Alles Walzer! Der Flashmob mit Wiener Blut.

Wiener Blut ist vor allem eines: Ein schöner Walzer von Johann Strauß Sohn. Aus einer Zeit, als ein interkulturelles und buntes Wien so richtig begann und Wien sich zu einer Weltmetropole entwickelte – mit vielen Sprachen und bunten Menschen. Das was Wien ausmacht eben.*Gemeinsam mit Hikmet Kayahan von Das Bündnis habe ich daher eine Idee geboren: Lassen wir das bunte und vielfältige Wien doch mal Walzer tanzen! Auf Wiener Blut natürlich. Und das eine hakbe Stunde bevor die FPÖ ihren Wahlkampf in der Lugner-City beginnt.Ort: Urban Loritz Platz, 1150 Wien(Ausgang U6)Zeit: 2. September 2010, 17:30 (pünktlich!)Seid dort! Wenn die Walzerklänge beginnen einfach eure Partnerin oder Partner nehmen (oder den oder die nächste schnappen) und walzer tanzen. Dauer: Circa 10 Minuten.Ich freue mich auf euch!*kleine historische Anmerkung: Wiener Blut wurde kurz vor dem Tod von Johann Strauß Sohn auch zu einer Operette. Librettisten waren die Juden Victor Léon (eigentlich Victor Hirschfeld) aus Bratislava und Leo Stein aus Lemberg, Ukraine. Ohne Zuwanderung, kein Wiener Blut!

Wenn eine Partei eine "Islamistenpartei" ist, dann die FPÖ

Michael Häupl und HC Strache werden sich vermutlich sehr freuen, haben sie doch ihr gewünschtes (und absurdes) Duell um Wien ausgerechnet bei der Frage, ob denn die SPÖ eine „Islamistenpartei“* sei, wie die FPÖ meinte. Häupl verlangte heute eine Entschuldigung.Absurd sind beide Äußerungen, aber nehmen wir doch einfach einmal an, man dürfte doch irgendeine Partei hier in der Stadt eine „Islamistenpartei“ nennen. Ich würde diesen zweifelhaften Award ohne zu zögern der FPÖ geben.Warum?Wer als Migrant oder Migrantin nach Wien kommt, wird in diesen Jahren Anderes erleben, als etwa die so genannten „Gastarbeiter“ es in den 70-er Jahren erfahren konnten. Damals dachte man noch, dass die eh wieder alle zurück gehen und man brauchte sie ja gerade irgendwie. Die FPÖ hat aber seit über zwei Jahrzehnten ein Klima der Feindseligkeit geschaffen. Dieser Feindseligkeit haben sich große Teile der ÖVP (Fekter!) angeschlossen. Aber auch die SPÖ meint, der FPÖ hinterher hinken zu müssen und macht fleißig mit beim Beschließen von strengerem Fremden- oder Asylrecht.Das Klima, das sich wie ein Virus verbreitete – die „Ausländer“ seien an allem Schuld – führte zwangsläufig zu einem Besinnen auf andere Werte und andere Vorstellungen innerhalb der zugewanderten Communities. Warum soll ein junger Mensch, dem aufgrund seiner Herkunft keine Karriere ermöglicht wird, sich großartig bemühen, wenn die aufnehmende Gesellschaft ohnehin nur sagt, wie furchtbar diese „Ausländer“ nicht sind? Man kann dies oft sogar bei der 2. Generation beobachten. Die Identitätssuche junger Migrant_innen kann daher von radikalen Kräfte missbraucht werden. Im Grunde treibt die FPÖ junge Menschen in die Fänge dieser radikalen Kräfte. Denn sie hat dieses Klima zu verantworten.Die FPÖ braucht zudem die von ihr als „Parallelwelten“ bezeichnete Gesellschaft. Die FPÖ braucht mehr Kopftücher, Schleier, nicht deutsch sprechende Menschen, um auf diese zeigen zu können: Sehr her! Wir haben es immer gesagt! Sie braucht die Migrant_innen für ihre Stimmenmaximierung. So erklärt sich ja auch, dass die FPÖ absurderweise Plakate wie „Deutsch statt nix verstehen“ affichiert, aber im Gemeinderat nahezu jeden Deutschkurs oder Sprachoffensive ablehnt. Sie will nur Prozente, sonst nix. Mit Politik hat das jedenfalls nichts mehr zu tun.(Weiterführender LINK: Blogbeitrag vom 9.6.2009 „Warum eine FPÖ-Stimme mehr Migration bedeutet.“)Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Was wären also die geeigneten Maßnahmen, um eine (übrigens sehr sehr kleine!) Minderheit der Migrant_innen vor den Fängen von radikal-islamistischen Strömungen zu beschützen?Es kann nur bedeuten, Integrations- und Diversitätspolitik endlich ernsthaft anzugehen. Es ist eine harte Arbeit, aber sie MUSS gemacht werden, u.a.:Bildungschancen für alle, und keine Zwei- oder Drei-Klassen-Schulen, sodass bereits Sechsjährige die Arschkarte ziehen und nie eine Chance auf Karriere haben werden.Eine freundliche Aufnahme und Begleitung von Zugewanderten, denen alle Möglichkeiten und Bildungen angeboten werden, deren Qualifaktionen aus dem Herkunftsland anerkannt werden – aber denen auch Grundregeln von Menschenrechten, Demokratie und Gleichbehandlung nahegelegt werden.Die Chance begreifen, was Vielsprachigkeit einer Stadt bedeutet – für die Kultur und für die Wirtschaft!Die 2. und 3. Generation nicht als Migrant_innen sehen, sondern als unsere eigenen Wiener Kinder.Ich kenne kaum ein europäisches Land, in dem etwa beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen kaum Migrant_innen zu sehen sind. Warum wird die ZiB nicht von einem Menschen bosnischer Herkunft moderiert? Das ist dieses Klima, das ich meine – geschürt von der FPÖ, beschleunigt durch Krone-Leserbriefe und Fekterscher Innenpolitik (im Fall des nicht existierenden ZiB-Moderators auch verschuldet durch den ORF selbst), das sich in diesem Land auf widerwärtige Art festgesetzt hat.Zudem: Wer globale Migrationsströme verstehen will und dagegen etwas unternehmen möchte, wird nicht umhin können, unser Wirtschaftssystem und den Klimawandel zu berücksichtigen – und verstehen, dass hier der Grund fürMigration liegt. Die Kürzung von Hilfsgeldern für arme Staaten ist also auch nicht die Lösung, sondern bewirkt genau das Gegenteil. Erstaunlicherweise ist es wieder die FPÖ, die keine armen Regionen in der Welt Geld geben will. Was allerdings mehr globale Migration bedeuten würde.*Ich lege natürlich Wert darauf, hier festzuhalten, dass radikale Strömungen innerhalb des Islams eine kleine Minderheit ist. Das Pauschalieren, den Islam insgesamt als Böse zu bezeichnen (und andere Religionen auszusparen oder gar – siehe Holzkreuz – sie gegen den Islam zu benutzen) ist einfach falsch. Radikale Kräfte sind ein Problem, und dem gehört natürlich auch politisch begegnet.

Lass dich nicht fektern!

Vorratsdatenspeicherung, Überwachungsstaat, ein Polizeisicherheitsgesetz, das die Justiz ausschaltet: Österreich ist auf dem besten Weg, den metternichschen Polizeistaat wieder einzuführen, Bürger_innen sollen wieder stärker überwacht werden. Ein Erbe von 9/11 und den panischen Folgen.Andere EU-Länder wehren sich zurecht gegen die Vorratsdatenspeicherung. So hat das deutsche Verfassungsgerichtshof bereits einige Punkte bemängelt und Irland strengt ein Verfahren an. In Österreich scheint der Bundesregierung das Ganze aber ganz gut in den Kram zu passen. Kein Widerstand, sondern höchstens langsames Umsetzen. Leider aber auch wenig öffentliche Diskussion.Wir haben daher gestern ein Video präsentiert: Lass dich nicht fektern!Wir präsentierten das Video vor dem Innenministerium. Wo denn sonst? Hier das Video dazu:

Einladung: Sommergespräch am 19. 8., 19 Uhr im Museumsquartier

Über die bedauerliche Absage von Dr. Werner Müller habe ich hier bereits gebloggt. Ich bin aber glücklich, dass Markus Spiegel Zeit findet, um zu diskutieren! Er hat GiG Records gegründet und unter anderem Falco entdeckt. Viele werden ihn noch als Analyst in der ORF-Show Starmania in Erinnerung haben.
Er wird mit Peter Sunde, Mitgründer von The Pirate Bay und Flattr, Susanne Kirchmayr alias DJane Electric Indigo sowie Europa-Abgeordnete Eva Lichtenberger diskutieren.
Ich lade Euch nochmal herzlich zum Grünen Sommergespräch ein:
Donnerstag, 19. August, 19 Uhr, Hof 8 im Museumsquartier. Eintritt frei! ACHTUNG: Diskussion in englischer Sprache.

So sollte man Shared Space eher nicht einführen.

Wenn Sie im 5. Bezirk zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, kann das sehr verwirrend sein. Zum Beispiel zwischen Pilgramgasse und Gürtel.
Anfangs versteht man die Bodenmarkierungen noch ganz gut:

20 Meter weiter sieht es aber plötzlich so aus – und ja, das Foto entstand in dieselbe Fahrtrichtung:

Derjenige, der mir diese Fotos schickte (Danke, Rainer Jäger!), nannte den Weg Tempelhüpf-Weg. Leider ein gutes Beispiel, wie man Shared Space wohl nicht einführen soll.

Gemischte Wege sind nämlich nicht prinzipiell abzulehnen. Shared Space ist ein sicher spannendes Modell, wie Verkehr zukünftig gestaltet werden kann. Aber bevor man es einführt, sollte man das vielleicht es doch mal erklären – und vor allem: Was ist eigentlich mit den Fahrbahnen der Autos daneben? Da wird natürlich nichts geshared…

Warum sich der Fachverband der Film- und Musikindustrie weigert mit Peter Sunde zu diskutieren.

