Netzpolitik im Regierungsprogramm. Ein großes Cyber-Fragezeichen.

Im Regierungsprogramm der ehemals großen, mittlerweile kleinen Koalition gibt es kein eigenes Kapitel zur Netzpolitik. Da es sich aber tatsächlich größtenteils um Querschnittmaterie handelt, ist das freilich nicht weiter tragisch. Daher muss man auch auf die Suche im 124-seitigen und trotzdem enorm dünnen Regierungsprogramm gehen.

Grundsätzlich bekommt man den Eindruck man lese ein Papier aus dem Jahre 1997, als Begriffe wie „Cyber-Space“ noch total en vogue waren. Ganze 24 mal kommt das Wort „Cyber“ vor, ganz so als ob im Netz keine richtigen Menschen  richtig kommunizieren würden, sondern das Internet irgendwie was anderes sei. Damit ist freilich keine moderne Netzpolitik zu machen. Hier liegt auch das Grundproblem des Papiers: Es ist (mit einigen Ausnahmen) nur eine Auflistung von möglichen Absichten, stellt Probleme in den Raum, die das Papier aber auch nicht löst und konkrete Maßnahmen findet man kaum.

Was fehlt

Außerdem gibt es einige Punkte, die überhaupt schmerzlich fehlen, u.a.:

Wer ein klares Statement zur Netzneutralität erhoffte, wird enttäuscht. Weder im Kapitel Infrastruktur wird diesbezüglich etwas erwähnt, noch im Kapitel Europa wird auf europäische Initiativen eingegangen.
Wer hoffte, dass es im Rahmen einer Verwaltungsreform auch zum Einsatz von Open Source im Bereich der Verwaltung kommt, wird ebenso enttäuscht sein: Kein Wort.
Ebenso wenig findet sich zum Bereich Open Science. Wer sich erhoffte, dass öffentlich finanzierte Wissenschaft auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird, kann in diesem Papier nichts finden. Zwar wird im Bereich Forschung (wie auch im Kapitel Kultur und Justiz) angekündigt, das irgendwas im Bereich „geistiges Eigentum“ gemacht werden soll, was das aber nun bedeutet, sagt das Papier nicht. Es kann alles bedeuten.

Was kommt

Immerhin sollen auch positive Punkte erwähnt werden, wenn auch die eher nebulos formuliert werden und konkrete Schritte ausgespart werden:

Ein Bekenntnis zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses wird ebenso angekündigt wie die Informationsfreiheit. Soweit so gut. Was diese „neue Transparenz“ am Ende bedeutet und wie das umgesetzt werden soll, bleibt derweil ein Amtsgeheimnis des Papiers.
Damit verknüpft gibt es auch ein Bekenntnis zu Open Government Data. Ob dieses aber Grundprinzip wird oder einfach mal das eine oder andere Datenpaket freigegeben wird, bleibt ein Rätsel.
Die Breitbandoffensive bzw. die Digitale Agenda heißt jetzt „Digitale Offensive“. Man bekennt sich zum flächendeckenden Breitbandausbau, ohne aber Übertragungsgeschwindigkeiten zu nennen, noch wie viel wohin investiert werden sollen. Und da es am Ende des Regierungsprogramms ohnehin einen so genannten „Finanzierungsvorbehalt“ gibt, was man noch vor einigen Tagen zuerst „Budgetloch“ und dann „Budgeterwartungsloch“ nannte, weiß man ohnehin nicht, ob irgendwas aus diesem Papier auch wirklich umgesetzt wird.
Die Vermittlung von Medienkompetenz wird im Programm zwar erwähnt, allerdings nicht im Kapitel Bildung, sondern im Kapitel Jugend. Aufbauend auf Bestehendem. Was immer das jetzt auch heißen mag.
Die IKT-Strategie wird im Kapitel Wachstum und Beschäftigung erwähnt. Das ist auch ganz gut so.
Im Bereich Bildung werden mehr elektronische Apps angekündigt, die teilweise Schulbücher ersetzen sollen. Allerdings fehlt in diesem Kapitel die damit notwendige Medienkompetenz.

Cyber-Zeugs

Viel Raum bekommt Cyber-Sicherheit, Cyber-Strafrecht, Cyber-Kriminalität usw. Zu finden sind diese Begriffe in den Kapitel Äußere Sicherheit, Innere Sicherheit, und Justiz. Die Ausführungen bleiben derart schwammig, dass ich die Punkte weder zu analysieren vermag, noch herausfinden konnte, was da nun konkret passieren soll. Was bleibt ist ein großes Cyber-Fragezeichen.

Der NSA-Effekt

Im Kapitel „Sicherheit und Rechtsstaat“ wird einerseits betont, dass die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und Diensten im Interesse der Sicherheit notwendig seien (Extremismus und Terrorismus werden zwangsläufig erwähnt), dann werden die nachrichtendienstlichen Aktivitäten aber tatsächlich als Problem definiert. Und deshalb auf Seite 85 ein Ziel formuliert:
Wirksamer Schutz der Grund- und Freiheitsrechte der Menschen und der Integrität souveräner hoheitsrechtlicher Prozesse unter Beachtung rechtsstaatlicher Regeln
Alles klar? Nein? Macht nix. Geht mir genau so. Aber danach werden immerhin Maßnahmen angekündigt. U.a. die „Stärkung der Analysefähigkeiten und Kooperationen relevanter Einrichtungen und Schaffung bzw. Anpassung erforderlicher gesetzlicher Regelungen“ oder etwa die „Förderung der Entwicklung und Produktion von sicherheitsrelevanten Kernkompetenten (!) in Österreich und Europa“, ein EU-Binnenmarkt bei Cloud-Diensten, ein Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA, etc.

Konkreter wird das nicht. Tut mir leid. Das Problem musste offenbar angesprochen werden, ohne dass man allzu konkret werden will. Zumindest bleibt dieser Eindruck haften.

Fazit

Nicht alles ist schlecht. Aber das Papier bleibt größtenteils unkonkret, schwammig und am Ende kann vieles alles bedeuten. Man weiß nicht wirklich wohin die Regierung nun eigentlich will. Die netzpolitische Reise bis 2018 wird stattfinden, nur (noch?) ohne konkretes Ziel.

2 Gedanken zu „Netzpolitik im Regierungsprogramm. Ein großes Cyber-Fragezeichen.“

  1. Kleine Anmerkung: Beim Abkommen EU-USA ist nicht von Datenschutz sondern von Datensicherheit die Rede. Das ist etwas anderes.

  2. Kleine Anmerkung: Beim Abkommen EU-USA ist nicht von Datenschutz sondern von Datensicherheit die Rede. Das ist etwas anderes.

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