Das rotgrüne Koalitionsabkommen – aus persönlicher Sicht.

Das Regierungsübereinkommen zwischen SPÖ Wien und Grüne Wien ist seit wenigen Minuten online.Aus meiner persönlichen Sicht möchte ich doch ein paar Worte verlieren. Denn ich mag zwar mein Gemeinderatsmandat derweil verloren haben, trotzdem waren die letzten Tage und Wochen Höhepunkt meiner bisherigen politischen Arbeit. Es ist etwas besonderes, bisher oppositionell geforderte Punkte, nunmehr in ein Regierungsprogramm zu bekommen.Ich möchte mich bei meinen Mitverhandler_innen Silvia Nossek, Marie Ringler und Klaus Werner-Lobo im Kulturbereich, sowie bei Maria Vassilakou, die den lesbisch-schwulen Bereich auf Basis eines von mir und Peter Kraus geschriebenen Papiers verhandelt hat, bedanken. Aber auch beim Gegenüber – allem voran Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Stadträtin Sandra Frauenberger möchte ich mich für die konstruktiven und lösungsorientierten Gespräche bedanken.Ich hoffe, die Grünen und die SPÖ können in ihren Gremien dem Papier in den nächsten Tafgen zustimmen. Ich bin jedenfalls zuversichtlich.HighlightsIm Bereich Kultur und Wissenschaft gelang es uns das Thema Migrant Mainstreaming und Interkulturalität in den Vordergrund zu rücken. Es ist der Schwerpunkt unseres Regierungsübereinkommens im Ressort Kultur.Darüber hinaus freue ich mich, dass ich und meine Kolleg_innen zusätzlich einige Punkte hineinverhandeln können: So wird etwa – so wie Eine Stadt. Ein Buch demnächst Eine Stadt. Ein Film kommen. Immerhin finanzieren alle ja den Film mit. Man kann also etwas zurückgeben. Der Neubau des Wien Museums wird in ökologischer Bauweise erfolgen, Die Vereinigten Bühnen Wien werden Kostenreduktionen überprüfen müssen, Partizipation sowie kulturelle Nahversorgung werden Thema der Wiener Kulturpolitik! Ein Neustart des Mahnmals für homosexuelle NS-Opfer wird ebenso gewagt, wie ein Denkmal für die Wehrmachtsdeserteure.Im lesbisch-schwulen-transgender Bereich bin ich stolz darauf, dass erstmals ein Bundesland sich klar zur Öffnung der Ehe und zur rechtlichen Gleichstellung von Regenbogenfamilien bekennt. Zudem haben wir ein ganzes Wiener Paket für Vielfalt und Akzeptanz geschnürt.Das Regierungsübereinkommen in den von mir mitverhandelten Bereichen im Detail:Lesben/Schwule/TransgenderWien ist eine Stadt der Offenheit und des gegenseitigen Respekts, in der alle ihre Lebens- und Liebesmodelle frei wählen können. Homophobie und Transphobie haben in dieser Stadt keinen Platz.Die eingetragene PartnerInnenschaft ist ein erster wichtiger Schritt. Die Stadt bekennt sich zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtlich Liebende und tritt für die umfassende rechtliche Gleichstellung von Regebogenfamilien ein, da ein moderner Familienbegriff alle Beziehungs- formen zu beinhalten hat.Im Rahmen eines „Wiener Pakets für Vielfalt und Akzeptanz“ will Wien die eigenen Leistungen und Maßnahmen zusammenfassen und aufbauend auf diesen Erkenntnissen stetig weiterentwickeln (z.B. Schulungsmaßnahmen, Sensibilisierungsmaßnahmen im Altenpflegebereich, Gewaltprävention usw.).Das vereinbarte „Wiener Paket für Vielfalt und Akzeptanz“ soll folgende Punkte beinhalten:Verankerung gesellschaftlicher Diversität im öffentlichen BereichMaßnahmen gegen Homophobie, Transphobie und GewaltSensibilisierung für Transsexualität und TransgenderEvaluierung der NGO-FördermodelleTransnationale Kooperationen im Projekt- und ÖffentlichkeitsarbeitsbereichEngagement für absolute Gleichstellung auf BundesebeneIm Kapitel KULTUR & WISSENSCHAFT (siehe unten) findet sich zudem unter „Verantwortungsvoller Umgang mit der Vergangenheit“:Errichtung eines Mahnmals für Deserteure sowie eines Mahnmals für homosexuelle und transgender Opfer des NationalsozialismusKultur und WissenschaftPräambelWien ist eine dynamische, moderne Kulturstadt von globaler kultureller Relevanz und mit einem weltoffenen Klima. Dass das so bleibt, ist unsere zentrale kulturpolitische Aufgabe. Kulturpolitik ist Arbeit am Stadtprofil. Wien im 21. Jahrhundert – das ist für uns nicht die Verwaltung des eigenen kulturellen Erbes, sondern dessen avancierte, kritische und vielfältige Entwicklung.Kulturpolitik darf sich nicht zurücklehnen. Auch wo Vieles gewohnt gut ist, muss Neues angegangen werden, das Gute muss Konkurrenz in Form des Besseren erhalten.Wir stehen daher für eine starke öffentliche Kulturfinanzierung, die nicht dem Marktdiktat, sondern Qualitätskriterien verpflichtet ist. Auch das, was „sich nicht rechnet“, hat seine Berechtigung und muss öffentlich gefördert werden.Kunst, Kultur und der kreative Output Wiens sind ein wesentlicher Bestandteil der Dynamik dieser Stadt und eine wichtige Artikulationsmöglichkeit für die gesellschaftlich relevanten Diskurse. Kulturpolitik ist immer auch Integrations-, Sozial-, Jugend-, Frauen- und Bildungspolitik.Die migrantische Realität unserer Gesellschaft muss sich jenseits der Nischen widerspiegeln. Daher sehen wir Migrant Mainstreaming und Interkulturalität im Sinne einer aktiven Einbeziehung aller kulturellen Identitäten in das kulturelle Leben in Wien als eine der wichtigsten Aufgaben der Kulturpolitik.Wir verfolgen eine aktivierende Kulturpolitik. Kulturpolitik muss die gesellschaftlichen Konflikte und Bruchlinien thematisieren. Wir verstehen diese Schwerpunktsetzung auch als Einladung an die Kulturschaffenden und Kulturinstitutionen dieser Stadt, sich im Feld des kulturellen Brückenbaus verstärkt zu engagieren.Wir stehen für eine Kulturpolitik der Gerechtigkeit. Das bedeutet offene, niederschwellige, inkludierende Kulturräume. Kultur und Kunst müssen für alle da sein.Damit wir in der Globalisierung unverwechselbar bleiben, werden wir verstärkt das Neue vor Ort fördern, um eine zeitgenössische, lokale Moderne zu ermöglichen. Förderung von Kreativität bedeutet das Zulassen von Freiräumen, in denen Neues entstehen kann.Kulturpolitik in Wien heißt auch Mut zum architektonischen Signal. Wien braucht herausragende Kulturbauten, die die Stadt als Kulturstadt des 21. Jahrhunderts definieren.Das intellektuelle und kulturelle Leben der Stadt braucht Austausch, Kooperation und Auseinandersetzung. Wir fördern kreative Konfrontation und eine Kultur der Vernetzung.Wir verstehen kulturelle Bildung und Vermittlung als zentralen Kulturauftrag und werden noch stärkeres Augenmerk auf die Förderung kultureller Kompetenz – vom Kindergarten anlegen.Wien Kultur 2010 – 2015Interkulturalität und Migrant Mainstreaming (Kultureller Austausch und Gleichstellung von MigrantInnen)Migration und der Umgang mit kulturellen Identitäten sind zentrale Themen der Kulturpolitik. Interkulturalität ist mehr als die Förderung von MigrantInnenvereinen. Die „Brückenbaufunktion“ der Kultur zur Sichtbarmachung und Lösung gesellschaftlicher Konflikte muss für die Stadt stärker genützt und durch einen entsprechenden Mitteleinsatz sichergestellt werden.Die bessere