ÖVP, Bandion Ortner, Pröll, Faymann & Co: Ich hab da was für euch!

Nachdem heute in der österreichischen Tageszeitung Österreich dieser Artikel erschien, scheint es klar: Lesben und Schwule dürfen ihre Partnerschaften demnächst auf zumindest manchen wenigen Standesämter eingehen. Nicht auf alle! Wo kämen wir denn da hin? Das dulden die ÖVP-Bürgermeister_innen nicht.Und jetzt glaubt bloß nicht, dass Lesben und Schwule auch noch selbst aufs Standesamt gehen dürfen! Igitt, dachten sich da die VP-Granden. Die küssen sich ja dort auch noch… Also: Brief ans Standesamt schicken und die Geschichte ist erledigt.Und gab’s da nicht noch einen Koalitionspartner, der uns die komplette Gleichstellung (okay, ohne Adoption) versprach? Was meinte der Obmann einer NGO nochmal in einem Kommentar hier, der sich gleich in der Geschichte unterhalb befindet? Und wie war das mit einer einstmals groß medial inszenierten Perspektivengruppe der ÖVP, dessen Leiter heute Parteichef geworden ist? Schnee von gestern.Lesben und Schwule werden ein bissl gleichgestellt. Dafür aber unter der Tuchent, im Versteck, ab ins Kastl mit denen!Unsere Reaktion der Grünen Andersrum findet sich jedenfalls hier, die von Ulrike Lunacek hier. Zudem bloggen think outside your box, Alte Knacker (aus der Sicht eines Heteros) und Edith Schmied dazu. Einen Bericht gibt es auch auf ggg.at.Für die ÖVP, Bandion-Ortner, Pröll und den stets dazu schweigenden (aber bestimmt lächelnden) Faymann: Ich hab da was für euch, was die Gefühlslage der Lesben und Schwule dieses Landes wohl am besten ausdrückt:

Trostpreis: Ein Justizministerium für den Wahlverlierer.

Ich fasse es noch immer nicht. Der Wahlverlierer der letzten Wahl hieß vor allem ÖVP. Die auch – aber kronenzeitungseidank eben weniger – verlierende Partei SPÖ nimmt wieder Verhandlungen mit der ÖVP auf. Und letztere hat jetzt ein Ministerium mehr. Das Justizministerium. Exekutive und Justiz liegen also nun in schwarzer Hand. Erinnert sich Herr Faymann eigentlich an noch einen gewissen Herrn Haidinger? Ist er völlig übergeschnappt?

Die SPÖ hat jedenfalls jetzt 6 Ministerien. Die ÖVP 7. Begreife das, wer wolle…
Weil viele Lesben und Schwulen aus der Community fragen werden: Das steht im Koalitionsabkommen:

Zur Schaffung eines Partnerschaftsgesetzes zur rechtlichen Absicherunggleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird eine Arbeitsgruppe (BMJ, BMI, BM Frauen) eingesetzt, die die weitere Vorgangsweise im Detail festlegt. 
2 schwarze und 1 rotes Ministerium dürfen also eine „Homo-Ehe“ ausarbeiten. Na, das wird ja lustig. Ich sehe schon wieder die Einladung an alle NGOs, denn die dürfen dann wohl wieder ein Jahr zusammen in einer Arbeitsgruppe sitzen – obwohl sie das schon mal machten – unbezahlt und ohne Ersetzung der Reisekosten, etwa für die TirolerInnen… Am Ende bekommen Lesben und Schwule wohl wieder etwas, was sie nie wollten. Dafür bekommt das Gesetz aber dann das schmucke Etikett „Ausgearbeitet mit den NGOs“.

Im Moment sehe ich für einen Change schwarz. Und rot.

Sonntag: Andersrum im Grünen Zelt vor der Oper. Queer City Talk und Film "Before Stonewall"

Wer es noch nicht weiß: Vor der Wiener Staatsoper haben die Grünen Wien ein Zelt aufgestellt. Dort gibt es tolles Programm und jeder Tag ist ein so genannter Thementag (siehe Programm hier). Sonntag sind es Themen der Grünen Andersrum. Ab ca. 17:30 h beginnen wir mit zwei Queer City Talks, die ich moderieren darf. Anschließend zeigen wir den Film „Before Stonewall“.
17:30 – Queer City Talk:
Beziehungsweisen
In dieser Talkrunde wollen wir einen Blick in die Zukunft der PartnerInnenschaftsdiskussion werfen. Welche Beziehungsmuster gibt es jenseits und diesseits der Ehe? Darf der Staat vorschreiben, wer mit wem Sex hat? Was wenn sich 3 Menschen ineinander verlieben?
Mit:
Margareth Lanzinger, Historikerin
Helena Planicka, Verein Eltern für Kinder
Katharina Miko, Soziologin
Michaela Tulipan, Rechtskomitee Lambda
Albert Steinhauser, grüner Nationalrat und Justizsprecher
ca. 19:00 Uhr Queer City Talk
Before Stonewall
Ein Jahr vor dem 40. Jubiläum der Stonewall-Riots beleuchtet NR-Abg. Ulrike Lunacek mit ZeitzeugInnen und ExpretInnen die Zeit vor Stonewall: Was geschah vor 40 Jahren? Welche Emanzipation fand in Österreich statt? Wie sieht die Situation für Lesben, Schwule und TransGender heute aus und welche Zukunftsperspektiven ergeben sich?

