Meine Kandidatur für den Bundesrat

Ich brenne für das Grüne Projekt mehr denn je.

Wozu Bundesrat?  Diese Frage wurde oft gestellt und nie endgültig beantwortet. Der Bundesrat steht in der „eleganten“ Bundes- verfassung, die dieses Jahr 100. Geburtstag feiert. Weil Österreich föderal organisiert ist, wurde die Kammer geschaffen, um Länderinteressen Spielraum im Parlament zu geben.

Der Bundesrat kann Beschlüsse des Nationalrats verzögern, beeinspruchen und manchmal blockieren. Dies bedeutet für Klimaschutzmaßnahmen von Leonore Gewessler, für sozial- und gesundheitspolitische Reformen von Rudi Anschober, Transparenzpakete von Alma Zadić und Maßnahmen in Kultur oder Sport von Andrea Mayer und Werner Kogler viel. Im Bundesrat hat die Regierung keine Mehrheit. Klimaschutz kann aber nicht warten.

Warum ist Erfahrung wichtig? Um Grüne Projekte vom 1-2-3-Ticket bis Transparenzpakete umzusetzen, braucht es Verhandlungsgeschick und -erfahrung. Dank dem erfreulichen Wahlausgang und der Möglichkeit, zwei Grüne Bundesrät*innen aus Wien zu entsenden, wird’s besser. Politisches Taktieren und zu vielen politischen Themen reden zu können, gehört zur Kernaufgabe Grüner Mitglieder im Bundesrat. Da ich diese Kompetenzen einbringe, haben meine Kolleg*innen mich zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.

Warum kandidiere ich wieder? Es gab Zeiten, als ich der Politik den Rücken kehren wollte, und sagte dies öffentlich. Das für mich unerwartete und großartige Comeback 2019 und die Möglichkeit, in vier Kapiteln des Regierungsprogramms zu verhandeln, hat mich wieder für Grüne Ideen brennen lassen. Mehr denn je. Mein Kampf für Vielfalt, mein Einsatz gegen Homophobie und Antisemitismus ist ohnehin ständiger Begleiter meines politischen Selbstverständnisses.

Ich hatte oft Pech bei Listenwahlen. Zum Unterschied zu manch anderen, dem ich knapp unterlag, blieb ich dem Grünen Projekt loyal erhalten. Da konnten andere Parteien klopfen so viel sie wollten.  Seid so lieb und unterstützt mich dieses Mal.

Was macht eigentlich der Bundesrat?

Im Bundesrat sitzen 61 Abgeordnete, davon jeweils eine fix zugewiesene Anzahl von Mitgliedern pro Bundesland. Aus Wien etwa werden 11 Sitze nach d’Hondt verteilt. Dies ergibt aktuell ab Ende 2020 zwei Grüne Mitglieder. Diese werden vom Landtag in den Bundesrat entsandt.

Schreuder im Bundesrat
Am Rednerpult. Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Was ist der Bundesrat?

Sehr oft bekomme ich die Frage gestellt, was der Bundesrat eigentlich ist, was er macht, wofür er existiert. Zumal er im öffentlichen Diskurs immer wieder in Frage gestellt wird. Ich hoffe mit diesem Text einigermaßen gut zu beantworten.

Die „elegante“ (©Van der Bellen) Bundesverfassung feiert 2020 sein 100-jähriges Bestehen. Also auch der Bundesrat. Als in den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg Österreich sich langsam wieder erholte und sein Staatsgefüge organisieren wollte, einigte man sich darauf, dass Österreich ein föderaler Staat sein würde. Und daher auch eine zweite Kammer bekommen soll, in der die Länderinteressen artikuliert werden sollen.

In den meisten Ländern heißt eine solche zweite Kammer „Senat“. In Österreich eben Bundesrat. Sehr bald entpuppte sich diese Kammer als typisch österreichischer Kompromiss zwischen sozialdemokratischen zentralistischen Ideen und föderalistischen konservativen Ideen. Er bekam ein bisschen Einspruchsrecht, aber nicht zu viel.

Nach 1945: Die Landeshauptleutekonferenz als Konkurrenz

Der Austrofaschismus 1934 sowie der Nationalsozialismus ab 1938 zerstörten die Demokratie und den Parlamentarismus – und somit auch das Zweikammersystem der Ersten Republik. In der Zweiten Republik nach 1945 wurde diese wieder eingeführt.

Ab den Siebzigerjahren aber entstand ein neues Gremium – abseits jeder Verfassung, ohne Verankerung in irgendwelchen Regelwerken – und wurde trotzdem zu einer der mächtigsten Gremien der Republik: Die Landeshauptleutekonferenz. Oder wie die frühere Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstallter einmal auf eine Frage von mir antwortete: „Das größte und mächtigste illegale Kaffeekränzchen Österreichs“.

Zunehmend übernahm die Landeshauptleutekonferenz die Agenden des Bundesrats, weswegen es hier ein Missverhältnis gibt. Aber da diese Landeshauptleutekonferenz anders arbeitet, sich etwa vor der Gesetzeswerdung einbringt, statt – wie es im Bundesrat üblich ist – erst nachher den Daumen rauf oder runter geben darf, ist dies schon eine Hilfe, wenn man über eine Reform des Bundesrats nachdenken möchte.

Bundesrat: Einspruch, Schubladisieren oder Verhindern?

Die Hauptaufgabe des Bundesrats – neben der üblichen parlamentarischen Arbeit wie Aktuelle Stunden, Fragestunden, Anfragen, Dringliche Anfragen etc. – ist über die Gesetze abzustimmen, die im Nationalrat beschlossen wurden. Im groben kann man diese Maßnahmen unterscheiden:

  • Einspruch. Dann geht das Gesetz zurück an den Nationalrat
  • Keine Zustimmung, aber auch keine Mehrheit. Dann tritt das Gesetz erst nach acht Wochen in Kraft
  • Verhindern: In ganz speziell festgelegten Bereichen hat der Bundesrat ein Vetorecht.

Reformideen

Wie man den Bundesrat reformieren könnte. darüber ist schon viel diskutiert worden. Einige zusammengefasst:

  • Landesgesetzgebung abschaffen, und Länderinteressen nur noch über den Bundesrat legislativ Einfluss geben
  • Bundesrat (somit die Länderinteressen) müssten vor dem Beschluss des Nationalrats eingebunden sein, und dann geht das Gesetz erst in den Nationalrat.
  • Bundesrat soll direkt gewählt werden (statt indirekt über Landtagswahlen wie derzeit)

u.v.m.

Was macht ein Mitglied im Bundesrat?