Repräsentation von Migrantinnen und Migranten in allen Bereichen der Kultur und der kulturellen Institutionen, auch in Leitungsfunktionen, ist ein zentrales Ziel.Interkulturalität und Migrant Mainstreaming sind künftig integraler Bestandteil aller künstlerischen Konzepte.Interkulturalität und Migrant Mainstreaming werden als Kriterien für besondere Förderungswürdigkeit in die Förderrichtlinien aufgenommen.Es wird ein Konzept für die Einrichtung eines „postmigrantischen Kulturraumes“ (Vorbild „Ballhaus Naunynstrasse“ Berlin) entwickelt.Für die Aufgabe des „kulturellen Brückenbaus“ wird ein/e eigene/r Beauftragte/r eingesetzt.Ausschreibung eines Preises sowie koordinierte Calls der Wiener Kulturinstitutionen zum Thema Interkulturalität.Offene DiskussionskulturKulturpolitik bedeutet nicht nur, Antworten zu geben, sondern auch, die richtigen Fragen zu stellen. Kulturpolitik bedeutet auch die Beteiligung aller: Kunstschaffender, KunstvermittlerInnen und Gesellschaft. Kulturpolitik muss sich immer neu erfinden.Zu diesem Zweck wird die Plattform „Wien denkt weiter“ weiterentwickelt. Sie bietet sowohl im Web als auch im Rahmen regelmäßiger Kulturkongresse allen Interessierten die Möglichkeit, an der Zukunft dieser Stadt und ihrer Kultur mitzuarbeiten. Das Themenspektrum reicht dabei von kultur- und gesellschaftspolitisch relevanten Fragestellungen bis hin zu konkreten Zukunftsprojekten für die Stadt. Als erstes Thema wird 2011 der Schwerpunkt „Interkulturalität und Transkulturalität“ behandelt. Weitere mögliche Themen sind: Genderfragen, Aus- und Weiterbildung für kreative und künstlerische Berufe.Initiativen, die den programmatischen Diskurs und die Entwicklung von Visionen und Ideen fördern, werden forciert. Dabei sollen neue Formen des Dialogs und der Kunstvermittlung etwa auf Basis von Social Media berücksichtigt werden.Der Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft kann die Leitung der von der Stadt Wien geförderten Kultureinrichtungen mittels Mehrheitsbeschluss einmal pro Jahr zu Aussprachen über Konzepte und zur Berichtslegung einladen.Kulturelle PartizipationIn Wien sollen alle Menschen am kulturellen Leben teilhaben. Es ist uns daher wesentliches Anliegen, den Zugang zu Kunst und Kultur zu verbessern und zu verbreitern. Insbesondere Menschen mit geringeren Bildungschancen, Menschen mit geringem Einkommen und MigrantInnen soll der Zugang zum Kulturangebot durch geeignete Maßnahmen erleichtert werden.Der Fokus liegt auf partizipativen Projekten, die Kommunikation und Auseinandersetzung fördern. So wird die Kulturförderschiene für Jugendliche (Cash for Culture) ausgeweitet, mit Schwerpunktsetzung auf Interkulturalität.Bereits bestehende Gratisangebote im Kulturbereich werden ausgebaut und Maßnahmen für Menschen mit geringem Einkommen verstärkt (Ausweitung der Aktion “Hunger auf Kunst und Kultur“, neues Projekt: „Eine Stadt. Ein Film.“).Um die Beteiligung Jugendlicher am kulturellen Leben weiter zu fördern, werden neue Projekte und Initiativen entwickelt (Beispiel Go for Culture).Vermittlung und kulturelle BildungWir werden kulturelle Bildung auf allen Ebenen verstärken. Programme, die den Zugang zu Kunst und Kultur erleichtern, werden weiterentwickelt (z.B. KulturlotsInnen).Partnerschaften zwischen Schulen und Kultureinrichtungen werden ausgebaut.Projekte zur Einbindung und stärkeren Berücksichtigung von MigrantInnen im Kulturbetrieb werden entwickelt.Förderung von QualitätIn Wien leben und arbeiten Kulturschaffende, die an sich und an ihre Arbeit höchste Qualitätsansprüche stellen und diese Qualität einem sehr urteilskräftigen und kompetenten Publikum zur Auseinandersetzung vorlegen. Für die öffentliche Kulturförderung ist Qualität auch in Zukunft zentraler Bestandteil.Vorrang für die Förderung des zeitgenössischen KulturschaffensInnovation und zeitgenössisches Kulturschaffen sind für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft unabdingbar. Die Handlungsspielräume dafür müssen ständig erweitert werden, nicht zuletzt durch die Erschließung neuer privater Finanzierungsquellen, z.B. über eine Stiftung für Gegenwartskunst.Musikstadt WienWien wird international für sein Musikschaffen geschätzt. Um zukunftsfähig zu bleiben, werden die in Wien vorhandenen Plattformen für neue zeitgenössische Musik – wie z.B. Wien Modern oder das Popfest – gestärkt, und die Stadt als Inkubator für innovative musikalische Entwicklungen positioniert.Gemeinsam mit der Wiener Musikszene werden neue Formen der Unterstützung für junge MusikerInnen in Wien entwickelt (z.B. Touring-Modell, Proberäume).Musikcluster Wien: Musikeinrichtungen und Vereine der Stadt im Bereich der zeitgenössischen Musik werden stärker vernetzt und damit kreative Auseinandersetzung und Zusammenarbeit gefördert.Film und Filmwirtschaft, KinosDer österreichische Film ist wesentliches Kulturgut und ein für Wien wichtiger Wirtschaftsfaktor.Aufbauend auf den Erfolgen der letzten Jahre und der Intensivierung der Filmförderung wird die Stadt als Film- und Medienstandort weiter ausgebaut.Eine stärkere Vernetzung der Wiener Filmeinrichtungen soll zu einem „Filmcluster Wien“ führen.Die Wiener Kulturpolitik versteht sich als Partnerin für die Wiener Programmkinos bei infrastrukturellen Investitionen (z.B. Digitalisierung).Digitale Medien und KulturInterdisziplinäre Projekte, die digitale Kunst mit Theater, Film, Bildender Kunst, Literatur, Performance und anderen Kunstformen verbinden, werden verstärkt gefördert.Darüber hinaus wollen wir weitere Impulse in der Netzkultur setzen, um Wien zu einem signifikanten Knotenpunkt auf der virtuellen Landkarte zu machen.Wien Museum NeuWien erhält ein neues Stadtmuseum des 21. Jahrhunderts. Dieses neuartige Universalmuseum wird ein Zeichen moderner Architektur, ein Ort der Begegnung, eine neue Attraktion für die Stadt, ein Haus, das die Geschichte Wiens auf spannende und anspruchsvolle Weise vermittelt, mit einer neugestalteten Dauerausstellung, die sich – kombiniert mit neuen Vermittlungsfo
