Als ich neulich das Comic der FPÖ „Sagen aus Wien“ in Händen hielt, fiel mir wieder ein, mit welchen längst widerlegten Thesen wir da konfrontiert werden – noch dazu mit Gewalt und Lügen vermanscht. Also bat ich Historiker Andreas Brunner (QWien – Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte), mit dem wir bereits bei alternativen Führungen durch die Prinz Eugen-Ausstellung im vergangenen Frühjahr arbeiteten. Auch im Belvedere wurde ein herrschaftliches Bild dargestellt. Die Verklärung von Prinz Eugen durch Rechtsradikale und Nazis wurde etwa komplett ausgeblendet, obwohl sich ein Raum mit der Rezeption beschäftigte. Grund genug Andreas Brunner den aktuellen FP-Comic analysieren zu lassen. Ich danke Andreas für den Gastkommentar:
Straches Sagenklitterung
von Andreas Brunner
Nehmen wir Herbert Kickl, den Kommunikationschef der Freiheitlichen, und den anonymen Texter der Sagen aus Wien beim Wort. Kickl verteidigte im Falter den Comic mit den Worten: „Wir wollen einen Beitrag zur Erhaltung der österreichischen Sagenwelt leisten.“ Der Sagendichter warnt uns in einem holprig gereimten Einleitungsgedicht: „Und denkt beim Lesen immer dran/dass vieles heut‘ noch wahr sein kann…“ Unter dem Gedicht im Bild Strahlemann Strache, wie er verlegen am Ärmel Prinz Eugens zupft, der mit einer ausführlichen historischen korrekten Fußnote versehen ist, die ihn als Sieger über das türkische Heer ausweist. Noch täuscht man Volksbildung vor.
Doch gleich die erste Geschichte zeigt, worum es Kickl und Strache geht: Volksverdummung. Es ist nur zu hoffen, dass aufrechte FPÖler/innen ihren Kindern den Schwachsinn nicht zum Lesen geben, denn sollten sie diesen Käse in der Schule verzapfen, werden die schulischen Leistung entsprechend und die Migrantenkinder wieder schuld für das Versagen der eigenen Brut sein.
Die Provokation im historischen Gewand zur offenen Gewalt gegen Muslime (Anzeige der Grünen bei der Staatsanwaltschaft wegen Verhetzung) hat funktioniert, ein weiterer darin was „Volksbildner“ Kickl als historische Wahrheit verkaufen will. Es ist nicht verwunderlich, dass in einer rechten Postille nicht zu lesen ist, dass der schwule Prinz Eugen unter einem FP-Regime in Österreich als Ausländer, der in Frauenkleidern aus Paris geflohen war und dem bei Abschiebung die Todesstrafe drohte, wegen fehlender finanzieller Sicherheiten und fehlender Deutschkenntnisse keine Chance gehabt hätte. Besser passt ins Bild, dass man die historisch widerlegte Geschichte von der Gründung des ersten Wiener Kaffeehauses durch Georg Franz Kolschitzky aufwärmt. Wie schaut denn das aus, in einem rechten Blatt, wenn eine Urwiener Institution von einem armenischen Kaufmann namens Johannes Diodato gegründet wurde.
Natürlich werden in dem FP-Machwerk Türken als blutrünstigen Schlächter dargestellt, aber wie schon in der Prinz Eugen Ausstellung im Belvedere in diesem Frühjahr verschwiegen, dass die christlichen Heere gegenüber Andersgläubigen nicht minder grausam waren. Im Osmanischen Reich herrschte religiöse Toleranz, so gab es zur Zeit Prinz Eugens in Konstantinopel über 40 Synagogen. Aus Wien hatte der katholische Kaiser 1670 alle Juden vertrieben, ließ sich aber schon wenige Jahre später von einem jüdischen Bankier, dem Hoffaktor Samuel Oppenheimer, die Türkenkriege finanzieren.
Da vieles heut‘ noch wahr sein soll, wird die Geschichte des historischen Bürgermeisters während der Belagerung von Wien, Andreas von Liebenberg, gnadenlos verfälscht. Um den heutigen Bürgermeister Michael Häupl denunzieren zu können, macht man aus Liebenberg einen Türkenfreund und Verräter, der die Stadt schon heimlich an die Besetzer verraten hatte, bevor die Besatzer eintrafen. In Wirklichkeit organisierte Liebenberg in der belagerten Stadt die Bürgerwehr und starb zwei Tage vor der Befreiung Wiens. Was an diesen historischen Fälschungen erhaltenswert sein soll, muss Herbert Kickl erst erklären.
In der zweiten Geschichte treibt ein rotgrünes Ungeheuer als Basilisk recht plump sein Unwesen. Warum die ursprüngliche Geschichte fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde, bleibt schleierhaft, sie wurde weder lustiger noch spannender. Das Ungeheuer im Brunnen, dem eine wackerer Bäckersgehilfe eine Spiegel vorhält, damit es, von der eigenen Hässlichkeit geschockt, zu Stein wird, ist für die FPÖ natürlich die Möglichkeit einer rot-grünen Regierung in Wien. Danach geht dem Sagenschreiber die Luft aus und enttäuscht das aufgekratzte Publikum. Nicht einmal die originale Liedzeile aus dem Lieben Augustin: „Und selbst das reiche Wien/Hin ist’s wie Augustin“, reizt den Sagenschreiber zu einem müden Witz, die Geschichte vom „Donauweibchen“ gerät zur müden erotischen Fantasie, wenn großbusige Nixen einen Bürgermeister HC Strache erträumen. Dass die Chance den englischen König Löwenherz, den Herzog Leopold V. in Erdberg festnehmen ließ, um dann ein horrendes Lösegeld zu erpressen, als schwulen Weichling, der von seinem Barden Blondel gerettet wird, zu denunzieren, ausgelassen wird, ist wohl der Unbildung des Sagendichters zu schulden.
Auf die sprachlichen Defizite der Sagentexte hat bereits Armin Thurnher in seiner luziden Analyse des pädosexuellen Subtextes der Prinz Eugen Sage dargestellt, manchmal sind sie herzig, wenn aus dem Lieben Augustin ein „mausetoter Mann“ wird, die legen aber auch das Denken des Schreiber offen, wenn er die Türken des Jahres 1683 Bomben auf Wien werfen lässt. Da ist das Bild des muslimischen Attentäters ganz nah.
Foto: Andreas Brunner (Copyright: Andreas Brunner, QWien)