Es ist geschafft. Eine der interessantesten Demokratie-Projekte der letzten Jahre wurde fertig gestellt. Island hat eine neue Verfassung geschrieben. Geschrieben wurde diese neue Verfassung nicht von Parteienvertreter_innen, die hinter verschlossenen Türen verhandelt haben, sondern konnte von allen Isländern und Isländerinnen mitgeschrieben werden. Dass die neue Verfassung angenommen wird, gilt als wahrscheinlich.
Bisher hatte Island eine Verfassung aus dem Unabhängigkeitsjahr 1944 und war sehr stark an das dänische Grundgesetz (bis dahin Königsmacht über Island) angelehnt. Die Entstehungsgeschichte der neuen isländischen Verfassung – ersehnt nach der ökonomischen Krise 2008 – ist einzigartig und wurde in diesem Blog verfolgt. Schon im Vorfeld ging der Nordatlantik-Staat einen völlig neuen Weg und ließ Bürger und Bürgerinnen in einen Verfassungsrat wählen (siehe diesen Beitrag aus dem November 2010).
Daraufhin wurde die Website Stjórnlagaráð 2011 eingerichtet, inklusive Social Media-Kanäle auf Twitter, YouTube und Facebook (siehe diesen Blogbeitrag). So konnte jede Isländerin und jeder Isländer mitdiskutieren, mitformulieren, vorschlagen, verwerfen usw. Dieser Prozess ist nunmehr beendet und Island schlägt einen neuen Verfassungstext vor. Geschrieben quasi von allen.
Bereits die ersten Zeilen des neuen Grundgesetzes verdeutlichen den Weg, den Island beschreiten will*:
„Bereits die ersten Siedler Islands versuchten eine gerechte Gesellschaft zu erreichen, indem alle an einem Tisch saßen.“
Island stellt sich also in seine eigene Tradition. Kurz nach der Landnahme gründeten die nordischen Zuwanderer im Jahr 930 den Alþingi. So heißt das Parlament Islands heute noch, auch wenn es sich nicht mehr in der berühmten Schlucht im Þingvellir befindet, sondern mittlerweile in der Hauptstadt Reykjavík. Es ist immer noch das älteste heute noch existierende Parlament der Welt.
Den Isländern ist aber bewusst, dass der Tisch im digitalen 21. Jahrhundert nicht mehr aus (dem in Island seltenen Material) Holz bestehen kann, sondern dass sich der moderne runde Tisch im Internet befindet. Denn man will auch heute noch an einem solchen sitzen um
“ gemeinsam Verantwortung zu tragen für das Erbe der Generationen, das Land und Geschichte, Natur, Sprache und Kultur.“
Inwieweit dieser Meilenstein des Crowdsourcings auf zukünftige demokratische Entscheidungen des Inselstaates Auswirkungen haben werden, wird sich noch zeigen. Ebenso wird es spannend sein zu beobachten, ob sich ein anderer Staat mit einem anderen oder ähnlichen demokratischen Projekt traut Crowdsourcing als modernes Element der Mitbestimmung zu verwenden. Denn freilich ist ein solches Projekt mit 320.000 Einwohner_innen leichter zu bewerkstelligen, als etwa mit 8 Millionen. Aber gerade für kleinere gesetzgebende Einheiten, etwa Kommunen oder Länder föderativer Staaten, ergeben sich völlig neue Möglichkeiten der Bürger_innenbeteiligung. Und es wäre einmal den Versuch wert, so etwas auch in einem Staat mit höheren Bevölkerungszahlen zu versuchen.
Vielleicht zeigt Island ja vor, wohin Demokratie sich im 21. Jahrhundert in einer digitalisierten Zeit, entwickeln kann.
Islands neuer Verfassungsentwurf kann hier nachgelesen werden (über Google Translate schlecht aber doch übersetzbar).
*Übersetzung vermutlich ungenau, da ich einerseits Google Translate verwendete, andererseits diese holprige Übersetzung in ein etwas verständlicheres Deutsch umschreibe. Daher wird es einige Unschärfen geben.
In New York City können Lesben und Schwule mittlerweile heiraten. Und so wie in (fast) allen Ländern ist diese Öffnung eine politisch hochumstrittene. Die New York Times hat mittlerweile eine Galerie online gestellt.
Liebe Gegner und Gegnerinnen einer solchen Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare, liebe Konservative, Erzkonservative, Hyperreligiöse aller Glaubensrichtungen, und all ihr, die ihr uns das Leben immer so schwer wie möglich machen wollt: Schaut euch die Galerie einfach mal an. Ist das so schlimm? Muss man sich davor fürchten?
