Von §129Ib bis §209: Wie historisches Unrecht auch 2012 noch Unrecht bleibt.

Das Urteil

Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshof sorgt für Aufsehen:  Ein schwuler Polizist wurde 1976 aufgrund des §209 StGB verurteilt. Der bis 2002 aktive Paragraf bestimmte das „Schutzalter“ bei schwulen Partnern mit 18 Jahren, während das Mindestalter bei lesbischen oder heterosexuellen Partnern 14 war. 2002 wurde der Paragraf durch den Verfassungsgerichtshof, später nachträglich auch vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, abgeschafft. Der Polizist wurde 1976, damals 32-Jährig, in Pension geschickt. Das Ergebnis: Entgangene Aktivbezüge und eine deutlich geringere Pension. Der Polizist wehrte sich gegen das historische Unrecht. Finanz- und Innenministerium lehnten sein Ansuchen aber per Bescheid ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bescheide nunmehr aufgehoben.

Die Geschichte

Der §129Ib StGB bestraft seit 1853 Unzucht mit dem gleichen Geschlecht. Damit ist dieser Paragraf strenger als der preussische (später deutsche) §175, der „beischlafähnliche Handlungen“ bestrafte, also im Grunde Analverkehr zwischen schwulen Männern. Lesben wurden nur in Österreich bestraft.
 

Urteil 1942 aufgrund des §129Ib - Quelle: DÖW

Dieser Paragraf blieb auch 1938-1945 in Kraft, denn eine Angleichung des deutschen mit (ehem.) österreichischem Recht wurde auf die Zeit nach dem II. Weltkrieg verschoben. So gab es also in der NS-Zeit eine Kontinuität der Strafbestimmungen, im ehemaligen Österreich sogar in verschärfter Form. Neu hinzu kam aber, dass so genannte „Vorbeugemaßnahmen“ getroffen werden konnten, was nicht anderes hieß als: KZ-Haft, Terror, Folter, Kastrierungen, etc.

Nach 1945 ging es munter weiter. $129Ib blieb in Kraft. Es wurden sogar noch in den 50-er Jahren Urteile bestätigt, die während der NS-Zeit – nicht selten von den gleichen Richtern – gefällt wurden.

Erst 1971 konnte sich SP-Justizminister Christian Broda durchsetzen. Der Paragraf fiel. Die ÖVP (und wohl zu einem erheblichen Teil die SPÖ) wollte das aber nicht auf sich beruhen lassen und es traten weitere anti-homosexuelle Sondergesetze in Kraft. So gab es etwa ein Vereinsverbot, Werbeverbot, Prostitutionsverbot und ein unterschiedliches „Schutzalter“, ab dem Sex praktiziert werden durfte: Im §209 StGB wurde festgelegt, dass Männer nur über-18-jährig gleichgeschlechtlichen Sex haben dürfen, während Lesben und Heterosexuelle das ab 14 tun konnten.

Erst 2002 wurde die letzte anti-homosexuelle Sonderbestimmung abgeschafft. Der §209 wurde vom VfGH gekippt. Der VfGH kam damit einem Urteil des Menschenrechtsgerichtshof zuvor, das den §209 ebenfalls verurteilte. Treppenwitz der Geschichte: Die schwarz-blaue Regierung unter dem bekanntermaßen homophoben Kanzler Schüssel musste das letzte Echo des §129Ib abschaffen.

2005 wurden Homosexuelle dann auch endlich rechtlich im Opferfürsorgegesetz als NS-Opfer anerkannt. Ja, 2005! Als kein Überlebender mehr lebte.

Die Interpretation, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften zwar seit 2010 anerkannt, aber weiterhin in „Sondergesetzen“ behandelt werden (inkl. Adoptions- und In Vitro Fertilisations-Verbot) ebenfalls ein Nachhall der anti-homosexuellen Gesetzgebung ist, kann nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Denn es wäre genauso möglich gewesen allen – hetero- und homosexuellen Paaren – die gleichen Rehctsinstitute anzubieten, etwa Ehe und Eingetragene Partnerschaft für Alle, wie zahlreiche europäische Staaten bewiesen haben.

Amnestie, Rehabilitierung & Entschädigung

2010 brachte der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser einen Gesetzesvorschlag ins Parlament: Das Amnestie-, Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz (AREG), das die Grünen mit Helmut Graupner der NGO Rechtskomitee Lambda erarbeiteten.

