Und wie war das erste Mal? – In Schulen über Homosexualität reden.

Ich feiere diese Tage mein zehnjähriges Jubiläum als Sprecher der Grünen Andersrum Wien. Und in diesen 10 Jahren hat sich viel getan. Ein vom VfGH gekippter §209, Antidiskriminierungsgesetze und zuletzt 2010 das – allerdings immer noch ungleichbehandelnde – Eingetragene Partnerschaftsgesetz.

Und in all diesen Jahren habe ich wohl hunderte Podiumsdiskussionen, TV-Diskussionen oder andere Formen der Auseinandersetzung erlebt, in dem es vor allem um Gesetze, Paragrafen, Diskriminierungen in Beruf und Alltag, seltener auch um queere Kultur oder den Blick auf die eigene Emanzipations-Geschichte ging.

Doch immer dann, wenn ich in Schulen oder Jugendzentren eingeladen wurde, um über Homosexualität zu sprechen und zu diskutieren, ist es anders. Ganz anders!

Das erste Mal im Jugendzentrum

Das erste Mal war im Wiener Gemeinderatswahlkampf 2005. Ein Jugendzentrum lud jede Woche einen anderen Politiker bzw. eine andere Politikerin einer Partei ein. Ich war der Grüne. Vor mir war Laura Rudas eingeladen, eine Woche nach mir war Gudenus jr. angekündigt. Und schon im Vorfeld wurde mir zugeflüstert: „Marco, ich weiß nicht recht ob es so klug ist in diesem Fall das schwul-lesbische Thema anzusprechen. Es handelt sich in diesem Fall um Jugendliche mit schwierigem Background. Die haben zerrüttete Familien, sind sozial benachteiligt, viele mit Migrationshintergrund. Du wirst dir keinen Gefallen tun!“

Ich kam, stellte mich vor, sprach über Grüne Schwerpunkte und was uns wichtig ist, und zuletzt – nach all den Warnungen – erzählte ich den Jugendlichen, dass auch ich eine Migrationsgeschichte habe, noch bis April 2005 niederländischer Staatsbürger war und : „Außerdem bin ich seit diesem Jahr verheiratet. Weil es ein Mann ist, den ich heiratete, musste ich das noch als Niederländer in Amsterdam machen, weil das in Österreich nicht erlaubt ist. Ich gehe auch in die Politik, weil ich erreichen will, dass das in Österreich auch mal geht.“ Es war kurz still, die Betreuerin im Jugendzentrum blickte nervös in die Runde.

Die Jugendlichen fragten daraufhin nur kurz, warum das in Österreich denn nicht ginge, und freilich meinten auch ein paar, dass die Ehe ja auch für die Zeugung von Kinder da sei. Es war recht unaufgeregt und außerdem fanden sie Themen wie Jugendpolitik und Bildungspolitik ohnehin viel spannender. Am Ende war es eigentlich kaum Thema. Nur einer meinte dann am Schluss recht laut und deutlich: „Wenn Omas und Opas, die keine Kinder mehr bekommen können, heiraten dürfen, sollen das Schwule auch dürfen“ und nahm mir ein Argument aus dem Mund. Nur dass ich das bis dahin immer viel zu kompliziert erklärte. So einfach formuliert hatte ich das selbst noch nie gehört.

Schulen

Armin Soyka kontaktierte mich später. Der damalige Schulsprecher an einem Gymnasium im 18. Bezirk hätte mit der Schulleitung, Eltern usw. gesprochen und möchte jetzt einen Tag an der Schule gestalten, damit endlich mal über das Thema gesprochen wird. Er hatte einen persönlichen Bezug zum Thema, wie er in diesem Blogbeitrag wunderbar erzählt. Wir setzten uns zusammen, einige pädagogische Spiele und Konzepte hatte ich in meiner Bibliothek und so ging er ans Werk (und hier erzählt er darüber). Zuerst wurde der Film „Sommersturm“ gezeigt. Dann wurden so genannte Minderheitsspiele gemacht (Das sind Spiele, die zeigen, dass irgendwann jede_r zu einer Minderheit gehört – seien es Brillenträger_innen oder Fans einer Fußballmannschaft), danach konnten Schüler_innen in kleineren Gruppen mit jeweils einer Lesbe und einem Schwulen über alles reden.

Diese Aktion war so erfolgreich, dass sie dieses Jahr zum dritten Mal über die Bühne ging und ich diese Woche u.a. mit Erik Accart-Huemer, Günter Strobl (der auf seinem Blog übrigens auch einen Artikel hierüber schrieb), Ines Rieder und Nina Hechenberger in die Schule in Währing kam.

