In diesem Beitrag im April lud ich mit Ulrike Lunacek mehr als 20 Blogger und Bloggerinnen ein, nach Brüssel zu fahren und europäische Institutionen zu besuchen.
Warum tut ein Wiener Gemeinderat eigentlich sowas? Soll sich der nicht lieber um Wien kümmern?
Diese Frage wurde mir zwar noch nicht gestellt, aber solche Fragen sind in Österreich durchaus zu erwarten. Denn für viele Menschen ist „die EU“ woanders. Ausland quasi. Und wir sind wir. Dabei ist Wien Teil der EU. So wie Österreich. Wir gestalten, stimmen und debattieren mit. Entscheidungen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, sind für Städte und Länder ebenso wichtig, wie für die Mitgliedsstaaten.
Im Wiener Gemeinderat und Landtag gibt es z.B. eine Europakommission, deren Mitglied ich bin. Leider ist es ein sehr zahnloses Gremium. Man würde erwarten, dass etwa Tagesordnungspunkte, die im „Auschuss der Regionen“ besprochen werden, vorab abgespochen werden. In diesem Brüssler Ausschuss sitzt Wien und stimmt mit ab. Die Komission ist
verpflichtet den Ausschuss der Regionen zu konsultieren. So funktioniert aber die Europakommission nicht. Mit etwas Glück erfahren wir nachträglich, wie die Stadtregierung abgestimmt hat. Es ist dringend an der Zeit, dass Europathemen auch in Wien in einem Europa-Ausschuss behandelt werden und im Landtag diskutiert werden. In anderen Landtagen geht das ja auch.
Zurück zur Reise.
Die Blogosphäre äußert sich gut und gerne zu vielen politischen Themen. Auch zu Europa. Doch ein Problem haben viele Blogger und Bloggerinnen gemeinsam mit nahezu allen Bürger_innen und leider auch vielen Politiker_innen und Journalist_innen: Sie kennen die EU gar nicht. Die EU ist etwas abstraktes, irgendwo in Brüssel.
Diejenigen, die mit nach Brüssel gefahren sind, können sich jetzt ein genaueres Bild machen, wie die EU funktioniert. Zum Beispiel, dass man in Brüssel alles besuchen kann, nur nicht „die EU“. Diese ist nämlich demokratisch organisiert und besteht aus vielen Bereichen. Die drei wichtigsten:
Das Europäische Parlament: aufgewertet seit dem Lissabon-Vertrag mit vielen Kompetenzen (man erinnere sich etwa an die Ablehnung des SWIFT-Abkommens mit den USA)
Der Europäische Rat: sind die Mitgliedsstaaten selbst, wenn sich Regierungschefs oder Minister_innen treffen.
Die europäische Kommission ist die Verwaltungsebene der EU, die Exekutive sozusagen.
Rund um diese Institutionen haben sich eine Reihe weiterer Organisationen entwickelt. Das geht von regionalen Büros (etwa dem Wien-Haus, das wir ebenfalls besuchten) oder Lobbys.
Auf der 4-tägigen Brüssel-Reise haben wir uns auch thematisch mit vielen Themen beschäftigt: Vorratsdatenspeicherung, SWIFT-Abkommen, Urheberrecht, Ulrike Lunacek berichtete von ihrem Engagement im Kosovo, in der Außenpolitik sowie im lesbisch-schwulen Bereich, etc. Zudem konnten wir neben den zwei österreichischen Grün-Parlamentarierinnen noch Jan Philipp Albrecht, einem deutschen Grünen im Kampf für den Datenschutz, sowie Christian Engström der schwedischen Piratenpartei (in der Fraktion der Europäischen Grünen) kennen lernen.
Ich bin jedenfalls sehr froh, diese Reise mit den Wiener und den Europäischen Grünen organisiert zu haben. Man wünschte sich, jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin bekäme diese Chance, denn diese Eindrücke haben sich bei allen Mitreisenden durchgesetzt:
Die EU funktioniert manchmal kompliziert, aber die demokratischen Wege sind sinnvoll.
Die EU sucht immer neue Lösungen und neue Strukturen und denkt gar nicht daran, mit dem Denken aufzuhören.
Das Europäische Parlament ist das transparenteste Parlament, das wir überhaupt haben, zumal sie keine „Durchwink-Maschine“ einer Regierung ist, sondern selbstständig und selbstbewusst agiert. Man stelle sich mal vor, in Wien oder Österreich wären alle Auschüsse öffentlich und jede Fraktionssitzung kann besucht werden! Hierzulande undenkbar….
Blogger_innenreise zum Nachlesen:
Auf twitter waren Eindrücke der Reise unter dem Hashtag #BlogEU nachzulesen: Link
Twitterliste von @fatmike182 mit allen Teilnehmer_innen: Liste
Videobeiträge auf ichmachpolitik.at
Blogbeitrag von Andreas Lindinger
Blogbeitrag von @leningratt
Blogbeitrag der Denkwerstatt
Fotos: Marco Schreuder. von oben nach unten: Das Europäische Parlament, Blogger_innen bei der Konferenz „Financing Art in the Digital Era“ der Europäischen Grünen, Gruppenfoto der Reisenden, Eva Lichtenberger mit Ulrike Lunacek und mir.
Ein großes und herzliches Dankeschön an allen, die mitgeholfen haben: Die Büros von Eva Lichtenberger und Ulrike Lunacek – allem voran Eva und Doris, an Renate Papay und Karin Binder!