Wenn man in einer kleinen Fraktion, wie der grünen Fraktion, angehört (die demnächst aus fünf Abgeordneten bestehen wird), dann sind Vorbereitungen doch recht intensiv. Zumal dann, wenn man in der Regierung sitzt und wichtige Pakete durchbringen möchte. Denn die Regierung hat derzeit 30 Sitze im Bundesrat, die Opposition jedoch 31. Also ist Verhandlungsgeschick und politische Erfahrung (zumal als Fraktionsvorsitzender)  wichtig. Sei es etwa im Bereich Klimaschutz, Kultur, Soziales oder Gesundheit.

Man braucht tatsächlich die Begabung „Generalist*in“ zu sein, und schnell Gesetze so zu verstehen, dass man sie in Reden gut und verständlich erklären kann und auf Kritik eingehen kann. Viele Sitzungen werden ja etwa auf ORF III übertragen, und auf parlament.gv.at ohnehin immer gestreamt – und alle Reden für alle Zeiten in der Mediathek archiviert.

Zudem hat auch der Bundesrat Ausschüsse, in denen der Bundesrat die Gesetze in kleinerer Besetzung diskutieren. Hier gibt es sogar einen enormen Vorteil gegenüber den Ausschüssen des Nationalrats: Im Bundesrat kommen Expert*innen, daher sind Ausschüsse tatsächlich ein hervorragender Ort, um Infos sachlich auszutauschen, und ist viel weniger ein Ort politischer Selbstinszenierung.

Als Fraktionsvorsitzender bin ich zudem der Hauptverhandler der Grünen, etwa in der Präsidiale. Also das, was im Nationalrat „Klubobfrau“ heißt.

Sonderrolle EU-Ausschuss

Der EU-Ausschuss des Bundesrats ist tatsächlich eine ganz besondere, da sie enorm aktiv ist, sich sehr stark in europäische Fragen einbringt, und Stellungnahmen gegenüber der Kommission abgibt. Hier hat sich der Bundesrat europaweit einen Namen gemacht.

Rolle des einzelnen Mitglieds

Wie fast immer bei politischen Rollen und Mandaten: Man macht das draus, was man draus macht. Ein persönliches Profil zu entwickeln ist in vielen Bereichen möglich, allerdings fehlt zumeist die große mediale Aufmerksamkeit – was aber durchaus Vorteile bringen kann, weil man mehr im Hintergrund agieren kann (Nicht selten politisch eine erfolgreichere Taktik).

Die eine Bundesrätin bringt sich lieber in regionalen Fragen ihres Bundeslandes ein, ein anderer übernimmt Themen oder Aspekte, die sonst im Parlamentsklub keine Aufmerksamkeit hätten, usw. Hier ist vieles möglich. So war ich persönlich ja etwa netzpolitischer Sprecher, als wir noch in der Opposition waren, oder verhandelte im aktuellen Regierungsprogramm vier Kapiteln, an deren Umsetzung ich naturgemäß weiterhin arbeiten möchte.

Die Grüne Fraktion

Die Grünen bestehen in Kürze aus  fünf Abgeordneten: 2 aus Wien, 1 aus OÖ, 1 aus Vorarlberg, 1 aus der Steiermark. Als Fraktion und als Grünes Kollektiv wollen sich diese fünf Mitglieder des Bundesrats auch gemeinsam Themen innerhalb und außerhalb der Grünen annehmen: regionale und urbane Entwicklungen, Klimaschutz im Länder-Kontext, Kultur in Stadt und am Land. Um nur einige zu nennen.

Der Bundesrat mag oft belächelt sein, oder als unnötige Institution wahrgenommen werden. Allerdings: Sie steht in der Verfassung, im Gegensatz etwa zur Landeshauptleutekonferenz. Letztere setzte sich zudem nur aus der Exekutive zusammen, der Bundesrat ist Legislative. Und Totgesagte leben grundsätzlich länger. Und können manchmal auch etwas erreichen, eben weil sie nicht so stark öffentlich wahrgenommen werden.

 

Kandidatur Bundesrat

Am 14. November wählen die Mitglieder und Unterstützer_innen der Grünen Wien auf der Landesversammlung die Person, die sie in den Bundesrat entsenden wollen.

In der politischen Großwetterlage gestaltet sich eine soldarische und weltoffene Politik als Herausforderung, da sie zwischen nationalistischer Abschottung, erstarktem Rechtsextremismus in Europa, Klimawandelleugnung, Auseinanderdriften von Arm und Reich und dem digitalen Wandel sich erst recht behaupten muss und Hoffnungen dem Hass, Solidarität der Hetze gegenüberstellen muss! Ich habe mich als netzpolitischer Sprecher der Grünen bei diesen großen Themen allem voran dem Digitalen Wandel angenommen, da sie politisch immer noch viel zu unterbelichtet wird, aber eine der ganz ganz großen Herausforderungen der Zukunft ist!

Ich bin als netzpolitischer und LGBTIQ-Gleichstellungsssprecher übrigens der einzige Bundesrat, der in seinem Parlamentsklub eine Sprecher_innen-Funktion erhalten hat.

In den vier Jahren, in denen ich Bundesrat war, ist viel passiert und konnte meine Rolle u.a. hier erfüllen:

ACTA-Proteste 2011, als ich gerade neues Mitglied des Bundesrats und einer der Hauptsprachrohre wurde. Wir hatten Erfolg!
Unermüdlich parlamentarisch, politisch und medial die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen voran getrieben. Dank der Gerichtshöfe auch mit Erfolg.
Menschenrechts- und Bürger_innenrechts-Themen auch im Bundesrat verankern.
Netzpolitik sowohl parteiintern (gemeinsam mit der Grünen Bildungswerkstatt), parlamentsintern (mit anderen Parteien – auch mündend in die parlamentarisch Enquete „Digitaler Wandel“ am 18.11.2015) als auch nach außen zu tragen.
Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus, auch dann, wenn viele wegschauen.
Seit fast 10 Jahren rund 7000 Menschen am Jüdischen Friedhof Währing (in Döbling) begrüßt.
Einsatz und Hilfe für queere Flüchtlinge.
Erst vor wenigen Tagen machte ich den Antisemitismus der Abgeordneten Susanne Winter öffentlich und forderte als erster ihren Rücktritt und forderte alle anderen auf dies ebenso zu tun.
Als Fraktionsvorsitzender den Fraktionsstatus für die Grünen ausgehandelt. (Wir sind vier, Rechtsanspruch gibt es erst ab fünf).
uvm…

 

Hier nun meine Bewerbung, die an alle Wahlberechtigten am 14.11. gegangen ist.
Ich bitte um Eure Stimme!

