörenden Fakten! Im Übrigen wird Homosexualität in den Vereinigten Arabischen Emiraten, so wie in in sechs weiteren islamischen Ländern (Jemen, Iran, Saudi-Arabien, Nord-Sudan, Nord-Nigeria und Mauretanien), noch immer mit der Todesstrafe geahndet.

Marco Schreuder, Abgeordneter zum Wiener Landtag und Sprecher der Grünen Andersrum

Das war das Tel Aviv Memorial.

Esther Crapélle hat Mittwoch für uns fotografiert (Fotos auf facebook hier) und meine kurze Rede auch gefilmt. Vielen Dank dafür!Weitere Fotos des Tel Aviv Memorials sind hier nachzusehen:Martin Juen auf flickrGaywienzwischenruf.atIch bedanke mich bei allen, die so kurzfristig geholfen haben, insbesondere bei Simone Dinah Hartmann und Stefan Schaden, dem Rechtskomitee Lambda, der Botschaft Israels in Österreich, bei der Israelitischen Kultusgemeinde, der Tel Aviv Beach und bei den Grünen Andersrum.

Tel Aviv Memorial – Mittwoch 5. August, 19 Uhr, Tel Aviv Beach am Donaukanal

Die Grünen Andersrum und Rechtskomitee Lambda rufen auf:
Tel Aviv Memorial
Mittwoch, 5. August 2009, 19:00 Uhr
Tel Aviv Beach, Donaukanal, 1020 Wien
Direkt an U2/U4 Station Schottenring, Ausgang Herminengasse
Mit:

Guy Feldman, stv. Botschafter Israels in Österreich
Marco Schreuder, Landtagsabgeordneter und Sprecher der Grünen Andersrum Wien
Simone Dinah Hartmann, freie Autorin und Aktivistin
Dominik Mungenast, SoHo (Sozialdemokratie & Homosexualität)
Dr. Michaela Tulipan, Rechtskomitee Lambda
Maria Vassilakou, stv. Bundessprecherin der Grünen
Peter Florianschütz, Gemeinderat der SPÖ Wien
Mag. Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien

Grußworte:

Ron Huldai, Bürgermeister von Tel Aviv
Yaniv Weizman, Tel Aviver Stadtrat und Leiter der israelischen LGBT Jugendorganisation

 

Moderation: Hikmet Kayahan
DJ-Line: Shane (Sündikat)
Homophobie und Hassverbrechen finden überall in der Welt statt. Am 2. August erreichte uns die schreckliche Nachricht über ein Hassverbrechen in Tel Aviv. Ein Mann erschoss einen jungen Mann und eine junge Frau in einem Lesben- und Schwulenzentrum. Elf Menschen wurden verletzt. Anschließend wollte er auch in eine Schwulenbar eindringen um Menschen zu töten.
Wir erklären uns solidarisch mit den Opfern, ihren Angehörigen und Freund_innen und wollen ein deutliches Zeichen gegen homophoben Hass und Gewalt setzen, egal wo auf dieser Welt.
Gleichzeitig wollen wir darauf aufmerksam machen, dass Israel der einzige Staat des Nahen Ostens ist, in dem die Rechte von Lesben und Schwulen geschützt werden. Viele dieser mittlerweile geschaffenen Rechte, wie etwa die Stiefkindadoption oder die Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen, gehen dabei weit über die österreichische Gesetzgebung hinaus, die in diesen Punkten der israelischen hinterherhinkt.
Umso schockierender war dieser Anschlag für die israelische Gesellschaft, deren Wut und Trauer über dieses Verbrechen wir teilen. Spontan fand sich die israelische Zivilgesellschaft auf den Straßen, um ihre Solidarität mit den Opfern zu demonstrieren, während die politischen Spitzen von links bis rechts dieses Hassverbrechen verurteilten und damit ein klares Zeichen gegen Homophobie und für Tel Aviv als einer der offensten, kreativsten und tolerantesten Städte der Welt gesetzt haben. Auch homosexuelle Palästinenser_innen fliehen aus Angst vor Verfolgung durch ihre eigene Regierung dorthin, um in Israel Schutz zu suchen. Solidarität mit der Tel Aviver Queer Community heißt daher gleichzeitig Solidarität mit der einzigen Demokratie im Nahen Osten, die für andere Staaten der Region, wo die Verfolgung von Schwulen und Lesben an der Tagesordnung steht, als Vorbild dienen sollte. Daher weisen wir die Äußerungen jener zurück, die den Vorfall in Tel Aviv nur dazu benutzen, ihre israelfeindlichen und antisemitischen Ressentiments loszuwerden.
Während wir der Toten in Tel Aviv gedenken, wollen wir jene nicht vergessen, die tagtäglich Opfer homophober Gewalt und Verfolgung weltweit werden. Nach wie vor steht in vielen Staaten dieser Welt – vom Iran bis Mauretanien – auf Homosexualität die Todesstrafe. Wir wollen heute insbesondere auch für sie Kerzen zünden, und unsere Solidarität mit all jenen zeigen, die Opfer dieser staatlich sanktionierten Verbrechen sind.
Wir rufen alle Entscheidungsträger_innen weltweit dazu auf, für eine Welt einzutreteten, in der Verbrechen und Hass gegen Schwule und Lesben keinen Platz haben.
Tel Aviv, Summer 2009
We are with you!
Unterstützt vom Bündnis gegen den Rechtsruck
Windlichter zum Entzünden werden zur Verfügung gestellt.