Denn auch 2012 werden durch historisches Unrecht ausgesprochene Urteile in den Vorstrafenregistern geführt. Es fehlt die Rehabilitierung. Menschen, die aufgrund anti-homosexueller Sondergesetze frühpensioniert wurden und dadurch deutlich geringere Aktivbezüge und deutlich geringere Pensionen bekamen (wie eben der oben beschriebene Polizist) wurden nicht entschädigt. Menschen, die aufgrund der anti-homosexuellen Rechtsprechung sogar in Anstalten geistig abnormer Rechtsbrecher gesteckt wurden, wurden ebenfalls nie entschädigt oder rehabilitiert.

Erst wenn Österreich dies tut, kann man von einer aufgearbeiteten Geschichte erzählen. Solange dies aber nicht passiert, diskriminiert und verurteilt Österreich weiterhin homosexuelle Menschen.

Innenministerin Maria Fekter ignoriert Gerichtsurteile.

Die Geschichte von Transsexuellen ist eine Geschichte voller Missverständnisse, so könnte man einen Blogeintrag zum Thema Transgender gut und gerne einleiten. Eine der häufigsten Missverständnisse ist, dass immer noch angenommen wird, die geschlechtsangleichende Operation – also der schwerwiegende medizinische Eingriff, der äußere und innere Geschlechtsorgane entfernt – sei das Ziel eines Transgender-Menschen, und erst dann sei ein Prozess beendet und erst dann sei eine Transgenderperson „Mann“ oder „Frau“.

Mitnichten.
Bevor es überhaupt zu einer geschlechtsanpassenden Operation kommt, vergeht meistens viel Zeit. Zeit in denen Therapien anfangen, in dem der Schritt passiert, dass das biologische Geschlecht nicht dem sozialen, gefühlten, „inneren“ Geschlecht entspricht. Gepaart wird das ganze mit dem hohen sozialen Druck, Coming-out usw. Eine geschlechtsanpassende Operation ist ein riesiger Schritt, den man/frau sich – bevor man/frau ihn tut – sehr genau überlegt hat. Zahlreiche Transsexuelle entscheiden sich für diesen mutigen und für sie ganz einfach richtigen Schritt. Aber viele eben nicht! Sie leben zwar in ihrer sozialen weiblichen oder männlichen Identität, entscheiden sich aber gegen den medizinischen Schritt. Bei manchen ist dieser Weg auch aus medizinischen Gründen gar nicht möglich.
Das ist auch der Grund, warum der Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil im Februar 2009 festhält, dass für eine Änderung des Personenstandes (zu beantragen auf den Standesämtern, zuständig sind die Standesämter und damit das Innenministerium), dieser schwerwiegende medizinische Schritt nicht Voraussetzung sein kann!
Damit bestätigt der VwGH alle Forderungen von Transgendergruppen und -vereine, wie etwa TransX. Diese machen schon seit Jahren darauf aufmerksam, dass das soziale Geschlecht entscheidend sein muss. Also die Geschlechtsidentität, in der ein Mensch sein Leben lebt und wie der Mensch auch von der Umwelt wahrgenommen wird. Das steht im Gegensatz zur biologistischen Sichtweise, die meint, das nur entscheidend sein kann „was man zwischen den Beinen hat“, um es salopp auszudrücken.
Das Innenministerium ist allerdings noch ganz auf Linie der biologistischen Denkschule. 2007 gab es einen Erlass, der sagt, dass die geschlechtsanpassende Operation Bedingung für eine behördliche Änderung des Geschlechts sein muss. Dieser Erlass widerspricht somit der Entscheidung des VwGH. Zudem wurde der Erlass nicht publik gemacht, was jeglichem demokratischen und rechtsstaatlichem Grundverständnis widerspricht. Ein früherer Erlass aus dem 1996 wurde bereits vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Der neue steht ebenfalls auf dem VfGH-Prüfstand, und es würde mich wundern, wenn der oberste Gerichtshof des Landes demnächst nichts zu beanstanden hätte.
Maria Fekter lässt aber – so lange es geht – den Erlass von 2007 aufrecht. Sie ignoriert Gerichtsurteile und scheint Diskriminierungen und Schikanen gegenüber Transgender-Menschen zu bevorzugen. Für Transgender ist diese Situation prekär: Somit gibt es keine Rechtssicherheit und keine klaren Richtlinien. Alles widerspricht sich, Fekter handelt nicht, und dies führt etwa dazu, dass Transgender ihrer Arbeit nicht mehr nachkommen können und in ihrer Existenz gefährdet sind. So berichtete uns zum Beispiel eine Betroffene, dass sie nicht mehr in Länder einreisen könne, die aber für ihren Beruf unbedingt notwendig sind, weil in ihrem Pass noch immer das „M“ steht. Oder: Demütigende Berichte, dass auf der Post das Packerl nicht abgegeben wird, weil Ausweis und äußeres Erscheinungsbild nicht zusammen passen. „Das sind ja gar nicht Sie!“
Transgendervereine und -gruppen sowie die Grünen bzw. Grünen Andersrum (mit dabei Justizsprecher des Parlamentklubs NRAbg. Albert Steinhauser, Sprecherin Iris Hajicsek sowie ich) und die SoHo (Sozialdemokratie & Homosexualität) einigten sich noch vor dem Sommer auf ein gemeinsamen Positionspapier. Darin halten wir fest, dass die geschlechtsanpassende Operation nicht Voraussetzung für eine Personenstandsänderung sein kann. Vielmehr sollte die Lebenspraxis und das soziale Geschlecht entscheidend sein.
Maria Fekter: Handeln Sie!