Ich habe mich schon sehr auf das Sommergespräch „Kunst im digitalen Zeitalter“ am 19.8. im Museumsquartier gefreut. Das tu ich übrigens immer noch! Immerhin suchte ich mir das Thema aus, schlug es den Grünen Wien vor und konnte es inhaltlich vorbereiten.Die geplante Gästeliste:Peter Sunde, Mitbegründer The Pirate Bay, Gründer von FlattrDr. Werner Müller, Fachverband der Film- und MusikindistrieSusanne Kirchmayr, DJane Electric IndigoEva Lichtenberger, Abgeordnete zum EuropaparlamentWolfgang Zinggl vom Nationalratsklub, um das Grüne Kultur-Flatrate Modell zu präsentieren.Unter anderem sagte mir – sehr spät – eben Peter Sunde zu. Peter Sunde war Mitbegründer von The Pirate Bay und gründete das Micropayment-System Flattr. Unter anderem sagte auch der Geschäftsführer des Fachverbands der Film- und Musikindustrie der Wirtschaftskammer, Dr. Werner Müller, zu. Zugegeben zu einer Zeit, in der noch nicht bekannt war, ob Peter Sunde teilnehmen würde oder nicht.Dr. Werner Müller sagte jetzt ab. Seine Begründung im vollen Wortlaut (mit Dank an Dr. Müller, dass ich die Begründung hier veröffentlichen darf):Sie haben mich freundlicherweise eingeladen, am Podium einer Veranstaltung des Sommergesprächs der Grünen über „Urheberrecht im digitalen Zeitalter“ teilzunehmen, wofür ich zugesagt habe.Am Freitag, den 6. August, wurde ich auf Anfrage über die Teilnehmer erstmals informiert und ich habe daher erst dann erfahren, dass Peter Sunde, ein verurteilter Mitbegründer des Bit Torrents-Download-Portals The Pirate Bay, an dieser Diskussion teilnehmen wird.Aus diesem Grunde möchte ich hiermit meine Teilnahme zurückziehen.Um Missverständnissen vorzubeugen: als Vertreter der Musik- u. Filmwirtschaft, in der Wirtschaftskammer scheuen wir nicht die Diskussion, natürlich auch nicht die mit „Andersdenkenden“; zuletzt wurde beispielsweise beim Musikwirtschafts-Symposium leidenschaftlich und kontroversiell diskutiert, gestritten und das auch mit expliziten Kritikern der derzeitigen Urheberrechtssituation im Bezug auf die neuen Auswertungsmöglichkeiten im Internet und die Flatrate als Deus ex machina für die als unlösbar angesehene Problematik der „Piraterie“ im Internet.Die Ansicht, das geltende Urheberrecht sei im Hinblick auf das „Digitale Zeitalter“ nicht mehr zeitgemäß, ist ja legitim und diskussionswürdig – und dass sich auch das Recht weiterzuentwickeln habe, steht ja grundsätzlich außer Zweifel und ist das Urheberrecht so wie jedes andere Spezialrecht in seinem gesellschaftlichen Umfeld zu diskutieren, in Zweifel zu stellen und gegebenenfalls zu adaptieren.Damit habe ich überhaupt kein Problem.Sehr wohl habe ich ein Problem, dass die Grünen einen strafrechtlich verurteilten Mitbegründer eines Portals zu einer Diskussion einladen – Menschen also, die sich mithilfe dieses Portals professionell und gewerbsmäßig am kreativen Schaffen der Urheber unrechtmäßig bereichert haben und sich – wie man den Aussagen seither entnimmt – trotz Urteils zu diesem Tun weiterhin bekennen.Um es in der Sprache der Fabel zu sagen : der Bauer diskutiert mit dem Fuchs nicht über die Sinnhaftigkeit von Hühnerställen.Oder etwas deutlicher:1) Der professionelle Diebstahl von immateriellen Eigentumsrechten fügt der Musik- u. Filmindustrie, den kreativen Urhebern und – Künstlern und Filmschaffenden enormen finanziellen Schaden zu und ist2) ein Grund, warum sich das Potential legaler Download-Plattformen für Audio- u. audiovisuellen Content noch nicht in dem Maße entwickelt hat, wie es möglich und wünschenswert wäre.3) Es gibt keinen Grund, im Internet einen rechtsfreien Raum zu sehen. Bei Themen, wie die Beschränkung von Kinderpornografie oder rassistischem Material , ist das auch weitestgehend gesellschaftlicher Konsens. Beim Schutz von immateriellen Eigentumsrechten ist dieser Konsens halt leider nicht so.4) Ist die Regulation des Internets weder unmöglich, noch die völlige Deregulierung gesellschaftlich wünschenswert. Nicht jeder Eingriff in das „Menschenrecht“ Internet ist mit der chinesischen Zensurkeule zu erschlagen.Das das Urheberrecht manchmal technisch in den Entwicklungen hinterher hängt – no na – ist keine Berechtigung zu professionellen Diebstahl am kreativen Eigentum anderer.In dieser Deutlichkeit müsste das auch dort gesagt werden und nachdem Herr Peter Sunde, ein Gast Ihrer Partei und letztlich ein Gast des Landes ist, hätte ich ihn als Teilnehmer des Podiums als solchen zu respektieren, was ich mir als Geschäftsführer des FAF aber auch des VAP- Verein für Antipiraterie – aber eben ersparen möchte.Sollten Sie Flatrate-Modelle diskutieren wollen, (was im Übrigen mit dem Thema oben aber nur am Rande zu tun hat, weil Flatrate Modelle grundsätzlich ja auch im geltenden Urheberrecht unter bestimmten Umständen möglich wären), bin ich dazu gerne bereit und das auch gerne in einen kontroversiellen Rahmen und mit kontroversiellen Diskutanten das, wofür Herr Sunde steht, halte ich für kein Kavaliersdelikt und lehne daher eine Diskussion mit ihm ab.Sollten sie den Text dem Publikum zugänglich machen wollen, tun Sie das – dann aber bitte in der Vollversion !mit freundlichen Grüßen,Dr. Werner MüllerNun ist die Haltung der Film- und Musikindustrie logisch, nachvollziehbar und bekannt. Gerade deshalb sah ich im Sommergespräch auch eine Möglichkeit, zwei sehr konträre Positionen miteinander diskutieren zu lassen – und auch darüber nachzudenken, was wir gemeinsam wollen. Zum Beispiel, dass Künstler_innen bezahlt werden. Offensichtlich ist aber die Feindschaft so groß, dass (noch?) nicht einmal miteinander geredet werden kann.Ich hätte es begrüßt, wenn der Fachverband seine Positionen beim Sommergespräch kundgetan hätte, es wäre ja eine gute Gelegenheit gewesen. Ich bedauere daher die Absage von Dr. Werner Müller sehr, und werde mich natürlich um Ersatz bemühen.Was ich daraus lerne? Dass die Zeit leider noch nicht reif ist, dass man offen – jeder mit jedem – über dieses Thema diskutiert, obwohl es so dringend an der Zeit wäre!

