Warum ich bei der Demonstration "Stoppt Ahmadinejad!" teilnehme.

Heute Nachmittag um 17 Uhr wird vor der Oper eine Demonstration unter dem Titel Stoppt Ahmadinejad stattfinden. Sie findet nicht nur in Wien, sondern zeitgleich auch in Paris, London und New York statt; dann wenn Ahmadinejad vor der UNO sprechen wird. Organisiert wird die Demo von Stop the Bomb. Die Grünen Andersrum Wien haben sich in einer Diskussion (die übrigens auf höchstem Niveau geführt wurde und in der sehr spannende und unterschiedliche Argumente fielen) schlussendlich dafür entschieden, die Demo zu unterstützen und mit aufzurufen. Das geschah übrigens nicht einstimmig. Ich werde daher heute um 17 Uhr auch einen Redebeitrag halten, in dem es – aufgrund meiner Rolle und aufgrund der Inhalte der Grünen Andersrum Wien – vor allem, aber nicht nur, um die schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran geht und als Protest gegen die Holocaustleugnung des Wahlbetrügers Ahmadinejad. Lesben und Schwule werden im Iran nach wie vor verfolgt, gefoltert, gefangen und staatlich ermordet. Als vor einigen Jahren Bilder um die Welt gingen, die zwei zum Tode Verurteilte junge schwule Männer kurz vor der Exekution zeigten, wachte zumindest ein Teil der Weltgemeinschaft auf. Das Schrecken wurde sinnlich erfassbar. Das terroristische Mullah-Regime im Iran hat mittlerweile die Politik so umgestellt, dass Lesben und Schwule „diskret“ verfolgt werden, damit der „böse Westen“ nicht mitbekommt, welche schrecklichen Verfolgungen im Iran passieren. Hauptsache keine Bilder, die um die Welt gehen. Getötet wird hinter verschlossenen Türen (was absurderweise der Scharia widerspricht, da eine Öffentlichkeit bei Exekutionen als Abschreckung für Scharia-Fundis notwendig ist).
Wegen oben genanntes machen die Grünen Andersrum Wien – und auch ich – bei dieser Demonstration mit!
Wenn Stop the Bomb (dessen Petition ich unterschrieben habe) eine Demonstration, eine Kundgebung, eine Diskussionsveranstaltung oder dergleichen organisiert, stoße ich immer wieder auf Kritik und Widerstand von den unterschiedlichsten Seiten. Die Kritik richtet sich allerdings zumeist nicht auf die Petitionen oder die Inhalte der Veranstaltungen, sondern um Haltungen, Meinungen und Inhalte „die dahinter stehen“, wie es meistens heißt.

Da es offensichtlich notwendig ist, hier eine Haltung klarzustellen: Nein, ich halte nichts von einer Siedlungspolitik, die eine Friedenslösung gefährdet. Nein, ich glaube nicht, dass ein Präventivschlag – geschweige denn ein atomarer Schlag – gegen den Iran für Frieden sorgen wird. Im Gegenteil. Sollten heute Abend einige Menschen oder Organisationen diese Meinungen vertreten, so sind das nicht meine oder die der Grünen Andersrum Wien.
Aber:
Wenn in Österreich über den Iran geredet wird, kommt unweigerlich und schnell das Gespräch auch auf Israel. Das ist in vielen Ländern so. Das weiß auch Ahmadinejad. Auch deshalb leugnet der den Holocaust auf perfideste Weise und bedroht den Staat Israel. Er missbraucht UNO-Veranstaltungen, wie etwa eine so genannten Anti-Rassismus-Konferenz, um seine antisemitischen Tiraden in die Weltöffentlichkeit zu verbreiten. Deshalb ist die heutige Demo eine gegen diese grauenhafte Politik gerichtete. Natürlich muss hinzugefügt werden, dass Verfolgungen und Ermordungen von Lesben und Schwulen auch in anderen Ländern stattfinden, das sollte nie vergessen werden! Todesstrafen auf Homosexualität gibt es nicht nur im Iran, sondern auch in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Mauretanien, Jemen, Nord-Sudan und Nord-Nigeria. Von anderen Menschenrechtsverletzungen in vielen Staaten ganz zu schweigen, die hier den Rahmen sprengen würden.

In Israel hingegen – einem Staat, in dem Opposition, Redefreiheit, NGOs, Pluralismus und demokratische Standards gewährleistet sind (und auch nicht perfekt sind, wie in keinem Staat der Erde) – können sich Lesben und Schwule auf ein Antidiskriminierungsgesetz berufen oder werden im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen anerkannt. Das ist noch nicht das, was man sich als Aktivist für Menschenrechte wünschen würde, aber die Diskussion über die Gleichstellung von lesbischen und schwulen Partner_innenschaften geschieht auch in vielen Staaten der westlichen Welt erst jetzt. Man denke nur an Österreich, wo die rechtliche Gleichstellung noch hinter Israel liegt und (dank ÖVP, FPÖ und Katholizismus) äußerst mühsam verläuft.

