Sind die arabischen Aufstände tatsächlich nur ein arabisches Phänomen?

Seit Wochen hält die Welt den Atem an und schaut in die arabische Welt – und Al Jazeera. Vor einem Jahr hätte sich wohl niemand getraut Aufstände in Tunesien, Ägypten, Jordanien, Jemen, usw. vorauszusagen. Am 14. Februar werden auch im Iran Demonstrationen angekündigt, auch in Gaza hat die Jugend die Schnauze voll und formiert sich.
Vor allem die westliche Welt ist sich sehr unsicher, wie mit den Aufständen umgegangen werden soll und agiert dementsprechend ratlos. Zudem wird offenbar, dass die arabische Welt doch vielfältiger und pluralistischer ist, als wir immer dachten. Die autoritären und repressiven Staaten waren ein Garant für die Sicherheit in der Region und in der Welt. Und selbstverständlich spielt vollkommen zurecht die Sicherheit des von vielen Seiten bedrohten jüdischen Staates Israel eine Rolle. Daher waren die Ansprechpartner vorwiegend staatliche Führungsebenen. Diese erkannten spätestens seit den Ereignissen von 9/11: Der Westen hat Angst vor Islamismus und Terrorismus. Das können wir nützen, um unsere Macht abzusichern. Sehr bald setzte sich das Bild fest: Entweder schlucken wir die Krot und unterstützen undemokratische und repressive Regimes oder der Islamismus siegt in der Region. Mehr Parteien schien es gar nicht zu geben. Auch ich habe diese Sorge noch immer nicht ganz ablegen können, und denke freilich auch an die Sicherheit Israels. Doch auf den Demonstrationen zeigten sich Menschen, die wir gar nicht erwartet hatten.
Dann kam Tunesien.
Tunesien ist – wie zahlreiche Medien und Kommentator_innen immer wieder betonten – ein reicheres und traditionell säkulares Land. So war auch die Revolution und der Umbau des Staates ein bislang erfolgreicher. Das Land will zur Überraschung vieler die Menschenrechtsverträge anerkennen und erste Meldungen besagen, dass die Todesstrafe abgeschafft werden soll.. Aber! – so warnten viele Meinungsmacher_innen – Aber, Ägypten ist nicht Tunesien, die arabische Welt schon gar nicht. Doch immerhin kann Tunesien als Beispiel dienen: Vonwegen entweder Repression oder Islamismus – es gibt einen anderen Weg!
In Ägypten war es ebenfalls vor allem die Jugend, die sich organisierte. Die Facebook-Gruppe 6th of April Youth Movement war die Initialzündung um dem tunesischen Vorbild zu folgen. Traditionelle Parteien, wie etwa die Muslimbruderschaft, sprangen relativ spät auf den Zug auf. Dass sich al Kaida erst jetzt – Wochen später – dazu äußert, drückt auch deren Ohnmacht aus. Mit diesem Aufstand der Jugend hatten sie nicht gerechnet und konnte die Bewegung nicht für sich nutzen. Wer zu spät kommt, den straft bekanntlich das Leben. Das wissen wir in Europa bekanntlich seit 1989.
Sind die Aufstände in der arabischen Welt also eine Jugendbewegung? Wohl nicht nur. Die Jugend war es aber, die allem voran die Schnauze voll hatte, von den Repressionen und dem autoritären Regime. Es war die Jugend, die Verantwortung übernahm und sich an die Spitze einer Protestbewegung stellte. Und viele Ägypter und Ägypterinnen folgten der Jugend und war sofort dabei. Die Botschaft war nicht nur der Wunsch nach dem Ende eines Diktators. Es war und ist vor allem der Wunsch nach einer demokratischen Gesellschaft, die sich wieder um die Zukunft kümmert, um die jungen Menschen im Land, um Bildung und Gerechtigkeit.
So zumindest mein primärer Eindruck.
Vergleichbar mit #unibrennt?
Dass die Jugend sich organisiert und lautstark einfordert, dass sich Politik und Gesellschaft wieder vermehrt um Bildung, Zukunftschancen und Perspektiven der jungen Generation kümmern soll, dass sich die Politik nicht nur um eigenes Parteien-Klientel und nicht nur in Fünfjahres-Perspektiven von Wahl zu Wahl denken und handeln soll, waren Hauptbotschaften der österreichischen (und im Ausland übernommenen) Forderungen der #unibrennt Bewegung.
Ist das vergleichbar? Sind die demonstrierenden Menschen am Midan Tahrir vergleichbar mit den österreichischen Studenten und Studentinnen? Ich meine: Ja, durchaus.
Beides organisierte sich ohne Dachorganisation und vorerst vor allem im Internet, durchdrang aber schlussendlich auch gesellschaftliche Gruppen, die nicht in sozialen Medien aktiv sind. Die Demonstrationen fanden vorerst ohne Parteien, ohne Führer_innen und ohne tragende Initiativen statt. Diese setzten sich erst später drauf und waren höchstens Unterstützer_innen. In zahlreichen Kommentaren wurde auch der Zusammenhang zwischen Wikileaks und der tunesischen Jasminrevolution hergestellt.
Organisationslosigkeit
Gleichzeitig wird hier möglicherweise auch das Problem aller Bewegungen sichtbar: In unserer Auffassung und Tradition einer Demokratie sind es immer organisierte Gruppen und Interessensvertretungen, die benötigt werden, um schlussendlich etwas zu erreichen – und am Ende in einer Parteiendemokratie auch wählbar zu werden. Diese Bewegungen pfeifen aber auf die bekannten Organisationen. #unibrennt wahrte Distanz zur Österreichischen Hochschülerschaft. Die am Midan Tahrir harrenden Mengen ignorierten ElBaradei mehr, als dass sie ihn feierten, die Muslimbruderschaft versucht ihre Rolle in der Revolution immer noch zu finden und scheint mehr mit inneren Spaltungen beschäftigt zu sein.
Bei den Verhandlungen über eine neue ägyptische Verfassung wird dieses Problem sichtbar: Es sind dann doch Interessensvertretungen, Parteien und Gruppen, die sich an diesem Prozess beteiligen. Doch wer vertritt die Jugendbewegung? Als #unibrennt verhandeln wollte, stellten sich verantwortliche Politiker und Politikerinnen ratlos die Frage: Wit wem sollen wir denn eigentlich verhandeln? Wer ist Sprecher und Sprecherin der Bewegung?
Die Demokratie 2.0 (wenn ich das mal so nennen darf) und unsere klassische Parteiendemokratie hat noch keinen Weg gefunden, miteinander in Dialog zu treten.
Mehrheit der Jugend und repressive Regimes.
Zwei wesentliche Punkte unterscheiden jedoch die arabische Welt von Europa. In Ägypten stellt die Jugend zum Beispiel eine Mehrheit der Bevölkerung. Diese Jugend wurde jedoch bisher nicht gehört. Sie war keine internationale Ansprechpartnerin war und hat sich erst jetzt lautstark bemerkbar gemacht. Zum ersten Mal in ihrem Leben spielt sie eine tragende Rolle. In Europa ist die Jugend in der Alterspyramide eine Minderheit, die 50+ Generation hat die absolute Mehrheit inne. Das ist sicher ein wesentlicher Unterschied.
Der zweite Unterschied: Westeuropäische Demokratien sind in Repression und Unterdrückung nicht mit den arabischen Regimes vergleichbar, auch wenn in Ländern wie Ungarn oder Italien Tendenzen in autoritäre und undemokratische Strukturen besorgniserregend sichtbar werden. Trotzdem waren die arabischen Regimes einfach zeithistorisch „fällig“.
Demokratie 2.0 – hat das Zukunft?
Haben Demonstrationen und Aufstände, ja Revolutionen und Regimestürze in einer losen organisations- und führungslosen Form überhaupt Zukunft?
Es liegt wohl an die Generation 2.0 selbst, ob demokratische Alternativmodelle zu unserer gewohnten Parteiendemokratie entwickelt werden. Noch fehlen diese, wie man aktuell in Ägypten beobachten kann. Doch würde das gelingen, dann könnte die Demokratie der Zukunft sehr anders aussehen. Und es liegt wohl auch an den jetzt existierenden Parteien, Sozialpartnerschaften und Interessensvertretungen, ob eine neue demokratische Bewegung, die sich zunehmend im Internet formiert, wahrgenommen und ernst genommen wird, oder ob sich bald zwei unterschiedliche demokratische Modelle als Gegner gegenüberstehen.