Danke an Susanne Zöhrer aka The Sandworm für den Hinweis.
Passend dazu auch der wunderbare Blogbeitrag hier mit fabelhaften Fotos und dem nicht weniger fabelhaften Satz: „Political protests are always a little more fun when the protesters are a little more fabulous.“
„Du Opfer“ hörte ich heute einen Jugendlichen schimpfen. Er nannte ihn nicht nur so, sondern seine gesamte Körperhaltung, sein Gesichtsausdruck und seine danach folgenden Sätze drückten Abscheu und Ekel aus.
Wie konnte aus einem Wort wie Opfer eigentlich ein Schimpfwort werden? Dieser Gedanke belastet mich schon den ganzen Tag, und heute Abend fand ich dann die Zeit und schaute auf Wikipedia nach. Dort konnte ich schnell feststellen, dass ich nicht der Einzige bin, der sich über die Wandlung des Wortes Opfer sorgen macht.
Opfer. Das bedeutet für mich immer, dass jemand unschuldig zu Schaden kam. Ein Opfer war für mich immer jemand, mit dem man Mitleid hatte, dem man helfen soll, weil es in einen Zustand geraten ist, wo man wirklich niemanden sehen will.
Nun gut, kann man natürlich einwenden, jede Zeit und jede Jugendsprache hatte so seine eigenen Worte, die von Anderen, vor allem Ältere, nicht verstanden oder abgelehnt wurden. Aber ein so tragischer Anlass, in der jemand zum Opfer wird, und dann dieses Wort für Verachtung zu verwenden… Nein, das kann und will ich nicht akzeptieren. Jemanden als Opfer abzustempeln geht einfach nicht! Das macht mich richtig betroffen.
Werden wir gerade zu Opfer einer gesellschaftlich gefährlichen Entwicklung? Wie seht ihr das? Eure Meinung diesbezüglich würde mich wirklich interessieren (Update & Anm.: Eure Meinung interessiert mich natürlich immer! ;))
No, it’s not like any other love
This one is different – because it’s us
And if the people stare
Then the people stare
Oh, I really don’t know and I really don’t care
(The Smiths, Hand in Glove, 1983)
Gestern hatte ich die Freude Morrissey im Wiener Konzerthaus zu erleben. Es gibt ja nun einige Popkünstler und -künstlerinnen, die einen 42-jährigen Mann wie mich bereits das ganze Leben lang begleiten. Madonna war immer irgendwie da und nie weg. U2 natürlich, die ich bereits 1987 live erleben konnte. Aber keiner prägte mein Leben so, wie Morrissey und The Smiths es taten.
Meine Teenager-Zeit in den glamourösen 80-er Jahren fiel zusammen mit dem Höhepunkt schwuler Popkunst. Smalltown Boy von Bronski Beat war bahnbrechend für meine Generation. Dann gab es da noch Frankie Goes To Hollywood, Erasure, Soft Cell, usw. Wir hatten damals zwar noch kein Internet, das Coming-outs seit den späten 90-er Jahren ziemlich anders ablaufen lässt.
Aber wir hatten Pop!
Die Musik, die in den Hitparaden war, aus dem Radio trällerte und desses Musikvideos man im Fernsehen sehen konnte (MTV war langsam überall empfangbar – noch in der guten alten englischsprachigen Version) war unser Soundtrack. Der Soundtrack der heutigen 40+ Generation.
Trotzdem war einem jungen Mann wie mich, der für Oscar Wilde und Thomas Mann schwärmte (und erst später begriff warum es ausgerechnet diese Autoren waren), Morrissey und seine Band The Smiths, die mir am meisten bedeuteten. Waren Erasure, Bronski Beat & Co. hitparadentaugliche Nummern, boten The Smiths eine intellektuelle Variante schwulen Pops. Nur, dass diese Band sich zum Unterschied der anderen Acts gar nicht als schwul deklarieren ließ.
The Queen Is Dead war die erste Platte, die ich von The Smiths 1985 kaufte. Und seit Erscheinen dieses Albums war ich Smiths-Fan. Bis heute. Gleichzeitig kaufte ich damals die beiden früheren Platten der Band nach und wusste nicht, dass nur noch ein Studioalbum 1987 folgen sollte. Die Texte trafen mein damaliges Lebensgefühl im Herzen. Es waren die oft depressiven, manchmal ironischen bis zynischen Texte, die Lieder über unerfüllte Liebe, Einsamkeit und Sehnsucht. Das passte nunmal zu einem 16-jährigen, der sich begann für Literatur, seine Sexualität und seine (gefühlte und teilweise eingebildete) Einsamkeit im Landleben zu interessieren und der alles um sich herum, die Politik, die Religion, das Leben und die Gesellschaft, in Frage stellte. Hand In Glove, This Charming Man, Handsome Devil, The Boy With The Thorn In His Side, usw. wurden mein Sondtrack und begleiteten mich überall.