rmaten – an alle Wienerinnen und Wiener richtet. Das neue Wien Museum soll zudem Ausgangspunkt für alle BesucherInnen Wiens werden. Ein Neubau wird in ökologischer Bauweise erfolgen, der inhaltliche Entwicklungsprozess wird partizipativ gestaltet.Jüdisches Museum WienDas Jüdische Museum Wien muss ein Ort der aktiven Geschichtsvermittlung, ein Kompetenzzentrum für jüdische Kultur sein.Vereinigte Bühnen WienDer Betrieb wird langfristig durch angemessene und ressortübergreifend zuordenbare Subventionen gesichert.Mittelfristig sollen Einsparungs- und Synergiepotenziale, auch durch angepasste Bespielungskonzepte, in allen Bereichen genutzt werden. Angestrebt wird eine schrittweise Kostenreduktion.Frei werdende Mittel werden zur Finanzierung neuer kulturpolitischer Schwerpunkte genützt.Evaluierung der TheaterreformEvaluierung der Theaterreform inklusive konkreter Empfehlungen.Verstärkung der ressort- und institutionenübergreifenden ZusammenarbeitWir begreifen Kultur als wesentlichen Bestandteil der Stadt – als solcher muss sie über Ressortgrenzen hinaus gedacht werden.Wir legen einen Schwerpunkt auf die Förderung der zeitgenössischen Kunstproduktion unter besonderer Berücksichtigung des inter- und transdisziplinären Arbeitens an den Schnittstellen der künstlerischen Disziplinen sowie zwischen Kunst und Wirtschaft, digitalen Medien, Sozialem, u.a.Kooperationen zwischen Kultureinrichtungen, die üblicherweise verschiedene Zielgruppen ansprechen (z.B. Konzerthaus und Brunnenpassage), werden forciert.Koordination und Abstimmung der verschiedenen Wiener Musiktheaterspielstätten mit dem Ziel, einander nicht zu konkurrieren, sondern vielmehr Synergien zu schaffen.Für die Kunst im öffentlichen Raum werden neue städtische wie private Kooperationspartner gesucht sowie die Vermittlungsarbeit intensiviert.Kultur und StadtentwicklungZiel ist die Ansiedlung von Kulturinstitutionen in Stadterweiterungsgebieten. Kultur wird als Bestandteil von Planungsüberlegungen großer Bauvorhaben und Planungsprozessen in der Stadt, etwa bei der Planung von Ziel- und Stadterweiterungsgebieten oder der Erstellung des Stadtentwicklungsplans, von Beginn an verankert.Dezentrale Kunst- und KulturaktivitätenDem Ausbau und der Stärkung von Kultureinrichtungen außerhalb des Stadtzentrums wird besonderes Augenmerk geschenkt.Kulturelle Aktivitäten in den Außenbezirken und an „sozialen Brennpunkten“ werden verstärkt gefördert. Bis Ende 2012 werden drei Pilotprojekte umgesetzt. Vorbild dafür sind Projekte wie „Into the City“, „Street Academy“ oder die „Brunnenpassage“.Die Bezirksmuseen werden attraktiviert und die Öffnung und Erweiterung des Festivals der Bezirke fortgesetzt.Agentur für ZwischennutzungKulturelle Freiräume und Zwischennutzungen von leerstehenden Gebäuden, Brachflä- chen und Baulücken werden in allen Stadtteilen ermöglicht. Eine zentrale Koordinationsstelle, die „Agentur für Zwischennutzung“, sammelt aktiv Meldungen über Leerstände von städtischen, bundeseigenen oder privaten Räumen und bietet diese auf Anfrage an.Service-Center KulturDas zentrale Service-Center Wien Kultur wird Kunstschaffenden und KulturveranstalterInnen als offene, sichtbare und niederschwellige Anlaufstelle („Gassenlokal“) Unterstützung bei Subventionsansuchen, Abrechnungen von Subventionen, bei der Buchhaltung usw. bieten.Gender MainstreamingGleichstellungspolitik, Frauenförderung und Gender Mainstreaming müssen auch im Kunst- und Kulturbereich Selbstverständlichkeit werden. Deshalb wird im Rahmen der Kunst- und Kulturförderung der Stadt Wien der Frauenförderung noch stärkeres Augenmerk geschenkt werden. Die Ergebnisse der bisherigen Verankerung von Gender Mainstreaming werden einer Evaluierung unterzogen.Öffentliche Präsenz von KulturinitiativenDie Präsenz im öffentlichen Raum von kleinen und mittleren Kultureinrichtungen ist der Wiener Kulturpolitik ein Anliegen und wird dementsprechend thematisiert. Gemeinsam mit den Betroffenen werden Lösungsmöglichkeiten erarbeitet.Verantwortungsvoller Umgang mit der VergangenheitWien pflegt einen aktiven und bewussten Umgang mit der Vergangenheit. Bevorzugt werden kulturelle, wissenschaftliche und soziale Projekte gefördert, die zur Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus beitragen.Das Wiesenthal-Zentrum wird nach dem vorliegenden Konzept als Zentrum für Holocauststudien inklusive Forschung und Vermittlungsaspekten realisiert.Weiterhin unterstützt werden Projekte der Erinnerungskultur und der aktiven Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, insbesondere im Jugendbereich.Errichtung eines Mahnmals für Deserteure sowie eines Mahnmals für homosexuelle und transgender Opfer des Nationalsozialismus.Die Sanierung der jüdischen Friedhöfe wird gemäß dem Washingtoner Abkommen durchgeführt. Die am Jüdischen Friedhof Seegasse begonnenen Arbeiten werden fortgesetzt.Die Stadt Wien unterstützt weiters die Sanierung des Kornhäuslbaus am Jüdischen Friedhof Währing. Unbeschadet des Washingtoner Vertrages wird die MA 42 die Pflegearbeiten am Jüdischen Friedhof Währing fortsetzen. Außerdem wird sich die Stadt Wien in Abstimmung mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) um eine Öffnung des Friedhofs bemühen.Anpassung und Ausweitung des RestitutionsbeschlussesDer Restitutionsbeschluss wird – der Novelle des Bundeskunstrückgabegesetzes folgend – auf Kunst- und Kulturgegenstände erweitert, die vor 1938 im nationalsozialistischen Deutschland entzogen wurden.Gedenkjahr 2014Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs jährt sich 2014 zum 100. Mal. Im kritischen Umgang mit der Vergangenheit soll eine Vielzahl von Gedenkprojekten, auch im Wissenschaftsbereich, angeregt und gefördert werden.Überprüfen personenbezogener StraßennamenStraßennamen
dokumentieren die historische Entwicklung einer Stadt und sind von hoher Symbolkraft. Das Institut für Zeitgeschichte führt eine flächendeckende, systematische Überprüfung personenbezogener Bezeichnungen von Verkehrsflächen durch und arbeitet Empfehlungen zur weiteren Vorgangsweise aus.Europäische und internationale KulturpolitikDie Art und Weise, wie sich Wien mit seiner Kultur im Ausland präsentiert, ist für seine Stärkung als internationale Kulturmetropole von großer Bedeutung. Bei der Präsentation zeitgenössischer Wiener Kultur im Ausland wird daher eine bessere Abstimmung mit anderen Magistratsabteilungen, aber auch mit der Wirtschaftskammer und dem Außenministerium angestrebt. Außerdem werden zeitgenössische Kultureinrichtungen und KünstlerInnen verstärkt einbezogen, um ein differenzierteres Bild von Wien im Ausland zu zeichnen.Bei kulturellen Aktivitäten im Ausland konzentrieren wir uns auf (Ost)-Europa und streben mit diesen Ländern gezielte Kooperationen an.Eine vielfältige Stadt wie Wien muss auch aktiv den kulturellen Austausch mit den Herkunftsländern der Wiener ZuwanderInnen pflegen.Förderung der Creative IndustriesDie Kreativwirtschaft an der Schnittstelle von Wirtschaft und Kultur ist für die kulturelle Produktion in Österreich von besonderer Bedeutung.Zur Stärkung des Kreativstandorts Österreich und zur Förderung österreichischer Kreativleistungen werden Initiativen und Förderprogramme in den verschiedensten Berei- chen ausgebaut. So sollen Start-Ups im Bereich der Creative Industries noch stärker unterstützt werden.Insbesondere wird Wien junge Talente im Bereich der digitalen Innovation fördern.Durch verstärkte Förderung und Öffentlichkeitsarbeit für Bereiche wie Design undMode wird Wien international als Kreativ- und Innovationsstadt positioniert.GlücksspielIn Ausführung der Glücksspielgesetznovelle 2010 wird eine landesgesetzliche Regelung erarbeitet, die SpielerInnen- und Jugendschutz garantiert. Die Konzessionsvergabe wird an die neuen bundesgesetzlichen Bestimmungen angepasst.