Blutbad in Tel Aviv und die Reaktionen darauf.

Fassunglosigkeit nach den Nachrichten aus Tel Aviv: Ein (noch) unbekannter Mann verübte ein Attentat auf eine Jugend-Coming-out-Gruppe in einem lesbisch-schwulen Zentrum in Tel Aviv. Zwei Tote und elf Verletzte sind die Folge. Spontan demonstrierten Menschen in Israel gegen dieses Attentat.
Die Reaktionen österreichischer Inter-User_innen hat der ausgezeichnete Blog think outside your box treffend dargestellt. Denn eines wird deutlich: Religiöse Fundis und (Klerikal-)faschist_innen finden es okay, wenn Schwule und Lesben ermordet werden. Auch hierzulande.
Auch ich musste erfahren, wie jemand auf meinen Facebook-Eintrag über meinen Schock über die Attentate meinte, es seien irgendwie ja auch die Lesben und Schwulen selber schuld, weil sie sich halt immer so in den Vordergrund stellen und auf sich aufmerksam machen müssten.
Einzeltäter_innen oder Terror-Netzwerk ist die eine Sache. Eine gewaltfreie Welt ohne Täter und Täterinnen wäre zwar wünschenswert, aber damit werden wir wohl leider immer leben müssen. man erinnere sich nur an das Attentat 1999 auf das Schwulenlokal Admiral Duncan in London. Dass solche Taten dann aber von nicht selbst zu solchen Gewalttaten schreitenden Menschen still aber wohlwollend wahrgenommen werden ist der größte Schock. (Einer, der immer gegen die „Homoperversen“ hetzt und dieses Attentat wohl auch gut und gerechtfertigt findet, postet auch regelmäßig bei mir. kath.net lässt grüßen.)
Übrig bleibt die bittere Erkenntnis, das noch so unendlich viel zu tun ist… Das wusste man zwar immer, aber gerade bei einer solchen Zuspitzung tritt es besonders dramatisch und erschütternd zutage.
Ich bin heute jedenfalls auch aus Tel Aviv. Soldarisch und geschockt. Aber sicher nicht resigniert, sondern kämpferisch. Ein zurück ins Versteck, in das Verschweigen und in die Sünde gibt’s nicht mehr. Das ist vorbei, und dafür muss man und frau auch kämpfen.

Das österreichische Queer-News-Portal ggg.at (meiner Meinung nach noch viel zu unbekannt, dafür aber immer die schnellste und umfangreichste Website mit lesbisch-schwulen Themen in Österreich) hat eine eigene Rubrik mit ständig aktualisierten Meldungen zu Israel installiert:
ggg.at

Eine Entgegnung zu einer nicht stattgefundenen Intervention beim ORF.