Trotzdem wurde ich bald ein selbstbewusster schwuler Mann. Wurde quasi mehr Jimmy Somerville als Morrissey, der sich nie deklarieren ließ, der nie sagte, er sei schwul, sondern der – ganz im Gegenteil – solche Schubladisierungen in sexuelle Orientierungen immer verachtete. Morrissey war mehr Thomas Mann als schwuler Emanzipierter. Und vielleicht ist es gerade das, was ihn bis heute auch ausmacht. Er war und ist insofern modern, indem er homoerotische Texte schrieb, aber gleichzeitig Klischees, Schubladendenken und so etwas wie eine „schwule Szene“ (in diesem Fall popkulturell gemeint) ablehnte.
Gestern trat also der Mann, der den Soundtrack meines Lebens schrieb, in Wien auf. In der Stadt, in der ich 1988 zog um ein neues, offen schwules Leben zu führen. In dem selben Jahr, in dem Morrissey seine Solo-Karriere ohne Johnny Marr und den Smiths startete. Morrissey begleitete danach also einen erwachsen werdenden Mann und nicht mehr einen pubertierenden Möchtegern-Depressiven am Land. Ich blieb ihm aber treu.
Wenn also ein 42-jähriger Mann im Jahr 2011 ein Morrissey Konzert besucht, dann ist es natürlich eine Reminiszenz an die Jugend, an früher. Aber gleichzeitig auch ein Fest meiner Generation. Und dass dann viele Menschen zu sehen waren, die noch gar nicht geboren waren als ich Smiths-Singles und LP’s kaufte, zeigt, dass seine Musik und seine Lyrics nach wie vor funktionieren. Dass seine Texte nie an Aktualität, an Kraft und an Ironie verloren haben.
Trotzdem hat sich etwas geändert. Als Erwachsener, der sein Leben selbstbewusst lebt, schwärmt man weniger für einen Popkünstler. Er ist zwar immer noch Held, doch mittlerweile stelle ich auch Morrissey mitunter in Frage. Obwohl ich ihn verehre. Bis heute. Erwachsenenpop halt.
Seit 1. Jänner 2010 gibt es in Österreich die Eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare, was freilich immer noch besser ist als gar keine Regelung. Ich will jetzt meine immer noch aktuell akute Kritikpunkte zu diesem Gesetz nicht wiederholen, denn eine eigene Schublade („Ghetto-Gesetz“), boshafte Regelungen wie Nachname statt Familienname, Bindestrichverbot, Adoptionsverbot, Fortpflanzungsverbot, etc. sind oft erörtert worden. Und immer noch furchtbar genug. Nein, es geht mir heute um etwas Anderes:
Die Hinterbliebenenpension!
Prinzipiell sind Eingetragene Partner_innen der Ehe bei der Hinterbliebenenpension vollkommen gleichgestellt. Was erstmal super klingt. Nur wurde in der Gesetzgebung etwas Wesentliches vergessen, was eine Diskriminierung ohnegleichen darstellt. Und zwar noch in vielen Jahren!
Die Anspruchsberechtigung für eine Hinterbliebenenpension (noch immer besser bekannt als Witwen- bzw. Witwerpension) hängt von mehreren Faktoren ab: Alter, ob eine Pension bereits bezogen wurde, wie lange man zusammen verheiratet/verpartnert war, etc. Eine sehr gute Auflistung dazu gibt es auf der hervorragenden Plattform www.partnerschaftsgesetz.at, das von mehreren NGOs online gestellt wurde und alle Rechtsfragen zur EP behandelt.
Wie man in der Liste der oben genannten Website nachprüfen kann, ist es notwendig für manche Pensionsansprüche 10 Jahre verheiratet/verpartnert gewesen zu sein.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass bis zum Jahr 2020 Eingetragene Partner und Partnerinnen nicht mit der Ehe gleichgestellt sein können, weil sie gar nicht insgesamt 10 Jahre verpartnert gewesen sein können, weil es die EP eben erst seit 1.1.2010 gibt! Heiraten konnte man vor dem 1.1.2010 – allerdings ausschließlich heterosexuell. Das macht einen gewaltigen Unterschied.