Warum der 8. Mai und nicht der 26. Oktober Nationalfeiertag sein muss.

Diesen Blogbeitrag habe ich am 3.5.2010 geschrieben. Da morgen österreichischer Nationalfeiertag ist, stelle ich ihn nochmal nach oben:
Österreich feiert seit 1965 am 26. Oktober den Nationalfeiertag, seit 1967 ist es auch ein gesetzlicher Feiertag.
Der 26. Oktober

Der Grund, warum am 26. Oktober gefeiert wird ist bekannt, wenn man in der Schule aufgepasst hat: Der Staatsvertrag wurde im Mai 1955 unterschrieben. Darin wurde Österreich als souveräner Staat anerkannt, die alliierten Truppen Frankreich, Großbritannien, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten gingen im Fall Österreich einen anderen Weg, als er etwa in Deutschland gegangen wurde: Dort nämlich mit Zweiteilung des Landes und der (Noch-) Hauptstadt. Durchaus möglich gewesen, dass dies in Österreich auch passiert wäre. Tat es aber nicht, eben weil die vier Staaten Österreich den Staatsvertrag gaben, bzw. dieser verhandelt wurde.
Am 27.7.1955 begann eine 90-Tages-Frist, in er alle Truppen der Signitarstaaten Österreich verlassen haben sollten. Diese Frist endete am 25.10.1955. Am ersten Tag ohne Truppen anderer Länder auf österreichischem Staatsgebiet erklärte der Nationalrat die immerwährende Neutralität Österreichs.
ÖVP-Unterrichtsminister Heinrich Drimmel machte sich besonders stark für diesen Tag als Gedenktag. Bereits am 25.10. erließ er, dass alle Schulen die österreichische Fahne hissen sollten. Im Jahr darauf wurde der 26.10. als Tag der Fahne eingeführt, um eben 1965 zum offiziellen Nationalfeiertag erklärt zu werden.
Das feiern wir also. Nicht die Befreiung vom Nationalsozialismus, sondern den ersten Tag, an dem die Befreier endlich verschwanden. Was ist das eigentlich für eine Haltung, der zu dieser Entscheidung führte?
Der 8. Mai
Am 8. Mai kapitulierte das nationalsozialistische Deutschland vor den Truppen der Alliierten. Frankreich, Großbritannien, Russland, die USA, Kanada und viele andere hatten Europa – und auch Österreich, das sich so gerne als erstes Nazi-Opfer darstellte – vor den Nationalsozialisten befreit. Bis heute gilt dieser Tag in vielen europäischen Ländern als Gedenktag (mit einigen Tagen auf und ab, je nach Befreiungszeitpunkt des Landes).
In den Niederlanden etwa gedenkt man am 4.5. den Toten des 2. Weltkriegs und den Nazi-Opferm, am Tag darauf feiert man die Befreiung von den Nazis. Wer das Gedenken in den Niederlanden schon einmal erlebt hat, bekam wahrscheinlich Gänsehaut, wenn auch viele Jahrzehnte später das Land um Punkt 20 Uhr zwei Minuten völlig still steht – in Restaurants, auf Autobahnen oder im Zugverkehr.
Warum passierte in Österreich so etwas nicht? Warum hat man nicht allen Österreicherinnen und Österreichern die Möglichkeit gegeben, den Toten zu erinnern, an den Terror des Nationalsozialismus zu mahnen, den verfolgten und ermordeten Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti, politisch Verfolgten, etc. zu gedenken? Warum feiert man stattdessen das Verschwinden der Befreier?
Ich finde die Entscheidung, am 26. Oktober den Nationalfeiertag zu feiern, inakzeptabel. Es kann das Abziehen der Alliierten nicht als für Österreich wichtiger dargestellt werden, als die Befreiung vor dem Terror des NS-Regimes. Das ist historischer Unfug und vermittelt auch 55 Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrags die Botschaft, dass die „Befreiung“ von den Alliierten quasi ein Sieg Österreichs wäre, und nicht die Befreiung vom Nationalsozialismus.
Die Tatsache, dass am 26.10. Nationalfeiertag ist, beweist aber auch den enorm schlampigen Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit und seiner historischen Verantwortungslosigkeit.
Anderes Beispiel gefällig?
Wo in diesem Land werden die Menschen, die Verfolgten Opfern des NS-Regimes Schutz gewährten oder jüdische Familien versteckten, gefeiert, geehrt und ihnen Standbilder errichtet? Warum gibt es keine Anne-Frank-Stiftung oder eine ähnliche Einrichtung in diesem Land, die diese Menschen erforscht und ihnen ein Denkmal errichtet? Warum ehrt man nicht die Helden des Alltags, die manchmal klein und vorsichtig doch eine Menge Zivilcourage aufbrachten?
Es wird Zeit, dass Österreich endlich Verantwortung übernimmt, die Wahrheit sagt und die echten Heldinnen und Helden auch als solche wahrgenommen werden (siehe in diesem Blogbeitrag die Artikel zur Wienerin Miep Gies hier, hier und hier).
Den Nationalfeiertag auf den 8. Mai zu verlegen, wäre ein guter Beginn. Ich fordere das!
Verwandter Artikel:
Interview im „David“: Miep Gies, Vergangenheitsbewältigung, politische Motivation und die Niederlande.

 

Foto: Totengedenken (dodenherdenking) am 4.5. in Amsterdam. 

Islam und Politik. Ein Plädoyer für eine Debatte ohne Wahlkampf.

Die FPÖ hat mehr gewonnen, als erwartet wurde. Grund für den Wahlerfolg war auch das Thema, das die FPÖ auf Platz 1 ihres Wahlkampfs gestellt hat: Den Islam (und die Tatsache, dass alle anderen der FPÖ auf den Leim gegangen sind und kein anderes Thema entgegenstellen konnte). Offenbar hat es der FPÖ dabei keineswegs geschadet, mittlerweile nicht mehr allgemein „ausländerfeindlich“ zu sein, sondern mittlerweile in „brave“ und „böse“ Migrant_innen zu unterscheiden. Die „braven“ kommen aus den christlichen Nachbarländern und vom Balkan, die „bösen“ sind muslimische Zuwanderer und Zuwanderinnen. Die FP-Gefolgschaft, die in den 90-ern noch „gegen Ausländer“ votierten, machten eifrig mit und votierten eben jetzt „gegen den Islam“. Erstaunlicherweise gab es innerhalb der FPÖ über diesen Kurswechsel keine (zumindest öffentliche) Diskussion. Gelernt hat die FPÖ dabei von anderen erfolgreichen antiislamischen Parteien, wie Geert Wilders PVV in den Niederlanden. Österreich schwimmt im europäischen Mainstream.Bis 2013 finden in Österreich keine Wahlen mehr statt. Wer nicht will, dass die FPÖ zukünftig noch mehr gewinnt, sollte sich die Sorgen mancher Menschen vielleicht genauer anschauen. Mir ist übrigens schon klar, dass nicht alle (wahrscheinlich nur die wenigsten) FPÖ-Wählerinnen und -Wähler die FPÖ nur aufgrund des Themas Islam wählten. Viele kreuzten sicher auch wieder nur diffus „gegen Ausländer“ die FPÖ an und bekamen den Kurswechsel gar nicht so genau mit (irgendetwas mit „anständigen und unanständigen“ gab’s ja eh immer). Trotzdem glaube ich, dass eine Debatte notwendig wäre.Eine Islamdebatte ist im Wahlkampf allerdings unerträglich. Daher sollten wir die Chance jetzt nützen.Linke DebatteIch glaube, dass eine solche Debatte antirassistisch, antidiskriminierend und demokratisch möglich ist! Ich halte das sogar für dringend notwendig. Es kann nicht sein, dass ein religionskritischer Mensch – also auch ein islamkritischer Mensch – sofort in eine rechte Schublade gesteckt wird. Es kann aber auch nicht sein, dass jemand, der nicht will, dass Kopftuch tragende Frauen diskriminiert werden, in ein relativistische Schublade gesteckt wird, der angeblich Scheuklappen tragen würde. So einfach ist es nämlich nicht. Und daher tut sich die Rechte viel leichter. Denn gegen etwas sein war immer einfacher, als eine differenzierte Debatte zu führen. Aber wie gesagt: 3 Jahre keine Wahlen! Das sollte doch reichen für eine interessante Debatte, die Österreich – mit ein wenig Glück – 2013 ganz woanders stehen lassen könnte.Die politische Linke hat eigentlich viel Erfahrung in Religionskritik. Zwar kommen auch die Freiheitlichen – rein ideologisch – aus einer antiklerikalen Ecke (die mitunter von Ewald ‚wehrhaft christlich‘ Stadler, HC ‚Holzkreuz‘ Strache & Co. konterkariert wurden), aber die Linke war zumeist federführend in religionskritischer Politik – sei es bei den Frauenrechten, den Rechten für Lesben und Schwulen, Fragen rund um Abtreibung, Sexualaufklärung in Schulen, etc. Diesen Kampf gegen religiöse Eiferer – zumeist der römisch-katholischen Kirche – hat die Linke im Laufe des 20. Jahrhunderts sogar für sich entscheiden können. Seit einigen Jahren und Jahrzehnten werden diese Errungenschaften politisch verteidigt. Das macht natürlich auch einen Unterschied aus: War man zuvor Angreifer, ist man nun Verteidiger. Verteidigen ist manchmal schwerer, als anzugreifen. Letzteres sollte man aber nicht nur den Rechten und der Hetze überlassen!DemokratieproblemNun ist der Islam mittlerweile zweitgrößte Religion geworden. Viele Muslime und Musliminnen haben die oben beschriebenen Debatten des 20. Jahrhunderts nicht in dieser Form erlebt, obwohl sie natürlich auch in der Türkei und anderen Ländern vehement geführt werden. Aber: Sie wanderten in ein Österreich ein, das diesen Kampf zwischen Politik und Religion bereits nahezu ausgefochten hatte bzw. unter sich ausmachte. Oder sie interessierten sich schlicht nicht für Debatten die zwischen Kirche und Politik geführt wurden. Das ging sie ja schlussendlich auch nichts an: Sie durften ja nicht wählen, also mitbestimmen, waren demokratisch ausgeschlossen und christlich waren sie auch nicht. Was ging sie also Österreich an? Oder der Papst? Das Land lud sie nicht ein, mitzudiskutieren. Zurecht machen immer mehr Experten und Expertinnen darauf aufmerksam, dass das Hauptdefizit der so genannten Integrationspolitik vielmehr ein demokratiepolitisches Problem ist. Menschen, die nicht teilhaben dürfen, nehmen eben auch nicht teil. Der Profiteur dieser Politik: Die FPÖ, denn die braucht im Grunde nicht-integrierte Zuwanderer und Zuwanderinnen zur Stimmenmaximierung.Was ist der Islam überhaupt?Ich kann diese Frage in einem vermutlich ohnehin zu langen Blogbeitrag leider nicht vertiefen. Trotzdem muss diese Frage zumindest angestreift werden, denn sie ist sehr wichtig. Zum Unterschied zur römisch-katholischen Kirche – die in Österreich nunmal eine Art Richtschnur ist – kennt der Islam keinen Vatikan, keinen Papst, keine so klar definierte Hierarchie (was ja eigentlich symphatisch ist).Es gibt auch andere wesentliche Unterschiede, die in jeder so genannten Islamdebatte berücksichtigt werden müssen:Entstand etwa das Christentum als Minderheit in einem anderen System und musste lernen, innerhalb dieses Systems zu überleben („Gib dem Caesaren, was des Caesars, und gib Gott, was Gottes ist.“) schuf der Prophet Mohammed mit seiner neuen Religion gleich eine irdische Macht, also ein staatlich-juristisches System. Daher wird auch Juristisches wesentlich stärker angesprochen (Scharia).In der Folge sind Islamgelehrte nicht nur Theologen, sondern eben auch Rechtsgelehrte und daher ist eine Unterscheidung zwischen Rechtsstaat und Religion im Islam bedeutend schwieriger. Den Islam gibt es so gar nicht. Viele Schulen haben sich entwickelt, und bereits kurz nach Mohammeds Tod stritten sich die Nachfolger. Die Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten passierte bereits in der Frühzeit. Der Streit über viele Standpunkte setzt sich bis heute fort. So gibt es Fatwas, die Selbstmordanschläge als Teufelswerk bezeichnen. Trotzdem gibt es auch den Islamismus. Mustafa Kemal ‚Atatürk‘ versuchte die Trennung zwischen Staat und Religion radikal und nationalistisch umzusetzen. In der heutigen Türkei Erdoğans wird diese Trennung wieder in Frage gestellt.Der Islam hatte viele völlig unterschiedliche Perioden und eine historische Auseinandersetzung lohnt sich allemal. So war der Islam etwa im Mittelalter der westlich-europäischen Kultur sowohl kulturell als auch wissenschaftlich weit überlegen. Zudem gab es im Islam oftmals eine wesentlich tolerantere Haltung gegenüber andere Religionen, als dies etwa christliche Länder in ihrer Geschichte an den Tag legten.Die Entstehung und Bedeutung des „politischen Islam“ ist spätestens seit 9/11 ein Riesenthema, wenn nicht DAS Thema. Und tatsächlich ist der politische Islam eine der größten Bedrohungen und Probleme der Welt – und des Islams! In der Frage des politischen Islams entsteht derzeit die wohl größte Bruchlinie innerhalb des Islams. Und so glaube ich etwa, dass der von vielen als „Clash of Civilizations“ bezeichnete Konflikt, der von radikalen Islamisten ausgeht, nicht unbedingt ein Kampf des Islams gegen den Westen ist, sondern vielmehr ein inner-islamischer Richtungsstreit, der über und daher auch im Westen geführt wird.< /span>Wie gesagt (bevor ich heftig kritisiert werde): es ist thematisch jetzt nur angestreift und es gibt zahlreiche genauere Berichte, Bücher und Studien dazu – und ja: Es ist total inkomplett, umstritten und vieles braucht eben genau das: Debatte!Eine progressive DebatteWie könnte also – daraus schlussfolgernd – eine moderne Debatte, die auch von Links und progressiv geführt werden kann, aussehen?Der Schlüssel liegt wohl darin, Menschenrechte als individuelle Freiheit zu definieren. Dass das Hauptrecht eines Menschen darin liegt, sich persönlich entfalten zu dürfen. Darin enthalten ist die freie Ausübung der Religion ebenso, wie diese Religion ablehnen zu dürfen. Schutz vor Diskriminierungen müssen für die Karriere einer Kopftuch tragenden Frau ebenso gelten, als für eine Frau, die das Kopftuch ablegen möchte und deshalb von ihrer Familie ausgegrenzt oder bedroht wird.Kurzum: Die Freiheit der Religionsausübung ist ebenso wichtig, wie die Freiheit genau diese Religionen kritisieren zu dürfen. Das würde auch bedeuten, nicht die elende Einteilung der Bevölkerung seitens der FPÖ zu folgen: diese Gruppe hier, jene Gruppa da, die wir dann schön gegeneinander aufhetzen.Es müssten doch Musliminnen und Muslime für ein westlich-humanitäres und aufgeklärtes Staatswesen zu gewinnen sein, wenn klar ist, dass eine freie Religionsausübung selbstverständlich ist – als Teil der individuellen Freiheit? Gleichzeitig muss aber auch klar gemacht werden, dass jede und jeder diese Religion kritisieren darf, verlassen darf, ablehnen darf oder was auch immer. Das beinhaltet naturgemäß auch eine Ablehnung am radikalen Islamismus und dem politischen Islam.Am Ende muss dies aber alles auch bedeuten, dass Muslimmen und Muslime stärker eingebunden werden müssen: In unsere politischen Debatten, in unser demokratisches System an sich. Das würde wohl vieles entschärfen.Und wenn wir denn endlich auch eine offizielle muslimische Religionsgemeinschaft hätten, die nicht aus einer kleinen Clique rund um Anas Shakfeh besteht, die nur von einem Mini-Bruchteil gewählt wird, sondern von einer breiten Mehrheit getragen ist, dann gäbe es auch eine Chance, dass wir vorwärts kommen. Denn Demokratie zu wollen und auch anzubieten, bedeutet auch, diese von der IGGÖ einzufordern. Dann würde sich die Frage islamischer Religionslehrer und -lehrerinnen ebenso lösen lassen. Am Ende – oder vielleicht sogar besser am Anfang – müssten wohl auch unsere Universitäten islamisch-theologische Lehrstühle und Institute anbieten. So verhindern wir, dass Islam-Gelehrte aus dem Ausland importiert werden müssen. Die Politik muss aber den Mut haben, dies alles auch einzufordern und anzubieten. Und dies würde bestimmt alles gegen den Willen der FPÖ gemacht werden. Denn die ist meistens gegen solche Maßnahmen.Die so genannte Islamdebatte kann von der Linken gewonnen werden. Sie müsste sich nur trauen, sie offensiver zu führen, sie nicht den Rechten zu überlassen und das Thema ‚politischer Islam‘ und Islamismus anzupacken. Denn den orthodoxen Islam anzupacken, die Ungleichbehandlung von Frauen und Männer, der verkorksten Haltung zu Homosexualität, usw.: Ja das gehört auch behandelt. Und das ist doch bei der Kirche auch gelungen, auch wenn wir teilweise noch heute heftig diskutieren. Warum soll die Linke das beim Islam nicht machen, und die liberalen und aufgeklärten Kräfte, die es im Islam sehr wohl gibt – mit ins Boot holen?Ist eine Islamdebatte an sich nicht schon eine Kapitulation?Natürlich ist die so genannte ‚Islamdebatte‘ eine von der Rechten geführten. Und diese Debatte so zu bezeichnen wird von vielen als linke Kapitualition vor der Rechten gesehen. Das kann ich auch verstehen.Am Ende muss eben die progressive Linke auch sagen: Das, was wir mit der Kirche ausgefochten haben – und immer noch ausfechten – müssen wir mit allen Religionen ausfechten, die eine individuelle Freiheit des Menschen ablehnen oder in Frage stellen. Oder die eine Gleichstellung aller Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, usw. ablehnen. Denn Gleichstellung ist ein Grunprinzip der Demokratie. Und diese ist Garantie für eine aufgeklärte Demokratie. Und eine aufgeklärte Demokratie ist ein Garant für die freie Religionsausübung! Sie verlangt „nur“ gewisse Grundregeln.

Gastkommentar zum FP-Comic und zur Türkenbelagerung: Straches Sagenklitterung!

Als ich neulich das Comic der FPÖ „Sagen aus Wien“ in Händen hielt, fiel mir wieder ein, mit welchen längst widerlegten Thesen wir da konfrontiert werden – noch dazu mit Gewalt und Lügen vermanscht. Also bat ich Historiker Andreas Brunner (QWien – Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte), mit dem wir bereits bei alternativen Führungen durch die Prinz Eugen-Ausstellung im vergangenen Frühjahr arbeiteten. Auch im Belvedere wurde ein herrschaftliches Bild dargestellt. Die Verklärung von Prinz Eugen durch Rechtsradikale und Nazis wurde etwa komplett ausgeblendet, obwohl sich ein Raum mit der Rezeption beschäftigte. Grund genug Andreas Brunner den aktuellen FP-Comic analysieren zu lassen. Ich danke Andreas für den Gastkommentar:

Straches Sagenklitterung

von Andreas Brunner

Nehmen wir Herbert Kickl, den Kommunikationschef der Freiheitlichen, und den anonymen Texter der Sagen aus Wien beim Wort. Kickl verteidigte im Falter den Comic mit den Worten: „Wir wollen einen Beitrag zur Erhaltung der österreichischen Sagenwelt leisten.“ Der Sagendichter warnt uns in einem holprig gereimten Einleitungsgedicht: „Und denkt beim Lesen immer dran/dass vieles heut‘ noch wahr sein kann…“ Unter dem Gedicht im Bild Strahlemann Strache, wie er verlegen am Ärmel Prinz Eugens zupft, der mit einer ausführlichen historischen korrekten Fußnote versehen ist, die ihn als Sieger über das türkische Heer ausweist. Noch täuscht man Volksbildung vor.
Doch gleich die erste Geschichte zeigt, worum es Kickl und Strache geht: Volksverdummung. Es ist nur zu hoffen, dass aufrechte FPÖler/innen ihren Kindern den Schwachsinn nicht zum Lesen geben, denn sollten sie diesen Käse in der Schule verzapfen, werden die schulischen Leistung entsprechend und die Migrantenkinder wieder schuld für das Versagen der eigenen Brut sein.
Die Provokation im historischen Gewand zur offenen Gewalt gegen Muslime (Anzeige der Grünen bei der Staatsanwaltschaft wegen Verhetzung) hat funktioniert, ein weiterer darin was „Volksbildner“ Kickl als historische Wahrheit verkaufen will. Es ist nicht verwunderlich, dass in einer rechten Postille nicht zu lesen ist, dass der schwule Prinz Eugen unter einem FP-Regime in Österreich als Ausländer, der in Frauenkleidern aus Paris geflohen war und dem bei Abschiebung die Todesstrafe drohte, wegen fehlender finanzieller Sicherheiten und fehlender Deutschkenntnisse keine Chance gehabt hätte. Besser passt ins Bild, dass man die historisch widerlegte Geschichte von der Gründung des ersten Wiener Kaffeehauses durch Georg Franz Kolschitzky aufwärmt. Wie schaut denn das aus, in einem rechten Blatt, wenn eine Urwiener Institution von einem armenischen Kaufmann namens Johannes Diodato gegründet wurde.
Natürlich werden in dem FP-Machwerk Türken als blutrünstigen Schlächter dargestellt, aber wie schon in der Prinz Eugen Ausstellung im Belvedere in diesem Frühjahr verschwiegen, dass die christlichen Heere gegenüber Andersgläubigen nicht minder grausam waren. Im Osmanischen Reich herrschte religiöse Toleranz, so gab es zur Zeit Prinz Eugens in Konstantinopel über 40 Synagogen. Aus Wien hatte der katholische Kaiser 1670 alle Juden vertrieben, ließ sich aber schon wenige Jahre später von einem jüdischen Bankier, dem Hoffaktor Samuel Oppenheimer, die Türkenkriege finanzieren.
Da vieles heut‘ noch wahr sein soll, wird die Geschichte des historischen Bürgermeisters während der Belagerung von Wien, Andreas von Liebenberg, gnadenlos verfälscht. Um den heutigen Bürgermeister Michael Häupl denunzieren zu können, macht man aus Liebenberg einen Türkenfreund und Verräter, der die Stadt schon heimlich an die Besetzer verraten hatte, bevor die Besatzer eintrafen. In Wirklichkeit organisierte Liebenberg in der belagerten Stadt die Bürgerwehr und starb zwei Tage vor der Befreiung Wiens. Was an diesen historischen Fälschungen erhaltenswert sein soll, muss Herbert Kickl erst erklären.
In der zweiten Geschichte treibt ein rotgrünes Ungeheuer als Basilisk recht plump sein Unwesen. Warum die ursprüngliche Geschichte fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde, bleibt schleierhaft, sie wurde weder lustiger noch spannender. Das Ungeheuer im Brunnen, dem eine wackerer Bäckersgehilfe eine Spiegel vorhält, damit es, von der eigenen Hässlichkeit geschockt, zu Stein wird, ist für die FPÖ natürlich die Möglichkeit einer rot-grünen Regierung in Wien. Danach geht dem Sagenschreiber die Luft aus und enttäuscht das aufgekratzte Publikum. Nicht einmal die originale Liedzeile aus dem Lieben Augustin: „Und selbst das reiche Wien/Hin ist’s wie Augustin“, reizt den Sagenschreiber zu einem müden Witz, die Geschichte vom „Donauweibchen“ gerät zur müden erotischen Fantasie, wenn großbusige Nixen einen Bürgermeister HC Strache erträumen. Dass die Chance den englischen König Löwenherz, den Herzog Leopold V. in Erdberg festnehmen ließ, um dann ein horrendes Lösegeld zu erpressen, als schwulen Weichling, der von seinem Barden Blondel gerettet wird, zu denunzieren, ausgelassen wird, ist wohl der Unbildung des Sagendichters zu schulden.
Auf die sprachlichen Defizite der Sagentexte hat bereits Armin Thurnher in seiner luziden Analyse des pädosexuellen Subtextes der Prinz Eugen Sage dargestellt, manchmal sind sie herzig, wenn aus dem Lieben Augustin ein „mausetoter Mann“ wird, die legen aber auch das Denken des Schreiber offen, wenn er die Türken des Jahres 1683 Bomben auf Wien werfen lässt. Da ist das Bild des muslimischen Attentäters ganz nah.
 

Foto: Andreas Brunner (Copyright: Andreas Brunner, QWien)

Was ich in den kommenden fünf Jahren vorhabe. Teil 1

Nachdem ich diesem Beitrag den ersten fünf Jahren meines Gemeinderatsdaseins gewidmet habe, möchte ich mich nun vor allem den kommenden fünf Jahren widmen. Was gibt’s zu tun? Im ersten Teil die großen Überbauthemen, im zweiten Teil folgen „meine“ Ressorts Netz-, Kultur- und Queerpolitik. Man möge mir verzeihen, dass ich in einem Blogbeitrag nicht detailliert auf alles eingehen kann*. Aber da ich Lust auf Zukunft habe:Die Wahlkampfthemen (wenn man frischen Wind, Jetzt geht’s um Wien bzw. Er glaubt an euch überhaupt als Themen definieren möchte) gehen ja an die großen Herausforderungen der Stadt vollkommen vorbei.Die Ausgangslage Wiens für die kommenden Jahre ist wie folgt:Als einziges Bundesland Österreichs wird Wien jünger. Das passiert durch Zuwanderung, inklusive der aus anderen Bundesländern.Wien wächst bis 2030 um Graz. Etwa 250.000 Menschen mehr werden in dieser Stadt wohnen, leben, arbeiten, verkehren, Kultur genießen, etc. Schon bald hat Wien mehr Einwohner_innen als zu den Hoch-Zeiten der Jahrhundertwende um 1900.In der Kommunikation wird die revolutionärste Erfindung seit dem Buchdruck – das Internet – Rahmenbedingungen vollkommen verändern.Europa und die USA als kulturelle und wirtschaftliche (leider vielleicht auch politische) Leitgebilde gehören der Vergangenheit an. China und Indien holen auf, Südamerika ebenso. Der Standort Wien (so wie Österreich und Europa) muss politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell sorgfältig neu gedacht werden.Ob die Wirtschaftskrise und die zerplatzten Blasen aufgehört haben, oder erst noch so richtig kommen werden, ist noch keine ausgemachte Sache. In welchem Wirtschafts- und Demokratiesystem wir leben wollen ist zwar eine globale Frage, aber auch zu einem gewissen Grad lokal zu beantworten.Der Klimawandel ist kein Zukunftsszenario, sondern wir sind mittendrin. Dafür braucht es klare Vorgaben und Management.Durch unser Wirtschaftssystem und durch ökologische Verwerfungen wird Migration stattfinden, ob wir wollen oder nicht.Daher ärgern mich die kurzfristigen Wahlkampfparolen sehr. Denn in Wahrheit sind die oben genannten Wahrheiten unaufhaltbar und sollten das eigentliche Thema der Stadt sein.Oben genannte Themen sind bei den Grünen nicht ausgeblendet. Christoph Chorherr hat diesbezüglich viel in seiner Präsentation „Was kommt wenn Grün kommt“ erklärt (hier nachzusehen).Viele Menschen fragen mich, wie das leistbar sein soll: Wohnbausanierungen, neue Passivhäuser, etc. Nun: Gebaut werden muss sowieso. Und ja, Passivhäuser bauen ist um etwa 5{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} teurer. Aber wenn man bedenkt, wie viel Energie sowie Öl- und Gasimporte eingespart werden können, rechnet sich das in kürzester Zeit. Die einstürzenden Altbauten, mit denen Wien in letzter Zeit konfrontiert waren, zeigen ja auch, dass Sanierungen ohnehin stattfinden müssen. Es wäre sinnvoll diese gleich mit Wärmedämmungen und Energiesparmaßnahmen zu sanieren. Das erhöht zudem die Lebensqualität. Über die erste Passiv-Wohnung der Welt in Wien berichten wir ja in unserem Magazin Q:G (Seite 24, hier nachzulesen). Auch das erste energieunabhängige Hotel der Welt befindet sich im 15. Bezirk (hier).Über die demokratischen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die mit dem Internet einhergehen, möchte ich in Teil 2 näher eingehen.Zu den veränderten Rahmenbedingungen bei den Machtverhältnissen in der Welt, muss gesagt werden, dass Produktion von Gütern wohl nicht mehr im großen Rahmen in Europa stattfinden wird. Ich sehe noch kein Ende der „Geiz ist geil“-Bewegung und Konsumverhalten. Daher wird nichts anderes übrig bleiben, als den Forschungs-, Dienstleistungs, Kreativ-, Kultur- und Bildungssektor aufzuwerten, denn dies wird für die Zukunft Wiens unabdingbar sein. Wer das veraltete, verkrustete Schulsystem Österreichs betrachtet – samt parteipolitischen Direktionspostenvergaben – kann nur mit Sorge in die Zukunft schauen. Aber eine Grüne Stimme bei und nach der Wahl ist auch ein Zeichen, dass hier dringends umfassend umgekrempelt werden muss. Das gilt für Wien und für Europa.Migration wird stattfinden. Das bedingt unser weltweites Wirtschafts- und Ökosystem. Es ist immer noch unbedingt notwendig, dass wir Hetze ablehnen! Es hilft uns aber auch nicht, wenn immer nur gesagt wird, wie super eh alles sei. Integration und Migration sind keine Themen, die man ablehnen oder befürworten kann. Es sind Themen, die angepackt werden müssen, wo die Politik verdammtnochmal die Ärmel hochkrempeln muss und Zeit und Geld investieren muss. Und ja: Es gibt kulturelle Probleme und ja: Es gibt Konflikte. Die müssen aber genau definiert und diskutiert werden, ohne dass man ganze Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufhetzt und eigentlich die öffentliche Sicherheit gefährdet, wie die FPÖ das tut – oder alles schönredet, wie die SPÖ das tut. Letztere zitiert ja bei deder Debatte aus der Mercer-Studie. Die ist aber von Manager für Manager gemacht. Diese SP-Argumentation des „eh alles super“ hilft also weder einer Zimmer-Kabinett-Bassena-Familie am Gürtel, noch Brennpunkten in Simmering. Deshalb laufen diese Gruppen auch in Scharen zur FPÖ über – leider! Integration heißt also: Dialog, Aufklärung, Programme vor Ort (vom Gemeindebau bis zum Betrieb, von der Schule bis zur Kultur) und allem voran: Neugier wecken und ehrlich sein! Und vor allem müssen wir erkennen, dass viele so genannten „Integrationsprobleme“ vielmehr soziale Probleme sind. Hier hat die sozialdemokratische Partei nämlich versagt.*Das wahlweise kurz und bündige oder komplette und ausführliche Wahlprogramm der Grünen gibt es hier.

