Ich bin kein Bobo. Oder der Irrtum eines Begriffs.

„Bobo!“ „Du bist so Bobo!“ „Die Bobos haben keine Ahnung vom richtigen Leben!“ So oder so ähnlich kann man es derzeit oft hören oder in diversen Internetforen immer wieder lesen. Vor allem seit der Krise, die 2008 begann.

Bobo ist für mich so ziemlich das Unwort des letzten Jahrzehnts, obwohl ich ihn anfangs auch verwendete. Es klang cool die innerstädtischen urbanen Menschen, die es sich dort bequem eingerichtet haben und aufgestiegen sind, als „bourgeois bohémien“ zu bezeichnen. Der Begriff stammt ursprünglich vom New York Times-Kolumnisten David Brooks. Er nannte in seinem 2001 veröffentlichtem Buch „Bobos in Paradise“ die urbane Gesellschaftsschicht so, die seit Ende der 90-er Jahre die Innenstädte bewohnen, es zu Geld gebracht haben, Karriere gemacht haben und dafür sorgen, dass ganze Stadtviertel für „Nicht-Bobos“ nicht mehr leistbar sind. Sie sind (waren?) so etwas wie die gemeinsamen Kinder der Alternativen (Hippies, Ökos, Studentisches Milieu) und der Kapitalisten (Yuppies, wie das in den 80-er Jahren hieß), aufgewachsen und sozialisiert im digitalen Zeitalter. So zumindest Brook.

Klang plausibel. Nur dass der Begriff seit 2008 zunehmen abwertend verwendet wird. Als ob die Bobos von Armut, vom Überlebenskampf einer Mehrheitsgesellschaft, vom Alltag außerhalb ihrer schicken urbanen Umgebung keine Ahnung haben würden. Als ob sie Menschen wären, die nicht zu Empathie oder sozialem, politischem oder sonstigem Engagement fähig wären.

Ich habe in meinem Freundeskreis viele, die als Bobos bezeichnet werden (könnten). Manche nennen sich selbst so. Andrea Maria Dusl verarbeitete die Wiener Form des Bobotums in ihrem Buch „Boboville“. Ich sag’s gleich: Ich hab das Buch immer noch (?) nicht gelesen, andere Bücher hatten immer gerade Priorität. Aber ich hab’s gekauft und es steht im Regal und wartet seit Jahren auf einen Blick von mir. Und irgendwie kam ich nie dazu, oder wollte nicht dazu kommen, wie auch immer. Vermutlich weil ich damals den Begriff Bobo schon nicht mehr ertragen konnte.

Warum mag ich den Begriff nicht?

Wenn ich die mir die so genannten Bobos in meinem Umfeld so ansehe, dann sind es zwangsläufig Kinder der 80-er und frühen 90-er. Damals studierten sie, machten sich Gedanken über ihre berufliche Zukunft und waren verunsichert. Die sicheren Jobs der Eltern gab es nicht mehr, – so mit 14 Monatsgehältern, fast unkündbare Stellen und die totale Sicherheit bis zum Tod. Man ging in die Großstadt (in Österreich also vorwiegend Wien), studierte und jobbte. Man angelte sich von Projekt zu Projekt, mit ein bisschen Glück (und Zeit!) beendete man sogar das Studium, arbeitete aber meistens schon anderswo intensiver, als man je hätte studieren können: In Werbeagenturen, in Galerien, in Redaktionen oder wo auch immer. Manchmal mit Fixgehalt, meistens mit Honorarnoten. Überleben in der Großstadt in der Hochzeit des Neoliberalismus. So war das. Ob man das nun gut oder schlecht findet: Es waren die realen Rahmenbedingungen, die alle vorfanden – ob man nun wollte oder nicht.

Und dann kam das Internet.

Mitte der 90-er Jahre waren die Menschen, die ein paar Jahre später eben Bobos genannt werden sollten, älter als ihre Eltern, als diese den Job bekamen, in denen sie immer noch arbeiteten. Und noch immer keine Sicherheit, wie es die Eltern hatten und haben. Aber was Neues passierte: Die digitale Revolution schritt voran. Man machte eifrig mit, denn man muss ja mit der Zeit gehen. Gab es zuvor ein paar gute Computer-Spezialisten und -Spezialistinnen war es plötzlich fast so etwas wie eine Masse, die sich vernetzte und mit dem Thema und den Geräten dazu auseinandersetzte. Von den Nerds zu den Geeks.