Lebensrealität
Aus meiner langjährigen politischen Erfahrung weiß ich, dass es vor allem zwei Typen von Paaren gab, die vor dem 1.1.2010 jahrelang auf eine Regelung hofften, bangten, zitterten und sich einsetzten: Binationale Paare mit einem Partner oder einer Partnerin aus einem Nicht-EU-Land. Und ältere Personen (oder Personen, die schwer krank waren), die ein Alter oder ein Gesundheitszustand erreicht hatten, in der sie endlich das Erbe, Pensionen, das gemeinsam Aufgebaute und Erreichte geregelt wissen wollten.
Vor allem Letztere werden also durch die Regelungen der Hinterbliebenenpension nach wie vor diskriminiert. Und zwar in einem Moment, in der eine Hälfte eines Paares ohnehin die schwerste Zeit durchmachen muss: Den Tod des Partners oder der Partnerin, mit dem/der man sein Leben verbrachte und alles teilte. Und dann kommt also der Staat und sagt „Ätschpätsch, du hast keinen Anspruch“? Und das bis 2020 – noch neun Jahre? Das darf doch nicht wahr sein!
Appell an die Bundesregierung
Starten Sie eine Initiative zur Novellierung des EP-Gesetzes! Gönnen Sie den homosexuellen Paaren, die nach dem 1.1.2010 eine Eingetragene Partnerschaft eingegangen sind eine Chance, denn die können nun echt nichts dafür, dass die Bundesregierung erst spät – über 20 Jahre nach Dänemark – eine Regelung für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen hat. Sollten diese Paare nachweisen können, dass sie die sonst in der Ehe notwendigen Jahre zusammen gelebt haben, an der selben Adresse lebten, eine Lebensgemeinschaft führten und ohnehin füreinander sorgten (ohne das der Staat das damals so genau wissen wollte), dann sollten diese Jahre angerechnet werden.
Alles Andere nennt man schlicht: Unmenschlich und diskriminierend – insbesondere für unsere ältere Generation! Denn wer vor 2020 stirbt hinterlässt einen Partner oder eine Partnerin ohne Ansprüche und wird munter weiter ungleich behandelt.
Gastbeitrag von Feri Thierry, Politikberater in Wien (www.thierry.at)
In der Politikberatung sind Social Media hoch im Kurs. Zumindest verbal. In der Praxis allerdings sieht die Welt des politischen Web 2.0 dann manchmal doch noch etwas anders aus.
Massiv an Bedeutung gewinnen Social Media zweifellos in der Politischen Kommunikation: Ministerien und Parteien z.B. entwickeln eigene Präsenzen auf Facebook und Twitter, um ihre Dialoggruppen über Positionen und Aktivitäten zu informieren und für Reformanliegen zu gewinnen. Für viele Kommunikationsverantwortliche in politischen bzw. öffentlichen Stellen noch immer ein großer Schritt: Denn Web 2.0 braucht Mut. Kein Kommunikationskanal ist so schwer zu steuern, so unberechenbar wie die sozialen Medien. Daher ist das Interesse von politischer Seite oft viel größer als dann die tatsächliche Umsetzungsbereitschaft.
Die größte Hürde aber bildet – noch mehr als in der klassischen Kommunikation – die Glaubwürdigkeit. Diese muss nicht nur inhaltlich gegeben sein, sondern noch vielmehr methodisch. Eine Ministerin oder ein Landeshauptmann mit einem Twitter-Profil, das ausschließlich vom Pressesprecher bedient wird, kann leicht entlarvt werden. Barack Obama hat den Weg der Transparenz gewählt: Statements von seinem persönlichen Twitter-Account werden ganz offiziell von seinen Presseleuten verfasst – außer sie sind mit dem Zusatz „bo“ versehen, dann stammen sie vom Präsidenten himself. Das ist glaubwürdig – und sexy.
Die größte Resonanz haben Social Media-Angebote öffentlicher Stellen, wenn sie dialogisch und nutzenorientiert angelegt sind. Nicht umsonst hat das Bundeskriminalamt mit seinem Facebook-Account eine der erfolgreichsten Web 2.0-Anwendungen einer öffentlichen Institution in Österreich. User/innen können dort sachdienliche Hinweise zu möglicherweise kriminellen Handlungen deponieren. Aktenzeichen XY im Mitmach-Internet.
Aber auch in einer anderen Disziplin der Politikberatung wird das Instrument der Social Media wichtiger: dem Lobbying. NGOs arbeiten seit Jahrzehnten mit Graswurzel-Bewegungen, mit denen Betroffene für ein Anliegen mobilisiert werden. Das Web 2.0 ist dafür ein perfekter Kanal: Seine Stärken sind Dialog, Partizipation und Multiplikation. Das Beispiel der USA zeigt, dass auch immer mehr Unternehmen Grassroots-Lobbying als Instrument identifizieren und einsetzen.