 

Wozu überhaupt eine Regenbogenparade?

Seit 1996 findet in Wien alljährlich die Regenbogenparade statt. Sie gedenkt den Aufständen in New York vor genau 40 Jahren, als Lesben, Schwule, Transvestiten und Freunde sich gegen Razzien und Willkür der Behörden wehrten.

Die Motive für viele Teilnehmer, bei der Regenbogenparade mit zu marschieren, sind mannigfaltig. Gehen die einen hin, um für Gleichstellung ihrer Partnerschaften und gegen Diskriminierungen zu demonstrieren, sehen andere in der Parade mehr ein gemeinsames Feiern von Lesben, Schwulen und Transgendern im öffentlichen Raum. Gehen einige dort hin, um sich in ihrem gerade erst vollzogenem Coming-out weniger alleine zu fühlen, wollen andere lieber heterosexuelle Denk- und Rollenmuster mit Provokation begegnen. Die Drag Queens und Bodygepainteten wiederum dominieren das mediale Bild der Parade, sind doch Männer in Frauenkleidern und Federboas oder nackte Menschen halt schönere und buntere Bilder, als in stinknormalen Straßenklamotten teilnehmende Menschen, obwohl letztere in der großen Mehrzahl sind. Die Fotografen sind im übrigen mehrheitlich heterosexuell.
Parade erfolglos?
Das mediale Bild der exaltierten Lesben und Schwulen führt auch oft zu Kritik, durchaus auch aus der Lesben- und Schwulencommunity selbst. Nicht selten wird über die Parade gesagt, sie würde eher abschrecken und der Forderung nach Gleichstellung einen Bärendienst erweisen. Dass es in Österreich noch immer keine Möglichkeit gibt, dass Lesben und Schwule heiraten können, wird dann als Beispiel der Erfolglosigkeit der Parade angeführt. Allerdings ist die Nicht-Umsetzung ja nicht an der Regenbogenparade, sondern allem voran an der ÖVP gescheitert. Aber hat die ÖVP das tatsächlich blockiert, weil auf der Parade bewusst lustvoll und provokant Lebensgefühl und Protest dargestellt werden?
Um die Regenbogenparade wirklich zu begreifen, braucht es allerdings zwei Perspektiven: die historische und die alltägliche.
Im Lokal Stonewall Inn in der Christopher Street, New York City, befanden sich in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 zahlreiche trauernde Menschen, die wenige Stunden davor beim Begräbnis der Schwulenikone Judy Garland teilnahmen. Dementsprechend emotionalisiert waren die Gäste. Als dann nachts die Polizei eine Razzia durchführte, entlud sich der Frust. Das Viertel wehrte sich gegen die Schikanen. Die Stonewall Riots, wie der Aufstand genannt wurde, dauerten mehrere Tage. Historisch wurde das Ereignis allerdings erst im Jahr darauf, als eine Parade im New Yorker Village stattfand, die an die Ereignisse von 1969 erinnerte. Der Christopher Street Day (CSD) war geboren und wurde nach und nach zum wichtigsten Tag der globalen Emanzipationsbewegung von trans-, bi- und homosexuellen Menschen. In Wien heißt der CSD seit ihrer ersten Parade 1996 eben Regenbogenparade.
Die täglichen Parädchen
Der Blick in den Alltag von Lesben und Schwulen zeigt aber noch deutlicher, warum es die Regenbogenparade gibt. Sie zeigt auch, warum es 1970 so wichtig war, auf die Straße zu gehen, denn viele der damals formulierten Anliegen haben sich 40 Jahre später kaum verändert. Lesben und Schwule wollten und wollen sich nicht verstecken müssen, hatten und haben keine Lust, sich zu verstellen und ein Scheinleben zu führen. Sie wollen Akzeptanz und Respekt und merken immer noch häufig, dass sogar das zu viel verlangt ist.
Lesben und Schwule erleben häufig ihre ganz privaten, kleinen und eigenen Regenbogenparädchen. Seien es neue Nachbarn, die nebenan einziehen, seien es neue Kollegen im Büro, sei es ein Taxifahrer, der höflich ein Gespräch beginnen will (nachdem man soeben in der Rosa Lila Villa war) und fragt, wo man denn gerade seinen Abend verbracht habe, oder seien es Schulfreunde, die fragen, ob man denn schon einen Freund oder eine Freundin habe: Überall und zu jeder Zeit müssen Lesben und Schwule sich entscheiden: Sag ich’s oder sag ich’s nicht? Dieses den Alltag ständig begleitende Bewusstsein ist heterosexuellen Menschen freilich fremd.
Noch immer erleben zahlreiche Jugendliche ein Coming-out, ohne dass sie irgend etwas darüber wissen, weil einem weder in den Schulen etwas darüber erzählt wird, und weil die allermeisten Menschen – auch Eltern – immer noch das heterosexuelle Muster als Norm ansehen, und eben genau diese normierten Erwartungshaltungen an Jugendliche weitergegeben werden, was wiederum zu enormen persönlichen Krisen führen kann.
Mut machen!
Die Regenbogenparade sollte daher vor allem eines: Mut machen! Sie soll vor allem den Lesben, Schwulen und Transgendern signalisieren: Sehr her, ihr seid nicht allein. Machen wir uns Mut, seien wir stolz, auf das was wir sind, und lassen wir uns von irgendwelchen religiösen Fundis, rechten Recken und anderen Ignoranten nicht die Freude an unsere eigene Identität nehmen. Erst, wer das begriffen hat, begreift die Regenbogenparade und weiß auch erst dadurch, warum politische Gleichstellung und Antidiskriminierung so notwendig sind.
Die Grünen Andersrum haben übrigens soeben die Publikation Stonewall in Wien herausgegeben, die die lesbisch-schwule-transgender Emanzipation Wiens mit zahlreichen Interviews von Zeitzeugen dokumentiert. Zu bestellen unter andersrum.wien@gruene.at.