LINK:
Anleitung zum Volksaufstand von Susanne Zöhrer auf zurPolitik.com denkt in eine ähnliche Richtung.

Twouble with Twitters

Ich bin ja ein Twitter-Mensch und microblogge gerne und nütze Twitter als Kommunikationsmedium und zum Austauschen von wasauchimmer. Das mache ich so gerne wie etwa ein Armin Wolf. Twitter gibt 140 Zeichen Platz. Und da können Botschaften in die Welt geschickt werden, kann auf Botschaften geantwortet werden und andere User_innen können auch private Nachrichten geschickt werden.twitter.com/marcoschreuder ist meine URL übrigens. Ich warte im Moment auf den oder die 300. Follower_in und bin – so habe ich zumindest auf www.twittercharts.at (ja, für manche ist das Twittern eine sportliche Herausforderung!) festgestellt – der aktivste Politiker-Twitterer. Manche Polit-Tweets sind ja eher Einwegkommunikation. Ich mache das nicht so, auch wenn ich manchmal den Überblick verliere. Ich tu mein bestes, es als Kommunikationsmedium zu nützen. Als 14. Gemeinderat von links stehen einem ja sonst nicht alle Medien so mir nichts dir nichts zur Verfügung. Und so halte ich viel von diesem Tool.Trotzdem hat Twitter auch so seine Tücken. Zum Beispiel finden im Moment ganz viele das Wetter ganz schrecklich. Ich erfahre machmal auch, wann wer zu Bett geht. Ich finde das Wetter eh auch blöd und gehe auch meist irgendwann zu Bett, aber das ist ja nur mäßig interessant, also twittere ich das nicht. Manchmal erfährt man allerdings Dinge, die man eigentlich so genau nicht wissen wollte. Aber unzählige Gedanken, Diskussionen oder nützliche Links machen das wieder wett. Und gute Restaurant- und Kinotipps sind auch mal drin. Oder sogar Jobs. Meinen neuen Fotografen fand ich etwa über eine Message auf Twitter.Als ich dieses Video sah, musste ich aber schon sehr schmunzeln: