Europa steht unter Schock. Der langjährige Partner der Europäischen Union, die Vereinigten Staaten von Amerika, haben offenbar auch EU-Gebäude in den USA und in Brüssel verwanzt. Dass Geheimdienste sowas machen kommt nicht wirklich überraschend, das Ausmaß der Überwachung ist allerdings nicht mehr erträglich und muss Konsequenzen haben. Das muss laut und deutlich gesagt werden. Immerhin verstoßen US-Behörden damit gegen Europäischen Datenschutz. Und gegen ein Vertrauensverhältnis, das nachhaltig zerrüttet wurde.
Die EU ist aber derzeit leider fast schon ein „Jausengegner“. Mit sich selbst beschäftigt, streitend über den Umgang mit der Wirtschaftskrise, die die USA zwar seinerzeit verursacht haben, aber auch wesentlich besser bewältigt haben. Streit über Sparen und Konjunkturbelebung, Streit über den Umgang mit strauchelnden Mitgliedsländern, eine Währung, die unter Druck geraten ist, selten klare Reaktionen und Statements, weil auf innenpolitische Dynamiken in den jeweiligen Mitgliedsländern Rücksicht genommen werden muss, usw.
Und im globalen Wettbewerb stehen sich auch Demokratien wie die USA und die Europäischen Staaten so genannten „gelenkten Demokratien“ wie Russland oder Staatskapitalismus samt Einheitspartei-Regime wie in China gegenüber. Und letztere sind ohnehin der Meinung, dass Demokratien à la Europa zum Scheitern verurteilt sind, und wollen das vielen Schwellenländern auch ziemlich deutlich zum Ausdruck bringen und diese Idee exportieren.
In diesem Zusammenhang muss man – wie so oft, und wie so oft leider ohne dementsprechende politische Taten – deutlich sagen: Die Antwort kann nur mehr Europa sein! Die Antwort kann nur ein selbstbewusstes Europa sein, dass sowohl zu paranoiden Überwachungsmethoden deutlich Nein sagt, aber auch zu den Autokratien, die die neuesten Skandale jetzt für ihre Zwecke verwenden, deutlich Nein sagt.
Die Europäische Union kann – ja muss – ein globales Beispiel dafür sein, dass Freiheit, Demokratie und Menschenrechte (inklusive die Beachtung der Privatsphäre und des Datenschutzes) möglich ist.
Großbritannien, ein so wichtiges Land der EU und maßgeblich daran beteiligt, dass Europa vom Nationalsozialismus befreit wurde und die EU überhaupt gegründet wurde, muss endlich enscheiden, ob sie Teil eines solchen Projekts sein will oder nicht. Ständig zu jammern, eher nur Halbmitglied sein, geht auf Dauer nicht. Und Abhören in diesem großen Stil schon gar nicht. Immerhin verletzt Großbritannien damit EU-eigene Gesetze.
Menschenrechte, Demokratie und Freiheit verteidigen bedeutet auch, Whistleblowern Asyl gewähren zu können. Damit kann Europa auch verhindern, dass Menschen wie Edward Snowden in halbdiktatorischen Staaten Unterschlupf finden müssen, die das weniger aus Menschenliebe machen, sondern lieber aus Propaganda-Gründen.
Die Politiker_innen in den Mitgliedsstaaten müssen endlich aufhören auf Kosten der Europäischen Idee innenpolitisches Kleingeld zu machen, sondern ehrlich und offen globale Zusammenhänge deutlich machen und warum es ein starkes Europa in einer globalisierten Welt braucht.
Und die EU selbst braucht eindeutig eine bessere PR. Denn wenn mehr über Olivenöl-Fläschchen in Restaurants debattiert wird, und zu Themen der Grundrechte von Bürgerinnen und Bürger – etwa dem Datenschutz und der Privatsphäre – keine Einigung zustande kommt und man den PRISM- und Tempora-Abhörskandalen keine deutliche Abfuhr erteilt, dann wird das Vertrauen der Unionsbürger_innen auch nicht gewonnen werden.
Wenn Europa zur Kleinstaaterei zurückkehren will, gäbe es viele Gewinner_innen auf der Welt. Europa würde nicht dazu gehören.