In Herrn B’s Blog (hier) von Rafael Buchegger (auch Betreiber des Club 2 Blogs) werde ich ziemlich heftig kritisiert. Der Grund: Als vor einigen Wochen ein Club 2 zum Thema Rechtsruck unter Jugendlichen stattfand, wurde ein gewisser Ramses eingeladen. Dieser ist wiederum Rapper der Combo Absolut HIV. Allein der Name dieser Band gibt ja schon eine gewisse Richtung vor. In einem ihrer ersten Songs rappten diese Jungs, dass Schwule am besten alle gleich an Aids krepieren sollen. Sehr nett, sowas. Nur ein toter Schwule ist in den Augen dieser Band ein guter Schwuler.
Als ich mitbekam, dass dieser Gast eingeladen war, rief ich beim ORF an. Als jemand, der ja auch gewählt wird, um Diskriminierungen und Hetze gegen Lesben und Schwule zu bekämpfen, wollte ich schon wissen, was die Motivation dafür war, jemanden wie Ramses einzuladen. Zudem war ich nicht der einzige, der schockiert war (siehe hier). Daraufhin wurde ich übrigens sogar von ORF-Mitarbeiter_innen angerufen, die über die Einladungspolitik ziemlich entsetzt waren und mich sogar baten, mal den Lorenz Gallmetzer, zuständig für den Club 2, anzurufen, was ich dann auch tat. Namen darf ich keine nennen, und tu ich somit auch nicht.
So etwas als „Intervention“ darzustellen, ist vollkommener Humbug. Denn:
1. Politiker_innen telefonieren täglich mit Redakteur_innen aller Art. Umgekehrt oft noch mehr, da die einen ohne die anderen keine Verbreitung von politischen Forderungen hätten, die anderen ohne uns keine News.
2. Nachdem die Suizidrate bei Jugendlichen im Coming-out leider immer noch 7 mal so hoch liegt, als bei heterosexuellen, wie eine Salzburger Studie einmal herausfand (und in zahlreichen internationalen Studien ähnlich hoch beschrieben wird), stellt sich schon die Frage, ob derart krasse Homophobie im öffentlich-rechtlichen TV, für den auch Lesben und Schwule ihre Gebühren entrichten, eine Bühne erhalten soll. Darüber darf sich ein Schwuler ja wohl mit Gallmetzer unterhalten. Immerhin kann mit so einem Auftritt ein Dammbruch passieren: Nämlich, dass es wieder vollkommen okay ist, Lesben und Schwule scheiße zu finden, und ihnen den Tod zu wünschen. Das macht jahrelange Aufklärungsarbeit und Jugendarbeit in ganz kurzer Zeit zunichte.
3. Das Telefonat mit Gallmetzer war befruchtend und interessant. Er nahm sich fast eine halbe Stunde Zeit und wir unterhielten uns über die Problematik, ohne dass wir direkt Forderungen aneinander stellten. Ich meinte natürlich, dass ich es ziemlich inakzeptabel finde, dass Gäste für ihre Musik und Platten Werbung machen können, die gegen Schwule hetzen. Herr B glaubt das Telefonat werten zu können, ohne dabei gewesen zu sein.
4. Die Moderatorin, Renata Schmidtkunz, mit der ich auch telefonierte, versprach mir, die Homophobie anzusprechen, was ein Ergebnis des Telefonats war. Also waren die Gespräche am Ende ja sinnvoll, da genau die Homophobie des Ramses erst dadurch Thema wurde!
5. Man stelle sich nur mal vor, Ramses würde solche Songs singen, nur anstelle von „Schwule“ würden es „Juden“ sein. Zu Recht würde der ORF kritisiert werden und es Proteste und Rücktrittsaufforderungen hageln. Warum es bei Lesben und Schwule, weniger schlimm ist zu hetzen, muss mir Herr B erst erklären.
Am Ende muss ich traurigerweise sagen, dass mein einziger Fehler (?) wohl war, zu twittern, dass ich das Telefonat führte, obwohl ich nichts anderes getan habe, als jede_r Gebührenzahler_innen tun kann. Dabei würde ich gerade solche Offenheit und Transparenz von Gesprächen ja besser finden. Wie mir Herr B beweist, muss ich wohl in Zukunft vorgehen, wie alle anderen Politiker_innen und sowas gar nicht erzählen, was ich so aber nicht will und was ich extrem traurig finde. Jemanden anzugreifen, der offen erzählt, ist halt einfacher als all diejenigen anzugreifen, die sowas nicht erzählen oder twittern – also im Grunde fast alle anderen Politiker_innen.
Der Vorwurf, dass jemand wie ich mit Typen wie Ramses nicht diskutieren will, ist übrigens genau so hanebüchen, sitze ich doch oft in Schulen und in Jugendzentren, um genau diese Thematik anzusprechen, haben wir mit homohetero.at genau für diese Zielgruppe ein Service eingerichtet und ist mir Jugendarbeit, auch und vor allem bei Migrant_innen, ein Riesenanliegen. Aber das hat Herr B leider nicht recherchiert. Und Diskussion mit Homophobie ist auch im öffentlich-rechtlichen TV gut, aber jemanden einzuladen, der Schwule hasst und gleichzeitig kein Schwuler oder keine Lesbe eingeladen ist, die darauf etwas entgegnen kann: Das ist das Problem!
Aber im Blog werde ich ja auch typisch österreichisch und katholisch genannt, obwohl ich ersteres erst (offiziell) seit 2005 bin, letzteres war ich zum Glück noch nie. So viel nur zum Thema Recherche. Herr B sprach auch davor nie mit mir über diese Thematik oder hat sich erkundigt, was damals geschah. Er schrieb drauf los, ohne mich zu kontaktieren, obwohl wir im Web 2.0 bestens vernetzt wären. Schade.

