Heute im Gemeinderat 3 mit Faschismus-Sager und Komet

Nach Server-Problemen am Nachmittag eine etwas geballtere Ladung:

Integrationsdebatte: Wie leider zu erwarten sagt die FPÖ das, was sie immer sagt: Wie schrecklich die ZuwanderInnen sind, aber ohne Integrationskonzepte vorzulegen oder uns zu erklären, warum sie den Integrations- und Deutschmaßnahmen immer wieder ablehnen. Maria Vassilakou erklärt warum die Niederlassungsbegleitung (ein grün-rotes Projekt) so wichtig ist – auch um die demokratischen Spielregeln und die Menschenrechte zu erklären. Gleichzeitig auch um die Chancen zu erhöhen, sich zu integrieren, nämlich etwa mittels Deutsch- und  Alphabetisierungskurse. David Ellensohn macht auf die vielen rechtsradikalen Aussagen der FPÖ aufmerksam. Unpackbar und skandalös die Replik von Gudenus jun. (FPÖ): „Der Faschismus von heute ist antifaschistich!“ Das ist aus meiner Sicht eine unentschuldbare Aussage. Sich gleichzeitig als Faschist zu bezeichnen, um sich dann wieder (scheinbar) zu distanzieren, sollte in einem Wiener Gemeinderat nicht akzeptiert werden. Nach einer Sitzungsunterbrechung erhielt Gudenus einen Ordnungsruf. Es entfaltet sich eine Reihe an Debattenbeiträge. Auf zumeist niedrigem Niveau.
Der Akt zu Kreativwirtschafts-Förderinitiative „departure“ (tatsächlich erst der zweite Akt des Tages, obwohl es am Ende der Diskussion schon nach 16 Uhr ist!) wird zum Anlass genommen, noch einmal das Finanzgebahren der Stadt Wien zu besprechen. Wir sind also im Ressort Finanzen angelangt. Interessant, dass die SPÖ stolz darauf ist, diverse Verträge nicht offenlegen zu wollen. Ganz nach dem Motto: Wir wissen’s und schmecks. Die Grünen stellten u.a. einen Antrag zu einem Konjunkturpaket, der auf Zuweisung gestellt wurde und so auch einstimmig angenommen wurde. Ob das Konsequenzen hat werden wir aber erst sehen.

Die Tagesordnung ist lang, also kann ich nicht auf alles im Detail eingehen. Interessant aber ein Antrag meiner Kollegin Ingrid Puller – selbst Straßenbahnfahrerin. Sie beantragt, dass die Autobuslinie 13A in eine Straßenbahnlinie umgewandelt werden soll. Der in den Ausschuss zugewiesene Antrag wurde ohne den Stimmen der FPÖ zugestimmt. Naja, vielleicht wird das ja was?

Aber nun „mein“ Ressort Kultur:

Die ÖVP und Grüne haben gemeinsam einen Antrag gestellt: Das Schikaneder- und Top-Kino hat um Unterstützung des Vienna International Human Rights Film Festival angesucht. Dieses wurde – zumindest bisher – vom Stadtratbüro Mailath-Pokorny abgelehnt. Der Antrag wurde jedoch auf Zuweisung in den Kulturausschuss einstimmig angenommen! Wäre schön, wenns doch klappen würde! Immerhin wurden die Menschenrechte vor genau 60 Jahren gültig!

Eine merkwürdige Debatte betraf der Scheibmaier GmbH, dem Wiener Operettensommer, der dieses Jahr unter dem Titel „Wien, wie es singt und lacht!“ steht. Ich musste einfach zwischenrufen, dass das normalerweise in Mainz passiert… Die GmbH ist eine von der SPÖ abhängige Unterstützung und dementsprechend stimmten auch alle Oppositionsparteien dagegen. „Unverfroren“ nannte meine Kollegin Marie Ringler die Subvention in die eigene rote Tasche zurecht.

Eine weitere Debatte betraf einer Umwidmung von Baukosten des Kabelwerks. Die ÖVP kritisiert die Umwidmung von Betriebsgelder für Baukosten. Das stimmt auch, wie ich in meiner Rede darstellte, aber diesen Akt nun abzulehnen hätte die Folge, dass es im neuen Stadtteil Kabelwerk und Umgebung lange kein Kulturbetrieb geben würde. Deshalb stimmten wir mit Bauchweh zu.