Die Diskussionen, Fragen und Auseinandersetzungen gehen wesentlich tiefer, als es bei „herkömmlichen“ politischen Debatten je werden kann. Sie sind auch persönlicher, weil es sind die Biografien und eigenen Geschichten und Anekdoten, die Schüler_innen hören wollen, um dadurch etwas zu begreifen. Und so ist es interessant zu erfahren, wie es beim „Ersten Mal“ denn so war. Oder wie man es den Eltern und den Freunden erzählte. Und wie lange das denn überhaupt gedauert hätte und wie man es entdeckt hätte, dass man so ist. Und ob es schlimm ist, wenn man in der Schule jemanden als „Schwuchtel“ beschimpft. Und warum es gerade für Jugendliche in der Coming-out Phase schwierig ist.

Am Interessantesten: Viele erkennen erst nach einem solchen Gespräch erst, dass tatsächlich die gesamte Umwelt in heterosexuellen Kategorien denkt. Die Eltern gehen davon aus, dass man als Junge irgendwann mal mit einer Freundin auftaucht, oder als Mädchen mit einem Jungen. Oder dass in Gesprächen ausschließlich in diesen Denkmustern und Erwartungshaltungen diskutiert wird. Und plötzlich verstehen viele, wie schwer es sein muss, wenn man diesen Erwartungen gar nicht entspricht. Und wie groß die Angst sein muss, Eltern, Freund_innen oder Geschwister enttäuschen zu müssen, weil man „andersrum“ ist. Und auch wenn politische Fragen wie Adoption, Regenbogenfamilien, künstliche Befruchtung oder Ehe und Partnerschaft eine Rolle spielen, so sind es vor allem tatsächliche Auswirkungen im Alltagsleben, die Jugendliche besonders interessieren.

Armin Soyka lässt am Ende eines solchen Aktionstages immer Feedback-Bögen ausfüllen. Und tatsächlich sind es vor allem die persönlichen Dinge, Erinnerungen und Erfahrungen, die am besten ankommen. Dies zeigt: Abstrakte politische Diskussionen sind okay, persönliche Lebenserfahrungen aber viel interessanter.

Weitere Erfahrungen

Ich war freilich schon öfter in Schulen eingeladen, etwa zu Podiumsdiskussionen rund um Wahlen, als Gast beim Fach „Politische Bildung“ und im Parlament selbst gibt es die Demokratiewerkstatt, zu der Schulen kommen um sich mit Politik, Demokratie und Parlamentarismus zu beschäftigen. Bei Letzterem informieren sich die Schüler_innen immer vorab über den oder die Gast-Politiker_in. Und da ich der Einzige im Hohen Haus bin, der offen zu seiner sexuellen Orientierung steht, ist es natürlich auch dort ein Thema.

Und ja freilich habe ich Kichern gesehen, oder wie Schüler_innen mit vorgehaltener Hand flüstern, sich gegenseitig belustigt anschauen, wenn es zur Sprache kommt, aber da darf man sich eben nicht beirren lassen, muss ruhig bleiben und ganz gelassen und selbstbewusst von persönlichen Erfahrungen sprechen. Und dann spürt man schnell, wie tiefer drüber nachgedacht wird.

Mehr Projekte, bitte!

Es ist erfreulich, dass etwa die HOSI Wien auch Schulprojekte anbietet oder die Rosa Lila Villa Schulgruppen ins Haus einlädt. Doch damit erreichen wir nur einen Bruchteil der Schüler_innen. Ich finde, es muss viel mehr solche Projekte geben. Es bräuchte viel mehr Armin Soykas! Ich nehme nach wie vor jede Einladung einer Schule, eines Jugendzentrums oder anderen Einrichtungen sehr gerne entgegen. Denn diese Schulgespräche sind so ziemlich das Sinnvollste meiner politischen Arbeit in den letzten zehn Jahren!

Und noch etwas lernt man daraus. Die Maxime aus den 70-ern „Das Private ist politisch“ stimmt immer noch.

Links:

Günter Strobl über das Schulprojekt
Armin Soyka über sein Konzept

Warum ich für den Nationalrat kandidiere.

Viele wussten es schon, viele ahnten es: Ich werde auf der Grünen Landesversammlung am 21. Oktober auf/ab dem 4. Platz der Wiener Liste zum Nationalrat kandidieren. Im Nationalrat hat man schlicht mehr politischen Spielraum, als dies im Bundesrat der Fall ist, so gern ich dieses Amt ausübe. Man kann Initiativen leichter starten, Anträge aller Art einbringen, gilt für Ministerien und anderen Parteien als Verhandlungspartner im Gesetzeswerdungsprozess (Zweidrittelmaterie etwa!), usw. Dies geht im Bundesrat leider kaum, denn wenn Gesetze in die Länderkammer kommen, ist längst alles verhandelt.

Die Themen, die ich derzeit betreue benötigen diesen Spielraum: Netzpolitik und Menschenrechtspolitik.

Daher bewerbe ich mich – und zwar mit diesem Text:

Liebe Grüne Freund_innen!

Die meisten von euch kennen mich schon länger. Zahlreiche Initiativen aus den Bereichen Kulturpolitik, mein Engagement zur Rettung der Jüdischen Friedhöfe, u.v.m. kann ich hier gar nicht unterbringen. Daher will ich vor allem zwei Themen ins Zentrum meiner Kandidatur rücken: Netzpolitik und Menschenrechtspolitik.

Netzpolitik

Sie arbeiten in Jobs, die es eine Generation zuvor nicht gab – oft prekär bezahlt. Sie streben Freiheit an, wollen ihre Privatsphäre geschützt wissen und sehen das Internet nicht nur als Informations- und Kommunikationsinstrument, sondern als öffentlichen Raum, der bereits zu viel seitens Behörden und Konzernen überwacht wird und dessen Freiheit verteidigt werden muss. Viele sind jung und sie wollen von der Politik gehört werden: Die so genannte und diverse „Netzgemeinde“, die das Internet gerne als 7. Kontinent bezeichnet.

Die digitale Revolution geht nicht spurlos an unserer globalisierten Gesellschaft vorüber. Die Politik hat das aber bislang viel zu sehr übersehen. Erst durch die Demonstrationen gegen  das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA und gegen die Vorratsdatenspeicherung wurden sie sichtbar. Und es waren viele! Jetzt gilt es dran zu bleiben und als Grüne diesen vielen Menschen ein Angebot zu machen.

Netzpolitik wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Sie ist Querschnittmaterie und erfordert Teamarbeit innerhalb des Parlamentsklubs und innerhalb der Grünen, denn Netzpolitik bedeutet unter anderem:

partizipative Demokratiepolitik
Sozial- und Wirtschaftspolitik (Zugang zu Information, Breitbandoffensive, prekäre Arbeit, EPU‘s)
Umweltpolitik (zB.: weniger Pendelverkehr durch neue dezentrale Arbeitsmodelle)
Kulturpolitik (Digitale Kopien und das Urheberrecht)
Bildungspolitik (Medienkompetenz)
Korruptionsbekämpfung und Transparenz mittels Open Goverment und Open Data
Schaffung eines gläsernen Staates statt eines gläsernen Bürgers bzw. einer gläsernen Bürgerin

Ich möchte dieses Zukunftsthema innerhalb der Grünen, innerhalb des Nationalrats und allem voran gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern voranbringen.

Gleichstellung

Lesben, Schwule und Transgender leben freier als noch vor einigen Jahren. Doch leider glauben viele Menschen, dass „eh schon alles“ erreicht wäre. Das stimmt nur leider nicht!

Das Gesetz zur Eingetragenen Partnerschaft hat dazu geführt, dass gleichgeschlechtliche Paare in eigene rechtliche Schubladen gesteckt wurden, was ganz und gar keine Gleichstellung darstellt! Zahllose Unterschiede zum Eherecht blieben bestehen. Das Recht auf Familie wird Lesben, Schwulen und Transgendern – allem voran seitens der ÖVP – verwehrt, was dazu führt, dass sich Regenbogenfamilien im rechtlichen Niemandsland befinden.

Hass, Ausgrenzung und homophobe Äußerungen sind noch nicht verschwunden. Man hat sogar den Eindruck, sie werden wieder lauter.

Im Nationalrat gibt es keine Stimme der lesbisch-schwulen-transgender Community mehr, keine politische Repräsentanz. Mit eurer Hilfe, will ich diese Stimme sein. Denn immerhin geht es um nichts Geringeres als frei leben zu können.

Die Grünen

Der Frust über die politischen Zustände hierzulande ist groß. Die Grünen können wieder Hoffnung und Optimismus ausstrahlen: Eine ehrliche Politik ist möglich. Die Ausgangslage für die Nationalratswahl 2013 ist günstig. Während sich die anderen Parlamentsparteien in zahlreichen Korruptionsaffären verstricken, sind die Grünen diejenigen, die davon unbeschadet blieben.

Gerade deshalb müssen die Grünen ein Angebot für eine neue politische Kultur sein. Hören wir auf mit dem typischen Politisprech, sondern sagen wir einfach und ehrlich die Wahrheit. Zeigen wir, dass transparente, offene und zukunftsorientierte Politik möglich ist.

Ich wäre mit eurer Hilfe gerne ein Teil dieses Schrittes in eine grünere Zukunft.

Mein Kommentar in der Futurezone: Wie Netzpolitik Korruption bekämpfen kann.

Auf der Technologie-News-Site futurezone.at wurde heute mein Kommentar „Wie Netzpolitik Korruption bekämpfen kann“ veröffentlicht.

Nach all dem Aufdecken der zahlreichen Korruptionsaffären und dem Desaster rund um den U-Ausschuss, ist es meine tiefste Überzeugung, dass es nunmehr dringend an der Zeit ist Hoffnung zu geben: Korruption ist bekämpfbar. Eine saubere Politik möglich. Open Data und Open Government dafür geeignete Maßnahmen.

Appell an die Sozialdemokratie!

Ich kenne sie, viele Grüne kennen sie – und vermutlich die anderen Parteien auch: Die vielen, vielen Sozialdemokraten und -demokratinnen, die kritisch denken. Die wissen und spüren, wo die Probleme in dieser Republik liegen. Und wenn wir Missstände aufzeigen, Verhältnisse kritisieren, Gegenentwürfe präsentieren und Vorschläge einer anderen Politik machen dann zu mir oder anderen Grünen kommen und zuflüstern: „Ihr habt ja so recht“, „Ich kann das leider nicht laut sagen, gottseidank tut ihr das“ oder „ich ärgere mich ja auch über meine eigenen Leut“.

Wir kennen euch. Ihr sitzt in Landtagen, in Gemeinden, seid Bürgermeister_in, Bezirksvorsteher_in, Landeshauptmensch und ihr sitzt im Parlament. Manche von euch sind Schauspieler_innen oder Sänger_innen, die alle paar Jahre wieder Unterstützungskomitees behübschen.

Warum flüstert ihr jetzt noch immer? Warum schweigt ihr öffentlich? Warum sagt ihr nicht laut zu Josef Cap und seinen Getreuen: „Es reicht!“

In diesen Tagen entscheidet sich Wesentliches für diese Republik! Hat die politische Elite dieses Landes die Lehren aus den Korruptionsaffären (die sich schon nicht mehr mit zwei Händen aufzählen lassen) gezogen? Ist die Politik bereit das große Misstrauen zu begegnen und eine neue Politik zu starten, die Missstände aufklären will, und alles tut, damit so etwas nie wieder passiert – und zwar durch Offenheit und Transparenz? Will die Politik Vertrauen wieder herstellen?

Leute in der SPÖ: Es geht um eure Glaubwürdigkeit und eure Zukunftschancen!

Ihr SP-Parlamentarier_innen: Wollt ihr wirklich, dass ein Sommergespräch das Parlament unbedeutend macht – und damit auch eure eigene Arbeit? Nur weil es ein paar Leuten in der SPÖ gerade so recht ist und diese ein Ablenkungsmanöver starten und die anerkannte Nationalrätin Gabi Moser diskreditieren? Wollt ihr wirklich, nachdem so viele Missstände der schwarz-blauen Ära aufgearbeitet wurden, ihr es seid, die Aufklärung stoppen, wenn es um euch geht? Wollt ihr wirklich dafür verantwortlich sein, dass die VP auf irgendein Ehrenkodex hinweist, dabei Unmengen Korruptionsfälle in ihren Reihen hat(te) -aber ihr es seid, die blockieren, abdrehen und nicht mehr aufklären wollen?

Die Leute in diesem Land haben zurecht die Schnauze voll. Da befindet sich Europa in einer veritablen Krise mit Auseinandersetzungen, ob gespart oder investiert werden soll. Jetzt – in diesen Wochen und Monaten – entscheiden sich viele Dinge: Ist die Politik fähig und willens die großen Zukunftsfragen – von Wirtschaftspolitik bis Europapolitik, von Außenpolitik bis Klimawandel, von der digitalen Revolution bis Verteilungsfragen zwischen Arm und Reich – zu begegnen, offen zu diskutieren, ehrlich zu sein, reinen Wein einzuschenken und Szenarien zu entwickeln, wie man diesen Herausforderungen begegnet. Die Menschen wollen genau jetzt eine klare Politik und eine Diskussion darüber. Sie wollen die Politik vertrauen. Sie sind von der Politikverdrossenheit verdrossen! Und da wollt ihr in der Sozialdemokratie das Vertrauen nicht zurück gewinnen, sondern genau das Gegenteil erreichen? Warum?

Bitte, liebe intelligente Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die ihr seit Jahren flüstert, einem heimlich recht geben und die ihr wisst, dass Josef Cap und Co. gerade dabei sind, das Vertrauen in die Politik endgültig zu zerstören: Tut was! Seid laut, hört auf zu flüstern und rettet eure eigene Zukunft! Und die der Republik.