 

Slavic Pride in Moskau dürfte nur wenige Minuten gedauert haben.

Heute steigt nicht nur das große Finale des vor allem bei Lesben und Schwulen so ungemein beliebten Eurovision Song Contests in Moskau. Als wichtiges Zeichen organisierten die AktivistInnen rund um Nikolai Alekseev heute den Slavic Pride.
Peter Tatchell, Grüner Politiker und langjähriger und berühmter Aktivist der Lesben- und Schwulenbewegung (nicht nur) in Großbritannien, twitterte live über die Geschehnisse in Moskau. Leider kam es nicht zu vielen Meldungen.
Noch am Vorabend konnte er stolz berichten:

Received International Award of the Slavic Pride, Mayor ignored us, now in hiding as police try to track down and arrest us – surreal. 
Doch heute dauerte Slavic Pride offensichtlich nur wenige Minuten. Diese Tweets kamen innerhalb einer Viertelstunde:

Pride about to start – here we go. Federal police & world’s media already here. French, German, Finnish, UK, US & Dutch embassy reps too 

 

Well that didn’t take long. Within 5mn 20 activists arrested by riot police in front of world’s media, including organiser Nikolai Alekseev 

 

Arrested. Shortest march I’ve ever been on.
Eine Stunde später: Just been released from Moscow police station – http://tinyurl.com/q3nshf
Kurz darauf berichtete die dpa, dass die Polizei die Parade aufgelöst hatte.
Schon davor machte der geplante Marsch der Lesben, Schwulen und TransGendern Wirbel. Faschistische Organisationen kündigten an mit 1000en Menschen gegen die Parade vorgehen zu wollen und kündigten Gewalt an. Doch die Gewalt geht auch vom Moskauer Bürgermeister (und enger Freund Michael Häupls) Juri Luschkow aus. Seit Jahren spricht der extrem homophobe Bürgermeister ein Verbot der Parade aus. Die Polizei verhaftet regelmäßig Aktivist_innen oder schaut tatenlos zu, wenn Lesben und Schwulen von faschistischen Gruppen verprügelt werden. So geschah das auch mit meinem deutschen Grün-Kollegen aus dem Bundestag Volker Beck.

Ich hoffe, das Auditorium und die Künstler_innen beim Eurovision Song Contest setzen heute ein Zeichen, wenn auch nur ein symbolisches. Dass diese eher weniger zur Parade gegangen sind, ist anzunehmen, zumal sie viele Tausend Euro bezahlt haben, um Tickets zu kaufen und hinzufliegen. Aber ein kleines Zeichen wäre fein. Beispielsweise vom offen schwulen deutschen Sänger aus den USA beispielsweise…
Außerdem bin ich der Meinung, dass die Stadt Wien ab sofort keinen Moskau-Ball im Wiener Rathaus mehr veranstalten soll. Dort lässt sich Juri Luschkow gerne blicken und von Häupl herzen. Das soll erst wieder geschehen können, wenn in Moskau die Menschenrechte geachtet werden. Auch die von Lesben und Schwulen!
Hier ein Video aus Moskau (über blu.fm):

Als Zeuge Jehovas aufgewachsen.

