So nicht, Frau Justizministerin!

Man würde ja meinen, die Politikerinnen und Politiker Europas hätten die ACTA-Lektion vom ersten Halbjahr 2012 gelernt: Verhandlungen, die im engeren oder weiterem Sinne mit dem Internet zu tun haben ohne Konsumentenschützer_innen, ohne Datenschutz-Expert_innen und ohne NGOs der Bürgerrechtsbewegung zu machen: Das geht einfach nicht. Undemokratische Vorgänge ohne alle Beteiligten am Tisch, ohne die Perspektive des freien und neutralen Internets, ohne Vertretung der Bürgerrechte hatten bei ACTA ganz klar verloren. Und zurecht europaweit zu Protesten geführt.

Unserer Justizministerin scheint das völlig kalt zu lassen. Die macht munter weiter, so als ob es ACTA nie gegeben hätte.

Beatrix Karl lädt am 11.12. zu einem Round Table, in der das Urheberrecht diskutiert wird. Was das bedeuten könnte, lässt Schlimmes befürchten: Vorratsdaten sollen gegen Filesharer verwendet werden, wie ein orf.at vorliegendes Arbeitspapier besagt (siehe hier) und Albert Steinhauser und der AK Vorrat bei einem kürzlich statt gefundenem Hearing im Justizausschuss heraushören durften. Eingeladen am 11.12. sind die Verwertungsgesellschaften und die Industrie. Das Konsumentenschutz-Mascherl trägt die Arbeiterkammer. Immerhin. Nicht eingeladen: Netzpolitische NGOs, Bürgerrechts-NGOs, usw.

Sollten die Befürchtungen tatsächlich begründet sein (noch sind die Ergebnisse der geplanten Novelle des Urheberrechts nicht endgültig bekannt), dann darf das Justizministerium mit heftigem Widerstand rechnen. Ich verspreche jedenfalls alles zu tun, um das gemeinsam mit den Grünen zu Fall zu bringen.

Ehrlicherweise erwarte ich mir von einer VP-Justizministerin nicht sehr viel, die schon oft bewiesen hat, dass ihr ein freies und neutrales Internet kaum ein Anliegen ist, und Bürgerrechte schon gar nicht. Die Industrie und viele Anwält_innen freuen sich vermutlich schon auf die Novelle und reiben sich die Hände, droht uns in Österreich eine ähnliche Abmahn-Industrie wie es bei unserem deutschen Nachbarn der Fall ist. Und sie dürfen am 11.12. dafür lobbyieren – ohne groß Einspruch zu erwarten. Einseitiger geht’s gar nicht!

Was macht aber die SPÖ? Wird sie sich dagegen stemmen? Wird sie mit der ÖVP verhandeln? Oder umfallen?

Ich finde Protestschreiben an die Justizministerin prinzipiell richtig. Ich finde aber auch, dass genau jetzt Druck auf die SPÖ ausgeübt werden muss. Denn ohne den Koalitionspartner kann Beatrix Karl genau nichts machen.

Sonja Ablingers Aussendung gefällt mir schon mal.

Warum sich der Fachverband der Film- und Musikindustrie weigert mit Peter Sunde zu diskutieren.

Ich habe mich schon sehr auf das Sommergespräch „Kunst im digitalen Zeitalter“ am 19.8. im Museumsquartier gefreut. Das tu ich übrigens immer noch! Immerhin suchte ich mir das Thema aus, schlug es den Grünen Wien vor und konnte es inhaltlich vorbereiten.Die geplante Gästeliste:Peter Sunde, Mitbegründer The Pirate Bay, Gründer von FlattrDr. Werner Müller, Fachverband der Film- und MusikindistrieSusanne Kirchmayr, DJane Electric IndigoEva Lichtenberger, Abgeordnete zum EuropaparlamentWolfgang Zinggl vom Nationalratsklub, um das Grüne Kultur-Flatrate Modell zu präsentieren.Unter anderem sagte mir – sehr spät – eben Peter Sunde zu. Peter Sunde war Mitbegründer von The Pirate Bay und gründete das Micropayment-System Flattr. Unter anderem sagte auch der Geschäftsführer des Fachverbands der Film- und Musikindustrie der Wirtschaftskammer, Dr. Werner Müller, zu. Zugegeben zu einer Zeit, in der noch nicht bekannt war, ob Peter Sunde teilnehmen würde oder nicht.Dr. Werner Müller sagte jetzt ab. Seine Begründung im vollen Wortlaut (mit Dank an Dr. Müller, dass ich die Begründung hier veröffentlichen darf):Sie haben mich freundlicherweise eingeladen, am Podium einer Veranstaltung des Sommergesprächs der Grünen über „Urheberrecht im digitalen Zeitalter“ teilzunehmen, wofür ich zugesagt habe.Am Freitag, den 6. August, wurde ich auf Anfrage über die Teilnehmer erstmals informiert und ich habe daher erst dann erfahren, dass Peter Sunde, ein verurteilter Mitbegründer des Bit Torrents-Download-Portals The Pirate Bay, an dieser Diskussion teilnehmen wird.Aus diesem Grunde möchte ich hiermit meine Teilnahme zurückziehen.Um Missverständnissen vorzubeugen: als Vertreter der Musik- u. Filmwirtschaft, in der Wirtschaftskammer scheuen wir nicht die Diskussion, natürlich auch nicht die mit „Andersdenkenden“; zuletzt wurde beispielsweise beim Musikwirtschafts-Symposium leidenschaftlich und kontroversiell diskutiert, gestritten und das auch mit expliziten Kritikern der derzeitigen Urheberrechtssituation im Bezug auf die neuen Auswertungsmöglichkeiten im Internet und die Flatrate als Deus ex machina für die als unlösbar angesehene Problematik der „Piraterie“ im Internet.Die Ansicht, das geltende Urheberrecht sei im Hinblick auf das „Digitale Zeitalter“ nicht mehr zeitgemäß, ist ja legitim und diskussionswürdig – und dass sich auch das Recht weiterzuentwickeln habe, steht ja grundsätzlich außer Zweifel und ist das Urheberrecht so wie jedes andere Spezialrecht in seinem gesellschaftlichen Umfeld zu diskutieren, in Zweifel zu stellen und gegebenenfalls zu adaptieren.Damit habe ich überhaupt kein Problem.Sehr wohl habe ich ein Problem, dass die Grünen einen strafrechtlich verurteilten Mitbegründer eines Portals zu einer Diskussion einladen – Menschen also, die sich mithilfe dieses Portals professionell und gewerbsmäßig am kreativen Schaffen der Urheber unrechtmäßig bereichert haben und sich – wie man den Aussagen seither entnimmt – trotz Urteils zu diesem Tun weiterhin bekennen.Um es in der Sprache der Fabel zu sagen : der Bauer diskutiert mit dem Fuchs nicht über die Sinnhaftigkeit von Hühnerställen.Oder etwas deutlicher:1) Der professionelle Diebstahl von immateriellen Eigentumsrechten fügt der Musik- u. Filmindustrie, den kreativen Urhebern und – Künstlern und Filmschaffenden enormen finanziellen Schaden zu und ist2) ein Grund, warum sich das Potential legaler Download-Plattformen für Audio- u. audiovisuellen Content noch nicht in dem Maße entwickelt hat, wie es möglich und wünschenswert wäre.3) Es gibt keinen Grund, im Internet einen rechtsfreien Raum zu sehen. Bei Themen, wie die Beschränkung von Kinderpornografie oder rassistischem Material , ist das auch weitestgehend gesellschaftlicher Konsens. Beim Schutz von immateriellen Eigentumsrechten ist dieser Konsens halt leider nicht so.4) Ist die Regulation des Internets weder unmöglich, noch die völlige Deregulierung gesellschaftlich wünschenswert. Nicht jeder Eingriff in das „Menschenrecht“ Internet ist mit der chinesischen Zensurkeule zu erschlagen.Das das Urheberrecht manchmal technisch in den Entwicklungen hinterher hängt – no na – ist keine Berechtigung zu professionellen Diebstahl am kreativen Eigentum anderer.In dieser Deutlichkeit müsste das auch dort gesagt werden und nachdem Herr Peter Sunde, ein Gast Ihrer Partei und letztlich ein Gast des Landes ist, hätte ich ihn als Teilnehmer des Podiums als solchen zu respektieren, was ich mir als Geschäftsführer des FAF aber auch des VAP- Verein für Antipiraterie – aber eben ersparen möchte.Sollten Sie Flatrate-Modelle diskutieren wollen, (was im Übrigen mit dem Thema oben aber nur am Rande zu tun hat, weil Flatrate Modelle grundsätzlich ja auch im geltenden Urheberrecht unter bestimmten Umständen möglich wären), bin ich dazu gerne bereit und das auch gerne in einen kontroversiellen Rahmen und mit kontroversiellen Diskutanten das, wofür Herr Sunde steht, halte ich für kein Kavaliersdelikt und lehne daher eine Diskussion mit ihm ab.Sollten sie den Text dem Publikum zugänglich machen wollen, tun Sie das – dann aber bitte in der Vollversion !mit freundlichen Grüßen,Dr. Werner MüllerNun ist die Haltung der Film- und Musikindustrie logisch, nachvollziehbar und bekannt. Gerade deshalb sah ich im Sommergespräch auch eine Möglichkeit, zwei sehr konträre Positionen miteinander diskutieren zu lassen – und auch darüber nachzudenken, was wir gemeinsam wollen. Zum Beispiel, dass Künstler_innen bezahlt werden. Offensichtlich ist aber die Feindschaft so groß, dass (noch?) nicht einmal miteinander geredet werden kann.Ich hätte es begrüßt, wenn der Fachverband seine Positionen beim Sommergespräch kundgetan hätte, es wäre ja eine gute Gelegenheit gewesen. Ich bedauere daher die Absage von Dr. Werner Müller sehr, und werde mich natürlich um Ersatz bemühen.Was ich daraus lerne? Dass die Zeit leider noch nicht reif ist, dass man offen – jeder mit jedem – über dieses Thema diskutiert, obwohl es so dringend an der Zeit wäre!