Es folgt das Ressort Wohnbau und Stadterneuerung mit einigen kurzen Debatten, gefolgt von Stadtentwicklung und Verkehr.
Im letzten Ressort noch eine lebhaftere Debatte zu den Kometgründen in Meidling mit planerischen Auswirkungen bis in den 15. Bezirk. Sabine Gretner begrüßt die interessierten AnrainerInnen auf der BesucherInnengalerie. Gretner betont, dass es sich um eine Fehlplanung handelt. So handelt es sich um ein Glaspalais, das nicht einmal mehr EU-Regeln enspreche. Zurecht seien die AnrainerInnen dagegen. Diese waren auf der Galerie, warfen Flugzettel runter und wurden von der Galerie verwiesen.

Es folgte danach die vertrauliche Sitzung und um 20:52 Uhr war es aus. Ich hoffe, der Bericht war eingermaßen interessant.
 

Heute im Gemeinderat 2 mit Finanzkrise und Abschieden

Martin Margulies (Grüne) beginnt die Aktuelle Stunde mit dem Titel Finanzkrise trifft Wien: Millionenverluste durch risikoreiche Finanzgeschäfte.

Die Wiener Stadtwerke haben 1,3 Milliarden € in Fonds veranlagt. Die Fonds haben gewaltige Verluste zu verzeichnen, wie Margulies im Detail darstellt. Es könnte der Stadt bis zu 100 bis 120 Mio € kosten – und in diesem Zusammenhang sieht auch die Gaspreiserhöhung anders aus. Im Kontrollausschuss wurde nie Auskunft gegeben, wie hoch der Verlust tatsächlich ist, weil man eine Antwort verweigerte. Auch Fremdwährungskredite sind der Stadt nicht fremd (ca. 60 Mio €). Die Cross Boarding Leasing-Verträge der Stadt Wien sind bereits kommuniziert worden. So gehört ja etwa das Wiener Kanalnetz sowie die Straßenbahnen US-amerikanischen Investoren gehören. Margulies bittet die SPÖ um wahrheitsgemäße Angaben, um gemeinsam die drohende Finanzkrise bewältigen zu können. Die Karten nicht offenzulegen ist zum Genieren.

Maria Vassilakou warnt davor, die Krisenzeit nicht für Sündenbockpolitik gegenüber MigrantInnen zu missbrauchen. Die SP wirft Nebelscheinwerfer an, um das wahre Ausmaß zu verschleiern. Die SPÖ findet unbelehrbarerweise wieder, dass wir die Stadt schlecht reden und verunsichern die Leute. Das ist ungeheuer, weil gerade in diesen Zeiten bieten die anderen Parteien der SPÖ ein gemeinsamen Vorgehen an, damit wir alle zusammenhalten. Die SPÖ will aber nicht.

Dann wird es feierlich. Gemeinderatsvorsitzender Gottfried Schuster verabschiedet sich von den Ausgeschiedenen. Er würdigt auch die Grüne Alev Korun, die in den Nationalrat einzieht. Er meint, ihr Engagement sei wichtig für alle! Unsere neue Gemeinderätin Eva Lachkovics wurde angelobt, wie die zwei anderen Neuen. VP-Stadträtin Cortolezis-Schlager hält im Übrigen eine Abschiedsrede, denn auch sie wird in den Nationalrat wechseln. Allerdings noch nicht ganz, denn ihre Nachfolge wird noch geklärt.

 
 

 

Heute im Gemeinderat 1 mit Che Guevara, einer Seestadt und Prater-Dome

Auch der heutige Gemeinderat beginnt mit einer kurzen Gedenkminute für den Altbürgermeister Helmut Zilk.
Die Fragestunde (immer eines der spannendsten Punkte, weil aktuelle Geschehnisse behandelt werden können) wird mit einer Anfrage von Susanne Jerusalem (Grüne) zu mobilen Schulklassen (die berühmten Containerklassen) begonnen. Hoch (VP) fragt Bgm. Häupl, warum er ein Denkmal für Che Guevara enthüllt hat. Besonders perfid die FPÖ: Sie fragt, warum Häupl einen Massenmörder unterstützt – ausgerechnet die Partei die HC als Che Guevara verkauft und auf T-Shirts druckt. Rüdiger Maresch erinnert die ÖVP an ihr Dollfuss-Bild in ihrer Parteizentrale. Lustig seine konkrete Frage: „Wie sehen Sie die Person Che Guevara in Zusammenhang der Freiheitsbestrebungen der Länder im Süden?“ Häupl meint, dass das natürlich im direkten Wirkungsbereich der Stadt Wien läge…