Vor einigen Tagen wurden die Zeugen Jehovas als Religion offiziell anerkannt. Zeitungen berichteten viel darüber und auch ich wurde diesbezüglich immer wieder angesprochen und nach meiner Meinung gefragt. Dabei sind meine Gesprächspartner_innen immer sehr überrascht, wenn ich sage: „Ich bin da leicht befangen, kenne die NS-Verfolgungsgeschichte sehr gut, denn ich wuchs selbst als einer auf!“ Als Reaktion folgt dann meist eine Mischung aus Unglauben und Staunen, und manchmal habe ich sogar den Eindruck, ich mache mit dem Satz sprachlos, da ich vielmehr als weltoffener schwuler Mann bekannt bin. Der Weg ein solcher zu werden, war aber ein sehr langer. Ich kann daher hier nur sehr verkürzt zusammenfassen, obwohl es ein langer Text wird. Ich hoffe, Eure Geduld reicht.

Ich erzähle diese private Geschichte übrigens nicht aus dem Bedürfnis eines Seelenstriptease heraus. Ich glaube einfach, es hat auch gesellschaftliche Bedeutung. Die Abwägung, wieviel Privates öffentlich gemacht werden kann, ist immer schwierig, denn auch Privat ist oft sehr Politisch. Ich hoffe ich schaffe es, denn dieser Beitrag kostet mir schon Nerven, Tränen aber zum Glück keine mehr.

Kindheit, Pubertät und „schwere Prüfungen“

Im Grunde wuchs ich ganz normal in einer sehr liebevollen Familie auf – zuerst in den Niederlanden und später im Salzkammergut. Der Unterschied war aber, dass ich nicht in eine Kirche, eine Synagoge oder eine Moschee mitgenommen wurde, sondern eben in den Königreichssaal, wie die Versammlungsorte heißen. Ich ging mit Eltern und anderen JZ von Tür zu Tür, wollte bzw. musste Wachtturm und Erwachet verbreiten und wurde im Bibel lesen und interpretieren geschult. Somit war die Religion von Anfang an ein ganz normaler Bestandteil meines Lebens. Aber schon in früher Kindheit wurde mir klar gemacht: Innerhalb der Glaubensbrüder und -schwester ist man „in der Wahrheit“ und die Welt da draußen ist eben „die Welt“, was durchaus abwertend gemeint war. Das hat seinen theologischen Grund, denn die JZ glauben, dass wir seit 1914 in der Endzeit leben, der Teufel die Welt für kurze Zeit regiert und Armageddon bald kommt, um das Böse zu beseitigen. Daher gilt es noch rasch viele Menschen von der Wahrheit zu überzeugen. Das ist schon eine ganz schöne Herausforderung als Kind: Will ich bald sterben oder ewig leben? Da fällt die Entscheidung erstmals nicht besonders schwer und so strengt man sich eben an. Dass wir weder Weihnachten noch Geburtstage feierten, empfand ich merkwürdigerweise sogar als überlegen und machte mir überhaupt nichts aus. Ich beneidete die anderen Kids gar nicht. Die wiederum sahen mich schon immer als etwas „anderes“. Als JZ in die Schule zu gehen, bedeutet auch immer, auf das reduziert zu werden.