 

Frischer Wind im Bundesrat

Eine der Herausforderungen Grüner Politik ist – seit wir in den 80ern den Zug durch die Institutionen machten – frischen Wind zu verursachen, neue Themen zu setzen und das politische System zu hinterfragen. Im Bundesrat gilt dies in besonderem Ausmaß, denn kaum eine andere parlamentarische Kammer ist derart umstritten.

Das verstaubte Image

Das verstaubte Image, das der Bundesrat in unserer Republik hat, lässt sich in vier Jahren Arbeit in der zweiten Parlamentskammer so schnell nicht revolutionieren, aber es lässt sich immerhin konterkarieren. Genau das war meine Strategie: auf moderne und heiße Themen wie den digitalen Wandel in der Gesellschaft und Menschenrechtsthemen zu setzen sowie immer dann auf Antisemitismus aufmerksam zu machen, wenn allzu viele wegschauen wollen.

Sprecher für Netzpolitik und Gleichstellung im Parlament

Der Grüne Parlamentsklub machte mich zum Sprecher der beiden Themen für die gesamten Grünen, und so konnte ich aus dem Bundesrat öffentlich Politik mit gestalten und die Themen vorantreiben. Die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule ist noch nicht geglückt, aber immerhin sind wir in dieser Frage schon viele Schritte weitergekommen – auch dank der Zivilgesellschaft, der Gerichtshöfe und vieler NGOs.

Der digitale Wandel wird in seiner politischen Brisanz immer noch unterschätzt. Freilich haben Ereignisse wie der massenhafte Datentransport an US-Server, sei es durch Geheimdienste, sei es durch Firmen, viele Menschen verstört. Die Politik hat hier nicht deutlich genug reagiert. Bald stellt sich die Frage, was noch hoheitlich gestaltet werden kann, und was von Servern in Silicon Valley gesteuert wird. Hier gilt es rechtzeitig politisch zu agieren. Im Parlament und in der Fachwelt konnte ich mir diesbezüglich einen Ruf als politischer Vordenker erwerben.

Queer Refugees

Freilich findet, so wie überall, ein Gutteil der Politik, die ich mit dem Mandat eines Bundesrats mache, außerhalb der Öffentlichkeit statt. Eines der wichtigsten Themen ist dabei die Unterbringung von transidenten, lesbischen und schwulen Flüchtlingen geworden. Oft werden Paare getrennt oder sie trauen sich den Übersetzer_innen ihre sexuelle Orientierung gar nicht zu sagen. Mittlerweile bin ich im Parlamentsklub eine Anlaufstelle dafür geworden und tatsächlich konnte ich in zahlreichen Fällen helfen.

Eine der Aufgaben diesbezüglich wird die intensivere Zusammenarbeit mit der Wiener Stadtregierung sein, noch mehr Quartiere – und damit Schutzräume für diese spezielle Gruppe – zu schaffen.

Zukunft des Bundesrats

Allgemein noch nicht sehr bekannt ist die Tatsache, dass der Bundesrat in europäischen Fragen sehr aktiv ist und viele europäische Parlamente eng mit uns zusammenarbeiten. So konnten bereits einige Vorhaben der Europäischen Kommission zu Fall gebracht werden, etwa die Saatgutverordnung, um ein Beispiel zu nennen. Hier konnte ich gemeinsam mit den Grünen in den Ländern, im Nationalrat und auf Europa-Ebene vieles bewirken.

Es lohnt sich, an all diesen Punkten und Themen weiter zu arbeiten, thematisch und inhaltlich als Grüner aus dem Bundesrat in die Öffentlichkeit zu treten (und nicht durch Verhaltensauffälligkeit, wie es manch Kollege gerne machte). Im Bundesrat bleibe ich gerne der Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Ich bin hoch motiviert, weiter zu arbeiten – mit Engagement, Kreativität, Freude, Spaß und Einsatz. Ich bitte dafür um eure Unterstützung.

Marco Schreuder

Fraktionsvorsitzender im Bundesrat,
Bundessprecher der Grünen Andersrum

Warum ein Manderl, das auf Weiberl steht, es so schwer hat.

Manderln, die auf Weiberln stehen, hätten es besonders schwer, hieß es neulich bei den Amadeus Music Awards.

Das stimmt natürlich, denn es ist sicher schon vielen Heteros passiert,

dass man sich von einem verstorbenen Freund bei einem Begräbnis verabschieden will, und man entsetzt feststellen muss, dass die Familie alles Heterosexuelle verschweigt und aus der Zeremonie verbannt, die Freundin des Verstorbenen ganz hinten sitzen muss und der Pfarrer ausschließlich die homosexuellen Werte betont und alles andere verschweigt.
dass man bei einem Begrüßungskuss mit Weiberl aus dem Café geschmissen wird.
dass man ein Haus kaufen wollte, aber der Verkäufer plötzlich sagt: Sorry, aber an Heteros verkaufe ich nicht.
dass man in Gesetzen noch immer diskriminiert wird und die Regierungsparteien ständig den heterosexuellen NGOs mitteilen, dass man Ungleiches nicht gleich stellen könne.
dass man aus verschiedenen Ländern flüchten muss, weil Heterosexualität verboten ist – bis hin zur Todesstrafe in 7 Staaten der Erde.
dass man überall – in den Medien, in den Schulen, im Freundeskreis, in der Familie – mitgeteilt bekommt, dass man doch bald einen Freund haben sollte, und man sich nicht traut zu sagen, dass man eigentlich auf Mädchen steht.
dass man sich dann doch traut in der Schule zu outen, man aber gemobbt, gehänselt und verprügelt wird, weil man eine „Scheiß-Hete“ ist.
dass man aus der elterlichen Wohnung geworfen wird, weil heterosexuelle Lebensweisen nicht toleriert werden.
dass ein Taxifahrer dich aus dem Auto schmeißt, weil du deine Freundin geküsst hast.
dass du in deiner Firma nicht und nicht aufsteigst und der Grund recht klar ist: Heteros werden eh toleriert, aber in der Chefetage bleiben halt die Homos lieber unter sich.
usw.

Ja, diese Manderln, die auf Weiberln stehen, haben es echt schwer.

Der Nahost-Konflikt und wir

„Warum tust du das, Marco? Warum äußerst du sich so deutlich im Nahost-Konflikt? Du kannst dabei doch nur verlieren?“ werde ich oft gefragt. Und natürlich stimmt das. Mit jeder Aussage zum Nahost-Konflikt kann man als Politiker oder Politikerin ausschließlich verlieren. Zu gewinnen gibt es da gar nix – weder in der öffentlichen Meinung, noch parteiintern, wie sich unlängst zeigte. Deswegen schwiegen ja auch so viele. In allen Parteien. Manche (auch neue) Parteien haben dazu noch genau gar nichts gesagt. Das ist das Problem, das ich dabei habe. Ich kann dazu nicht schweigen. Ich kann nicht schweigen, wenn die Schuld nur auf einer Seite gesucht wird, obwohl man politisch wohl nur durch Schweigen gewinnen kann und sich auf die Innenpolitik konzentriert. Mit Hypo-Debatten oder mit dem Umbau der Mariahilfer Straße könnte ich sicher besser „punkten“.

