Je näher die Wahl zum Europäischen Parlament rückt, umso mehr Gedanken mache ich mir zur Verfasstheit der Europäischen Union im Allgemeinen und deren Probleme aber auch Chancen im Besonderen. geht wahrscheinlich vielen so.
Ein Satz wollte in den letzten Wochen aber nicht aus meinem Kopf: Ernst Strasser, Spitzenkandidat der ÖVP für die kommende Wahl, kündigte als Wahlkampfschwerpunkt an, er wolle vor allem österreichische Interessen in Brüssel vertreten. Da stoßen also zwei völlig unterschiedliche Denkbilder Europas aufeinander: Strassers und meines zum Beispiel.
Ich will keine Politiker_innen, die auf europäischer Ebene Politik machen, um nationalstaatliche Interessen zu vertreten – und nur diese. Wer das tut, lässt das größte Friedensprojekt, das dieser Kontinent in seiner Geschichte je gesehen hat, scheitern. Ich will europäische Politiker_innen. Ich will eine Politik für und von Europa.
Warum EU nicht so?
1. Es treten gesamteuropäische Parteien an.
Die Grünen sind bislang die einzige Partei, die sich selbst auch als europäische Partei gegründet hat. Warum sollen wir auf EU-Ebene z.B. eine ÖVP oder SPÖ wählen? Warum nicht eine Europäische Konservative und eine Europäische Sozialdemokratie? Ich halte das für wichtig, denn es ist doch interessant zu erfahren, was welche Partei für Überlegungen hat, Europa zu ändern, welche Reformen sie anstrebt, welche Scherpunkte sie setzen will, um eine wirkliche Wahl zu haben. Außerdem würde das verhindern, dass nationalstaatlich abgerechnet und gewählt wird. Europäische Themen sind gefragt!
2. Ich will europäische Spitzenkandidat_innen.
Mir ist es eigentlich völlig egal, aus welchem Land ein_e Spitzenkandidat_in kommt. Es wäre doch sehr spannend, wenn Spitzenkandidat_innen verschiedener europäsicher Parteien aus verschiedene Länder Europas kommen, und trotzdem (auch) bei uns wahlkämpfen? Ich stell mir eine Diskussion zwischen einer Niederländerin, einem Deutschen, einer Französin, einem Litauer und einem Rumänen vor – und das mit direkten politischen Auswirkungen auf Österreich – weil ja: Das ist Europa! Damit vor Ort trotzdem gewahlkämpft werden kann, schlage ich vor:
3. Europa-Wahlliste und Staaten als Regionalwahlkreise.
Die Demokratie braucht ja nicht neu erfunden zu werden. Bei Nationalratswahlen etwa gibt es eine Bundesliste und Wahlkreise. In diesen Wahlkreisen sind Direkt-Mandate möglich. Der Rest wird auf überregionale Wahllisten aufgeteilt. Das müsste doch in Europa auch möglich sein? Dann könnten verschiedene Menschen aus ganz Europa hier genau so wahlkämpfen und Medienarbeit machen, als „nur die eigenen Leute“, die auf der („Regional“-)Wahlliste des Mitgliedsstaates stehen. Außerdem könnten Parteien, die über keine europäischen Strukturen verfügen, zumindest für Direktmandate kämpfen. Aber Europa-Strukturen aufbauen, sollten die Parteien schon mal machen! Wäre längst an der Zeit…
4. Regierung aus dem Parlament, statt Kompromisse von 27 Regierungschefs.
Die EU hat immer wieder ihre berüchtigten Basare, genannt Gipfel. Regierungchefs aller Ideologien sitzen beieinander und machen einen Kompromiss. Was soll daraus Visionäres und Neues oder gar Mutiges entstehen? Ich bin der Meinung, die Mehrheitsverhältnisse des Europäischen Parlaments sollen entscheiden, wie eine Regierung zusammengestellt wird – samt Euro-Premiers und Euro-Minister_innen einer Allein-, Minderheits- oder Koalitionsregierung. Wenn dann – nach 4 oder 5 Jahren – jemand genau diese Regierung abwählen will: Voilà! Wieder ein guter Grund zu EP-Wahlen zu gehen…
Dazu ließe sich sicher noch viel ergänzen. Aber so müsste sich meiner Meinung nach Europa entwickeln.