Bundesrat, Kolleginnen und die Abschaffung des eigenen Amts.

Als Sprecher der Wiener lesbisch-schwulen und transgender Teilorganisation Die Grünen Andersrum habe ich öfter gesagt, dass wir politisch wohl die einzige Gruppierung sind, die als Ziel die Abschaffung von sich selbst hat. Das ist natürlich noch Zukunftsmusik und das Paradies ist wohl eher Aufgabe von Fiktion schreibenden Autoren und Autorinnen (oder von Religionen), aber man braucht ja eine Vision. Damit man politisch ein inneres Feuer behält. Es erinnert einem ständig, warum man das tut, was man tut.

Ziel: Eigene Abschaffung. Das bin ich also irgendwie gewöhnt.

So ähnlich wie oben beschrieben empfinde ich jedenfalls heute, am Tag an dem bekannt wurde, dass ich nun in die kleinere Landeskammer des Parlaments – dem Bundesrat – einziehen werde; als einer von drei Grünen. Ich freue mich jedenfalls auf die Arbeit mit Efgani Dönmez (OÖ) und Elisabeth Kerschbaum (NÖ).

Der Bundesrat ist auch für mich ein relativ unbekanntes Wesen. Und da ich wohl davon ausgehen kann politisch einigermaßen informiert zu sein, ist das kein gutes Zeichen für den Rest der Bevölkerung. Wenn ich das mal so salopp sagen darf.

Welche Themen, Ausschüsse und Zuständigkeiten ich haben werde, weiß ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Und ich werde wohl auch einige Wochen – wenn nicht Monate – brauchen, mich in der neuen Aufgabe zurecht zu finden. Einarbeiten muss schon sein, bevor ich lautstark schreie, was ich alles ändern möchte. Eva Glawischnig sagte am Bundeskongress der Grünen: „Österreich braucht einen Neubeginn, um das Fundament der österreichischen Demokratie wieder zu festigen.“ Das nehme ich ernst.

Den Bundesrat nach Außen darstellen, im Rahmen meiner kommunikativen Möglichkeiten – die wohl vor allem hier in diesem Blog und in den sozialen Netzwerken zu finden sein werden – Transparenz zu schaffen, zu erzählen wie es im Bundesrat denn so ist und wie Politik dort funktioniert – das wird auf jeden Fall von mir zu erwarten sein.

Und dann möchte ich alle einladen mit mir zu diskutieren: Über den Bundesrat, unsere Verfasstheit der föderativen Republik, über unsere Verwaltung, über eine demokratisch legitime Gesetzwerdung, usw. Denn freilich ist es einfach zu sagen: Schaffen wir den Bundesrat ab! (Und wie oben geschrieben, kann ich mir das sehr gut vorstellen!) Denn eine in der Verfassung nicht legitimierte so genannte „Landeshauptleute-Konferenz“ hat die Aufgaben längst übernommen, die einst der Bundesrat hatte. Soll das so sein? Oder soll das nicht doch ganz anders sein und gehört die Landeshauptleute-Konferenz abgeschafft? Oder gleich alle Bundesländer? Wo liegen Stärken von kleinteiligen Einheiten und wo ist Zentralismus intelligent? Und welche Rolle spielt dabei Europa? Sollen Landtagsabgeordnete oder gar die Landeshauptleute selbst in den Bundesrat einziehen und dort ihre Verhandlungen führen? Warum wurden einst zwei Kammern in allen demokratischen Staaten eingerichtet, was war das ursprüngliche Ziel? Und wie soll das dann in der Verfassung geregelt werden? Welche Kontrollen und sinnvollen Schritte (Checks and Balances) soll es geben bis ein Gesetz in dieser Republik beschlossene Sache ist? All das und viel mehr wird mich in Zukunft naturgemäß besonders interessieren.

Ich hoffe euch auch. Gemma’s an.