Aber ich kann nunmal nicht schweigen, wenn Menschen zu anderen blutigen Konflikten keine Meinung haben, nicht auf die Straße gehen, 170.000 Tote in Syrien mit Achselzucken zur Kenntnis nehmen, die Vertreibung von Christen und Christinnen aus Mossul – vielleicht ein bisschen traurig, vielleicht ein bisschen erschüttert – kopfschüttelnd kommentieren, das derzeit stattfindende Genozid gegen Jesiden (oder Êzîdî) seitens des IS vielleicht schlimm finden, aber wenn es um Israel geht erst so richtig zornig werden und gegen den jüdischen Staat demonstrieren gehen. Und dabei nicht bedenken, dass es sich hier um einen Konflikt handelt, der zwei Seiten hat, und eine der Seiten Hamas heißt.

Ich benenne diese eifrige antiisraelische Demo-Kultur – ob sie nun auf den Straßen oder in den sozialen Netzwerken stattfindet -, wie ich sie eben wahrnehme und beurteile: Als antisemitisch. Denn ich sehe das wie Henryk Broder (mit dem ich nun im übrigen nicht immer einer Meinung bin): Wer Juden (oder Israel) etwas übler nimmt als anderen, ist Antisemit.

Immer öfter wird aber auch gesagt, man möge sich auf keine Seite schlagen und doch bitte eine neutrale Haltung einnehmen. Was immer das dann in der Konsequenz auch heißen mag (keine Verurteilung antisemitischer Übergriffe in Europa?). Das sehe ich auch fundamental anders. Denn die Gründung des Staates Israel hat viel mit unserer Geschichte zu tun. Und das in weiterer Folge bereits die Gründungsgeschichte zwei Narrative kennt ist das Dilemma, in das wir bis heute stecken. Und das hat sehr viel mit uns zu tun. Es handelt sich nicht um einen Konflikt, der so gar nichts mit uns zu tun hätte.

Und dann ist da eben die Hamas, die man ja nun nicht als normale arabische politische Bewegung bezeichnen kann. Hier landen wir beim Thema, das uns die letzten Jahre – und wohl auch die zukünftigen Jahre – beschäftigen wird: Eine zunehmende Radikalisierung, die durch den IS ja besonders deutlich wird. Das Thema Islamismus dürfen wir zukünftig nicht den rechtsradikalen Parteien überlassen. Auch die Linke, die Grünen, die liberalen Kräfte werden dazu Haltungen entwickeln müssen. Allerdings müssen unsere Lösungen nicht der FPÖ hinterher hinken, die mit einfachen Parolen dazu punkten kann. Nein, wir brauchen emanzipatorische, aufklärerische, antirassistische Lösungen! Und wieder sieht man: Die Auseinandersetzung „da unten“ hat viel mit uns, mit Europa, zu tun.

Ein Vorwurf, den ich mir oft anhören darf, wenn ich mich äußere, ist Islamophobie. Der tut weh. Zugegeben. Da hat man mich dann schön erwischt, weil ich dann natürlich sofort meine Äußerungen überprüfe und der Vorwurf an mir nagt. Deshalb habe ich intensiv darüber nachgedacht, ob auch ich einem Vorurteil erlegen bin, denn ich glaube niemand ist gegen Vorurteile gefeit. Auch ich nicht. Aber je länger ich mich damit beschäftige, umso deutlicher muss ich ihn zurück weisen.

Denn meine tiefste politische Überzeugung ist nach wie vor eine Gesellschaft, in der jede und jeder Religion ausüben kann, wie sie/er will. Ich bin für Minarette in Favoriten und für Synagogen in Gaza, für Kirchen in Mossul und für Atheismus in jedem Land. Ich bin für Freiheit. That’s it. Und wenn ich dann genauer hinsehe, dann sehe ich eine Hamas, die Palästina judenfrei machen will, die es zur heiligen Pflicht sieht, jeden Juden (nicht jeden Israeli!) zu töten und Gaza bereits judenfrei gemacht hat. Und ich sehe ein Israel, in der rund 25{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} der Bevölkerung Araber und Araberinnen sind und – trotz aller Schwierigkeiten (allerdings sollten Europäer_innen sich beim Umgang mit Minderheiten auch mal an der eigenen Nase nehmen) – so ziemlich die freiesten Araber_innen des Nahes Ostens sind und im übrigen ebenso von Hamas-Raketen bedroht werden.

Um noch eines ein für alle mal ganz klar zu stellen: Ich bin für eine Zweistaatenlösung, für Frieden, für Freiheit. Ich bin für ein freies Palästina, in der Frauen ihre Rechte einfordern dürfen, in denen Feministinnen, Lesben und Schwule oder Oppositionelle frei leben und sich frei äußern dürfen. Und sorry, die Hamas ist nicht der Weg zu Gerechtigkeit und Freiheit. Sie repräsentiert genau das Gegenteil davon. Unterdessen wird Israel seine Bevölkerung weiter schützen müssen und weiß ganz genau, dass in diesem Krieg ebenso nichts zu gewinnen ist und die Weltöffentlichkeit entsetzt ist. Ich bin im übrigen auch entsetzt. Mich lassen Bilder von Leid und Zerstörung auch nicht kalt. Aber die Schuld alleine Israel anzulasten ist billig und – ja, ich bleibe dabei – antisemitisch.

Eine politische Reise nach Brasilien.

Eine Delegation des Bundesrats war vorige Woche in Brasilien. Prinzipiell finde ich es richtig, dass Außenpolitik nicht nur eine Aufgabe der Exekutive (also des Außenministeriums) ist, sondern auch Parlamente hier aktiv sind. Bislang konnte ich nur Delegationen in Wien begrüßen. Brasilien war meine erste Reise als Mitglied der Präsidiale.

Die Wahl des Ziellandes war ausgezeichnet. Denn Brasilien gehört mit Indien und China (die so genannten BRIC-Staaten) zu den aufstrebenden globalen Mächten. Die Wirtschaft boomt, das brasilianische Selbstbewusstsein steigt und immerhin ist Brasilien der wichtigste Wirtschaftspartner Österreichs in Südamerika. Wie sich Österreich als EU-Mitglied in dieser neuen Welt mit mehreren wirtschaftlichen und politischen Machtzentren positioniert, wird eine der großen Aufgaben der Zukunft sein.

