Die Wahlkabine ist wieder da!

Für alle, die sich bei der Wahl zum Europäischen Parlement noch nicht sicher sind gibt es erfreuliche Nachrichten: Die Wahlkabine ist wieder da!
Wer 25 Fragen aus allen Bereichen beantwortet und diesen Fragen auch die persönlich gewichtet – von nicht wichtig bis sehr wichtig – bekommt anschließend eine Liste, zu welchen Parteien welche Nähe zu erkennen ist.
In Zeiten, in denen für Wahlentscheidungen mehr die Persönlichkeiten und weniger der Inhalt eine Rolle spielt, halte ich dieses Projekt für ein ausgezeichnetes Korrektiv – auch wenn viele es nur als ein Puzzleteil in Anspruch nehmen werden, um am 7.6. eine Entscheidung zu fällen. Den Initiator_innen rund um Martin Wassermaier gebührt jedenfalls Dank!
Meine Ergebnis war übrigens nur in Details überraschend:

 
Grüne 284
JULIs 154
KPÖ 151
SPÖ 31
ÖVP 18
HPM -36
FPÖ -100
BZÖ -126
Links:
wahlkabine.at
Burstup (FM4) interviewt Martin Wassermaier

In der Mitte des Lebens. Oder so.

XL bin ich seit heute. Irgendwo kann man sogar T-Shirts bestellen, worauf steht: „Mein Alter ist so wie meine Shirtgröße: XL“.
Seit Jahren erzählen mir Freundinnen und Freunde, die 40 wurden, dass es ein komischer Geburtstag sei: Nicht alt, nicht jung, irgendwo dazwischen, nur eben eines wird glasklar: Das Älterwerden ist da, jung wird man nicht mehr. So ist das heute eben auch bei mir.
Mein Alter war mir immer völlig egal, aber ich gebe zu: Wenn man 40 wird, denkt man schon über das Koordinatensystem seines eigenen Lebens nach. Aber woraus besteht dieses Koordinatensystem? Als x-Achse können natürlich nur die Lebensjahre stehen, aber was steht auf der y-Achse? Erfolg? Gesundheit? Einkommen?
Ich habe mich für Glück entschieden. Und schon feiert es sich ein wenig unbeschwerter. Ich fühle mich sehr wohl in meinem Koordinatensystem. Trotzdem ist 40 irgendwie komisch.

Schockierende Nachrichten aus Uganda: So werden Lesben und Schwule gejagt.

In Uganda geht es Lesben und Schwulen alles andere als gut. Eine extrem homophobe Regierung und Gesellschaft geht auf die Jagd. Ein besonders perfides Beispiel ist die Zeitung Sunday Pepper vom 19. April. Darin werden 45 Schwule bei Vornamen genannt, vier davon mit Foto abgebildet und Einzelheiten über ihren Arbeitsplatz bekannt gegeben. In Kürze soll die Serie mit Lesben fortgesetzt werden. Solche Veröffentlichungen hat es in Uganda bereits mehrmals gegeben. Mit Folgen, denn meist folgt darauf eine Polizeiaktion mit zahlreichen Verhaftungen.
Die International Human Rights Watch hat bereits gegen die Zeitungsaktion protestiert, aber ob das in Uganda etwas bringt? Staatliche Medien fordern immer wieder ein härteres Vorgehen gegen Lesben und Schwule. Und so hat Staatschef Museveni ein Gesetz unterzeichnet, das die Ehe zwischen Menschen gleichen Geschlechts verbietet. NGOs werden regelmäßig terrorisiert. Ein Radiosender, der mal Lesben und Schwule zu Wort
kommen ließ, musste über 1000 US-Dollar Strafe bezahlen. Das Theaterstück „Vagina-Monolog“ ist verboten. In der staatlichen Aids-Aufklärung gibt es keine Information für Lesben und Schwule. Die Begründung lieferte Staatspräsident Musuveni selbst: „Es gibt keine Homosexuellen in Uganda“.
Die Sunday Pepper straft dem Präsidenten Lügen, denn es werden ja Schwule geoutet. Und zwar mit Worten wie:

…a sensational masterpiece that largely exposes Uganda’s shameless men and unabashed women that deliberately exported the western evils to our dear and sacred society. 

Mehr Info und Quellen:
Human Rights Watch: State homophobia
Human Rights Watch about charges against sexual rights acitivists
Human Rights Watch about same sex marriage ban
Afrika Bildung über die Situation in Uganda
Reuters: „State homophobia“

Interview zur Verhaftung von Nadja Benaissa.