Dieser Text wurde für ein Printmedium geschrieben, blieb aber unveröffentlicht. Daher ist der Text nicht geschlechtsneutral formuliert. Ich bitte um Verständnis. 

Sozialheim-Bewohner_innen und Homosexuelle dürfen kein Plasma spenden.

Plasmaspender_innen werden bei Werbungen immer gern gesucht. Besonders in U-Bahn Stationen können die Werbetafeln angetroffen werden: Plasmaspender sind durch nichts zu ersetzen! oder Retten Sie Leben! heißt es verlockend. Geld winkt zudem, wenn bei Unternehmen wie Baxter, Plasmapunkt oder Humanplasma gespendet wird. 20 Euro können gerade für Menschen, die gerade knapp bei Kassa sind, eine große Hilfe sein. Besonders bei Menschen, die in Sozialheimen wohnen (und punperlgesund sind).
Dass schwule Männer kein Blut spenden dürfen war bekannt und ist schon lange ein heiß diskutiertes Thema. Dass dies auch bei Plasmaspender_innen der Fall ist, deckte gestern die (unterschätzte) Wiener Zeitung in diesem Artikel auf. Geahnt habe ich das schon lange und wurde mir – allerdings ohne Belege – schon öfter berichtet.
Warum Schwule (inwieweit dieser Ausschluss auch für Lesben gilt, weiß ich nicht, wäre aber interessant zu erfahren – Erfahrungsberichte bitte an mich) ausgeschlossen werden, ist auch bekannt: Sie vögeln scheinbar zu viel durch die Gegend, so das Vorurteil. HIV oder Hepatitis-Risiken seien daher zu groß.
Gibt es also keine promiskuitiven Heterosexuelle? Ich habe bei Gesprächen mit dem Roten Kreuz schon öfter darauf aufmerksam gemacht, dass in den Fragebögen ja einfach gefragt werden könnte: Hatten Sie in den letzten Monaten häufig wechselnde Sexualpartner_innen? Das wäre weniger diskriminierend. Es gibt nämlich promiskuitive Heteros und Homos, aber auch eben nicht. Das ist ja wohl keine Frage der sexuellen Orientierung!
Außerdem hoffe ich ja doch, dass die Pharma-Unternehmen und Rettungsorganisationen die Blut- und Plasmaspenden auch kontrollieren. Denn immerhin kann auch ein Spender oder eine Spenderin im Fragebogen schlicht die Unwahrheit sagen oder eben heterosexuell Leben – und das ausgiebig. Was ich im übrigen jedem und jeder herzlich gönne…