Man musste ja mit der Zeit gehen! Denn es war die Zeit des totalen Neoliberalismus. Informationsvorsprung war alles. Und jeder im Freundeskreis war nicht nur ein Freund oder eine Freundin, sondern gleichzeitig Mitbewerber und Mitbewerberin des Lebens.

Und ja: Manche haben es damals geschafft und Geld verdient. Mit neuen Ideen, mit Start-Ups, mit Kreativität, mit vernetztem Denken, die der neuen Zeit und den neuen Technologien entsprachen. Nein, nicht alle haben das geschafft – oh nein. Aber einige. Und diesen Menschen gab David Brooks dann ihren Namen.

Und die Realität?

Die meisten Bobos, die ich kenne sind vom Land in die Stadt gezogen. Nicht wenige entstammen kleinbürgerlichen Verhältnissen, aus denen sie ausbrachen. Die Stadt war nicht nur eine Gelegenheit, um auf die Uni zu gehen. Nein, es war der Platz, an dem man sich nicht mehr verstellen musste und brav Erwartungen erfüllen musste. Für den Vater mag das 14-Monatsgehalt mit unkündbarer Stelle bei der Post, beim Raiffeisen-Verband oder im Lagerhaus noch gereicht haben. Aber diese Stellen gab es nicht mehr, wurden sie doch allesamt von der älteren Generation festgehalten – und nicht hergegeben. In der Stadt konnte man moralische Kleinbürgerlichkeiten hinter sich lassen, offen schwul, offen lesbisch, offen tolerant leben. In der Stadt lernte man die neuen Perspektiven und die Vielfalt kennen, die Migranten und Migrantinnen, oder als Hetero auch mal die Lesben- und Schwulenszene. Und man fand es toll in der Stadt zu leben! Zurecht.

Währenddessen aber ist die Mutter, die alleine zu hause blieb um für die Kinder zu sorgen, Witwe geworden und kämpft plötzlich mit einer Mindestrente. Die Kinder, die die Bobos mittlerweile in die Welt setzten, beginnen nun auch ein Studium und sind noch verunsicherter, als es ihre „Bobo-Eltern“ in den frühen 90-er noch waren.

Und seit 2008 wären diese Menschen also, die sich ein freies Leben in den Innenstädten gönnen, für Elend und Armut verantwortlich? Der Begriff Bobo wird heutzutage fast nur noch mit schicken Städtereisen, Florentiner Kartoffeln, schickes Essen, schicke Kleidung und innerstädtisches Flair assoziiert. Ich jedenfalls finde es nicht schlimm, wenn sich Menschen ein Stück Freiheit gönnen, und ab und zu ein Stückerl Luxus. Würde ich jedem gönnen!

Aber zu glauben, urbane Menschen zwischen 35 und 45 hätten keine Ahnung von Armut und sozialen Problemen, haben selbst keine Ahnung. Denn wenn ich mich so umhöre, haben nahezu alle so genannten Bobos in meinem Umfeld irgendwo Wurzeln, die alles andere als Glamour und Schickimicki sind. Sie sind sich nie sicher, ob sie sich ihre Wohnung noch lange leisten können, arbeiten immer noch als Einzelunternehmer_innen oder hanteln sich von Projekt zu Projekt und haben verdammt wenig Sicherheitsnetz unter sich. Und ihren Familien.

Ich bin kein Bobo. Ich kenne Armut. Ich erlebe sie in der eigenen Familie. Und ich wohne trotzdem in der Stadt, als selbstbewusster schwuler Mann, der Freiheit, seine Wohnung, das offene Leben der Stadt genießt, sich hin und wieder ein kleines Luxus-Zuckerl im Leben gönnt, Glück mit einer politischen Karriere hatte, sich gleichzeitig ein kleines Unternehmen gründete, und der woanders gar nicht frei leben könnte. Ihr könnt mich nennen, wie ihr wollt, aber mich selbst als Bobo bezeichnen? No way! Wenn der Begriff ausschließlich mit einem glamourösen urbanen Leben assoziiert wird, dann ist er einfach grundfalsch und bezeichnet eine Gesellschaft, die es so nie gab. Ich werden den Begriff jedenfalls nicht mehr anwenden. Sozusagen ein Neujahrsvorsatz 2012. Einfach weil er hinten und vorne nicht mehr stimmt. Sollte er überhaupt je gestimmt haben.