Fünf Jahre im Gemeinderat. Eine Bilanz. Ein Ausblick.

Die Wiener Legislaturperiode ist (fast) zu Ende. Was ich alles in den nächsten fünf Jahren vorhabe, werde ich in einem kommenden Beitrag schreiben. Vieles steht ja auch in unserem Wahlprogramm. Aber vieles, was in den vergangenen fünf spannendsten Jahren meines Lebens passierte, ist freilich auch schon ein Verweis in die Zukunft. Eine Bilanz ist wohl immer auch Ausblick. Aber gehen wir einmal ein paar wesentliche Punkte durch.DemokratieDas größte Problem, das ich in der Stadt Wien sehe, ist die Demokratie. Dass eine absolute Mehrheit nicht gut tut, konnte ich nahezu tagtäglich erleben. Aber bevor ich lange herumerzähle: Profil hat in diesem Beitrag das größte Problem ohnehin geschrieben. Daher möchte ich hier eher meine persönliche Perspektive kundtun:Als ich frisch in den Gemeinderat einzog, war ich natürlich beeindruckt. Das historische Haus, der historische Saal, der unbeschreiblich schöne Luster, die alten unbequemen Bänke, die Rituale… Aber: Die Diskussionen waren größtenteils wiederkäuend und reines Ritual. Bereits bei meiner zweiten Rede (bei der Erstrede sind sie eh immer alle recht höflich) dachte ich mir: Zu wem rede ich eigentlich? Hört mir hier – außer meinen Freund_innen – irgendjemand überhaupt zu? Alle blickten in Zeitungen und Notebooks.Ich werfe das meinen Kolleginnen und Kollegen mittlerweile gar nicht mehr vor. Es liegt am Setting. Wir debattieren noch so, wie meine Vorgänger im 19. Jahrhundert.Die wirklich interessanten Debatten finden auch ganz woanders statt: In den Ausschüssen und Kommissionen! Meine waren: Kulturausschuss, Tourismuskommission, Ehrenpensionen, Europakommission sowie Ersatzmitglied im Integrationsausschuss. Dort sitzen weniger Abgeordnete, die sind aber in diesen Bereichen mehr Experten und Expertinnen, konzentrieren ihre Arbeit besonders in diesen Bereichen. Man sitzt rund um einen Tisch: Das begünstigt gute Gespräche, Debatten und Austausch.Nur: Diese Ausschüsse sind nicht öffentlich! Größtenteils keine Protokolle, selten Gäste von außen, usw.Das Setting gehört unbedingt neu gedacht! Als ich auf CNN einmal ein parlamentarisches Hearing in den USA sah- live im TV – dachte ich mir: Das wäre doch was! Öffentliche Ausschüsse samt Livestream, Jede und jeder, der in diesem Ausschuss um Subventionen ansucht, kann dort erklären, wofür er oder sie das Geld braucht, Frage können gestellt werden, etc. Das wäre doch wirklich was! Keine Hintertür-Demokratie ohne Öffentlichkeit…KulturpolitikErgebnis obiger Überlegungen war, dass meine Kollegin Marie Ringler und ich die Ausschüsse auf unseren Blogs zumindest öffentlich machten.Marie Ringler und ich beackerten viele Kulturthemen zusammen, manche habe ich voran getrieben. Nur einige Ausschnitte meiner Arbeit:Gewista Kultur:Plakat-Monopol versus Freiplakatierungen war ein großes Thema, das ich in die Öffentlichkeit rücken konnte. Zwar noch ohne Erfolg, aber immerhin wurde der öffentliche Raum und die Frage: Wem gehört der eigentlich? stärker ins Licht gerückt. Link.Der Jüdische Friedhof Währing: Ich habe schon so viel gebloggt zu diesem Thema, dass ich nur kurz zusammenfassen möchte: Erst durch meine Initiative mit Tina Walzer wurde der vergessene Biedermeier-Friedhof wieder bekannt. 10.000 Folder wurden verteilt und waren Anfang des Jahres vergriffen, sodass ich soeben neue produzieren musste. Wir haben in dieser Legislaturperiode über 3.500 Menschen eingeladen, die das fast vergessene Areal zu besuchen. Vier Freiwilligentage halfen der Forschung. Ende 2009 war das Thema (das ohne mich gar keins gewesen wäre) auf der Tagesordnung im Bundeskanzleramt – mit den Landeshauptleuten von Wien und Niederösterreich. Eine Lösung liegt zwar noch nicht am Tisch, aber scheint in greifbarer Nähe. Ich will da dran bleiben! Link: Wikipedia-Artikel zum FriedhofKino- und Filmförderung: Wir haben immer wieder Anträge gestellt. Die Oscar-Preise für österreichische Filme gaben uns Rückenwind: Das wahrscheinlich beliebteste Kulturmedium unserer Zeit bekam höhere Förderungen. Was noch fehlt sind Investment-Hilfe für Arthouse-Kinos.Erinnerungspolitik: Nur ein kleines Thema vielleicht, aber der berührendste Moment meiner Laufbahn war, Miep Gies einen Goldenen Rathausmann zu überreichen. Ich schlug diesen Rathausmann vor, der Bürgermeister sagte ja, und ich durfte (leider indirekt) überreichen. Nur wenige Wochen später starb die in Wien geborenen Retterin der Anne Frank-Tagebücher.Urheberrecht: In diesem Jahr traute ich mir auch heiße Eisen anzufassen: Wie gehen wir um mit einem Urheberrecht aus dem 19. Jahrhundert, das nicht mehr zu den technologischen Rahmenbedingungen unserer Zeit passt?Queer PolitikNoch 2005 meinten viele, ein offen schwuler Gemeinderat muss aufpassen, dass er nicht ausschließlich auf seine sexuelle Orientierung reduziert wird. Ich fand und finde es richtig, dass ich diesen Schritt gemacht habe und konnte sogar vieles erreichen (mehr dazu hier). Hier nur einige wenige Punkte:Schulen: Gleich zu Beginn der Periode konnte ich erreichen, dass in jeder Schulbibliothek Coming-out Ratgeber und lesbische sowie schwule Literaturanthologien stehen.Erstklassige Rechte war eine riesige Community-Bewegung, die die VP-SP-Regierung daran erinnerte, dass nur eine völlige Gleichstellung von Partnerschaften akzeptabel ist, alles andere diskriminierend ist. Alle (außer SPÖ Politik betreibende Organisationen wie HOSI Wien) machten mit, ich war wohl so etwas wie eine Speerspitze.homohetero.at: Mehrsprachige Info zur Aufklärung über SexualitätStonewall in Wien: Die lesbisch-schwule Emanzipationsgeschichte als Zeitschrift und Film aufgearbeitet.Das schwierige Verhältnis zwischen Community und Wiener Polizei konnte ich aufgreifen, die Polizei für Sensibilisierungsprojekte gewinnen, mit den Gay Cops Austria zusammenarbeiten und mittlerweile ist dieses Thema wichtig bei der Wiener Polizei.Zuletzt schaffte ich durch Verhandlungen mit der SPÖ, dass Eingetragene Partnerschaften im Wiener Landesrecht als Familienangehörige gelten und konnte „vergessene“ Gesetze hineinverhandeln (siehe Artikel hier).EuropaAbgesehen von einer höchst erfolgreichen und spannenden Brüssel-Reise mit Blogger_innen, konnten wir einen Erfolg verbuchen: Mittlerweile ist auch die SPÖ und Michael Häupl dafür, dass Europathemen im Landtag behandelt werden. Denn viele Entscheidungen in Brüssel haben direkte Auswirkungen auf die Wiener Ebene – nur debattiert niemand
darüber! Vermutlich werden wir es 2011 schaffen, und die zahnlose Europakommission wird in einen Ausschuss verwandelt!Und:einen Antrag gegen Vorratsdatenspeicherung konnten wir durchbringen, für Open Data kämpfen (leider noch ohne Erfolg, aber ich bleibe zuversichtlich), und und und… Ich kann gar nicht alles aufzählen.Was mir sicher auch immer in Erinnerung bleiben wird: Einmal distanzierte ich mich von einem einstimmigen Beschluss des Gemeinderats, der gegen Israel gerichtet war. Dazu stehe ich heute immer noch und würde das wieder so tun.