Fazit: Social Media werden in der Politikberatung wichtiger. Entscheidend ist, dass sie richtig und glaubwürdig eingesetzt werden.
Es ist nichts Unbekanntes, was ich hier blogge. Aber wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umhöre und frage, ob jemand weiß, dass die österreichische römisch-katholische Kirche an Roulette, Spielautomaten, Black Jack, Poker und Co. mitverdient, dann weiß das erstaunlicherweise kaum jemand. Diese Beteiligung ist aber Tatsache, wenn auch offensichtlich eine wenig bekannte.
Glücksspiel in Österreich
Wenn es um öffentliche und politische Diskussionen rund um das Thema Glücksspiel geht, dann wird meistens über das so genannte „Kleine Glücksspiel“ gesprochen, also die Automaten, an denen man sitzt, Geld einwirft und je nach Zufall etwas gewinnt oder verliert. Die Casinos Austria bieten auch Automatenhallen an. Wie man pathologisches Spielen aus den „Spielhöllen“ entfernt, ist bei allen großen Glücksspielanbietern mittlerweile ein großes Thema, bei den Casinos Austria ebenso, wie bei der (meistens in diesem Zusammenhang genannten) Firma Novomatic. (siehe Website „Spiele mit Verantwortung“ der Casinos Austria, sowie Responsible Gaming der Novomatic).
Die Casinos Austria haben in diesen Debatten einen Vorteil: Noch immer haben sie das Image eines staatlich gelenkten Betriebs, das alleine schon deshalb besonders kontrolliert sei. Was allerdings längst nicht mehr stimmt, denn die Casinos Austria sind eine privatisierte Aktiengesellschaft. Zu einem Drittel ist sie allerdings indirekt noch in staatlichem Besitz, weil die Münze Österreich (die wiederum der Nationalbank gehört), mit diesem Anteil an den Casinos Austria beteiligt ist und somit der zweitgrößte Aktionär ist. Der Rest ist Privatbesitz. Viele Beteiligungen an den Casinos Austria führen übrigens zum Raiffeisen Konzern (wie man hier nachlesen kann, auch welche weiteren Beteiligungen es gibt samt Grafik. Anm.: Ich habe allerdings den Hintergrund und die Glaubwürdigkeit der Betreiber von spiele-info.at noch nicht überprüft, die Beteiligungen sind jedenfalls richtig dargestellt).
Die Beteiligung der Kirche
Eine der Aktionäre der Casinos Austria ist das private Bankhaus Schelhammer & Schattera AG. Diese ist gleich doppelt an den Casinos Austria beteiligt. Zum einen ist die Bank über 10 {6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} an der Medial Beteiligungs Ges. m. b. H. beteiligt, die wiederum zu etwa einem Drittel an den Casinos Austria beteiligt ist – und somit der größte Aktionär der österreichischen Casinos ist. Zum anderen ist das private Bankhaus auch zu mehr als 5 {6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} direkt an den Casinos Austria beteiligt und ist somit der viertgrößte Aktionär.
Das Portfolio und die Produktpalette des Bankhauses Schelhammer & Schattera AG liest sich prinzipiell interessant. Besonders die christlichen Werte werden auf ihrer Website oder in ihrem Geschäftsbericht betont, aber auch die Sorgfalt der ethischen Prinzipien, der Nachhaltigkeit und des sozial und ökologisch verantwortungsbewussten Handelns sind bemerkenswert. Ich würde alles sofort unterschreiben und tatsächlich liest sich vieles im Geschäftsbericht oder auf der Website höchst spannend, interessant und vernünftig.