Besonders „kritisch“ (ähem) – wie immer – die SP-Anfragen an die eigene Stadträtin – in diesem Fall Brauner. Sie doziert über den neuen Stadtteil, die so genannte „Seestadt Wien Aspern“. Brauner meint: Aspern widerspiegelt die Zukunft Wiens (Ich wusste ja noch nicht, dass unsere Finanzstadträtin über eine Zeitmaschine verfügt und das weiß).
Aber sehr spannend: Neben dem Gemeinderatssitzungsaal ist eine kleine Ausstellung zum neuen Stadtteil Aspern. Meine Kollegin Susi Jerusalem und ich haben uns das gleich angeschaut und erklären lassen und daher – zugegeben – die vierte mündliche Anfrage (FP an Häupl über Drogenkonzept am Karlsplatz) verpasst.

Sabine Gretner (Grüne) stellt die letzte Frage, da sie sich wundert, dass die Eröffnung des Prater-Dome mit einer Sondergenehmigung über die Bühne ging, da es noch keine Betriebsanlagengenehmigung für die Diskothek gab. Häupl weist das zurück und meint eine Behörde hätte eine solche Genehmigung ausgestellt und nicht er – und zwar als Veranstaltung! Aber auch die ÖVP glaubt das nicht, und will wissen, ob es nicht bewusst beschleunigt wurde. Die FPÖ macht auch darauf aufmerksam, dass es den Prater-Dome als Betrieb noch gar nicht gäbe. Häupl: Es fällt alles unter dem Veranstaltungsgesetz, und daher ist im Moment alles rechtens. Die Zukunft kennt man noch nicht, und das entscheidet auch die Behörde und nicht der Bürgermeister. Gretner (Grüne) stellt also zurecht fest: Jede Disco, die keine Betriebsanlagengenehmigung hat, darf nach Veranstaltungsgesetz ansuchen… Tatsächlich eine erstaunliche Erkenntnis.

Es geht weiter mit der Aktuellen Stunde und das Thema kommt von uns, den Grünen: Finanzkrise trifft Wien: Millionenverluste durch risikoreiche Finanzgeschäfte. Dazu in Teil 2 dann mehr.
 

Heute im Landtag Teil 4 – Weihrauch & Myrrhe

Der Rest der Sitzung ging Ruckizucki. Das Wiener Pflegegesetz wurde novelliert. Ebenso die Landarbeitsordnung 1990. Beides fand Zustimmung bei den Grünen zugestimmt.
Der letzte Tagesordnungspunkt hatte es aber wieder in sich: Der Wiener Umweltbericht 2006/2007. Es passierte das, was leider so oft passiert. Statt, dass die SPÖ sich unsere konstruktive Kritik anhört und unsere Vorschläge aufnimmt, gibt es als Antwort stattdessen immer nur: Wir sind so toll! Die Stadt ist so großartig! Danke, SPÖ, Danke, Danke und null Inhalt. So diesmal der SP-Abgeordnete Nevrivy. Das verursachte aber bei den Grünen noch Stimmung. Auf weißen Zetteln markierten wir groß Danke und zeigten es hoch. Unser Umweltsprecher Rüdiger Maresch sprach von „Weihrauch und Myrrhe“. Besser kann man es kaum ausdrücken. So lassen sich die SP-Reden am besten zusammenfassen. Bei manchen Reden glaubt man ja wirklich, man befindet sich noch in der DDR und nicht in einer modernen Republik…
Wir lesen uns morgen wieder – Live aus dem Gemeinderat.