Zum Schluss erlaubt mir bitte mich bei zwei Personen herzlich zu bedanken:

Sabine Gretner und ich sind innerhalb der Grünen einen sehr vergleichbaren Weg gegangen. Sie war Planungsreferentin im Grünen Rathausklub in Wien, ich Menschenrechtsreferent. Wir teilten uns lange ein Büro. Als Mitarbeiter_innen haben wir beide 2005 den Entschluss gefasst selbst an die Front zu gehen und kandidierten für den Wiener Landtag und Gemeinderat. Wir beide zogen ein. Ich habe in all den Jahren Sabine Gretner für ihre Sachkompetenz mehr als geschätzt. Ihre berühmteste politische Tat bleibt wohl die Aufdeckung der Machenschaften rund um den Pratervorplatz und das Ende einer Stadträtin namens Grete Laska.

Und so habe ich auch ein weinendes Auge an diesem Tag: Ich respektiere den Schritt von Sabine Gretner, ihre berufliche Zukunft außerhalb der Politik zu begehen, sehr. Ich wünsche ihr dabei alles erdenklich Gute. Den Grünen geht jedenfalls eine tolle Politikerin verloren. Danke, Sabine. Aufrichtig! Und schau immer wieder vorbei und gib uns ordentlich Ezzes!

Und zuletzt möchte ich mich bei Jennifer Kickert bedanken, meine Vorgängerin im Bundesrat. Ich weiß jetzt schon, dass die Übergabe höchst kompetent, amikal und genau über die Bühne gehen wird. Dem Bundesrat und den Grünen im Bundesrat geht eine tolle Abgeordnete verloren, die im Wiener Gemeinderat ein Gewinn sein wird. Zudem ist sie wesentlich organisierter als ich, also entschuldige ich mich jetzt schon vorab, wenn es jetzt vielleicht ein wenig chaotischer werden wird. 😉

Jennifer und ich arbeiten seit dem letzten Wien-Wahlkampf intensiv zusammen, seitdem sie die Bezirkspolitik in „meinem“ Rudolfsheim-Fünfhaus verließ, um wieder Wiener Politik zu machen, die sie schlussendlich im Bundesrat landen ließ. Sie wurde Co-Sprecherin der Grünen Andersrum und seither arbeiten wir intensiv zusammen. Ich gehe davon aus, dass sich daran nichts ändern wird, nur die Rollen sich etwas neu definieren lassen. Und ich finde das gut so.

Ich freue mich jedenfalls. Spannende Zeiten, interessante Herausforderungen. Also dann: Bundesrat, ich komme.

Brauchen wir überhaupt Lesben und Schwule in der Politik?

Vor einigen Tagen meinte Kurt Krickler in einer Aussendung der HOSI Wien zum Thema Jörg Haider:

„Gerade das Beispiel Jörg Haider zeigt anschaulich, dass es nicht relevant ist, ob ein/e Politiker/in offen homosexuell ist oder die eigene sexuelle Orientierung diskret lebt, sondern viel wichtiger ist, wofür er oder sie politisch steht und eintritt.“ 
Des weiteren wird in der Aussendung darauf hingewiesen, dass offen lesbisch-schwule Kandidat_innen keine Rolle spielen würden, käme es doch auf die Politik selbst drauf an.

Das ist nicht ganz falsch. Nur ist es auch nicht ganz richtig. Ich glaube nämlich nicht nur an die politische Repräsentanz der Bevölkerung in seinen Volksvertretungen, ich halte sie für sehr notwendig! Würde man diesen Gedanken nämlich weiterspinnen, müsste man annehmen, dass auch ein zu 100{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} mit Männern besetztes Parlament effektive Frauenpolitik machen könnte, oder Migrant_innen keine politische Vertretung brauche. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass viele Menschen in den demokratischen Gremien vertreten sind, die die Vielfalt einer Bevölkerung auch widerspiegeln und dem entsprechende Lebenserfahrungen mitnehmen: Frauen und Männer, Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen und eben auch Heterosexuelle und Homosexuelle.