Wem gehört aber die Bankhaus Schelhammer & Schattera AG? Sie sagt es selbst und nennt sich auch die Bank der Kirche:
„Als älteste Privatbank in Wien fühlen wir uns der Tradition verpflichtet. Mit einem Anteil von rund 85{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} des Aktienkapitals bilden Institutionen der römisch-katholischen Kirche Österreichs unsere Kernaktionäre. Die besondere Verantwortung der Kirche in sozialen und ethischen Belangen bestimmt auch unser Handeln. In unserer Geschäftspolitik orientieren wir uns an langfristigen Werten und den Kernprinzipien der Nachhaltigkeit.“
In ihrem Geschäftsbericht 2010 (Download hier) dürfen dann auch viele Geistliche zu Wort kommen und überhaupt hat man den Eindruck ein offizielles Organ der Kirche zu lesen. Am Cover ist ein Kirchenraum zu sehen. Das Vorwort wird vom Präsidenten des Aufsichtsrats, Abt Mag. Ambros Ebhart, geschrieben, der gleichzeitig Abt des Stiftes Kremsmünster ist. Wir erfahren, dass im Aufsichtsrat auch Geistliche zu finden sind, etwa P. Erhard Rauch, Generalsekretär der Superiorenkonferenz. Im Beirat des Bankhauses sind dann bekannte Namen zu finden: Die Diözesanbischöfe Dr. Alois Schwarz, Dr. Paul Iby, Dr. Ludwig Schwarz, Dr. Egon Kapellari, DDr. Klaus Küng, die Weihbischöfe DDr. Helmut Krätzl und Dr. Ferenc Cserháti, der Militärbischof Mag. Christian Werner, die Äbte Bruno Hubl, Wolfgang Peter Wiedermann, Mag. Gregor Henckel Donnersmarck, Columban Luser, usw.
Eines wird jedoch im Geschäftsbericht nicht erwähnt: Die Beteiligung an den Casinos Austria. In einem Interview mit dem FORMAT 2009 war die Antwort des Generaldirektors von Schelhammer & Schattera, Komm.-Rat Helmut Jonas, auf die Frage, wie das denn nun mit den Beteiligungen an den Casinos sei, eine sehr ausweichende Antwort. Eine, die offensichtlich nicht hochspielen will, sondern das in Wahrheit gerne versteckt und nicht weiter beachtet sehen will. Er antwortete:
„Diese Beteiligung ist für uns kein großes Thema mehr.“
Schelhammer & Schattera macht übrigens nichts Illegales. Das Bankhaus darf sich freilich an Casinos oder andere Glücksspielgeschäfte beteiligen. Dass es aber im Hintergrund die römisch-katholische Kirche ist, die an den Gewinnen der Roulette-Tischen, der Automatenzimmer, der Jackpot Casinos, der Black Jack- und Pokerräume beteiligt ist und Geld damit verdient, finde ich jedenfalls höchst bemerkenswert.
Es gab immer wieder Social Media-Kanäle, die groß angekündigt wurden, aber die sich nicht durchsetzen konnten. Social Media ist in erheblichem Ausmaß eine Glaubensfrage. Glaubt man nämlich an eine Plattform, nimmt man teil. Glaubt man nicht daran, nimmt man nicht teil, löscht das Profil nach kurzer Zeit wieder oder man bleibt eine inaktive Profilleiche. In den letzten Jahren gab es einige Startversuche. Da gab es etwa Diaspora, auf das viele User und Userinnen warteten, über das viel gebloggt, getwittert, diskutiert und herbeigesehnt wurde. Mittlerweile wird Diaspora aber kaum noch als ernsthafte Konkurrenz zu Facebook wahrgenommen, weil es seit Monaten nur als Betaversion herumdümpelt. Google selbst launchte in den letzten Jahren gleich zwei Flops: Wave und Buzz. Jetzt aber startet Google mit einem neuen Dienst, nennt es Google+. Und diesmal sieht es so aus, als sei Google damit ein richtig großer Wurf gelungen. Ich hatte in den letzten zwei Tagen Gelegenheit die Betaversion von Google+ zu testen.
Google+ und seine Circles:
Schauen wir uns die zwölf wesentlichsten Features von Google+ an und die Unterschiede zu anderen Netzwerken:
Kreise aka Circles: Die wichtige Neuerung sind die Kreise oder Circles. Ohne diese zu verstehen, kann man die überzeugenden Stärken von Google+ nicht beschreiben. Man fügt nämlich Menschen selbst Kreisen hinzu. Dabei entscheidet man selbst in welche Kreise diese mittels Drag & Drop hinzugefügt werden (Freunde, Familie, Bekannte, usw.) oder man kreiert neue Kreise. Diese Hinzugefügten müssen aber nicht zwangsläufig „retourkreisen“. Hier ähnelt Google+ vielmehr Twitter als Facebook. Auf Facebook geht eine Freundschaft bekanntlich nur wechselweise. Auf Twitter entscheidet jeder User selbst, wem er folgt. Egal ob dieser retour folgt oder nicht. Wegfallen wird bei Googles Dienst wohl auch die 5000-Freunde-Grenze, wie sie wir von Facebook kennen. Gerade für in der Öffentlichkeit stehende Menschen eine äußerst interessante Tatsache.
