Franzobel schrieb in DIE PRESSE seine Erfahrungen am Life Ball. Heute mein Kommentar in DIE PRESSE: Wenn Franzobel Schwule schauen geht:
Der Life Ball ist keine Schwulenparty. Vielmehr wird einmal im Jahr ein Spektakel im und vor dem Wiener Rathaus zelebriert, um auf Aids und das Leben mit dem HI-Virus aufmerksam zu machen. Dabei wird jede Menge Kohle gesammelt, ohne die unzählige österreichische und internationale Initiativen nicht arbeiten könnten. So kann der Buddy Verein ehrenamtliche HelferInnen organisieren, die Menschen mit HIV und Aids begleiten. So kann Positiv Leben Aids-kranke Menschen schnell und unbürokratisch helfen. So kann der Verein Positiver Dialog Menschen mit HIV und Aids vernetzen, Veranstaltungen durchführen und Selbsthilfe organisieren. Die Liste ließe sich noch fortsetzen.
Warum Franzobel am Life Ball vor allem Schwule schauen ging, ist leicht erklärt. Fakt ist, dass ungeschützter schwuler Sex ein hohes Infektionsrisiko ist. Dies hatte in den 80er-Jahren zur Folge, dass schwule Männer nicht nur die ersten Opfer waren und zahlreiche Freunde verloren haben. Sie waren auch die Ersten, die sich organisierten, helfen wollten und verstanden, dass hier dringend etwas passieren muss – in der Forschung, in der Prävention, in der Hilfe, in der Pflege und vor allem im Bewusstsein der Menschen.
Letzteres erwies sich besonders bei Heterosexuellen als schwierig. Es war einfach angenehm, Aids als Randgruppenseuche zu klassifizieren, die nur einige „Schwuchteln“ und Drogenabhängige betrifft. Aids ist aber keine Schwulenkrankheit, sondern stellt für alle Menschen eine Bedrohung dar. Seit etwa zwölf Jahren ist es zunehmend schwieriger geworden, diese Gefahr zu kommunizieren, denn bessere Medikamente haben für gute Chancen auf ein längeres Leben und eine Integration im Berufsleben gesorgt. Einer, der aber seit 16 Jahren nicht aufgab und es wie kein anderer verstand, Aids öffentlich zu thematisieren, ist Gery Keszler.
Heterosexualisierende Euro 08
Die Anfeindungen gegen Keszler und den Life Ball haben durchwegs homophoben Ursprung. So schrieb eine Zeitschrift vom „Berufsschwuchtel“ Gery Keszler. Nach einem Gerichtsurteil darf der Life-Ball-Organisator so genannt werden. Die Antwort war Solidarität, eine Menge prominenter Menschen zogen sich ein T-Shirt mit genau diesem Aufdruck an, um auf Ausgrenzungen und Diskriminierungen aufmerksam zu machen. Oder würde jemand auf die Idee kommen, beispielswiese Franzobel „Berufshetero“ zu nennen? Lesben und Schwule sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und wurden sichtbar – in Kultur, Showgeschäft, Politik, und langsam, aber doch, sogar im Sport. Das erzeugt noch immer Widerstand und enthüllt homophobes Verhalten, offenbar auch bei gefeierten Schriftstellern.
Der Life Ball ist schrill, bunt, laut und exaltiert und gibt eine deutliche Antwort auf Aids: Leben und Lebensfreude, Ja zu Sex und Spaß – nur eben mit Kondom. Sogar heterosexuelle Frauen und Männer haben Spaß daran, bei diesem Event ihre Geschlechterrollen zu hinterfragen oder in Fantasiekostüme zu schlüpfen. Das Spektakel lockt mittlerweile 45.000 Menschen auf den Rathausplatz. Zum Life Ball gehören unzählige Superstars, Adabeis und Polit-Prominenz. Dass diese an den Life-Ball-losen Tagen durch Ausgrenzungen auffallen und Diskriminierungen mit Achselzucken zur Kenntnis nehmen, aber während des Life Balls ungeniert in die Kamera lächeln, ist traurig. Aber immerhin rückt der Life Ball diesem Mechanismen auf die Pelle. Dass Franzobel wohl ungewollt selbst zum Ausgrenzer wird, stimmt nachdenklich. Oder wird er uns im Juni mit einem Artikel über die Heterosexualisierung der Stadt während der Euro 08 beglücken?