Eine „Große Koalition Neu“ wurde oft versprochen. Und passiert ist eigentlich nie was. Allerdings finde ich den Denkansatz „Politik neu denken“ oder auch „Politik neu machen“ ja nicht schlecht. Dazu mache ich mal acht Vorschläge. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Fehler machen dürfen
Fehler sind so eine Sache. Darauf wartet der politische Gegner um volle Kanne zuschlagen zu können. Und darauf warten die Medien, denn dann fließt Blut, yeah! Ein gelassenerer Umgang mit Fehlern wäre aber ein Gewinn für alle. Denn dann würde man sich auch mal trauen etwas auszuprobieren. Dazu sind allerdings zwei Dinge notwendig: Die Politik muss zugeben können einen Fehler gemacht zu haben oder einfach zugeben, dass etwas nicht nach Wunsch geklappt hat. Debatten über Fehler müssen gelassener geführt werden. Mit anderen Worten: Statt Schönrederei und Shitstorms einfach sachlich und vor allem: Ehrlich bleiben.
2. Gute Ideen anerkennen
Als Angehöriger einer Oppositionspartei kenne ich das zu Genüge: Man erarbeitet intensiv Konzepte, macht Runde Tische, Enqueten, arbeitet mit Expert_innen, diskutiert und debattiert – und am Ende stellt man einen Antrag, der im Parlament in irgendeinem Ausschuss verstaubt oder abgelehnt wird. Nicht weil der Vorschlag schlecht wäre, sondern weil diese Vorschläge (aus der Sicht der Regierungsparteien) nicht „unsere Konzepte“ sind. Das ist zermürbend, mühsam und gehört dringend abgestellt.
3. Die Legislative zur Legislative machen
Nahezu alle Gesetze, die ins Parlament kommen, stammen aus den Ministerien. Die Exekutive macht in Österreich also das Recht. Die Ursprungsidee der Demokratie war allerdings umgekehrt. Eigentlich sollte die Legislative – also die Landtage, der Nationalrat und der Bundesrat – die Gesetze verhandeln. Die Ministerien setzen diese um. Natürlich gibt es in den Ministerien Fachwissen von unschätzbarem Wert, jedoch soll dieses Fachwissen ins Parlament fließen können. Und zwar zu allen Parteien. Und nicht erst dann, wenn das fertige Gesetz in den Ausschuss und dann ins Plenum kommt.
4. Inhaltlicher Diskurs statt Maximierungsstrategien
Okay, bei diesem Punkt glaube ich am wenigsten an Umsetzung. Aber ein Versuch wäre es wert: Inhalte werden ausschließlich inhaltlich diskutiert! Ein geradezu blasphemischer Gedanke, stehen doch die Strategien und Spins, wie man Umfragen zu seinen Gunsten ändern kann, im Vordergrund von allem.
5. Unabhängige Expert_innen
Ich weiß, dieser Punkt ist schwierig: Wann ist ein Experte ein Experte und eine Expertin eine Expertin? Und wer bestimmt wer unabhängig ist? Aber bei strittigen Fragen – man nehme etwa die Bildungsreform oder die Verwaltungsreform – würde das doch gut tun: Das Parlament (besser das Parlament als die Regierung – siehe Punkt 3) setzt Kommissionen mit Fachexpert_innen zusammen, die Vorschläge erarbeiten. Beispiel: Als in den Niederlanden die Idee aufkam, man könnte doch einfach die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen, wurde eine solche Kommission ins Leben gerufen. Immerhin hatte damals noch kein Land der Welt diesen Schritt gemacht. Diese schlug vor, das einfach zu tun. Und so wurde die Niederlande 2001 das erste Land der Welt, das die Ehe öffnete.
6. Alle Klubobleute in den Ministerrat
Der Ministerrat muss einstimmig Vorlagen absegnen. So ist das. Immer mit dabei: Die Klubobleute der Regierungsparteien. Warum eigentlich nicht die Klubobleute aller Parlamentsparteien? Hier ließe sich noch viel verhandeln, bevor Gesetzesmaterie überhaupt ins Parlament kommt. Okay, Einstimmigkeit geht dann wohl nicht mehr. Aber eine Möglichkeit zu verhandeln wäre es allemal. Funktioniert aber nur gemeinsam mit Punkt 2. Und die Protokolle müssten öffentlich werden.
7. Transparenz und Amtsgeheimnis abschaffen
Altbekannte Forderung, die man gar nicht oft genug wiederholen kann: Informationsfreiheitsgesetz schaffen, Amtsgeheimnis abschaffen, alle Behördenpapiere automatisch veröffentlichen, Open Data als Grundprinzip. Schafft Vertrauen und beugt Korruption vor.
8. Die neue Aufgabe für Spindoktor_innen: Demokratie retten
Die Parteichefetagen, Berater_innen und Spindoktor_innen dieser Republik sollten vielleicht mal eine neue Aufgabe für sich definieren. Und zwar kooperativ: Nicht: Wie maximiere ich meine Stimmen und mache die Konkurrenz fertig? Sondern: Wie können wir in einen Wettbewerb der Ideen, Haltungen und Grundsätzen treten, ohne die Demokratie und die Politik an sich zu beschädigen?
Es gäbe mehr. Viel mehr. Klar. Direkte Demokratie bei umstrittenen oder so genannten „Dilemma-Fragen“ etwa. Wie oben gesagt: es ging mir nicht um Vollständigkeit. Vorschläge gern in den Kommentaren.