Trotzdem geht man in die Schule, schaut Fernsehen und liest Bücher und alles um dich herum ist aus „der Welt“. Hier ist also die erste große Herausforderung, die von den JZ auch immer wieder betont und mitgegeben wurde, denn all diese Einflüsse werden als „Prüfung“ dargestellt, mit der Gott uns ständig testet. In der Pubertät wird es dann freilich am schwierigsten. Als meine Sexualität (bei mir sehr früh!) sich bemerkbar machte, gefiel es mir gut. Eh klar. Mir über die Ursachen noch völlig unbewusst, referierte ich im Deutschunterricht lieber über Thomas Mann als über Hermann Hesse, lieber über Oscar Wilde als über Edgar Allan Poe. Meine Selbsterkenntnis zum gleichen Geschlecht zu tendieren, war sehr früh vorhanden – im Grunde noch bevor ich überhaupt Sexualität begriff, wovon ich mittlerweile überzeugt bin. Die ersten Phantasien setzten sich im Kopf fest und es folgten bald auch die ersten Erfahrungen, zuerst Onanie und später eben mit Partner und Partnerinnen (ich probierte beides aus, denn wollte „es“ ja wissen). Ich bemerkte rasch, dass der Glauben, in der ich erzogen wurde mit mir als Mensch nicht kompatibel war.

Coming-out und Glaube

Als die ersten Schulfreundinnen (ja, es waren allesamt Mädchen, Burschen gegenüber outete ich mich erst später) Mitte der 80-er Jahre von mir eingeweiht wurden, und sie mein Schwulsein erstaunlich locker akzeptierten, war mir trotzdem bewusst, dass ich als schwuler Mann nicht nur bei den JZ Schwierigkeiten haben würde, sondern auch in der Gesellschaft. Ich fühlte mich ganz allein auf der Welt, Internet gab’s noch nicht, ich kannte keine anderen Lesben und Schwulen, wusste gar nicht wo die sind und wie man sie erkennt. Dass ich einige Klassenkollegen Jahre später wieder in der Rosa Lila Villa treffen sollte, konnte ich damals nicht ahnen. Es folgte trotzdem eine rasche Emanzipation, die erstmal in ein Doppelleben führte. In der Schule und in „der Stadt“ (das war in diesem Fall tatsächlich Bad Ischl) suchte ich nach meiner Identität, zuhause mimte ich den braven Zeugen. Das tat ich nicht mehr nur aus Unsicherheit, zu welchen der beiden Lebensrealitäten ich nun wirklich gehörte, sondern ich wollte natürlich vor allem meine Eltern nicht enttäuschen.

Dann startete ich ein Ablenkungsmanöver, der sehr entscheidend war: Ich begann zu rauchen, was bei den JZ streng verboten ist. Rauchen ist sichtbar, Homosexualität ist es nicht. Rasch wurde mein Zigarettenkonsum zu einem Thema in der Schule, bei meinen Eltern, bei den „Ältesten“ der JZ, die sowas wie moralische und theologische Führer sind, und ich bekam die durchaus beabsichtigten Schwierigkeiten. Der Grund, warum Rauchen verboten war: Man verschmutzt seinen Körper und die der anderen. Auf meine Gegenfrage, warum dann etwa Autofahren oder Energieverbrauch aus kalorischen Kraftwerken (ja, es war die Hainburg-Zeit und ich ein früher Grün-Symphatisant!) dann erlaubt seien, bekam ich keine Antwort. Es war klar, dass ich die JZ nun verlassen konnte – mit allen Dramen, die damit verbunden sind. Die größte Angst, die ich freilich hatte, war vor Liebensentzug meiner Familie. Ich konzentrierte mich aber auf meine Matura, um gleich danach nach Wien zu ziehen, „um mal mit mir selbst zu wohnen“, wie ich das damals formulierte.

Das Leben danach

In Wien studierte ich, lebte mein Leben, wie ich es mir vorstellte und wurde eben das, was ich heute bin. Der Liebesentzug der Familie fand nicht statt. Leicht war es trotzdem nicht – für beide Seiten nicht. Ich wusste, dass ich für meine Angehörigen ein „verlorener Sohn“ war, mit dem sie kein ewiges Leben genießen werden (sicherlich eine schreckliche Vorstellung), und ich war auf den Weg meine Identität zu finden und mich selbst zu bejahen, was auch gelang. Das Glück, das ich fand, war stärker als alles andere, was ich davor erlebte und mir wurde bald sonnenklar: Religionen sind ein Hindernis zum Glück, vielmehr eine menschliche Erfindung um andere Menschen zu kontrollieren und zu maßregeln. Männer machten im Namen von Götter – und später eines Gottes – Regeln, um ganze Gesellschaften im Griff zu haben und die Frau zu unterdrücken. Männliche Moralvorstellungen wurden zum Maßstab. Ich lehnte Religionen ab diesem Zeitpunkt ab.
Bald meldeten sich Gruppen und Vereine ehemaliger Jehovas Zeugen. Ich hörte mir an, was sie zu sagen hatten, denn ich war durchaus bereit speziell Lesben und Schwulen in ähnlicher Situation zu helfen. Doch die Vereine waren genau so missionarisch und kämpferisch, wie die JZ selbst. Mir gefielen die genau so wenig. Sie verbreiteten Vorurteile, die ich so nicht erlebte. Als sie etwa irgendwo kommunizierten (leider vergessen wo), Eltern würden ihre Kinder misshandeln, wandte ich mich mit Grauen ab. Die Welt der JZ, die da geschildert wurde, war nicht die Welt, in der ich aufwuchs, also stimmte auch die Gegenpropaganda zu einem erheblichen Teil nicht.