Bundesrat 15.12.2011. Die Reden

Ich wurde emotional. Wenn man über Auschwitz-Birkenau redet, und weiß, dass Burschenschafter am Gedenktag der Befreiung des Vernichtungslagers in der Hofburg tanzen und da viele Freiheitliche dabei sein werden, ja dann wird man emotional.

Restaurierung Auschwitz-Birkenau / Abrechnung mit FPÖ und WKR-Ball

Das ehemalige Vernichtungslager und nunmehrige Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau muss dringend restauriert werden. Österreich trägt dazu bei und wird zugleich die österreichische Ausstellung vor Ort neu gestalten, begleitet vom Nationalfonds.

Bezeichnend: Kein einziger FP-Abgeordneter meldete sich zu Wort, sprach aber zugleich zu gut jedem anderen Punkt bei der Sitzung. Obwohl sie dafür stimmte, kritisiere ich Teile der FPÖ, die ständig am Gedankengut des Nationalsozialismus streifen. Und manche davon tanzen am 27.1. am Burschenschafter WKR-Ball – dem Tag an dem die Überlebenden von Auschwitz gedenken, denn an diesem Tag wurde 1945 Auschwitz befreit.

Medientransparenzgesetz

Eine Überraschung. Es brauchte zwar einen Skandal rund um ÖBB-Inserate seitens des damaligen Verkehrsministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Werner Faymann und Begünstigungen für Boulevard-Medien seitens vieler Politiker_innen, aber jetzt wurde der Unfug überraschend gut neu geregelt. Hier erkläre ich warum.

Rundfunkgebühr / ORF-Gesetz

Das ORF- bzw. Rundfunkgebühren-Gesetz wurde so abgegeben, dass auch analoge Geräte, die eventuell einmal digital empfangen können, es aber derzeit nicht können, auch wenn der Besitzer oder die Besitzerin das gar nicht beabsichtigen, trotzdem ORF-Gebühren bezahlen müssen, obwohl diese analogen Geräte eh nichts mehr empfangen können. Unlogisch? Eben!

Bundesdienstrecht

Auch die Bundesbediensteten brauchen ein Recht. Die Novelle ist gut gelungen. Sowohl frauenpolitisch als auch für Praktikanten und Praktikantinnen, denn das Ausbeuten von Letzteren wird mit diesem Gesetz abgeschafft. Auch die Generation Praktikum bekommt im Bundesdienst nunmehr eine Abgeltung.

Bundesvergabegesetz

Wenn der Bund Aufträge zu vergeben hat, dann muss man sich das genauer anschauen. Gerade im Bereich Verteidigung, wo es nur einen Käufer – nämlich den Staat – und viele Firmen mit vielen Lobbyisten gibt.

Bundesrat 1.12.2011. Die Reden.

Der Bundesrat am 1.12.2011 fand am Welt-Aids-Tag statt. Deshalb trug ich nicht nur eine Rote Schleife, sondern ging auch in einer meiner Reden darauf ein.

Moderner Föderalismus

Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller kam in den Bundesrat um über „modernen Föderalismus“ zu sprechen. Es war im Übrigen eine durchaus gute und substanzielle Rede! Hier trotzdem eine Kritik, allem voran an die in der Verfassung nicht verankerte und vollkommen intransparente „Landeshauptleutekonferenz“. Und ich musste zum ersten Mal den Pult hochstellen, was durchaus zu Problemen führte. 🙂

Budgetdebatte, Schuldenbremse und die Vermögenssteuer

Das Budget kommt nie in den Bundesrat, dafür aber das Budgetbegleitgesetz. Trotzdem eine Gelegenheit zur Schuldenbremse, zur Eurokrise und zu einer Vermögenssteuer zu sprechen.

Bericht der Volksanwaltschaft 2010

Die Volksanwält_innen legten ihren Bericht 2010 vor und dieser wurde im Bundesrat (in einer ausgezeichneten Debatte) diskutiert. Dazu erwähne ich Beispiele zum Fremden- und Asylrecht, zur Gewerbeordnung (Vorverlegung von Sperrstunden von Lokalen) sowie zum Blutspendeverbot von Homosexuellen – es war ja Welt-Aids-Tag an diesem Sitzungstag.