Mit:

Andreas Brunner, Historiker
Ines Rieder, Historikerin
Kurt Krickler, HOSI Wien
Ulrike Lunacek, offen lesbische Nationalratsabgeordnete
Sabrina Rotter, Landessprecherin der Grünen Jugend NÖ
Birgit Meinhard-Schiebel, Landessprecherin der Grünen Wien
Peter Kraus, Student

Im Anschluss (ca. 20:30 Uhr) zeigen wir den Film Before Stonewall.
BEFORE STONEWALL zeichnet die Geschichte des Sichtbarwerdens von Schwulen und Lesben in der amerikanischen Gesellschaft auf – ein lebendiges Dokument einer verborgenen Geschichte, voller Witz und Ironie und manchmal auch Traurigkeit. Ein Film von Greta Schiller, Robert Rosenberg und Andrea Weiss , USA 1984, 87 Minuten, s/w und Farbe.

Ein Plädoyer für Helmut Graupner – Oder: Wie NGOs angepatzt werden sollen.

Es ist schon längst an der Zeit, dass ich mich hier vor einem Mann verneige. Zusätzlich ist es leider auch nötig, dass ich hier die Arbeit eines Mannes verteidigen muss. Es geht um den Präsidenten einer lesbisch-schwulen-transgender NGO, dem Rechtskomitee Lambda (RKL), Helmut Graupner. Aus mir völlig unbegreiflichen Gründen wird seine Arbeit in den letzten Wochen heftig attackiert. Und das vollkommen zu Unrecht.
Wie alles begann
Es war noch die Zeit der damals nicht ganz stillgestandenen Großen Koalition, als das (rote) Justizministerium und das (schwarze) Familienministerium zu einer Arbeitsgruppe einluden um ein Lebenspartnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare zu entwickeln. Ich war auch in dieser Arbeitsgruppe. Mitten im Prozess legte Justizministerin Maria Berger einen Entwurf vor, den die NGOs sowie parteinahe Gruppierungen (wir von den Grünen Andersrum, die SoHo oder der VP-Familienbund) zu begutachten hatten. Von einer in der Arbeitsgruppe entwickeltem Gesetz konnte nicht mehr die Rede sein.
Bergers Entwurf und die Folgen
Das viel diskutierte PartnerInnenschaftsgesetz (aka „Berger-Entwurf“) wurde von allen – fast allen! – NGOs aus der lesbisch-schwulen Bewegung und von den Grünen Andersrum abgelehnt, darunter HUG (Homosexualität und Glaube), HOSI Tirol, HOMED (Homosexuelle Mediziner), HOSI Salzburg, Beratungsstelle Courage, HOSI Linz, Rosa Lila PantherInnen Graz und der agpro (Austrian Gay Professionals).
Die Gründe dieser Ablehnung: Das Gesetz beinhaltete ausschließlich Rechtsbereiche aus dem Justizressort und damit ausschließlich Pflichten. Alle notwendigen Rechte in den anderen Ressorts (wie Steuer-, Fremden-, Krankenversicherungs-, Arbeitsrecht u.v.m.) wurde völlig ausgelassen. Die NGOs gingen daher am 13.6.2008 vor die Presse und begründeten ihre Kritik in der Pressekonferenz „Das schlechteste Partnerschaftsgesetz der Welt?“ (mehr Info hier).
Die zwei Verfechter
Es gab nur zwei Organisationen, die den Berger-Entwurf als großartigen Fortschritt feierten: Die sozialdemokratische SoHo und die – mittlerweile ja offensichtlich – sozialdemokratisch dominierte HOSI Wien, dessen Obmann Christian Högl gleichzeitig Obmann einer NGO und Nationalrats-Kandidat der SPÖ ist.
Frontalangriff auf Graupner
Der mittlerweile zurückgetretene frühere SoHo-Chef Günter Tolar meldete sich daraufhin wieder zurück und warf in seinem Blog und in der Tageszeitung Die Presse unter dem Titel „Ein Kleinverein macht Wind“ Stimmung gegen Helmut Graupner und dem RKL:

 

„EIN KLEINVEREIN MACHT WIND, ich meine hier das RKL (Rechtskomitee Lambda), das offensichtlich nur noch aus seinem rührigen (rührenden?) Vorsitzenden Graupner besteht, der es nicht lassen kann, auf dem Rücken seines Kleinvereines seinen Frust in Form von lieblichen Amokläufen (vor allem gegen die SPÖ) abzulassen. Er wurde bei der Entstehung des „Lebenspartnerschaftsgesetzes“ nicht eingebunden – das ist für ihn als den selbst ernannten Papst natürlich ungut, hat er doch dadurch erfahren, welchen Stellenwert man ihm wirklich gibt und welchen Stellenwert er und sein Kleinverein auch tatsächlich haben. HGs Äußerungen schaden zwar dem Gesetzwerdungsprozess nicht wirklich. Ärgerlich und lästig (etwa vergleichbar mit einer immer wiederkehrenden Gelse) ist es trotzdem, dass justament von uns Homosexuellen selber – wenn auch aus einer so gut wie bedeutungslosen Ecke – so kontraproduktive Töne kommen. Alle zuständigen Stellen sind aber längst über die wahre Bedeutungslosigkeit dieses Kleinvereins informiert.“

 
Der letzte Satz hat es in sich! Günter Tolar sagt tatsächlich, dass er die zuständigen Stellen – und damit meint er wohl sozialdemokratisch geführte Ministerien und PolitikerInnen – informiert hätte, eine NGO und Helmut Graupner komme als Kooperationspartner nicht mehr in Frage, weil diese NGO doch tatsächlich die Frechheit besitzt „unsere“ SPÖ zu kritisieren. Mit anderen Worten: Nur wer brav die SPÖ nicht kritisiert wird belohnt. Und da kommt die HOSI Wien ins Spiel.
Die HOSI Wien – eine von mir wirklich geschätzte Organisation mit langer Tradition – hat sich auf die SP-Seite geschlagen – seinen Status als NGO in Frage gestellt – und verteidigt den Berger-Entwurf ebenfalls. In Kolumnen des Obmanns wird verteidigt und gejubelt, da der Berger-Entwurf ja immerhin ein ganz großartiger Fortschritt sei. In der aktuellen Ausgabe der HOSI Wien-Zeitung Lambda Nachrichten aber der neue Höhepunkt. Auch hier wird in einem Artikel des sonst so unbestechlichen Kurt Krickler Helmut Graupner als „Szene-Anwalt und Präsident eines Kleinstvereins“ bezeichnet und im weiteren Text nicht nur kritisiert, sondern gedemütigt („beleidigte Leberwurst“, „wirr“, „narzisstisch“).
Ein Lob für Graupner und den NGOs
Ich hoffe die wirklich kränkenden Töne von Tolar und der HOSI Wien beeinflussen nicht die Arbeit und das Engagement all dieser Vereine, insbesondere die wertvolle Arbeit von Helmut Graupner.
Ich halte hier daher fest:

Als Politiker brauche ich – und brauchen wir alle – wirklich unabhängige NGOs und Menschen, die dafür arbeiten. Zwar meinte Tolar auch, Graupner sei auf einer Achse mit den Grünen; hier möchte ich aber daran erinnern, dass Graupner auch Grüne Politik bereits kritisiert hat. Und das ist gut so, denn zu den wesentlichen demokratischen Säulen gehören neben den Parteien (Legislative), Regierungen (Exekutive) und Justiz auch unabhängige Presse und unabhängige NGOs als Kontrolle.
Es darf in einem modernen, liberalen und aufgeklärten Land doch nicht wahr sein, dass Kritik an einer machthabenden Partei mit sofortiger Diffamierung bestraft wird. Wer das tut hat Demokratie nicht begriffen und Menschlichkeit nicht erlernt.
Die Kritik richtet sich vor allem an Helmut Graupner. Aber ist diesen Kritikern bewusst, dass sie damit auch die Arbeit aller anderen oben genannten NGOs mit kritisieren?

Ich verneige mich jedenfalls vor der Arbeit des Helmut Graupner, des Rechtskomitee Lambdas und all den anderen NGOs.

Und die Erde ist eine Scheibe…

Kardinal Schönborn macht also fleißig mobil gegen die Gleichstellung lesbischer und schwuler PartnerInnenschaften. Als Privatperson darf er diese Meinung meinetwegen haben. Als Bischof ist eine offizielle kirchliche Einmischung in staatlichen Fragen irrelevant. Das Zivilehe-Gesetz oder andere Partnerschaftsregelungen sind staatlicher Natur und müssen Rahmenbedingungen für alle Formen der PartnerInnenschaften schaffen.