So eine Reise ist übrigens ganz und gar keine Erholungsreise. Es blieb uns zwar Zeit uns Rio de Janeiro anzuschauen und auch mal einen Hüpfer in den Atlantik zu machen, aber so ein Reiseprogramm ist dicht. Wir waren zwei Tage in Brasilien, zwei in Rio de Janeiro und ebenso zwei Tage in São Paulo.

Die Hauptthemen der Reise waren Umweltpolitik und erneuerbare Energie, Verkehrspolitik, Russland/Ukraine, Soziales und Frauenpolitik.

Brasilia

Der Senat

Die erste Station war naturgemäß unsere „Schwesterkammer“, der Senat in der Hauptstadt Brasilia. Brasilien ist ein föderaler Staat mit sehr starken Bundesstaaten, durchaus vergleichbar mit den USA. Anders als in Europa üblich, entscheidet nicht die Einwohner_innenzahl der Bundesstaaten die Anzahl der Senator_innen, sondern jeder Staat entsendet grundsätzlich drei Abgeordnete.

Ein Thema, das gleich von Anfang an prominent sichtbar, aber auch angesprochen wurde: Der geringe Frauenanteil in Brasiliens Parlament, was vor allem seitens einer Senatorin angesprochen wurde. Dies dürfte vor allem auf das starke Persönlichkeitswahlrecht zurückzuführen sein. In Brasilien stehen weniger Parteien, als vielmehr Kandidat_innen im Mittelpunkt. Parteien werden daher im Laufe einer Karriere auch oft gewechselt.

Neben Treffen mehrere Senator_innen war vor allem das Treffen mit Senator Jorge Viana aus der Amazonas-Region interessant. Er selbst war auch Bürgermeister und daher vor allem an ökologische und nachhaltige Energie- und Verkehrspolitik interessiert – bundesstaatlich als auch kommunal. Der Anteil der erneuerbaren Energie ist in Brasilien – vor allem Dank der Wasserkraft – sehr hoch. Allerdings wurde in den letzten Jahren vor allem in Windenergie investiert, erstaunlicherweise sehr wenig in Photovoltaik. Daher war Viana sehr an die Idee der „Bürgerkraftwerke“ Wiens interessiert, an Fördermodelle für Solarenergie und Abfallverbrennung mit der Möglichkeit von Fernwärme bzw. Fernkühlung.

Auch der Zustand des Regenwalds war natürlich Thema, ist dies doch ein Umweltthema von globaler Dimension. Hier hat Brasilien gelernt umzudenken. Umweltthemen spielen überhaupt in der brasilianischen Politik eine erhebliche Rolle. Uns wurde versichert, dass sehr bald der Wendepunkt erreicht sein wird, in dem nicht mehr darüber berichtet wird, wie viel Regenwald abgeholzt wurde, sondern wie viel nachgewachsen ist.

An uns gestellte Fragen betrafen vor allem die Gas-Abhängigkeit Österreichs aus Russland und dem Transit-Land Ukraine. Dass Österreich zu 60{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} von russischem Gas abhängig ist, schien große Besorgnis auszulösen.

Solidarische Ökonomie

Ein sehr interessantes Treffen hatten wir dann mit dem Staatssekretär für solidarische Ökonomie Prof. Paul Israel Singer, einem gebürtigen Wiener Juden, der 1940 als Kind mit seinen Eltern vor den Nazis fliehen musste. Dass es so ein Staatssekretariat überhaupt gibt, ist ja doch sehr außergewöhnlich (wobei Brasilien weit über 35 Ministerien hat – auch aus Gründen der „Versorgung“ vieler Parteiinteressen, wie uns überall hinter vorgehaltener Hand erzählt wurde). Die Aufgabe von Prof. Singer ist vor allem Armut zu bekämpfen, Kleinbauern, die nicht gegen die großen bestehen können, unter die Arme zu greifen (indem der Staat etwa deren Produkte abkauft) oder Menschen, die aus Not  Müll sammeln, genau damit eine wirtschaftliche Grundlage zu geben.

Homosexualität und Menschenrechte

Auf meinem Wunsch hin konnte ich dann mit der Botschafterin Marianne Feldmann dann noch Senator Paulo Paim treffen, zuständig für die Kommission für Menschenrechte. Eingetragene Partnerschaften sind in vielen Bundesstaaten bereits möglich. Adoptionsrecht und Recht auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung für gleichgeschlechtliche Paare wurden von Gerichtshöfen (vergleichbar mit Österreich) legalisiert. Brasilien hat in Fragen der Gleichstellung enorme Fortschritte erreicht – eigentlich wie ganz Südamerika hier eine rasante Entwicklung hatte. Das Klima in Brasilien ist durchaus liberal – aber es kommt leider auch zu vielen Hassverbrechen und erschreckende Zahlen von Morde an Homosexuellen, die auch ganz offen angesprochen wurden. Ein wirkliches Rezept dagegen gibt es leider noch nicht, aber immerhin Problembewusstsein.

Durchaus stolz erzählen Brasilianer_innen auch gerne, dass die Gay Pride in São Paulo die weltweit größte ihrer Art ist.

Zudem sprachen wir auch die Themen der Menschen- und Bürgerrechte der indigenen Völker an – was allerdings nicht wirklich beantwortet wurde – sowie die Frage der Grund- und Bürgerrechte im digitalen Zeitalter, also vor allem Datenschutz und Datenhoheit. Letztere Fragen erzielten aber mehr Fragezeichen in den Augen. Dieses Thema als Grundrechtsfrage schien den brasilianischen Senat noch nicht wirklich erreicht zu haben.

Rio de Janeiro

Energie und Stadtteilentwicklung

Energiepolitik und Stadtteilentwicklung stand im Zentrum unseres Rio-Besuchs. Begonnen haben wir die Tour mit dem „Rio-Energy-Hauptstadt“-Programm. Der große Anteil an erneuerbarer Energie in Rio wurde wieder herausgestrichen. Aber auch Öl und Gas spielen hier nach wie vor eine Rolle, da diese vor der Küste Rios gewonnen werden. Auch ein Atomkraftwerk mit 2 (demnächst 3) Reaktoren spielt eine Rolle. Es werden aber in Brasilien keine neuen Atomkraftwerke mehr gebaut, wurde uns versichert.

Danach ging es in die alte Hafenstadt „Porto Maravilha“, wo Rio etwas ganz außergewöhnliches gemacht hat: Eine auf Stelzen gebaute Stadtautobahn wurde abgerissen. Der Stadtteil um den Hafen soll komplett neu gestaltet werden – mit Grünraum, Boulevards, Begegnungszonen, Kulturzentren und Museen, sozialem und privatem Wohnbau, einer neuen Straßenbahn, etc. Bis zu den olympischen Spielen 2016 will man damit fertig sein.