Ich stelle den Aussagen der HOSI Wien einen Satz gegenüber, den mir ein SPÖ-Kollege im Wiener Gemeinderat vor einigen Monaten mal sagte:

„Seit du im Gemeinderat sitzt, hat sich die Anzahl homophober Äußerungen deutlich reduziert.“ 
 

Seit die offen lesbisch lebende Grün-Politikerin Ulrike Lunacek 1999 in den Nationalrat eingezogen ist, hat sich in Österreich einiges geändert. Die 90-er Jahre waren ja so etwas wie der Durchbruch lesbisch-schwuler Politik in den Themen-Mainstream. So fand etwa die erste Regenbogenparade 1996 statt. In der Politik dauert das zwar alles furchtbar lange (so ist vor allem die ÖVP heute noch nicht mal in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts angelangt) aber man kann zurecht sagen: Es hat sich was getan.
Lesbischsein oder Schwulsein reiche nicht für die Politik, meint die HOSI Wien unter anderem, ebenfalls in besagter Aussendung. Das stimmt. Als ich 2005 erstmals für den Wiener Gemeinderat kandidierte, sagte ich im Falter: Schwulsein ist nicht abendfüllend! Der Satz stimmt heute auch noch. Natürlich reicht es nicht, ob man schwul oder lesbisch ist, um gute Politik zu machen. Es reicht nicht einmal um gute queere Politik zu machen. Aber es ist sehr hilfreich, wenn man Politik leidenschaftlich macht! Und für notwendig halte ich es auch. Man braucht einfach gute Politiker_innen. Und wenn davon einige offen lesbisch oder schwul sind: Umso besser!
Zwei Beispiele aus dem politischen Alltag:

Als sich mehrere Lokalwirte und -wirtinnen aus der lesbisch-schwulen Community bei mir meldeten, dass sie immer wieder Schwierigkeiten mit der Polizei hätten, kontaktierte ich sofort den Landeskommandanten General Karl Mahrer. Daraufhin saßen wir in mehreren Runden zusammen und die Polizei überprüfte einige fragwürdige Vorgänge. Danach entwickelten wir – in Kooperation mit den Gay Cops Austria – Maßnahmen. Als ersten Schritt, gibt es jetzt überall Flyer und Plakate in allen Wachstuben und in der lesbisch-schwulen Community. Diese Sensibilisierungs-Maßnahme geschah, weil es jemanden im Gemeinderat gab, den die Wirt_innen kannten und der die Lokale auch gut kennt.
Als im Laufe dieses Jahres Eingetragene Partner und Partnerinnen im Wiener Landesgesetz gleichgestellt werden sollten, kontaktierte mich die SPÖ bzw. das Büro von Stadträtin Sandra Frauenberger. Ihnen war es wichtig, dass wir mitgehen. So konnten wir viele wichtige Aspekte wie den „Familienbegriff“ und übersehene Gesetze hineinverhandeln (siehe diesen Blogbeitrag). Die Kooperation mit der Stadtregierung und dem Büro Frauenberger verlief hervorragend. Es ist halt auch für eine regierende Partei nicht besonders gut, wenn sie im lesbisch-schwulen Bereich etwas beschließen möchte, und der einzige Schwule im Gemeinderat wäre dagegen. Meine Zustimmung ist da schon was wert.

Ich – als offen schwuler Politiker – kann also auch aus der Oppositionsrolle heraus viel erreichen. Wobei: Regieren wäre mir natürlich noch lieber.

Im Wahlkampf ist es natürlich ganz lustig zu erzählen, dass man der einziger offen schwul lebende Politiker im Wiener Gemeinderat und Landtag ist. Aber ganz ehrlich: Ich wünschte mir für die Alltagsarbeit innerhalb der Legislaturperioden, dass das nicht so wäre. Bedauerlicherweise hat die SPÖ wieder keine Lesben und Schwule auf wählbaren bzw. chancenreichen Stellen. Das würde viel erleichtern, weil wenn man die lesbische oder schwule Perspektive aus dem Alltag kennt, lässt sich’s einfacher politisieren und ich hätte einen Partner. Denn lesbisch-schwule Politiker_innen erkennen Notwendigkeiten anders und aus eigener Erfahrung und nicht „vom Hörensagen“.
Aber immerhin darf ich mich freuen, dass die Grünen mich nicht alleine aufstellen, und Jennifer Kickert mit mir kandidiert.
Vielleicht sollen sich manche Menschen, die Kricklers Meinung sind, und NGO-Vertreter_innen einfach noch einmal den Film Milk anschauen. In diesem Film geht es um das Wirken von Harvey Milk. Ein Vorbild – ganz bestimmt!