Heute im Landtag Teil 3 – Gesundheit & Soziales

Der erste Akt im Landtag ist der Bericht der Patientenanwaltschaft.  Und ich darf den Großteil der Debatte von oben beobachten, denn ich bin Schriftführer. Es ist eine übliche Gesundheitsdebatte. Die Opposition – allem voran die Grüne Sigrid Pilz – deckt Missstände auf. Die SPÖ negiert und meint, es sei alles super. Ein weiterer Teil der Debatte widmet sich der Drogensucht. Gudenus jun. (FP) will die Szene weg vom Karlsplatz, sagt uns aber nicht, wohin mit den Menschen.

Bei meiner Schriftführung konnte ich mir (endlich) die neuen Namen der beiden Abgeordneten der FPÖ und der SPÖ anschauen, und wie man sie richtig schreibt. Also: Herbert Eisenstein ist für die FPÖ eingezogen und ist aus Simmering. Er ist Univ.-Prof. für Arabistik! Das wird ja interessant, wie ein Arabistik-Professor die Islam-Debatte der FPÖ führen wird. Wenn er sie denn führt…
Zum Nachfolger von Johann Hatzl habe ich übrigens noch nichts gefunden. Ich weiß nur, dass er ebenfalls aus Simmering ist und Ernst Holzmann heißt.

Der nächste Akt ist eine Novelle des Wiener Sozialhilfegesetzes. Diese werden die Grünen ablehnen. David Ellensohn kritisiert in seiner Rede, dass Daten erhoben in einem noch nie dagewesenen Ausmaß gesammelt werden. Es gibt nicht nur einen Überwachungsstaat, sondern auch eine Überwachungsstadt.

Heute im Landtag Teil 2 – Der neue Präsident

Nachtrag zur Fragestunde: Maria Vassilakou fragte, ob die Opposition in eben solchen Fragestunden zukünftig auch Fragen zu ausgegliederten Unternehmungen wird stellen dürfen. Aus Beispiel nannte sie etwa Straßenbahnführungen bei den Wiener Linien. Und siehe da: Häupl meinte „er könne dem etwas abgewinnen“ und zeigte Gesprächsbereitschaft. Das brachte ihm Applaus der Grünen ein.

Nach der Fragestunde geht es weiter mit der so genannten „Aktuellen“. Das Thema kommt von der FPÖ (die im Radl dran ist und das Thema wählen durfte) und lautet: Gebührenlawine und soziale Kälte im roten Wien. Schock (FP) kritisiert die angekündigten Preiserhöhungen bei Strom und Gas.

Stadtrat David Ellensohn (Grüne) macht darauf aufmerksam wie verlogen die Debatte ist, wenn beispielsweise der ÖVP’ler Kopf härtere Maßnahmen gegen Arbeitslose fordert. Das ist soziale Kälte! Die ÖVP will das naturgemäß nicht so sehen. Tschirf (VP) meinte sogar, die Grünen hätten „das Thema verfehlt, denn die WienerInnen machen sich über etwas ganz anderes Sorgen“. Als ob es keine Arbeitslosigkeit gebe…
Aber nun die Wahl zum neuen Landtagspräsidenten.
Harry Kopietz steht zur Wahl. Das Ergebnis: 57 ja, 39 Nein, 0 ungültig (4 Abgeordnete sind entschuldigt). Das heißt er bekam nur 2 Nicht-SP-Stimmen. Kopietz nimmt die Wahl an.
Warum ich ihn nicht gewählt habe, bloggte ich bereits vor einigen Tagen HIER.
Seine ersten Worte sind gleich mit einem Hoppala über die Bühne gegangen. Er klingelte die Glocke (oder besser: Er wollte die Glocke klingeln), die fiel ihm aber runter. Und Häupl bedankt sich noch einmal bei Hatzl (das passierte in den letzten Sitzungen gefühlte 120 Mal) und dem neuen Kopietz wünscht er alles Gute.

Foto: Unsere neue Abgeordnete Eva Lachkovics, neben ihr Waltraut Antonov und dahinter Ingrid Puller. Der leere Sitz neben ihr ist der meine. Und da konnte ich nicht sitzen, weil ich ja das Foto machte… 

 

Heute im Landtag Teil 1 – Abschied von Zilk.

Landeshauptmann Michael Häupl erinnert an Helmut Zilk und betont seine ganz besondere Persönlichkeit zwischen Zuhören und Konfliktbereitschaft, seinen offenen Augen und seine besondere Vorliebe für das Detail. Häupl erinnert sich etwa, als Zilk sich einmischte um das Orange der MA 48 auszusuchen und wie wichtig ihm das war. Oder als er eine Straßenbahn aufhielt, um mit dem Fahrer zu diskutieren, ob hier nicht eine Haltestelle notwendig sein.

In einer Gedenkminute erinnern wir uns an Helmut Zilk.

Im Übrigen gibt es seit heute drei neue Abgeordnete im heutigen Landtag! Neben den Nachfolgern von dem in den Nationalrat gewechselten Harald Stefan (FP) und dem in Pension gegangenen Johann Hatzl (SP) ist auch die Grüne Alev Korun in den Nationalrat gewechselt. Ihre Nachfolgerin ist Eva Lachkovics. Und ich heiße natürlich auch an dieser Stelle meine neue Kollegin herzlich willkommen.

Aber nun geht es mit dem Landtag weiter:
In der Fragestunde geht es unter anderem um mehr Demokratie und BürgerInnenbeteiligung (ÖVP an Häupl), um die Auswirkungen des neuen Bundes-Jugendwohlfahrtgesetzes auf Wien (FPÖ an Laska), Minderheitenrechte bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüsse (Meine Grüne Kollegin Waltraut Antonov an Häupl), Reform des Fragrechts (ÖVP an Häupl) sowie eine Frage zum Rechnungshofbericht zum Wiener Pflegegeldgesetzes (FPÖ an Häupl).
Ob meine 6. Frage an Häupl drankommt – nämlich was die Stadt zur Sanierung jüdischer Friedhöfe unternommen hat – ist noch unklar, aber wohl eher nicht.

Foto: Die heutige Landtagssitzung steht zu Beginn ganz im Zeichen der Erinnerung an den Altbürgermeister, Altlandeshauptmann und Altkulturstadtrat Helmut Zilk. 
 

Kornblumen im Nationalrat.

Sehr interessante Links zum Thema Kornblume gibt es heute auf Helges Blog HIER. Wäre es bei der FPÖ aber bloß beim Tragen der Blume, die großdeutsches und antisemitisches Gedankengut symbolisiert, geblieben. Nein, die Damen und Herren im Nationalrat hatten kein Problem damit ein Mitglied einer rechtsextremen Burschenschaft zum Dritten Nationalratspräsidenten zu wählen.
Und das ist für mich wirklich das Empörendste! Dass die FPÖ reihenweise Burschenschafter in ihren Reihen hat, die sich als deutsche Volksgenossen empfinden und mit nationalsozialistischem Gedankengut ganz gut leben können, ist sattsam bekannt und traurig genug. Aber dass Abgeordnete der staatstragenden und der Republik eigentlich verpflichtenden Parteien SPÖ und ÖVP kein Problem damit haben, solch einen Mann in eine staatstragende Rolle zu wählen, ist mir unbegreiflich.
Heute fällt es mir schwer zur Tagesordnung überzugehen. Die Wahl Martin Grafs, aber vor allem das achselzuckende Hinnehmen von rechtsextremen Gedankengut im österreichischem Nationalrat erfüllt mich mit Sorge. Großer Sorge!
Wohin dieses Gedankengut auch führt, wurde heute auch deutlich. Nicht einmal mehr geheim wählen scheint man zu dürfen: Wahlkuverts werden markiert! Das ist ein Angriff auf die Demokratie, denn die geheime Wahl ist etwas, wofür in anderen Ländern noch immer ums Leben gekämpft wird. Und hier einst gekämpft wurde…

Warum ich Harry Kopietz sicher nicht zum Landtagspräsidenten wählen werde.