Was ich allerdings wirklich lernte, war etwas ganz anderes, als die Vereine Ehemaliger praktizierten. In meiner Familie spielte (und spielt) die Religion der Jehovas Zeugen noch immer eine große Rolle – zumal mein Vater plötzlich bei einer Bergtour zu jung ums Leben kam. Ich wollte nach dem Bruch und der Emanzipation wieder eine Beziehung aufbauen, die eben auf einem anderen Fundament gebaut werden musste, sollte eine Beziehung überhaupt funktionieren. Dazu war es notwendig einmal darüber nachzudenken, was ich brauche – und was ich dafür geben muss.

Respekt ist ein gern benütztes, aber viel zu selten gelebtes Wort. Doch es war Respekt, der half. Und zwar wirklicher Respekt! Denn, wenn ich als schwuler Mann respektiert und anerkannt werden will, war es – so war mir sehr bald klar – auch notwendig diesen Respekt selbst anzubieten. Natürlich hätte ich ebenso eine argumentative Auseinandersetzung beginnen können, um zu überzeugen, dass das Leben, so wie ich es lebe, in Ordnung ist und nicht verurteilt werden kann. Aber dann wird es erst recht wieder zu einer Glaubensfrage und einem privaten Krieg. Ich wusste einfach, dass das scheitern würde – ja musste. Also respektierte ich die Religion meiner Angehörigen, wusste wie sie denken und glauben und sprach das auch offen aus. Daraufhin erhielt ich den Respekt und die Anerkennung für meinen Weg und meine Identität – und schließlich auch für meine Lebenspartner. Eine Erkenntnis, die für mich auch politisch prägend war: Einander das Leben, das wir nunmal lebten und leben, leben lassen, einander respektieren – und so schaffen wir tatsächlich ein friedliches Miteinander, mit dem ganz klaren Wissen und dem Bewusstsein um die gravierenden Unterschiede.

Jehovas Zeugen in der NS-Zeit

Ein mir wichtiger Exkurs widme ich jetzt meinem Nachbarn aus meiner Kindheit, den ich damals bewunderte und den ich jetzt immer noch bewundere: Leopold Engleitner (siehe Wikipedia Eintrag über ihn), geboren 1905 und immer noch bei St. Wolfgang im Salzkammergut lebend. Er gilt mittlerweile als einer der ältesten KZ-Überlebenden der Welt (wenn nicht sogar der Älteste). Er wurde verfolgt, weil er Zeuge Jehovas war, überlebte das Grauen mehrerer Konzentrationslager und erzählt heute fast 105-jährig immer noch seine Geschichte auf der ganzen Welt (vergleiche diesen berührenden Artikel). Wir kannten ihn sehr gut, weil er eben unser Nachbar war, nahmen ihn mit unserem Auto mit in den Königreichssaal und sahen ihn zwei bis drei Mal in der Woche.

Jehovas Zeugen wurden während der Schreckenszeit des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert und ermordet. Als Bibelforscher bezeichnet, hatten sie einige Erkennungsmerkmale in den Konzentrationslagern. Diese Geschichte ist wichtig zu wissen – auch im Zuge der momentan stattfindenden Debatte über die offizielle Anerkennung.

Jehovas Zeugen offiziell anerkennen?

