Im Bundesrat sitzen 61 Abgeordnete, davon jeweils eine fix zugewiesene Anzahl von Mitgliedern pro Bundesland. Aus Wien etwa werden 11 Sitze nach d’Hondt verteilt. Dies ergibt aktuell ab Ende 2020 zwei Grüne Mitglieder. Diese werden vom Landtag in den Bundesrat entsandt.
Was ist der Bundesrat?
Sehr oft bekomme ich die Frage gestellt, was der Bundesrat eigentlich ist, was er macht, wofür er existiert. Zumal er im öffentlichen Diskurs immer wieder in Frage gestellt wird. Ich hoffe mit diesem Text einigermaßen gut zu beantworten.
Die „elegante“ (©Van der Bellen) Bundesverfassung feiert 2020 sein 100-jähriges Bestehen. Also auch der Bundesrat. Als in den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg Österreich sich langsam wieder erholte und sein Staatsgefüge organisieren wollte, einigte man sich darauf, dass Österreich ein föderaler Staat sein würde. Und daher auch eine zweite Kammer bekommen soll, in der die Länderinteressen artikuliert werden sollen.
In den meisten Ländern heißt eine solche zweite Kammer „Senat“. In Österreich eben Bundesrat. Sehr bald entpuppte sich diese Kammer als typisch österreichischer Kompromiss zwischen sozialdemokratischen zentralistischen Ideen und föderalistischen konservativen Ideen. Er bekam ein bisschen Einspruchsrecht, aber nicht zu viel.
Nach 1945: Die Landeshauptleutekonferenz als Konkurrenz
Der Austrofaschismus 1934 sowie der Nationalsozialismus ab 1938 zerstörten die Demokratie und den Parlamentarismus – und somit auch das Zweikammersystem der Ersten Republik. In der Zweiten Republik nach 1945 wurde diese wieder eingeführt.
Ab den Siebzigerjahren aber entstand ein neues Gremium – abseits jeder Verfassung, ohne Verankerung in irgendwelchen Regelwerken – und wurde trotzdem zu einer der mächtigsten Gremien der Republik: Die Landeshauptleutekonferenz. Oder wie die frühere Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstallter einmal auf eine Frage von mir antwortete: „Das größte und mächtigste illegale Kaffeekränzchen Österreichs“.
Zunehmend übernahm die Landeshauptleutekonferenz die Agenden des Bundesrats, weswegen es hier ein Missverhältnis gibt. Aber da diese Landeshauptleutekonferenz anders arbeitet, sich etwa vor der Gesetzeswerdung einbringt, statt – wie es im Bundesrat üblich ist – erst nachher den Daumen rauf oder runter geben darf, ist dies schon eine Hilfe, wenn man über eine Reform des Bundesrats nachdenken möchte.
Bundesrat: Einspruch, Schubladisieren oder Verhindern?
Die Hauptaufgabe des Bundesrats – neben der üblichen parlamentarischen Arbeit wie Aktuelle Stunden, Fragestunden, Anfragen, Dringliche Anfragen etc. – ist über die Gesetze abzustimmen, die im Nationalrat beschlossen wurden. Im groben kann man diese Maßnahmen unterscheiden:
- Einspruch. Dann geht das Gesetz zurück an den Nationalrat
- Keine Zustimmung, aber auch keine Mehrheit. Dann tritt das Gesetz erst nach acht Wochen in Kraft
- Verhindern: In ganz speziell festgelegten Bereichen hat der Bundesrat ein Vetorecht.
Reformideen
Wie man den Bundesrat reformieren könnte. darüber ist schon viel diskutiert worden. Einige zusammengefasst:
- Landesgesetzgebung abschaffen, und Länderinteressen nur noch über den Bundesrat legislativ Einfluss geben
- Bundesrat (somit die Länderinteressen) müssten vor dem Beschluss des Nationalrats eingebunden sein, und dann geht das Gesetz erst in den Nationalrat.
- Bundesrat soll direkt gewählt werden (statt indirekt über Landtagswahlen wie derzeit)
u.v.m.