Übermorgen, Mittwoch, ist Landtagssitzung. Der bisherige erste Landtagspräsident Hatzl geht in Pension. Die SPÖ hat bereits einen Nachfolger nominiert: Harry Kopietz. Welche Qualifikation er für diesen Job mitnimmt ist mir schleierhaft. Ich werde ihn sicher nicht wählen und habe mehrere gute Gründe (reine Parteipolitik statt Wienpolitik, Gewista-Monopol, Freunderlwirtschaft bei der Szene Wien, Donauinselfest-Erfinder, der sich das Fest aber aus dem Kulturbudget finanzieren lässt obwohl es reine Parteiwerbung ist, usw…).
Einen Grund möchte ich aber hier hervorheben. Denn ein Landtagspräsident sollte doch die Arbeit im Landtag lieben und leben. Würde man meinen…
Ein Landtagspräsident entscheidet welche Anfragen, Anträge, usw. zugelassen werden. Er organisiert eine Sitzung. Dabei muss er einerseits auf die Geschäftsordnung achten, andererseits politisch durchaus freizügig sein, und bei dem ein oder anderen Antrag auch mal zulassen, auch wenn’s nicht gerade in die Tagesordnung passt. Hatzl machte das immer ausgezeichnet! Sonst kann die Opposition im Landtag genau nichts mehr machen. Daher ist es auch wichtig, dass ein Präsident die Arbeit des Landtags liebt!
Interessant, wenn wir auf wien.gv.at unter Politik ein Suchmuster anlegen und nach den Aktivitäten Harry Kopietz in dieser Legislaturperiode suchen. Es gibt nämlich genau drei Vorgänge in dieser Legislaturperiode. Einmal als Antragsteller eines Antrags zur Entlastung der Einkommen im August 2008, ein Mal als Redner am 25.1.2007 zur Frage der Anzahl der PolizistInnen in Wien und ein Mal als Redner am selben Tag zur Wahl eines Stadtrats/einer Stadträtin – und alle drei Vorgänge fanden im Gemeinderat statt.
Debattenbeiträge, Anfragen, Antragsstellungen oder sonstige Aktivitäten von Harry Kopietz im Wiener Landtag seit November 2005: NULL!
Wie soll ich denn bitte – als erst im November 2005 angelobter Abgeordneter zum Landtag – einen Mann wählen können, der in diesem Gremium, dem er nun vorstehen will, nichts, aber auch gar nichts geleistet hat? Wie soll ich eine Arbeit bewerten, die nicht vorhanden ist?
 

Zilk.

Helmut Zilk war mehr als ein Bürgermeister. Er liebte Wien so sehr, dass er sogar eine CD mit seiner Frau aufnahm. Titel des Tonträgers: Wien (siehe Foto). Und das war es auch, was Helmut Zilk ausmachte: Parteipolitisch war er schon, aber Wien war wichtiger. Deshalb sagte er einfach seine Meinung, auch wenn es den restlichen SozialdemokratInnen nicht in den Kram passte.
Als ich 1988 19-jährig aus dem Salzkammergut kommend nach Wien übersiedelte um zuerst zu kellnern (und das in einem Wiener Kaffeehaus mit dem Namen Museum!) und dann zu studieren, war Helmut Zilk bereits Bürgermeister. Und er gehörte irgendwie hierher wie der Steffl und das Riesenrad. Zilk war Wien.
Mir sind seine Verdienste als Journalist und Unterrichtsminister altersbedingt nicht so in Erinnerung, obwohl ich weiß, dass er sich bei den TV-Berichten zum Prager Frühling besonders stark machte und als ORF-Unterhaltungschef auch gerade deshalb 1968 den tschechischen Künstler Karel Gott als österreichischen Vertreter zum Eurovision Song Contest in die Royal Albert Hall nach London schickte.
Die SPÖ könnte von Männern eines zilkschen Formats viel lernen. Wenn ich manchmal heute durch die Reihen meiner roten KollegInnen schaue, empfinde ich eher eine große Leere. Kaum Menschen, die mit eigenen Ideen, querdenkenden Geistern oder sonstwie überraschen. Es kommt immer zuerst die Partei, braves abnicken, dann lange nichts und dann erst Wien.
Zilk kann da als Vorbild dienen. Wien muss dankbar sein. Ich bin es jedenfalls. Meine Anteilnahme gilt natürlich vor allem seiner Frau Dagmar Koller, die ich einst für das Schwulenmagazin Bussi interviewen durfte. Und Zilks Einsatz für den Life Ball werde ich im Übrigen auch nicht vergessen, wie sein Einsatz für das jüdische Wien. Letzteres bescherte Zilk das Briefbombenattentat. Auch das sei in diesem Zusammenhang nicht vergessen, denn das unterscheidet ihn wesentlich von einem anderen neulich verstorbenen Spitzenpolitiker…