Von Barcelona lernen. Fazit einer Reise.

Wenn ein ganzer Ausschuss reist, soll ja auch was für die Heimatstadt mitgenommen werden. Wer reist, lernt. Die Mitglieder des Kulturausschusses und Stadtrat Mailath-Pokorny waren – wie viele meiner Facebook-Freunde und Twitter-Verfolger_innen wissen – vorige Woche in Barcelona und Valencia und hatten die fachkundige Leitung durch Dietmar Steiner vom Architekturzentrum Wien. Hier nun einige Gedanken und Erkenntnisse, die ich gewonnen habe (und es sind natürlich längst nicht alle):
1. Nachhaltiger urbaner Nutzen von Groß-Events
Barcelona richtete 1992 die Olympischen Spiele aus. Und egal, wohin wir kamen, mit welchen Kulturinsitutionen oder Architekt_innen wir auch sprachen: Alle nannten den Zuschlag für Olympia den Einschnitt der Stadt. Barcelona hat das Ausrichten des Groß-Events nachhaltig genutzt und nicht nur für einige Wochen TV-Bilder gesorgt, sondern die Stadt nachhaltig geändert. Die Stadt, die mit dem Rücken zum Meer stand, wurde umgedreht und schaut nun Richtung Meer. Das wurde durch großzügige und einschneidende städtebauliche Maßnahmen erreicht. Dieser nachhaltiger Plan einer Stadt, Olympia zu nutzen um seine Stadt neu zu definieren, gelang bislang (außer Barcelona) nur München 1972.
2. Zeitgenössisches Museum zeitgenössisch verwalten
Das MACBA (Museu d’Art Contemporani de Barcelona) hat mich wirklich beeindruckt. Bereits beim Empfang sagte uns eine Museumleiterin, es hätte keinen Sinn gehabt, bei Gründung des Hauses in Kunstwerke zu investieren, die ohnehin jedes Museum der Welt schon hat. Es sei besser in wirklich zeitgenössischen Bildern zu investieren und selbst auf die Suche nach Künstler_innen zu gehen – und sie mittels Ausstellungen dann auch zu featuren. Ein tolles Museum!
3. Museen und Kulturzentren für Künstler_innen
Auffallend war auch, dass in zahlreichen Institutionen die wir kennen lernten, bzw. von deren Planung wir erfuhren, die Einbindung der Kunstsschaffenden aus Barcelona mitgedacht wird. Es geht nicht immer nur ums Repräsentieren und Zeigen, sondern auch um Möglichkeiten fürs Kunstschaffen mitzudenken; um Ateliers, Austausch, Diskurs. So fördert man zwar Institutionen, aber zeitgleich auch die kreative Stadt an sich.
4. Globalisierung und lokales Schaffen
Auf Punkt 3 folgt automatisch dieser Punkt. In Barcelona scheint man sich sehr damit zu beschäftigen, wie eine global gezeigte, gehandelte und geliebte Kunst mit regionalem Denken und „Typischem“ kombinierbar sein kann. Das ist tatsächlich eine spannende Debatte. Denn einerseits gibt es zeitgenössische Museen, die mittlerweile irgendwo auf der Welt sein könnten, weil sie völlig austauschbar sind. Andererseits wird etwas „Typisches“ gerne als provinziell angesehen. Nicht so in Barcelona. Das hat aber sicher mit dem wiedergewonnen katalanischen Selbstbewusstsein zu tun, der aber immer mit kulturellem Vielfalt und Weltsicht kombiniert wird. Nachdem die Globalisierung ja auch ihre Schattenseiten offenbarte, ist diese Debatte im Kulturbetrieb ohnehin längst fällig!
5. Konkurrenz belebt die Kultur.
Barcelona versteht sich als gobal player, steht da aber auch innerhalb Spaniens in Konkurrenz mit etwa Madrid, Valencia oder Sevilla. Sobald Madrid etwas plant, denken die anderen Städte gleich: Können wir nicht auch was tun oder sogar übertreffen? Natürlich könnte sich so eine Konkurrenz auch ins Negative auswirken und muss man da wachsam bleiben: Aber in Spanien hat es viel gebracht und zu Höhenflügen der Städte Anlass gegeben. Wien steht in Österreich als einzige Metropole alleine da. Es gibt kaum innerösterreichische Konkurrenz. Die könnte aber mitunter gut tun. Und hierzulande gelten Prag und Budapest immer noch als „weit weg“.
6. Ansiedeln von Kulturinstitutionen in schwierigen Vierteln
Das schon erwähnte MACBA und andere Kulturinstitutionen wurden in einem schwierigen Viertel angesiedelt. El Raval war immer schon ein armes Viertel und wird in den letzten Jahrzehnten besonders von zugewanderten Menschen bewohnt. Die Stadt hat ganz bewusst genau dort Universität und Kultur angesiedelt. Und es hilft nicht bei allen sozialen Schwierigkeiten, aber nützt doch dem Viertel.
7. Ungelöstes Problem moderner Stadtplanung: Sozialer Ausgleich
Ein Problem, das allerdings in Barcelona nicht gelöst werden konnte, ist die Integration von Sozialbau in Stadterweiterungsgebiete und Umbauten der Stadt. Meist entstanden neue Viertel (etwa der obere Teil vom Raval, das ehemalige Olympische Dorf oder das Fórum 2004) dort, wo arme Menschen wohnten, die durch diese Pläne aus ihren Vierteln mehr oder weniger verjagt wurden und sich kaum noch Wohnungen in der Stadt leisten können. Hier sehe ich eine dringende Notwendigkeit, Anpassungen vorzunehmen.
8. Barcelona liegt am Meer.
Na gut. Da kann Wien leider nicht mithalten. Aber wäre es bitte mal möglich, den Donaukanal zu einem Strand zu machen? Oder braucht Wien dafür auch erst Olympische Spiele, damit was passiert? Danke.
9. Barrierefreiheit
Nachtrag: Hatte ich tatsächlich in der Liste vergessen (Danke @Martin): In fast allen Lokalen, in denen ich war (v.a. naturgemäß in der Gay Community) war barrierefreier Zugang und somit die Anwesenheit von Menschen im Rollstuhl ganz selbstverständlich!

 

Ausschussreise nach Barcelona und Valencia.

Heute fliege ich zu einer Studienreise des Kulturausschusses nach Barcelona und Valencia. Mit dabei sind nicht nur alle Kulturausschuss-Kolleg_innen von SP, VP und FP, sondern auch ST Mailath-Pokorny und – was mich sehr freut – Dietmar Steiner vom Architekturzentrum Wien, um sich viele Architektur- und Stadtplanungs-Projekte anzusehen. Das, obwohl wir der Kulturausschuss sind, und nicht der Planungsausschuss. Irgendwie schade, dass nicht beide Ausschüsse zusammen gefahren sind.Ich hab noch keinen Überblick über die WLAN-Situation vor Ort, aber sollte sich Bloggen nicht ausgehen, werde ich auf jeden Fall versuchen, immer aktuell zu twittern, wenns geht:http://twitter.com/marcoschreuderAuch hier finde ich Transparenz wichtig, denn immerhin ist auch diese Studienreise eine von Politiker_innen, und so – nicht nur aus finanziellen Gründen – von öffentlichem Interesse. Ausschussreisen sind sonst auch eher etwas fernab einer Bekanntheit.Bis bald!