Eine Meinung des Bischofs ist daher äußerst irrelevant. Aber wir kennen das ja schon von der katholischen Kirche. Einst war die Erde eine Scheibe, Eheverbote gab es noch und nöcher (nur die gleichgeschlechtliche Ehe und die von Priestern bleibt verboten – letztere wenigstens nur noch innerkirchlich), und die meisten Kriege und die meisten Toten auf diesem Planeten gab es bei Kriegen, in denen christliche Nationen aufeinander geschossen haben, wie der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt neulich bei Maischberger so treffend feststellte.

Dass die ÖVP die Trennung zwischen Kirche und Staat aber nicht wirklich wahrhaben will, macht in Wahrheit Sorgen. Was Schönborn sagt, ist eigentlich völlig wurscht. Nicht wurscht ist allerdings, wie die ÖVP damit umgeht! Österreich – und zahlreiche andere Staaten – haben die Aufklärung, die im späten 18. Jahrhundert begann, noch immer nicht begriffen oder mit Leben erfüllt. Es besteht sogar die Gefahr (siehe Bush und seine Nähe zu den fundamentalistischen Evangelikalen; siehe Italien; siehe zahlreiche faschistische Islam-Gruppen, die auch schon staatliche Repräsentanz haben, im Iran beispielsweise), dass die Aufklärung im 21. Jahrhundert scheitern könnte.

Ich hoffe, am Ende setzt sich die Aufklärung durch. Der Kampf wird aber noch weitergehen und die so genannte Homo-Ehe scheint ein Schlüssel dieses Kampfes zu werden. Damit aber bleiben die wahren Notwendigkeiten – nämlich die Antidiskriminierung und die Gleichstellung – auf der Strecke, denn die „Homosexuellenfrage“ wird zum Kulturkampf und Religionskampf hochstilisiert. Nur so ist erklärbar, dass Justizministerin Berger (immerhin aus der scheinbar säkularen SPÖ) einen wirklich schlechten Mini-Entwurf vorlegt, den VP und KatholikInnen vielleicht noch ansatzweise akzeptieren könnten. Wenn dann Lesben und Schwule DIESE Partnerschaftsregelung gar nicht wollen, dann ist das der Regierung egal – hauptsache man hat keinen Kultur- und keinen Religionskampf, und 90 bis 93% Heteros im Lande sollen glauben, dass eh was passiert ist, weil ihnen das Thema in Wahrheit so wichtig ja nicht ist – außer man ist eben religiös. Diese Spirale des Symbolischen zu durchbrechen und das Rücksichtnehmen auf religiöse Einwände wird schwer werden, ist aber dringend notwendig. Nicht nur für Lesben und Schwule, sondern für die Aufklärung an sich. 

 

Ich will auch ins Standesamt!

Heute präsentierten die Grünen Andersrum die neue Aktion: Wir wollen da rein!

Mittels Postkarten und eMails sollen Kanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer an ihre Versprechen erinnert werden. Denn das wirklich traurige an der derzeitigen Debatte um die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist ja das: Beide versprachen mehr, als was jetzt vorliegt!

ZUR ERINNERUNG – Gusenbauer verprach:

In regenbogengeschmückten Inseraten auf lesbischwulen Webseiten und in Magazinen versprach die Fotomontage von Gusenbauer auf der Regenbogenparade: Eingetragene Partnerschaft mit gleichen Rechten und Pflichten der Ehe, langfristig Öffnung der Ehe. Der nunmehr vorliegende Berger-Entwurf ist nur ein kleiner Bruchteil davon – und der wurde noch OHNE ÖVP ausgearbeitet!

ZUR ERINNERUNG – Molterer versprach:

Als die mit großem Medientamtam initiierte Perspektivengruppe die konservative ÖVP in ein etwas liberaleres 21. Jahrhundert führen sollte (um die Absurdität eines Familiensplittings neu zu erfinden), versprache Molterer die Umsetzung 1:1. Darin enthalten: das Schweizer Modell einer Partnerschaft für Lesben und Schwule. Der Berger-Entwurf liegt weit darunter. Die VP-Ministerien haben noch nichts gesagt, was sie wann umsetzen wollen, dafür hören wir vom Parteichef himself: Kein Standesamt. In der Schweiz können Lesben und Schwule natürlich am Standesamt feiern!Wer also nun Postkarten und eMails schicken will surft hierher und erinnert unsere zwei Regierungs- und Parteichefs an das, was sie versprachen.