Heute habe ich und Elke Schlitz auf vienna.at (Beitrag hier) ein Interview gegeben. Es ging um die Verhaftung von Nadja Benaissa und der Vorwurf, sie hätte bewusst Männer infiziert. Abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht glaube, dass die mediale Jagd, die derzeit passiert, einem prominenten Mann passiert wäre (Frauen werden bei Männern schnell von einer Heiligen zu einer Hexe abgestempelt), halte ich vor allem folgende drei grundsätzliche Fragen für wichtig:1. Wer hat Verantwortung für Safer Sex?Es ist doch klar, dass ein HIV positiver Mensch besonders aufpassen muss. Aber trotzdem sind beide Menschen, die miteinander Sex haben, verantwortlich. Auch der_die Negative. Im Video nenne ich ein anderes Beispiel, wo diese beidseitige Verantwortung sehr wohl rechtlich wirkt: nämlich bei einer Schwangerschaft.2. Was sind die folgen der medialen Berichterstattung?Die Stigmatisierung von Zeitungen wie Bild und Co. bedeutet einen herben Rückschlag für die Arbeit vieler Aids-Hilfe Organisationen. Die Therapien sind mittlerweile sehr gut, man kann trotz einer Infektion ein langes und erfülltes Leben haben. Wichtig ist jetzt, Menschen in ihren sozialen Netzwerken und in ihren Jobs zu belassen und zu integrieren. Und dass man auch zu einer Infektion stehen kann.3. Wer wird sich jetzt noch testen lassen?Wenn Nichtwissen vor Strafverfolgung schützt, dann gehen weniger Leute sich testen lassen. Frühdiagnosen sind aber das wichtigste überhaupt, um gute Therapien zu entwickeln. Daher könnte gerade diese Verhaftung eines der kontraproduktivsten Aktionen überhaupt sein.Die tragische Geschichte hat zumindest eine Wirkung: Auch Heterosexuelle können nun begreifen, dass HIV und Aids kein nur „Randgruppen“ betreffende Sache ist. Es gibt keine heterosexuelle sichere Insel. Das wird vielen jetzt wieder bewusst.

Demokratisiert die EU! Vorschläge für mehr Europa.

Je näher die Wahl zum Europäischen Parlament rückt, umso mehr Gedanken mache ich mir zur Verfasstheit der Europäischen Union im Allgemeinen und deren Probleme aber auch Chancen im Besonderen. geht wahrscheinlich vielen so.
Ein Satz wollte in den letzten Wochen aber nicht aus meinem Kopf: Ernst Strasser, Spitzenkandidat der ÖVP für die kommende Wahl, kündigte als Wahlkampfschwerpunkt an, er wolle vor allem österreichische Interessen in Brüssel vertreten. Da stoßen also zwei völlig unterschiedliche Denkbilder Europas aufeinander: Strassers und meines zum Beispiel.
Ich will keine Politiker_innen, die auf europäischer Ebene Politik machen, um nationalstaatliche Interessen zu vertreten – und nur diese. Wer das tut, lässt das größte Friedensprojekt, das dieser Kontinent in seiner Geschichte je gesehen hat, scheitern. Ich will europäische Politiker_innen. Ich will eine Politik für und von Europa.
Warum EU nicht so?
1. Es treten gesamteuropäische Parteien an.
Die Grünen sind bislang die einzige Partei, die sich selbst auch als europäische Partei gegründet hat. Warum sollen wir auf EU-Ebene z.B. eine ÖVP oder SPÖ wählen? Warum nicht eine Europäische Konservative und eine Europäische Sozialdemokratie? Ich halte das für wichtig, denn es ist doch interessant zu erfahren, was welche Partei für Überlegungen hat, Europa zu ändern, welche Reformen sie anstrebt, welche Scherpunkte sie setzen will, um eine wirkliche Wahl zu haben. Außerdem würde das verhindern, dass nationalstaatlich abgerechnet und gewählt wird. Europäische Themen sind gefragt!
2. Ich will europäische Spitzenkandidat_innen.
Mir ist es eigentlich völlig egal, aus welchem Land ein_e Spitzenkandidat_in kommt. Es wäre doch sehr spannend, wenn Spitzenkandidat_innen verschiedener europäsicher Parteien aus verschiedene Länder Europas kommen, und trotzdem (auch) bei uns wahlkämpfen? Ich stell mir eine Diskussion zwischen einer Niederländerin, einem Deutschen, einer Französin, einem Litauer und einem Rumänen vor – und das mit direkten politischen Auswirkungen auf Österreich – weil ja: Das ist Europa! Damit vor Ort trotzdem gewahlkämpft werden kann, schlage ich vor:
3. Europa-Wahlliste und Staaten als Regionalwahlkreise.
Die Demokratie braucht ja nicht neu erfunden zu werden. Bei Nationalratswahlen etwa gibt es eine Bundesliste und Wahlkreise. In diesen Wahlkreisen sind Direkt-Mandate möglich. Der Rest wird auf überregionale Wahllisten aufgeteilt. Das müsste doch in Europa auch möglich sein? Dann könnten verschiedene Menschen aus ganz Europa hier genau so wahlkämpfen und Medienarbeit machen, als „nur die eigenen Leute“, die auf der („Regional“-)Wahlliste des Mitgliedsstaates stehen. Außerdem könnten Parteien, die über keine europäischen Strukturen verfügen, zumindest für Direktmandate kämpfen. Aber Europa-Strukturen aufbauen, sollten die Parteien schon mal machen! Wäre längst an der Zeit…
4. Regierung aus dem Parlament, statt Kompromisse von 27 Regierungschefs.
Die EU hat immer wieder ihre berüchtigten Basare, genannt Gipfel. Regierungchefs aller Ideologien sitzen beieinander und machen einen Kompromiss. Was soll daraus Visionäres und Neues oder gar Mutiges entstehen? Ich bin der Meinung, die Mehrheitsverhältnisse des Europäischen Parlaments sollen entscheiden, wie eine Regierung zusammengestellt wird – samt Euro-Premiers und Euro-Minister_innen einer Allein-, Minderheits- oder Koalitionsregierung. Wenn dann – nach 4 oder 5 Jahren – jemand genau diese Regierung abwählen will: Voilà! Wieder ein guter Grund zu EP-Wahlen zu gehen…
Dazu ließe sich sicher noch viel ergänzen. Aber so müsste sich meiner Meinung nach Europa entwickeln.