Wenn die FIFA einen Staat regiert.

Der Juni und die ersten 11 Juli-Tage dieses Jahres gehörten weltweit dem Fußball. Ich persönlich habe nichts dagegen. Im Gegenteil: Zum einen bin ich ja ganz persönlich (oranje eingefärbter) Fußball-Fan. Das aber wirklich besondere ist, dass man – während man sich ein Match ansieht – weiß, das im selben Augenblick Milliarden auf der Welt das gleiche tun. Fußball verbindet. Oder sollte es zumindest….
Ein Artikel in der niederländischen Zeitung de Volkskrant mit dem Titel Knien vor König Fußball schockierte mich aber doch. Die FIFA ist sich seiner globalen Bedeutung bewusst und agiert nicht mit Verantwortung, sondern mit noch mehr Kontrolle, Eigengeschäften – milliardenschwer – und knüppelt die Interessen der austragenden Staaten offensichtlich nieder. Hintergrund: Die Niederlande bewirbt sich mit Belgien um die Austragung der Fußball-WM 2018. Im Dezember dieses Jahres wird entschieden.
Der Artikel in de Volkskrant beginnt mit einer Beschreibung des 9. Juli 2018:

Wenn sein Flugzeug am Montag, den 9. Juli 2018 am Tag nach dem WM-Finale über die holländischen Polder aufsteigt, wird König Sepp sich wehmütig von seinem Reich verabschieden. Er wird zurückdenken an FIFAtanien, sieht das Volk im Stau stehen, während er mit seiner Limousine problemlos über die eigenen FIFA-Fahrspuren Richtung Stadion rauschen konnte.
Er sieht die Lokalwirte ihre niederländischen Bierwerbungen abmontieren, weil nunmal Budweiser der WM-Sponsor ist. Er denkt an seine umsatzsteuerbefreite Suite im Hotel Krasnapolsky, seine umsatzsteuerbefreiten Einkaufstouren im Kaufhaus Bijenkorf und seinen umsatzsteuerbefreiten Geschenke an König Willem-Alexander. Kichernd erinnert er sich an die SMS, die ihm der niederländische Premierminister gestern nach dem Schlusspfiff schickte: ‚Ein wunderbares Tournier, Sepp! Aber darf ich jetzt mein Land wieder haben?‘
Eine der Schlüssel einer erfolgreichen Bewerbung für die Austragung einer Fußball-WM sind die so genannten Government Guarantees. Die Garantien der (alten und demnächst abtretenden) niederländischen Regierung sind mittlerweile öffentlich geworden. Die Zeitung konstatiert: Die niederländische Regierung wird vier Wochen nicht stattfinden, Sepp Blatter eine Schattenregierung installieren:

Die FIFA zahlt an den niederländischen Fiskus keinen einzigen Cent. Auch in Südafrika war das so. Von den von der FIFA eingenommenen 1,5 Milliarden Euro wanderte kein Cent an den südafrikanischen Finanzminister und somit auch nicht an das südafrikanische Gemeinwohl. Umsatzsteuer zahlen die Fußball-Funktionäre (gibt es eigentlich auch Funktionärinnen? Ich gendere da mal lieber nicht) auch nicht: Nicht für das nette Gala-Diner, nicht für ihre Suites und Luxuszimmer, nicht für ihre Taxifahrten, für gar nichts. Dem niederländischem Fiskus entgehen dadurch geschätzte € 300 Millionen.

Das Kabinett hat der FIFA Investitionen versprochen: Für extra für die WM zu errichtenden Straßen und Bahnhöfe werden € 500 Millionen investiert. Dazu gehören auch eigene Straßenspuren für FIFA-Funktionäre, damit sie ungehindert von Stadion zu Stadion düsen können. Die Kosten zur Absicherung dieser Bahnen werden auf € 200 Millionen geschätzt.

Die Stadien benötigen auch Investitionen. Derzeitige Schätzung: € 900 Millionen. Darunter fällt auch das Olympia-Stadion in Amsterdam. Dieses wurde noch in den 1990-er Jahren verkleinert, da es niemand für größere Events nutzen wollte. Das Stadion in Enschede – das übrigens Grolsch Veste heißt, aber während der WM so nicht heißen darf, ist doch Budweiser Sponsor – muss auch erheblich vergrößert werden. Rotterdam soll überhaupt einen neuen Tempel erhalten.

Werbungen privater niederländischer Unternehmer_innen sind in einer Bannmeile rund um das Stadion verboten, außer es handelt sich um einen der großen Sponsoren. Diese Bannmeile ist aber nicht eine Meile. Sondern 2 Kilometer! Lokale, Supermärkte, Greißler, Geschäfte – mit anderen Worten: Die niederländischen Mittelschicht-Unternehmungen, die innerhalb der Bannmeile liegen, haben einfach Pech.

Ambush Marketing wird gesetzlich verboten. Man erinnere sich an die in Südafrika verhafteten niederländischen Fans. Es handelte sich um zwei Frauen, die im Stadion orange Kleidchen des Bierhersteller Bavaria trugen. Die Biermarke stand auf den Kleidchen drauf. Die Frauen wurden verhaftet. Fazit: Die niederländische Polizei muss ein Gesetz exekutieren – ein Gesetz, das ausschließlich im kommerziellen Interesse der FIFA liegt. Bezahlt werden diese Polizeibeamt_innen natürlich von niederländischen Steuerzahler_innen. Die FIFA zahlt aber keine Steuern, und somit auch nicht die tausenden Sicherheitsbeamt_innen, die notwendig sind.

Freilich führt die niederländische Regierung auch die positiven Effekte an: Eine Austragung ist großartig für das Image der Niederlande, würde junge Menschen anspornen, Sport auszuüben und würde der niederländischen Wirtschaft einen Stoß geben.
Die Stichting Economisch Onderzoek (SEO – zu deutsch: Stiftung ökonomische Forschung) hat gerechnet. Im wahrscheinlichsten Fall verliert die niederländische Wirtschaft geschätzte € 155 Millionen. Im schlimmsten Szenario wären es sogar € 1,1 Milliarden!
Wenn man all das liest, wünschte man der FIFA mal eine ordentliche Finanzkrise. Damit sie sich wieder um das kümmert, worum es geht: Um ein globales Fußballfest. Und ein austragendes Land soll Geld verdienen, Jobs schaffen, investieren – aber zum Nutzen der eigenen Leute und der eigenen Wirtschaft und nicht der FIFA.

Foto: Oranje-Bavaria-Kleidchen, laut FIFA illegal. Regierungen müssen bei WM-Bewerbungen garantieren, dass ihre Behörden die kommerziellen Regeln der FIFA exekutieren, obwohl die FIFA keinen Cent Steuer bezahlt.