Favelas

Am nächsten Tag ging es in die Favela „Babilonia“. Wobei die Brasilianer_innen das Wort Favela, das Elendsviertel bedeutet, mittlerweile vermeidet, und lieber von Communities spricht. Das soziale Mammutprojekt der Stadt Rio zielt darauf hin, die Favelas nicht mit Gewalt, sondern mit nachhaltiger sozialer Veränderung in die Stadt zu integrieren und der Kriminalität Herr zu werden: Wasserversorgung, Straßenbau, Hausnummernvergabe, sozialer modernen und ökologischer Wohnbau, etc. In vielen Favelas – so etwa in Babilonia – gelegen auf den Hügeln über der Copa Cabana – ist das auch durchaus gelungen. Mittlerweile übernachten auch Tourist_innen dort in günstigen und authentischen Wohnungen, so mancher Favela-Bewohner machte ein Restaurant auf, für die man mittlerweile  tagelang im voraus einen Tisch reservieren muss.

Allerdings sind erst einige wenige Favelas nachhaltig umgestaltet worden und zu lebenswerteren Stadtteilen umgewandelt worden. Der Großteil der Viertel warten darauf noch. Bei unserer Abreise aus Brasilien waren Medienberichte zu lesen, in denen wieder von Schießereien zu lesen war – und eine Favela in der Nähe des Flughafens wurde vom Militär besetzt. Die FIFA lässt grüßen.

Exportschlager Kultur

Dass Österreich einen enormen Exportschlager hat, der in keiner Wirtschaftsbilanz zu finden ist, wurde auch in Rio deutlich: Die Kultur. Die österreichische Botschaft hat das Kulturfestival „15 x Áustria“ auf die Beine gestellt. Neben Konzerte der Wiener Klassik und einer Thonet-Ausstellung wurden auch viele Filme gezeigt. Neben – für uns wohl eher banal wirkenden – Filme wie „Sissi“ oder „Sound of Music“ wurden aber auch spannende Projekte ins Leben gerufen. Etwa österreichische Kinderfilme, die gemeinsam mit Schulen projektiert wurden.

São Paulo

Zuguterletzt ging es in die Wirtschaftsmetropole Südamerikas, der größten Stadt der südlichen Hemisphäre mit seinen 20 Millionen Einwohner_innen in der Metropolregion. Und so zeigt sich die Stadt auch: Weniger schön als Rio, dafür schneller, geschäftiger und mit seinen hunderten von Wolkenkratzern auch höher.

Österreichische Firmen haben sich zahlreich niedergelassen und so betreibt die Wirtschaftskammer hier eine Außenstelle. Die Anfragen der österreichischen Unternehmer_innen sind dabei sehr mannigfaltig, wie uns der Wirtschaftsdelegierter Ingomar Lochschmidt erzählte: Von Steuerfragen bis rechtliche Fragen, von Fragen über Messeauftritten bis Kontakte.

Wir besuchten das österreichische Werk Böhler Welding (voest alpine). Danach das Parlament des Bundesstaats São Paulo und danach die (trotzkistische) Vizebürgermeisterin Nádia Campeão.

Vor allem der letztere Termin war äußerst spannend und die Vizebürgermeisterin sprach gar nicht um den heißen Brei herum: Das größte Problem der Metropole ist der öffentliche Verkehr, der – wie in ganz Brasilien – total vernachlässigt wurde. Es gibt zu wenig U-Bahnen, zu wenig Schnellzüge usw. Straßenbahnen scheinen in Brasilien (mit Ausnahme der Hafenstadt in Rio) überhaupt kein Thema zu sein. Menschen verbringen Stunden um Stunden im Autoverkehr um überhaupt in die Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. Auch das war – neben der Gesundheitsversorgung und der Bildung – eines der großen Themen der Demonstrationen gegen die Fußball-WM. Und alle Politiker_innen, die wir trafen, sagten auch ganz unverblümt: Da haben die Demonstrierenden schlicht recht. Da müssen wir was tun. Zumal der Verkehrskollaps zunehmend auch die Stadt gefährdet: Manche Betriebe verlassen deshalb schon die Stadt ins Landesinnere.

Ein Kulturprogramm – das Kunstmuseum und das Afro Brazil Museum rundeten den Besuch ab. Vor allem letzteres Museum sollte Pflichtprogramm für jeden europäischen Brasilien-Reisenden sein. Denn auch wir neigen noch immer dazu die Geschichte Südamerikas aus einer europäischen Perspektive zu sehen und zu betrachten. Dieses Museum zeigt die Perspektive der ehemaligen Sklaven aus Afrika, ihren Beitrag zur brasilianischen Kultur und ihre Geschichte. Die übrigens eine sehr erfolgreiche ist. Und so darf im Museum freilich auch Pelé nicht fehlen.

Lesbische und schwule Pflegeeltern im Bundesländervergleich. Eine Recherche.

Derzeit läuft eine rege Diskussion über  die so genannte Fremdkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare. Die Stiefkindadoption ist ja seit einem Jahr aufgrund einer Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erlaubt, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung für lesbische Paare demnächst aufgrund eines Urteils des VfGHs. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter will homosexuellen Paaren die Adoption erlauben und verzweifelt versucht die ÖVP die Debatte abzuwürgen.

Was es in Österreich – vor allem in Wien – schon länger gibt, sind gleichgeschlechtliche Paare, die ein Pflegekind betreuen. Gesellschaftspolitisch gesehen eine sehr wertvolle Aufgabe, da Pflegekinder ja aus guten Gründen Pflegeeltern brauchen. Dahinter verbergen sich zumeist traurige Schicksale.

Wie sieht das in Österreich nun mit Pflegeeltern aus? Grundsätzlich sei festgehalten, dass es in den meisten Bundesländern ein dringenden Bedarf an Pflegeeltern gibt. Es gibt mehr Kinder, die Eltern brauchen, als Eltern, die ein Pflegekind aufnehmen wollen. Da der Bereich Kinderpflege (auch) Landesrecht ist, hier ein Vergleich:

Wien

Wien war das erste Bundesland, das gleichgeschlechtlichen Paare als Pflegeeltern akzeptiert. Die Vorreiterrolle war damals höchst umstritten. ÖVP und FPÖ wetterten dagegen. Die Erfahrungen sind aber gut. Viele Paare leben übrigens mittlerweile in anderen Bundesländern, manche – vor allem niederösterreichische Paare in Wien-Umgebung haben Wiener Pflegekinder.

Salzburg

In Salzburg sind derzeit zwischen drei und fünf Paare in Ausbildung. Vermutlich werden sie Pflegekinder erhalten. Es ist somit möglich für gleichgeschlechtliche Paare um ein Pflegekind anzusuchen. Gerade in Salzburg herrscht derzeit ein großer Mangel an Pflegeeltern.

Tirol

In Tirol ist es für lesbische und schwule Paare möglich eine Ausbildung zu machen und ein Pflegekind zu betreuen. Derzeit hat dies nur ein Frauenpaar getan, zusätzliche Erhebungen sind geplant.

Oberösterreich

In Oberösterreich betreuen derzeit acht weibliche Paare und ein männliches Paar ein Pflegekind. Es ist also möglich.

Steiermark

In der Steiermark wird in der Statistik gar nicht berücksichtigt ob ein Paar verschieden- oder gleichgeschlechtlich ist, daher gibt es auch keine Zahlen. Unseren Informationen zufolge ist es grundsätzlich möglich.

Burgenland

Im Burgenland sind gleichgeschlechtliche Paare als Pflegeeltern erlaubt, ein Männer-Paar befindet sich derzeit in Ausbildung.

Kärnten

In Kärnten ist es zumindest theoretisch möglich, es gibt aber zur Zeit noch keine homosexuellen Paare, die diese Verantwortung übernehmen wollen.

Vorarlberg

Ein Männer-Paar befindet sich derzeit in Ausbildung. Es ist also möglich.

Niederösterreich

In Niederösterreich ist es – als letztes Bundesland Österreichs – nicht möglich als gleichgeschlechtliches Paar ein Pflegekind aufzunehmen und zu betreuen, aber es gibt Paare mit Pflegekindern, die aus Wien nach Niederösterreich gezogen sind, bzw. die von Beginn an Wiener Pflegekinder beantragten.
Mit Dank an Mariella Müller, Referentin für LGBT-Politik im Grünen Klub im Parlament.

Entwicklungszusammenarbeit mit Uganda beenden?

Vor einigen Tagen überraschte uns Außenminister Sebastian Kurz. Er stellte klar, dass Österreich sich entschieden gegen homophobe Gesetze weltweit stellen wird. Zudem wurde angekündigt, dass die Entwicklungszusammenarbeit mit Uganda „überdacht“ werde. Uganda ist bereits seit einigen Jahren Schwerpunktland der (ohnehin bescheiden dotierten) österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Hier findet sich eine kurze Beschreibung der österreichischen Arbeit.

Zwei Millionen Flüchtlinge hatte das Land, als vor allem der Norden von der Lord’s Resistance Army terrorisiert wurde. Die Lebenserwartung und die Entwicklung Ugandas hat in den letzten Jahren Erfolge erzielen können. Eine Bevölkerungsgruppe hatte aber schon seit vielen Jahren Diskriminierungen, Terror und Verfolgung hinzunehmen: Die Lesben und Schwulen des Landes. So veröffentlichten Zeitungen Homosexuelle mit Foto in Zeitungen (siehe dieser Blogpost von 2009). 2011 wurde der berühmte Schwulenaktivist David Kato ermordet.

Das Parlament Ugandas – Uganda ist ein Staat mit nur einer Partei – diskutiert seit Jahren ein neues Gesetz gegen Homosexualität. Ursprünglich war sogar die Todesstrafe als Höchststrafe vorgesehen (bei gleichgeschlechtlichem Sex als HIV-Positiver). Das Gesetz wird nunmehr mit der Höchststrafe lebenslang verabschiedet und wurde diese Woche von Präsident Yoweri Musuveni unterzeichnet.

Soll man die Entwicklungszusammenarbeit also beenden?

Ich denke, hier muss man vorsichtig sein. Richtig finde ich Schritte, die jegliche Finanzierung der Regierung verunmöglichen. So hat etwa heute die Weltbank Kredite eingefroren. Und das ist sehr begrüßenswert, weil das Geld direkt in die Regierungkassen fließt.

Allerdings bin ich bei Projekten, die von österreichischen oder anderen internationalen Initiativen ausgehen, die vor Ort eigene Strukturen haben – also dann, wenn ein Geldfluss an die Regierung ausgeschlossen werden kann – vorsichtiger. Denn was können Flüchtlinge, die in ihre Dörfer zurück kehren und Infrastruktur wie Wasser brauchen, für die Homophobie der Politiker_innen im Einparteienstaat?

Und vor allem: Wäre es nicht gerade jetzt ein umso bedeutender Akt, wenn die Entwicklungszusammenarbeit auch die Entwicklung von Menschenrechten mit unterstützt und auch Geld an Menschenrechts- und LGBTI-NGOs geht, damit diese in einem geschützten Raum arbeiten können, bei Prozessen mittels Anwälten helfen können, usw?

Ich habe jedenfalls bereits einen Termin mit Außenminister Kurz in den den nächsten Wochen vereinbart, um genau das zu besprechen. Ich fände es wichtig, dass Österreich die Betroffenen und Verfolgten vor Ort tatsächlich hilft. Jedoch keinesfalls mehr die Regierung.

Ich bekam eine Mail: Bundesminister Gerald Klug hat Zeit für Sotschi, nicht für Menschenrechte.

Am 19. Dezember 2013 ließ Bundesminister Gerald Klug, verantwortlich für Landesverteidigung und Sport und Politiker der SPÖ (also der Partei, die im Wahlkampf noch schöne Broschüren machte, die speziell an Lesben, Schwule und Transgender gingen, um ihnen zu versichern, dass die SPÖ eh ganz toll für sie da sei) verlautbaren, dass er zu den Olympischen Spielen nach Sotschi fahren würde.

Kurz davor forderte Eva Glawischnig, dass keine österreichischen Politiker_innen beim Putin-Abfeiern dabei sein sollen, weil die Menschenrechte in Russland mit Füßen getreten werden. Immerhin sind die Olympischen Winterspiele ja nicht nur ein Sport-Ereignis sondern mittlerweile eine Regime-Inszenierung ohnegleichen. Es handelt sich auch nicht um einen normalen diplomatischen Staatsbesuch, sondern es geht darum, ob österreichische Politiker_innen Statist_innen bei einer Putin-Feier sein wollen.

Noch am selben Tag schickte ich eine Email an den Bundesminister mit der Bitte um einen Termin. Den einerseits kenne ich Klug noch aus seiner Zeit als Bundesrat und außerdem – so dachte ich – kann ich ihm ja vielleicht zumindest die Situation erklären, warum das Homo-Propaganda-Gesetz in Russland so eine Katastrophe ist (Aufklärung bei Jugendlichen und Suizidgefahr, HIV-Infektionsraten und Verbot von gleichgeschlechtlicher Safer Sex-Prävention bei Jugendlichen, Nazi-Jagd in Russland auf lesbische und schwule Jugendliche, etc.). Und ich dachte mir, dass er, wenn er schon nicht boykottiert, zumindest LGBT-NGOs treffen bzw. mitnehmen könnte. Ich schrieb also am 19. Dezember 2013:
Ich bitte höflich um einen Termin beim Herrn Bundesminister Klug, nicht nur als ehem. Kollege im Bundesrat sondern auch als Sprecher der Grünen Andersrum. Ich möchte mich gerne persönlich mit ihm über Sotschi und einige Ideen dazu unterhalten.
Am 16. Jänner 2014, also fast ein Monat (!) später, erhielt ich Antwort:
Sehr geehrter Herr Bundesrat!

Es tut mir sehr leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihrem Ersuchen an den Herrn Bundesminister, aufgrund der unzähligen Vorhaben und der damit einhergehenden Termindichte, in den kommenden Monaten leider nicht entsprochen werden kann.
Für Sotschi hat er also Zeit. Für Menschenrechte nicht.

Und es sind SPÖ-Politiker_innen, die nach Sotschi fahren. Genau. Das sind diejenigen, die im Wahlkampf immer an Lesben, Schwule und Transgender denken, um sie dann wieder fünf Jahre zu vergessen.*

 

*(Ausnahme Stadträtin Sandra Frauenberger und einige Wiener_innen)

Das schweigsame Regierungsprogramm. Oder wie Lesben, Schwule und Transgender unsichtbar gemacht werden.

Es war das Kabinett Faymann I, das 2010 das umstrittene Gesetz zur Eingetragenen Partnerschaft einführte und somit gleichgeschlechtlichen Paaren eine rechtliche Absicherung zumindest ermöglichte. Allerdings mit unzähligen Unterschieden zum Eherecht und mit zahlreichen Diskriminierungen (siehe Liste des Rechtskomitees Lambdas). Schon damals machten zahlreiche Expert_innen, NGOs und auch wir Grüne darauf aufmerksam, dass es ein schlechtes Gesetz und eine schlechte Lösung ist. Statt die Ehe für alle zu öffnen wurde ein eigener Rechtsraum, drei neuer Familienstände und damit verbunden unzählige Verbote geschaffen.

Viele der Ungleichheiten, Diskriminierungen und Verbote wurden daraufhin eingeklagt und nahezu alle Klagen wurden entweder vor dem VfGH oder europäischen Gerichten gewonnen (auch diese finden sich in obiger Liste des RKL). Die Bundesregierung und ihre homophobe Politik – mit Hauptmotor ÖVP – erlitt eine Serienniederlage.

Da würde man doch annehmen, dass vor dem Start des Kabinetts Faymann II zumindest repariert werden würde. Das, was man im 124-seitigen Regierungsprogramm findet ist aber:

Nichts. Kein Wort. Nada.

Blenden wir zurück: Im Verlauf der letzten Legislaturperiode sorgten zahlreiche Urteile für Aufsehen: Das Bindestrichverbot bei Doppelnamen in EPs wurde gerichtlich abgeschafft. Ebenso der Amtsraumzwang, das Trauzeugenverbot, das Ja-Wort-Verbot und allem voran das Verbot der Stiefkindadoption u.v.m.. Vor allem letzteres Urteil führte zu zahlreichen Ankündigungen seitens der SP-Minister_innen: Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gab reihenweise Interviews, in der sie das Ende der Diskriminierungen forderte, volles Adoptionsrecht sowie die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare. Gesundheitsminister Alois Stöger forderte die medizinisch unterstützte Fortpflanzung  für alleinstehende und lesbische Frauen (ein diesbezügliches VfGH-Verfahren läuft derzeit).

Auch beim Diskriminierungsschutz gab es Diskussionen und fast schon eine gesetzliche Änderung. Denn während man sich etwa bei Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe oder ethnischen Herkunft sowohl im Arbeitsrecht als auch bei Diskriminierungen bei Gütern und Dienstleistungen wehren kann, können das Lesben, Schwule, Transgender und andere Gruppen nicht, sondern ausschließlich im Arbeitsrecht. Das wollte man endlich gleichstellen. Doch dann kam eine Stellungnahme der Bischofskonferenz, die das gar nicht mochte, die ÖVP sprang ab und die Gesetzesnovelle („Levelling Up“ im Antidiskriminierungsrecht wie das so schön heißt) kam nicht. Also forderte die SPÖ auch hier weiterhin Änderungen.

Den Versprechungen der Minister_innen kamen ins Wahlprogramm der SPÖ. Und die Sozialdemokratie machte Wahlwerbung bei Lesben, Schwulen und Transgendern und versprach, verteilte Broschüren und Flaschenöffner, die Ehe-Öffner genannt wurden.

Das Ergebnis dieser Versprechungen:

Nichts. Kein Wort. Nada.

Es scheint, als würden LGBTs zwar interessantes Wähler_innenpotenzial für die SPÖ bedeuten, aber mit null Konsequenzen. Es scheint, als seien Heinisch-Hosek, Stöger und Co. zwar laut in der medialen Kommunikation ihrer Forderungen und im Wahlkampf, haben aber nichts verhandelt. Gar nichts.

Wie unsichtbar die LGBTs im Regierungsprogramm sind, sei an einem Beispiel exemplarisch festgehalten:

Im Kapitel „Justiz“ findet sich auf Seite 95 folgender Satz:
„Weiterentwicklung des Erbrechts (Pflichtteilsrecht, Verbesserung der Stellung von (kinderlosen) EhegattInnen und LebensgefährtInnen, Unternehmensnachfolge)
Die zwei Wörter „Eingetragene PartnerInnen“ kommen nicht vor. So als ob Faymann I diesen Familienstand nie neu geschaffen hätte.

Es ist beschämend, traurig und macht wütend. Denn eines scheint klar zu sein: Auch 2013 bis 2018 bleibt Österreich ein Diskriminierungsland. Entfesselt wird gar nichts. Auch nicht die Bürger_innenrechte. Für die werden weiterhin Grüne und zahlreiche NGOs aus der Zivilgesellschaft kämpfen müssen. Die SPÖ wird sich wieder als Kooperationspartnerin anbieten – um dann mit der ÖVP genau gar nichts zu verhandeln.

Und nochwas: Gleichstellung, Ehe-Öffnung etc. würde nichts kosten. Gar nichts.
Siehe auch Blogbeitrag auf thinkoutsideyourbox.net: SPÖ hat LGBTs (wieder) verraten