Zum Teil liegt so manche Kritik gegen Veranstaltungen wie die heutige Demo aber auch am immer noch weit verbreiteten Antisemitismus, an einer in Österreich immer noch weit verbreiteten Ansicht, die Israel (meist unter vorgehaltener Hand) das Existenzrecht absprechen möchte. Österreich hat gegenüber Israel immer eine ambivalente Haltung eingenommen. Das ist das Kernproblem. Ein Bekenntnis zum jüdischen Staat, eine Solidarität mit dem Staat, der von unzähligen Flüchtlingen mit gegründet wurde, die Österreich und dem Nazi-Terror entfliehen mussten und unzählige Angehörige im Holocaust verloren haben, wäre dringend notwendig. Denn ein Bekenntnis zu Israel (und damit auch zur eigenen historischen Verantwortung) würden konstruktive Gespräche – und ja: auch Kritik über manche Handlungen Israels – erst ermöglichen. Was passiert aber in Österreich? Wenn es im Nahen Osten kracht, wird meist zuallererst und groß Israel erwähnt. Die Raketen und Menschenrechtsverletzungen der Hamas werden höchstens in einem Nebensatz erwähnt, wenn überhaupt. Leider eine häufige journalistische Vorgehensweise in Österreich. Israel ist eine Demokratie, und Demokratie muss sich immer wieder neu definieren und braucht Diskussion, Debatte, Kritik, Presse, Meinungsfreiheit und Wahlen. In Israel ist das auch möglich, innerhalb der Hamas nicht. Im Iran muss die Opposition unter großer Gefahr auf die Straße gehen, weil sie keine andere Möglichkeit mehr sieht für einen freien Iran zu kämpfen.

Wie man schlussendlich außenpolitisch mit den Regimen umgeht, die Lesben und Schwule verfolgen und ermorden, ist und bleibt eine Dilemma-Frage. So werden viele darauf pochen, dass Dialog nicht abgebrochen werden darf, um zumindest noch den Hauch einer Chance auf Veränderung zu gewährleisten und Zusammenarbeit auch dazu beitragen soll, die Beseitigung von Missständen zu ermöglichen. Andere wiederum werden behaupten, nur eine harte Isolationspolitik und ein klarer diplomatischer und politischer Bruch mit Diktatoren und Fundamentalist_innen führt zum Erfolg. Die einen werden als „Weicheier“ oder „Appeasement-Politiker“ dargestellt, während die anderen als „Hardliner“ und „Fanatiker“ bezeichnet werden. Hier muss eine ernsthafte und ergebnisorientierte Diskussion überhaupt erst beginnen – vor allem auch innerhalb der globalen Lesben- und Schwulencommunity. Derweil werde ich Ahamdinejad auch auf der Straße mitteilen, dass seine menschenfeindliche Politik inakzeptabel ist. Denn darum und um nichts anderes geht es heute. Um 17 Uhr vor der Oper.

LINK:
Alexander van der Bellen, außenpolitischer Sprecher der Grünen, zu Ahmadinejad und der deutigen Demo.

8 Gedanken zu „Warum ich bei der Demonstration "Stoppt Ahmadinejad!" teilnehme.“

  1. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie du klare und kompromisslose Haltung mit differenzierter Sichtweise und Zugang vereinbaren kannst, Marco. Das macht dich aus.

  2. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie du klare und kompromisslose Haltung mit differenzierter Sichtweise und Zugang vereinbaren kannst, Marco. Das macht dich aus.

  3. Hart aber gerecht: Mit der kompromisslosen Bestrafung homosexueller Verbrecher kann die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten werden. Auf diese Weise wird der Iran das Problem der Homosexualität bald gelöst haben.

  4. Hart aber gerecht: Mit der kompromisslosen Bestrafung homosexueller Verbrecher kann die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten werden. Auf diese Weise wird der Iran das Problem der Homosexualität bald gelöst haben.

  5. Alles völlig richtig.
    Nur frag ich mich, wie Du es bei den Grünen aushältst, die völlig unfähig sind, Kritik zu üben, wenn etwas von Muslimen kommt. Von Antisemitismus über Homophobie und über Frauenhass bis zu Unfähigkeit zu Demokratie und Rechtsstaat.

    Und bzgl der Uno-Rede von gestern wette ich drauf, dass die Grünen es wiedermal schaffen, die theokratische Diktatur Iran mit der Demokratie Israel gleichzusetzen.

  6. Alles völlig richtig.
    Nur frag ich mich, wie Du es bei den Grünen aushältst, die völlig unfähig sind, Kritik zu üben, wenn etwas von Muslimen kommt. Von Antisemitismus über Homophobie und über Frauenhass bis zu Unfähigkeit zu Demokratie und Rechtsstaat.

    Und bzgl der Uno-Rede von gestern wette ich drauf, dass die Grünen es wiedermal schaffen, die theokratische Diktatur Iran mit der Demokratie Israel gleichzusetzen.

  7. Gratuliere Marco, ein guter Beitrag.

    Drei anonyme Kommentare, die unterschiedlicher nicht sein könnten:

    zu Anonym 1: Stimme ich zu

    zu Anonym 2: Ironitags finde ich keine in deinem Kommentar. Meinst du es ernst?

    zu Anonym 3: Wo siehst du eine generelle Unfähigkeit der Grünen Kritik zu üben? Der Iran bezeichnet sich selbst z.B. als Islamische Republik und von den Grünen wird massiv am obersten Vertreter Kritik ausgeübt, wenn er mit religiösen Mitteln Menschenverachtung gepredigt wird.

  8. Gratuliere Marco, ein guter Beitrag.

    Drei anonyme Kommentare, die unterschiedlicher nicht sein könnten:

    zu Anonym 1: Stimme ich zu

    zu Anonym 2: Ironitags finde ich keine in deinem Kommentar. Meinst du es ernst?

    zu Anonym 3: Wo siehst du eine generelle Unfähigkeit der Grünen Kritik zu üben? Der Iran bezeichnet sich selbst z.B. als Islamische Republik und von den Grünen wird massiv am obersten Vertreter Kritik ausgeübt, wenn er mit religiösen Mitteln Menschenverachtung gepredigt wird.

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