Was macht ein Mitglied im Bundesrat?
Wenn man in einer kleinen Fraktion, wie der grünen Fraktion, angehört (die demnächst aus fünf Abgeordneten bestehen wird), dann sind Vorbereitungen doch recht intensiv. Zumal dann, wenn man in der Regierung sitzt und wichtige Pakete durchbringen möchte. Denn die Regierung hat derzeit 30 Sitze im Bundesrat, die Opposition jedoch 31. Also ist Verhandlungsgeschick und politische Erfahrung (zumal als Fraktionsvorsitzender) wichtig. Sei es etwa im Bereich Klimaschutz, Kultur, Soziales oder Gesundheit.
Man braucht tatsächlich die Begabung „Generalist*in“ zu sein, und schnell Gesetze so zu verstehen, dass man sie in Reden gut und verständlich erklären kann und auf Kritik eingehen kann. Viele Sitzungen werden ja etwa auf ORF III übertragen, und auf parlament.gv.at ohnehin immer gestreamt – und alle Reden für alle Zeiten in der Mediathek archiviert.
Zudem hat auch der Bundesrat Ausschüsse, in denen der Bundesrat die Gesetze in kleinerer Besetzung diskutieren. Hier gibt es sogar einen enormen Vorteil gegenüber den Ausschüssen des Nationalrats: Im Bundesrat kommen Expert*innen, daher sind Ausschüsse tatsächlich ein hervorragender Ort, um Infos sachlich auszutauschen, und ist viel weniger ein Ort politischer Selbstinszenierung.
Als Fraktionsvorsitzender bin ich zudem der Hauptverhandler der Grünen, etwa in der Präsidiale. Also das, was im Nationalrat „Klubobfrau“ heißt.
Sonderrolle EU-Ausschuss
Der EU-Ausschuss des Bundesrats ist tatsächlich eine ganz besondere, da sie enorm aktiv ist, sich sehr stark in europäische Fragen einbringt, und Stellungnahmen gegenüber der Kommission abgibt. Hier hat sich der Bundesrat europaweit einen Namen gemacht.
Rolle des einzelnen Mitglieds
Wie fast immer bei politischen Rollen und Mandaten: Man macht das draus, was man draus macht. Ein persönliches Profil zu entwickeln ist in vielen Bereichen möglich, allerdings fehlt zumeist die große mediale Aufmerksamkeit – was aber durchaus Vorteile bringen kann, weil man mehr im Hintergrund agieren kann (Nicht selten politisch eine erfolgreichere Taktik).
Die eine Bundesrätin bringt sich lieber in regionalen Fragen ihres Bundeslandes ein, ein anderer übernimmt Themen oder Aspekte, die sonst im Parlamentsklub keine Aufmerksamkeit hätten, usw. Hier ist vieles möglich. So war ich persönlich ja etwa netzpolitischer Sprecher, als wir noch in der Opposition waren, oder verhandelte im aktuellen Regierungsprogramm vier Kapiteln, an deren Umsetzung ich naturgemäß weiterhin arbeiten möchte.
Die Grüne Fraktion
Die Grünen bestehen in Kürze aus fünf Abgeordneten: 2 aus Wien, 1 aus OÖ, 1 aus Vorarlberg, 1 aus der Steiermark. Als Fraktion und als Grünes Kollektiv wollen sich diese fünf Mitglieder des Bundesrats auch gemeinsam Themen innerhalb und außerhalb der Grünen annehmen: regionale und urbane Entwicklungen, Klimaschutz im Länder-Kontext, Kultur in Stadt und am Land. Um nur einige zu nennen.
Der Bundesrat mag oft belächelt sein, oder als unnötige Institution wahrgenommen werden. Allerdings: Sie steht in der Verfassung, im Gegensatz etwa zur Landeshauptleutekonferenz. Letztere setzte sich zudem nur aus der Exekutive zusammen, der Bundesrat ist Legislative. Und Totgesagte leben grundsätzlich länger. Und können manchmal auch etwas erreichen, eben weil sie nicht so stark öffentlich wahrgenommen werden.