Vierter Freiwilligentag am Jüdischen Friedhof Währing am 3.10.

Am 3. Oktober ab 10 Uhr veranstalten wir wieder einen Freiwilligentag am Jüdischen Friedhof in Wien. Am selben Tag finden auch wieder zwei Führungen (11 und 15 Uhr) mit Historikerin Tina Walzer statt. Es sind dies die letzten Führungen des Jahres 2010! Ob es 2011 wieder Führungen geben wird, entscheiden die Wiener Wählerinnen und Wähler am 10.10.2010.
Notwendig wird der Freiwilligentag, da es offensichtlich noch immer keine Lösung für die Sanierung und Pflege des kulturhistorisch wertvollen Areals gibt. Denn nirgendwo sonst wird di aufgeklärte und sich im Aufbruch befindliche jüdische Gemeinde des ausgehenden 18. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts derart nachvollziehbar. Es handelt sich um die Gründer_innen jener Gemeinde, die das Wien der Jahrhundertwende maßgeblich prägten und die 1938 vernichtet wurde.
Alle Termine, Anmeldungsdaten und Hinweise zu den Führungen, sowie dem Freiwilligentag gibt es HIER.
Besonders freue ich mich aber über einen Neudruck unserer beliebten Broschüre Der Währinger Friedhof – Rundgang durch ein verfallenes Kulturdenkmal von Tina Walzer. 10.000 Exemplare haben wir verteilt und sind vergriffen. Der Neudruck im neuen Layout steht HIER ZUM DOWNLOAD bereit (in etwas niedrigerer Auflösung).

Brauchen wir überhaupt Lesben und Schwule in der Politik?

Vor einigen Tagen meinte Kurt Krickler in einer Aussendung der HOSI Wien zum Thema Jörg Haider:

„Gerade das Beispiel Jörg Haider zeigt anschaulich, dass es nicht relevant ist, ob ein/e Politiker/in offen homosexuell ist oder die eigene sexuelle Orientierung diskret lebt, sondern viel wichtiger ist, wofür er oder sie politisch steht und eintritt.“ 
Des weiteren wird in der Aussendung darauf hingewiesen, dass offen lesbisch-schwule Kandidat_innen keine Rolle spielen würden, käme es doch auf die Politik selbst drauf an.

Das ist nicht ganz falsch. Nur ist es auch nicht ganz richtig. Ich glaube nämlich nicht nur an die politische Repräsentanz der Bevölkerung in seinen Volksvertretungen, ich halte sie für sehr notwendig! Würde man diesen Gedanken nämlich weiterspinnen, müsste man annehmen, dass auch ein zu 100{6f8c26ad3fabc3ab9e5403d0d68a89bc5a2f8a366172fd8ffa8095b282dbc8a7} mit Männern besetztes Parlament effektive Frauenpolitik machen könnte, oder Migrant_innen keine politische Vertretung brauche. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass viele Menschen in den demokratischen Gremien vertreten sind, die die Vielfalt einer Bevölkerung auch widerspiegeln und dem entsprechende Lebenserfahrungen mitnehmen: Frauen und Männer, Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen und eben auch Heterosexuelle und Homosexuelle.

Ich stelle den Aussagen der HOSI Wien einen Satz gegenüber, den mir ein SPÖ-Kollege im Wiener Gemeinderat vor einigen Monaten mal sagte:

„Seit du im Gemeinderat sitzt, hat sich die Anzahl homophober Äußerungen deutlich reduziert.“ 
 

Seit die offen lesbisch lebende Grün-Politikerin Ulrike Lunacek 1999 in den Nationalrat eingezogen ist, hat sich in Österreich einiges geändert. Die 90-er Jahre waren ja so etwas wie der Durchbruch lesbisch-schwuler Politik in den Themen-Mainstream. So fand etwa die erste Regenbogenparade 1996 statt. In der Politik dauert das zwar alles furchtbar lange (so ist vor allem die ÖVP heute noch nicht mal in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts angelangt) aber man kann zurecht sagen: Es hat sich was getan.
Lesbischsein oder Schwulsein reiche nicht für die Politik, meint die HOSI Wien unter anderem, ebenfalls in besagter Aussendung. Das stimmt. Als ich 2005 erstmals für den Wiener Gemeinderat kandidierte, sagte ich im Falter: Schwulsein ist nicht abendfüllend! Der Satz stimmt heute auch noch. Natürlich reicht es nicht, ob man schwul oder lesbisch ist, um gute Politik zu machen. Es reicht nicht einmal um gute queere Politik zu machen. Aber es ist sehr hilfreich, wenn man Politik leidenschaftlich macht! Und für notwendig halte ich es auch. Man braucht einfach gute Politiker_innen. Und wenn davon einige offen lesbisch oder schwul sind: Umso besser!
Zwei Beispiele aus dem politischen Alltag:

Als sich mehrere Lokalwirte und -wirtinnen aus der lesbisch-schwulen Community bei mir meldeten, dass sie immer wieder Schwierigkeiten mit der Polizei hätten, kontaktierte ich sofort den Landeskommandanten General Karl Mahrer. Daraufhin saßen wir in mehreren Runden zusammen und die Polizei überprüfte einige fragwürdige Vorgänge. Danach entwickelten wir – in Kooperation mit den Gay Cops Austria – Maßnahmen. Als ersten Schritt, gibt es jetzt überall Flyer und Plakate in allen Wachstuben und in der lesbisch-schwulen Community. Diese Sensibilisierungs-Maßnahme geschah, weil es jemanden im Gemeinderat gab, den die Wirt_innen kannten und der die Lokale auch gut kennt.
Als im Laufe dieses Jahres Eingetragene Partner und Partnerinnen im Wiener Landesgesetz gleichgestellt werden sollten, kontaktierte mich die SPÖ bzw. das Büro von Stadträtin Sandra Frauenberger. Ihnen war es wichtig, dass wir mitgehen. So konnten wir viele wichtige Aspekte wie den „Familienbegriff“ und übersehene Gesetze hineinverhandeln (siehe diesen Blogbeitrag). Die Kooperation mit der Stadtregierung und dem Büro Frauenberger verlief hervorragend. Es ist halt auch für eine regierende Partei nicht besonders gut, wenn sie im lesbisch-schwulen Bereich etwas beschließen möchte, und der einzige Schwule im Gemeinderat wäre dagegen. Meine Zustimmung ist da schon was wert.

Ich – als offen schwuler Politiker – kann also auch aus der Oppositionsrolle heraus viel erreichen. Wobei: Regieren wäre mir natürlich noch lieber.

Im Wahlkampf ist es natürlich ganz lustig zu erzählen, dass man der einziger offen schwul lebende Politiker im Wiener Gemeinderat und Landtag ist. Aber ganz ehrlich: Ich wünschte mir für die Alltagsarbeit innerhalb der Legislaturperioden, dass das nicht so wäre. Bedauerlicherweise hat die SPÖ wieder keine Lesben und Schwule auf wählbaren bzw. chancenreichen Stellen. Das würde viel erleichtern, weil wenn man die lesbische oder schwule Perspektive aus dem Alltag kennt, lässt sich’s einfacher politisieren und ich hätte einen Partner. Denn lesbisch-schwule Politiker_innen erkennen Notwendigkeiten anders und aus eigener Erfahrung und nicht „vom Hörensagen“.
Aber immerhin darf ich mich freuen, dass die Grünen mich nicht alleine aufstellen, und Jennifer Kickert mit mir kandidiert.
Vielleicht sollen sich manche Menschen, die Kricklers Meinung sind, und NGO-Vertreter_innen einfach noch einmal den Film Milk anschauen. In diesem Film geht es um das Wirken von Harvey Milk. Ein Vorbild – ganz bestimmt!