Beiträge schreiben funktioniert ganz ähnlich wie wir es von Facebook gewöhnt sind. Nur kommen auch hier die Kreise zum Zug! Poste ich eine Meldung kann ich jedes Mal selbst entscheiden für wen diese Meldung sichtbar sein soll: Öffentlich bedeutet, dass jeder im Web den Beitrag lesen kann. Oder aber ich wähle einen, mehrere oder alle Kreise aus (oder auch einzelne Personen). Dann ist der Beitrag nur für diese sichtbar. Hier achtet Google+ wesentlich mehr auf Privatsphäre als Facebook. Es ist aber auch nicht prinzipiell alles öffentlich, wie es auf Twitter der Fall ist (außer man hat seine Tweets geschützt).
Eine Pinnwand à la Facebook gibt es nicht. Das bedeutet, dass ins Profil Anderer schreiben (vorerst?) nicht möglich ist. Dafür sind Beiträge – wie oben beschrieben – für ausgewählte User möglich.
Hangout: Nicht nur mit Facebook und Twitter scheint Google+ in Konkurrenz zu treten, sondern auch mit Skype. Nachdem man ein Plugin installiert hat, kann man Videokonferenzen mit einer oder mehreren Personen durchführen.
Sparks ist ein gutes Beispiel, wie Google seine Stärken ausspielen kann: Abonniert man nämlich Neuigkeiten aus aller Welt zu bestimmten Themen, werden diese im Stream angezeigt. Etwa wenn man alles Neue über einen gewissen Fußballklub abonniert, werden die Nachrichten über den Verein automatisch geliefert.
Benachrichtigungen kommen in Echtzeit. Und rot bleibt die Farbe dafür. Rechts oben erscheint eine Zahl. Darin enthalten Hinzufügungen zu Kreisen anderer User, Kommentare auf eigene Beiträge, usw. Das feine daran: Ich muss nicht draufklicken, um es im Browserfenster anzeigen zu lassen, sondern kann mir gleich im Nachrichtenfenster alles durchlesen und anschauen, und auch Menschen retour in meine Kreise hinzufügen, falls ich das denn möchte. Im Hauptfenster bleibt alles, wie es war.
Den Chat habe ich persönlich noch nicht probiert. Aus Userkommentaren und Onlineberichten war zu vernehmen, dass dieser offenbar noch nicht sehr stabil ist.
Leichter Zugriff und Verquickung zu anderen Google Diensten: Ob Websuche, Google News, Picasa für Fotos, Gmail für Emails, ob Google Kalender oder Google Docs: Mit einfachen Klicks und übersichtlich sind alle Dienste rasch verfügbar und verknüpfbar. Anzunehmen, dass Google hier seine Stärke erst noch so richtig ausspielen wird.
Google+ Mobile: Mit seiner eigenen Smartphone OS Android kann Google besonders punkten und bietet zusätzliche Dienst an: Fotos uploaden etwa oder Huddle, mit der man Gruppenchats und SMS verknüpfen kann und Unterhaltungen bequem durchführen kann. Für iPhone-User steht bereits eine Web-App zur Verfügung. An einer eigenen App wird bereits gebastelt. Besonders Facebook zeigt in diesem Bereich nach wie vor erhebliche Mängel.
+1 ist quasi Googles Antwort auf Facebooks „Like“ und gibt es schon länger. Allerdings kann +1 mehr. Webinhalte, die einem gefallen, können damit markiert werden und jederzeit in eigenen Listen sichtbar bleiben. Sie verschwinden nicht im bald historischen Stream. Beiträge anderer User sowie Kommentare können auch mit +1 markiert werden. Wie diese den Stream beeinflussen werden, bleibt noch abzuwarten. Es steckt jedenfalls viel Potenzial darin. Mal sehen, ob sich Google da noch etwas Spannendes ausdenken wird.
Share Funktionen gibt es freilich auch in Googles neuem Plus. Videos, Links und andere Webinhalte können gestreamed werden. Diese Postings können von anderen Usern wiederum weitergetragen werden. Was übrigens auch auf Kritik stieß, denn Inhalte, die man nur einem kleinen Kreis zur Verfügung stellte, können so möglicherweise Menschen erreichen, die man gar nicht erreichen wollte. Daran wird Google wohl noch arbeiten müssen. UPDATE 2.7.: So schnell geht das bei Google: Man hat darauf reagiert und nicht öffentlich gepostete Meldungen können mittlerweile auch nicht mehr öffentlich weitergereicht werden (siehe öffentliches Posting von Matt Waddell auf Google+ hier).
Das Überzeugendste an Google+ ist wohl das Design, was nicht weiter wundert, wen man weiß, dass niemand geringerer als Andy Hertzfeld, der frühere Apple-Design-Guru, für Google+ verantwortlich ist. Klare Strukturen, übersichtlich und luftig weiß Google+ tatsächlich zu überzeugen.