Ulrike Lunacek, Daniel Cohn-Bendit und Bartek Lech im Gespräch

Ulrike Lunacek und Daniel Cohn-Bendit im Gespräch beim Kongress der European Greens:Ein zweites Video: Ulrike Lunacek im Gespräch mit Bartek Lech, schwuler Kandidat in Belgien für Ecolo und polnische Herkunft. Ich habe ihn schon mehrmals persönlich kennengelernt und gemeinsam Aktionen in Warschau gemacht. Ich drücke ihn jedenfalls alle Daumen!

Warten auf das Homo-Mahnmal am Morzinplatz

Vor drei Jahren wurde das Siegerprojekt von Kulturstadtrat Mailath-Pokorny präsentiert: Wien sollte einen Rosa Platz am Morzinplatz erhalten – ein Erinnern an die homosexuellen Opfer der NS-Zeit. Als Mahnmal gegen Homophobie in der Zukunft. Hans Kuppelwieser gewann mit seinem Projekt: einem mit rosa Wasser gefüllten Becken, darin steht der Schriftzug QUE(E)R. Warum das zweite E in Klammer ist, verstehe ich bis heute nicht, aber sei’s drum. Eine Jury und ein Community Board, in der ich auch drin saß, hat das so entschieden.
Daraus wurde aber nichts. 2007 hätte das Mahnmal eröffnet werden sollen, jedoch konnte keine alltagstaugliche Flüssigkeit gefunden werden, die rosa ist und funktioniert. Bei einer Mündlichen Anfrage die ich im Gemeinderat stellte, antwortete der Stadtrat, im Prater wäre ein Versuchsbecken errichtet worden, aber es konnte keine Lösung gefunden werden. Daher wurde der Künstler gebeten, das Projekt völlig neu umzuarbeiten.
Heute flammte die Diskussion wieder auf (siehe APA-Meldung im Standard hier). Wir erfahren – nur weil ein Journalist mal nachfragte – das ein neues Projekt geprüft werde. Ohne Jury, ohne öffentliche Diskussion und ohne Beteiligung der Community. Das halte ich für die falscheste Herangehensweise überhaupt! Denn gerade eine Diskussion über ein Mahnmal, was es können und ausdrücken soll, ist Teil des Mahnens. Es geht ja nicht nur um das Erinnern an das Vergangene, sondern auch um die Perspektive in die Zukunft. Damit eben Homophobie nie wieder derart grausame Verfolgungen zur Folge hat! Nicht hier, und nicht anderswo auf der Welt.
Daher irrt meiner Meinung nach auch Christian Högl von der HOSI Wien, wenn er zum noch immer nicht existierenden Mahnmal meint, es gäbe ja nur noch wenig lebende Überlebende, und daher „gehe [es] auch um ein Signal, und da sei notfalls ein kleiner Gedenkstein besser als ein Monumentalprojekt, das nicht zu realisieren sei.“ Ein Mahnmal muss aber immer ein Signal auch für die Zukunft sein, und nicht bloßer Erinnern an Gewesenes, sonst hätte es ja keinen Sinn. Ein Mahnmal braucht zudem Öffentlichkeit und Debatte.
Ich erinnere mich heute wieder, wie Hannes Sulzenbacher (Leiter der Ausstellung geheimsache:leben und heute beim Kulturverein QWien) mir einmal seine Lieblingsversion eines Homo-Mahnmals erzählte: Am besten wir würden einen riesengroßen Bildschirm aufstellen, worauf geschrieben steht „Soll hier ein Mahnmal zur Erinnerung an homosexuelle NS-Opfer stehen?“ und alle Passant_innen können dann klicken: Ja oder Nein. Am Bildschirm steht dann immer das aktuelle Abstimmungsergebnis. Allein das wäre schon ein Mahnmal – und würde gleichzeitig viel über unsere heutige Zeit erzählen… Die Idee gefällt mir immer besser!