Ich bin tatsächlich der Meinung, dass die offizielle Anerkennung der Jehovas Zeugen in Ordnung geht. Mein Beweggrund dafür ist zugegeben ein persönlicher, hat für mich aber auch allgemein politische Bedeutung. Denn nach dem Wissen der Verfolgungen und des Terrors gegen JZ, finde ich gut, dass sie nunmehr wissen, anerkannt zu sein, und sie sich somit nicht fürchten müssen. Denn bei Zeugen Jehovas ist es ähnlich wie bei Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti, Lesben und Schwule, Menschen mit Behinderungen, usw: Sie müssen wissen, dass sie im Notfall geschützt und nicht verfolgt werden. Das verstehe ich. Persönlich wird diese Erkenntnis, wenn ich daran denke, dass eine Betroffene von Verfolgung etwa meine Mutter wäre.

Die Diskussion die stattdessen viel mehr notwendig ist: Wie trennen wir Religion und Staat? Wie kann ein gesellschaftliches Leben in Respekt und Anerkennung funktionieren, und trotzdem die Errungenschaften der Aufklärung, der Menschenrechte, der Emanzipationen verschiedener Gruppen und der Demokratie geschützt werden? Daher halte ich eine Diskussion über Privilegien, die JZ nun zustehen, für falsch. Es geht vielmehr überhaupt über den Umgang mit allen Religionen und ihren Stellenwert in Gesellschaft und Öffentlichkeit. Diese Diskussion kann und soll man nicht auf den Rücken einer einzigen Religion austragen, da dies genau zur Stigmatisierung einer einzigen Gruppe führt, die so gefährlich ist. Wenn wir schon darüber diskutieren – über Privilegien, Konkordat und andere Zugeständnisse  – dann müssen wir über alle Religionen gleichwertig und gleichermaßen reden – inklusive der Mächtigsten: der katholischen Kirche. Und da bin ich sehr der Meinung, dass viele Privilegien nicht mehr in Ordnung sind. Als Beispiel sei der Unterschied zwischen privaten und konfessionellen Schulen genannt, wie in diesem Blogbeitrag Christoph Chorherrs genannt.
 

Schockierende Nachrichten aus Uganda: So werden Lesben und Schwule gejagt.

In Uganda geht es Lesben und Schwulen alles andere als gut. Eine extrem homophobe Regierung und Gesellschaft geht auf die Jagd. Ein besonders perfides Beispiel ist die Zeitung Sunday Pepper vom 19. April. Darin werden 45 Schwule bei Vornamen genannt, vier davon mit Foto abgebildet und Einzelheiten über ihren Arbeitsplatz bekannt gegeben. In Kürze soll die Serie mit Lesben fortgesetzt werden. Solche Veröffentlichungen hat es in Uganda bereits mehrmals gegeben. Mit Folgen, denn meist folgt darauf eine Polizeiaktion mit zahlreichen Verhaftungen.
Die International Human Rights Watch hat bereits gegen die Zeitungsaktion protestiert, aber ob das in Uganda etwas bringt? Staatliche Medien fordern immer wieder ein härteres Vorgehen gegen Lesben und Schwule. Und so hat Staatschef Museveni ein Gesetz unterzeichnet, das die Ehe zwischen Menschen gleichen Geschlechts verbietet. NGOs werden regelmäßig terrorisiert. Ein Radiosender, der mal Lesben und Schwule zu Wort
kommen ließ, musste über 1000 US-Dollar Strafe bezahlen. Das Theaterstück „Vagina-Monolog“ ist verboten. In der staatlichen Aids-Aufklärung gibt es keine Information für Lesben und Schwule. Die Begründung lieferte Staatspräsident Musuveni selbst: „Es gibt keine Homosexuellen in Uganda“.
Die Sunday Pepper straft dem Präsidenten Lügen, denn es werden ja Schwule geoutet. Und zwar mit Worten wie:

…a sensational masterpiece that largely exposes Uganda’s shameless men and unabashed women that deliberately exported the western evils to our dear and sacred society. 

Mehr Info und Quellen:
Human Rights Watch: State homophobia
Human Rights Watch about charges against sexual rights acitivists
Human Rights Watch about same sex marriage ban
Afrika Bildung über die Situation in Uganda
Reuters: „State homophobia“