Vom 12. bis 17. November 2023 reiste eine Delegation des Bundesrats unter der derzeitigen Kärntner Präsidentin Claudia Arpa nach Georgien. Destinationen waren die Hauptstadt Tbilisi (Tiflis) und Sugdidi im Westen des Landes an der nicht anerkannten administrativen Grenzlinie zu Abchasien.
So eine parlamentarische Reise ist eine sehr dichte Ansammlung von Termin zu Termin. Fünf Tage mit Terminen sind international nicht unbedingt üblich. Die meisten Delegationen fahren nur einen bis zwei Tage. Umso tiefer konnten wir in die Kultur, Politik, Hoffnungen und Konflikte in Georgien eintauchen, umso mehr wurden unsere Bemühungen anerkannt. Dass die georgische Kulinarik und Gastfreundschaft ebenso ein Erlebnis war, sei hier – einige Kalorien reicher – explizit angemerkt.
Österreich in Georgien
Der österreichische Botschafter in Georgien, Thomas Mühlmann, ist ein ganz ausgezeichneter und enorm engagierter Vertreter der Republik am Kaukasus. Er konnte sehr intensive und spannende Einblicke in die georgische Politik und Kultur gewähren. Ebenso Alexander Karner der Austrian Development Agency (ADA), der viele von Österreich unterstützten Projekte mit ungeheurem Elan und Freude präsentierte. Darunter Care Centers für ältere Menschen, die es so in diesem Land noch nicht gab, Schulen, Treffen für Jugendliche, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen u.v.m.
Politik
Treffen fanden mit mit dem Premierminister, Parlamentarier:innen, Politiker:innen der lokalen Ebene statt. Hauptthema war freilich das mögliche bevorstehende Erreichen des Kandidatenstatus zur Europäischen Union. Die Empfehlung der Europäischen Kommission dazu wurde im Land ausgiebig gefeiert. Wohl auch deshalb war das mediale Interesse am Besuch einer österreichischen Delegation sehr hoch.
Bis zu einer europäischen Integration wird es aber wohl noch dauern. Sehr, sehr viele Baustellen und Hürden liegen noch am Weg – manche von Regierungsvertreter:innen angesprochen, viele aber auch verschwiegen. Etwa der „Green Deal“ und Bemühungen zum Klimaschutz wurden nur halbherzig angesprochen.
Die extreme Polarisierung der Politik (und der Medien) zwischen Regierung und Opposition ist in allen Gesprächen allgegenwärtig. Sie wird auch überall als Problem angesprochen, aber immer die andere Seite als der Problemverursacher bezeichnet. Konkrete Lösungen für dieses sehr virulente Problem wurden nicht genannt.
Auffallend ist aber, wie stark die Zivilgesellschaft in Georgien ist. So wurde ein NGO-Gesetz nach russischem Vorbild, das NGOs mit nicht-georgischen Geldgebern als ausländische Agenten verunglimpfen wollte, von der Bevölkerung bei massiven Protesten im März 2023 gestoppt.
LGBTIQ in Georgien
Mein erster Termin führte zu einem Treffen mit Tbilisi Pride, die im Sommer von rechtsextremen Banden brutal überfallen wurden, während die Polizei nicht einschritt. Ich sprach dieses Thema in allen politischen Gesprächen auf höchster Ebene an, da derzeit ein „Aktionsplan Menschenrechte“ der Regierung geplant wird, LGBTIQs aber völlig fehlen. Es gibt sogar die Befürchtung, dass repressive Gesetze wie in Ungarn oder Russland von der Regierung geplant sein könnten.
EUMM, Abchasien und Südossetien
In Sugdidi befindet man sich bereits an der Grenze zu Abchasien. Diese jahrhundertealte südkaukasische Region mit den vielen Ethnien und Konflikten in einem kurzen Text zusammenzufassen ist nicht möglich. Auf den Weg in den Westen fährt man auch an der Grenze zu Südossetien vorbei, nur 500 Meter von der Autobahn entfernt patrouillieren russische Soldaten. Auf einem Gebiet, das völkerrechtlich zu Georgien gehört, Während Südossetien aber hermetisch abgeriegelt ist, erstaunte die Grenze zu Abchasien bei Sugdidi. Denn es fahren und gehen Menschen von einer Seite über die Enguri-Brücke zur anderen. Ethnische Georgier:innen (Sub-Ethnie Mingrelen) gehen auf der anderen Seite in die Schule, in die Universität, verkaufen Obst, Gemüse oder Fleisch am Markt oder gehen einkaufen oder ihre georgische Pension holen.
Trotzdem ist dieser Konflikt ein kalter Konflikt. Diejenigen, die täglich die ABL (Administrative Border Line) überschreiten müssen auf der einen Seite georgische Kontrollen, auf der anderen Seite sogar abchasische und russische Kontrollen über sich ergehen lassen. Es kommt immer wieder zu Vorkommnissen und Tötungen.
Die European Union Monitoring Mission (EUMM) nahm uns auf einer Patrouille entlang der Grenze mit. Diese Mission – darunter auch einige Österreicher:innen – wurde als beobachtende Mission entlang der Demarkationslinien zwischen Georgien und Abchasien sowie Südossetien eingesetzt.
Bertha von Suttner
Die österreichische Schriftstellerin und Friedensforscherin Bertha von Suttner lebte von 1876 bis 1885 in Georgien, allem voran bei Fürstin Jekaterina Dadiani von Mingrelien in Sugdidi. Ebendort wurde – auch weil sich unsere Delegation zu dieser Zeit dort aufhielt – der Bertha von Suttner-Preis verliehen für besondere georgische Bemühungen um Frieden. Auch ein von der österreichischen Botschaft unterstütztes Projekt in Sugdidi soll verwirklicht werden: Ein Bertha von Suttner-Park im Zentrum.
Gerade diese historische Verbindung zeigt nicht nur die georgisch-österreichische Verbindung, allem voran mit Bemühungen für den Frieden. Sondern auch, dass Georgien kulturell tatsächlich europäisch geprägt ist. Für Europa eine interessante Perspektive, um eine Integration der Kauksasus-Region zu ermöglichen und zu begleiten. Auch wenn der Prozess wohl noch sehr lange dauern wird: geopolitisch, kulturpolitisch und wirtschaftspolitisch eine lohnenswerter Weg.