Vortrag, 24.1.2014, Bundesliga-Workshop
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich möchte mich vorab vor allem bedanken, dass ich heute vor den Fan- und Sicherheitsverantwortlichen der österreichischen Bundesliga-Vereine zum Thema „Homophobie im österreichischen Fußball“ einen Vortrag halten darf. Das Thema beschäftigt mich persönlich schon seit Jahren. Nicht nur als Fußballfan, der zufällig auch schwul ist, und die Fußballbegeisterung durch die Familie geerbt hat (Großvater war einer der ersten Rotterdamer mit Fernseher. Der Grund: Fußball! Eine Mutter die neben De Kuip in Feyenoord geboren wurde und natürlich oft und gerne Oranje), sondern auch als politischer Mensch. Bereits 2006 haben wir von den Grünen Andersrum eine Veranstaltungsserie initiiert, die wir „Die Fans vom anderen Ufer“ nannten und etwa einen Diskussionsabend mit Didi Constantini dazu gemacht. Mit Fans des Wiener Sportklubs und der Vienna wurden Aktionen gemeinsam mit FARE gemacht. Und noch vor wenigen Wochen fanden hier in Wien Veranstaltungen unter dem Titel „Tatort Stadion“ statt, an der auch ich teilnehmen durfte. Im November trafen wir Verantwortliche des ÖFBs und der Bundesliga, da nach den Sprechchören beim Länderspiel in Deutschland wieder einmal „Schwuler, schwuler DFB“-Chöre zu hören war. Ein Ergebnis dieses Treffens passiert eben heute. In der Öffentlichkeit wurde bekannt, dass der ÖFB U21-Teamchef Werner Gregoritsch 2011 sich sehr abfällig über schwule Fußballer äußerte.Und dazwischen ein fulminantes Coming-out des ehemaligen Fußballspielers Thomas Hitzlspergers. Das große Medienecho und das ungeheure Tamtam drumherum drückte dabei wohl noch deutlicher etwas aus, als das Publikmachen von Hitzlsperger selbst: Selbstverständlich war das nicht. Der Fußball scheint hier noch irgendwo ein Problem zu haben.
Doch welches Problem ist das?
Es sind vermutlich eher ein Bündel an Probleme, die ich versuchen werde in diesen 20 Minuten aufzuschlüsseln:
1. Wissen
Auch im Jahr 2014 scheinen gewisse Erkenntnisse noch immer nicht alle erreicht zu haben. Daher möchte ich die vielleicht vier wesentlichsten nennen, obwohl es noch Tausende weitere Punkte gäbe. Dass ich weniger auf die ebenso wichtigen Themen Bisexualität, Transsexualität und Intersexualität eingehen kann, liegt übrigens an der Zeitbeschränkung.
Homosexualität ist keine persönliche Entscheidung. Es ist auch keine Wahl. Mann ist einfach schwul. Oder Frau lesbisch. Die einzige Entscheidung, die man dazu treffen kann ist, ob man dazu steht oder seine – oder ihre – Homosexualität offen auslebt. Samt zahlreichen Graustufen dazwischen.
Lesbisch sein oder schwul sein ist keine Frage der Sexualität alleine, sondern integraler Bestandteil der persönlichen Identität. Sie beruht nur darauf. So wie eine so genannte „traditionelle Familie“ bestehend aus Vater, Mutter, Kind oder Kinder auf Heterosexualität beruht. Aber es würde ja niemand auf die Idee kommen, diese Familie ausschließlich auf ihre Sexualität zu reduzieren?
Niemand kann zur Homosexualität verführt werden. Ebenso wenig kann man übrigens zur Heterosexualität verführt werden.
Das Problem der Homosexualität – insbesondere in der Jugend, also dann wenn man sich selbst kennenlernt, erforscht und auf so manches draufkommt – ist nicht die Sexualität an sich, sondern die vorgegeben Normen der Gesellschaft. Das, was von einem erwartet wird (zB: „Und, hast du schon eine Freundin?)“ Dies ist eines der Hauptgründe für Suizidgefahr unter Jugendlichen und Anlass für Mobbing und Bullying.
2. Vorurteile
Da zwei Frauen und zwei Männer, die zusammen leben und lieben gewisse traditionelle Geschlechter-Rollenvorstellungen per se widersprechen, wird ihnen gerne auch grundsätzlich Männlichkeit und Weiblichkeit aberkannt. Im Fußball hat das zwei sehr konkrete Auswirkungen:
Schwule können nicht Fußball spielen, weil sie ja keine echten Männer sind. Fußball ist aber nur was für echte Männer. Also kann es keine Schwule im Fußball geben.
Bei Frauen ist das umgekehrt: Eine Frau, die gut Fußball spielt kann keine echte Frau sein. Also gilt eine Fußballerin prinzipiell mal eher als lesbisch.
Beides freilich dumme Vorurteile.