Fazit
Zuallererst ist Google+ erst eine Betaversion. Es wird sich wohl noch Vieles ändern und noch mit Einigem überraschen. Kinderkrankheiten sind da, aber dafür gibt es ja die Betaversion.
Nichts ist unberechenbarer wie User und Userinnen im Netz. Wird ein Produkt angenommen? Man kann es nicht vorher sagen. Wird es vielen Menschen leicht fallen, Facebook zu verlassen? Leicht ist bestimmt was anderes. Wohin die Reise von Google+ führen wird, bleibt interessant. Manches kann erahnt werden, vieles muss vorerst unbeantwortet bleiben. Aber das Potenzial ist da. Google+ weiß zu überzeugen.
Google+ setzt dort an, wo Facebook vergaß sich weiterzuentwickeln. Fügte man in den frühen Facebook-Zeiten unbedacht die Freunde einfach hinzu, sind viele bislang überfordert diese zahllosen und diversen Menschen – von der Oma bis zum Arbeitskollegen, vom Intimfreund bis zum Nachbarn – in komplizierten Listen zu organisieren. Google+ löst dieses Problem durch seine obligatorischen Circles.
Ob Apps, Einbindungen von anderen Kanälen wie Twitter und Co. erwünscht sind, darauf wird wohl jeder anders antworten. Fakt ist, dass die Freiheit von Farmville und anderen Spiele-Apps, lästige Quizfragen und anderen ungefragten Features vielen gefällt. Dass Google Games aber wohl geplant sind, berichtet Engadged. Ob das die Massen begeistern wird, bleibt vorerst offen. Eine Developer-Seite gibt es jedenfalls schon. Es ist wohl zu erwarten, dass da noch Einiges auf uns zukommt.
Firmenseiten oder Gruppen gibt es (noch) nicht. Ob diese einfach Profile machen werden, oder anders kommunizieren werden (oder auch gar nicht) wird ebenfalls abzuwarten sein. Für Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, bieten die Kreise (und die dadurch obsolete Grenze an Freunde wie bei Facebook) jedenfalls neue Möglichkeiten. UPDATE 2.7.: Google hat mittlerweile bekannt gegeben, dass es demnächst auch Firmenseiten geben wird, allerdings würden sie derzeit in der Testphase nur persönliche Profile erlauben (siehe Artikel hier).
Der Stream hat für alle, die derzeit Google+ testen eine noch nicht ganz nachvollziehbare Reihenfolge. Kürzlich kommentierte Beiträge rücken im Stream wieder nach oben, beim Neuladen ist es wieder die Reihenfolge der ursprünglichen Postings, die den Stream organisieren. Das ist jetzt auch nur meine Vermutung. Das jedenfalls verwirrt noch sehr.
Direkte Nachrichten zu einer oder einigen wenigen Personen sind nur über die Beiträge möglich. Da gibt es aber keine Garantie, dass diese Personen das dann auch lesen. Möglich, dass Google hier Gmail noch stärker einbauen wird. Ebenfalls sind Events (noch?) nicht eingebaut, wobei sich das mit Google Kalender wohl hervorragend integrieren lassen würde.
Die Intention von Google bleiben abzuwarten. Wird Google+ eine eigene Plattform bleiben, die man ansurft, oder wird sie demnächst auf Websites integriert werden können? Letzteres ist gerade bei Google, das bekanntlich auch YouTube besitzt, eine mehr als denkbare Variante und wäre ein frappante Änderung zu Facebook. Wenn es denn überhaupt so weit kommen wird.
Ein Nachteil ist sicher der Ruf Googles als Datenkrake, wobei Facebook mittlerweile diesem Ruf um nichts mehr nachsteht. Fakt ist aber, dass Google auf Privatsphäre mehr Wert legt und der User tatsächlich mehr darauf achten muss, wem er welche Inhalte zur Verfügung stellt. Über Datenschutz-Fragen müsste aber ohnehin ein eigener Blogbeitrag geschrieben werden, da es sich hier wohl doch vielmehr um eine politisch-legistische Frage handelt.
Und am Ende noch zwei kleine Features, die mir aber sofort auffielen und mir im einen Fall wirklich gefiel und im anderen Fall überraschte:
Beiträge sowie Kommentare sind nachträglich editierbar. Tippfehler oder andere Korrekturen sind also nachträglich möglich. Facebook erlaubte das erst seit kurzem, aber nur wenig überzeugend und zeitlich sehr eingeschränkt.