3. Unsichtbarkeit
Besonders im Fußball war die Unsichtbarkeit von Schwulen bemerkenswert. Bei Lesben hat die Sichtbarkeit ja bereits früher begonnen, aber durch die generell fehlende öffentliche Wahrnehmung und Marginalisierung von Frauenfußball hat dies bei weitem nicht zu einer derart kontroversen Diskussion geführt, wie etwa jetzt beim Hitzlsperger-Outing – oder davor beim tragischen Outing von Justin Fashanu, das in Selbstmord endete, oder das des schwedischen Spielers Anton Hysén.
Diese Unsichtbarkeit spiegelt sich auch in der Fankultur wider. Es gibt sie, die Fans vom anderen Ufer, nur geben sie sich womöglich nicht zu erkennen, was wiederum verständlich ist. Man ist ja nicht etwa im Hanappi-Stadion um eine Regenbogenparade zu veranstalten, sondern um seine Mannschaft anzufeuern.
In vielen europäischen Ländern bei vielen großen Clubs gibt es jedoch lesbisch-schwule Fanclubs. Nehmen wir als Beispiel die „Hertha Junxx“, den Fanclub vom Hertha BSC in Berlin. Ein Verein übrigens, der viele Fanclubs unter einem Dach vereint, von rechts bis links und nunmehr auch von hetero bis homosexuell. Plötzlich waren sie da, und sie wurden sichtbar. Regenbogenfahnen waren da plötzlich auf der Tribüne zu sehen. Und viele Fans mussten sich zum ersten Mal mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sie ja da sind – die Lesben und Schwulen auf den Tribünen. Und vielleicht auch am Feld.
Freilich lösen eigene lesbisch-schwule Fanclubs auch Diskussionen innerhalb der Community aus: Müssen wir wirklich eine eigene Schublade aufmachen? Wäre es nicht besser, viele Lesben und Schwule würden den vorhandenen Fanclubs beitreten – ganz im Sinne von Diversität und Mainstreaming?
Nun, auch die österreichische Bundesregierung meinte, dass man die Ehe nicht für Lesben und Schwule aufmachen soll, sondern machte eine eigene rechtliche Schublade auf und nannte sie Eingetragene Partnerschaft.
Für beides gilt wohl: Es sind Überbrückungstechnologien. Bis alle die selbe Wahl haben und es keine Rolle mehr spielt. Bis es soweit ist, werden wir wohl noch mehr solcher Vorträge halten müssen.
4. Vereinskultur
Meiner Meinung nach ist dieser Punkt noch wesentlicher und wichtiger als Coming-outs berühmter Fußballer_innen. Er ist nur weniger massenmedientauglich:
Welches Klima herrscht innerhalb eines Vereins? Ganz egal ob kleiner Amateurverein oder Champions-League-Teilnehmer! Wie geht ein Verein mit Vielfalt um? Damit, dass Menschen unterschiedlichster Herkunft, mit den unterschiedlichsten Religionen inklusive Atheist_innen, mit Menschen unterschiedlichster sozialer, kultureller und weltanschaulicher Herkunft zusammen eine Mannschaft bilden sollen, um miteinander zu spielen? Und wie geht dieser Verein auch mit der Tatsache der sexuellen Vielfalt um?
Auch – und besonders – jeder Verein, der Homophobie nicht dulden will, ist aufgefordert auch seine Strukturen genauer anzuschauen: Wäre ein Coming-out ein Problem oder haben wir ein Klima der Vielfalt, des Respekts und der Akzeptanz? Sind wir ein Verein, wo alle zusammen halten? Gibt es Möglichkeiten, dass – besonders junge Spieler und Spielerinnen im Nachwuchsbereich – sich vertrauensvoll wo hinwenden können? Gibt es Antidiskriminierungsbestimmungen in den Statuten und wenn ja – ist die Sexuelle Orientierung erwähnt?
5. Zivilcourage
Hass, Spott und Häme geht oft nicht von einer Mehrheit aus. Auch nicht auf den Tribünen. Doch sind sie diejenigen, die wahrgenommen werden. Die in den Medien sind. Deren Sprechchöre mittels Fernsehen in Tausende – manchmal sogar Millionen – Haushalte zu hören sind. Und dadurch das Klima vergiften. Und den Ruf des Fußballs generell gefährden.
Eine ganz persönliche Anmerkung: Eine meiner ersten Erfahrungen im Hanappi-Stadion als sehr sehr junger Mann, war ein Zuschauer hinter mir, der nicht müde wurde antisemitische Sprüche zu klopfen. Es platzte mir bald der Kragen ich drehte mich um, und bat ihn höflich aber bestimmt damit aufzuhören. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Doch dann applaudierten die anderen Zuschauer_innen rundherum und bedankten sich bei mir.
„Warum haben die dann nix gesagt?“ dachte ich dann bei mir. Das war 1991 und ich stelle mir diese Frage bis heute.
Daher kann ich nur an alle Fanverantwortlichen, die heute hier sind, appellieren: Stärken Sie Zivilcourage! Lassen wir die leise Mehrheit die laute Minderheit in die Abseitsfalle locken! Möge die Offensive der Zivilcourage gehören.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.