Das neue FPÖ-Parteiprogramm aus queerer Sicht.

Dieses Wochenende war aus lesbisch-schwul-transgender Sicht der Höhepunkt des Jahres. In Wien gingen rund 110.000 Menschen auf die Straße, um an der Regenbogenparade teilzunehmen. Lesben, Schwule, Transgender, Bisexuelle und zahlreiche solidarische Heterosexuelle demonstrierten für ein vielfältiges Österreich, das alle sexuelle Orientierungen akzeptieren, respektieren und rechtlich gleichstellen will. Damit verknüpft das Motto Show your face, das allen Mut machen soll, zu ihrer sexuellen Freiheit zu stehen und einzufordern.

Apropos Freiheit.

Am selben Wochenende hielt die FPÖ Parteitag in Graz. Dort wurde das neue Parteiprogramm beschlossen. In 10 freiheitlichen Leitsätzen wird die Politik der Freiheitlichen Partei festgelegt. Über vieles wurde bereits in den Medien ausführlich berichtet und reflektiert. Aus Sicht der Lesben und Schwulen ist besonders der 4. Leitsatz interessant:

„Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern ist die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft und garantiert zusammen mit der Solidarität der Generationen unsere Zukunftsfähigkeit.“
Den einen oder anderen Punkt mag man dann in den Erläuterungen zum 4. Leitsatz vielleicht noch gut heißen, zum Beispiel, dass Frauen und Männer chancengleich behandelt werden sollen – allerdings ohne Gender Mainstreaming, wie dann gleich darauf noch extra betont werden muss.

Dann heißt es:

„Die Familie, geprägt durch die Verantwortung der Partner und der Generationen füreinander, ist Grundlage unserer Gesellschaft. Die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau wird durch das Kind zur Familie. Wer alleinerziehend Verantwortung übernimmt, bildet mit den Kindern eine Familie.“
Alleinerzieher_innen haben also nochmal Glück gehabt. Gerade noch werden sie von der FPÖ knapp als Familie anerkannt. Aber Regenbogenfamilien? No way. Patchworkfamilien werden übrigens auch nicht erwähnt. Wenn also beispielsweise eine Frau aus einer früheren heterosexuellen Beziehung Kinder hat, dann eine Frau kennenlernt und mit ihr den Rest ihres Lebens als Familie verbringen will – so ist das keine Familie. Auch wenn der leibliche Vater guten Kontakt zur neuen Familie pflegt und Teil dieser ist. So meint zumindest die FPÖ. Sie definiert die Norm, alles andere wird schlicht nicht akzeptiert. Das ist die Kernaussage.

Mit anderen Worten: Gesellschaftlich real existierende Lebensformen werden von der FPÖ ausgegrenzt. Sie verdienen die Bezeichnung Familie nicht.

Doch im nächste Absatz geht es klar zur Sache:

„Wir bekennen uns zur Vorrangstellung der Ehe zwischen Mann und Frau als besondere Form des Schutzes des Kindeswohls. Nur die Partnerschaft von Mann und Frau ermöglicht unserer Gesellschaft Kinderreichtum. Ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Beziehungen lehnen wir ab.“
Die in unendlich vielen Diskussionen gestellte Frage, was denn nun mit heterosexuellen Paaren sei, die heiraten und keine Kinder haben wollen oder tragischerweise nicht können, wird freilich auch im FP-Programm nicht beantwortet. Homosexuelle sind offensichtlich die Bösen, die gesellschaftlich nutzlos sind.

Ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare wird von der FPÖ kategorisch abgelehnt. Ein Institut, das es bekanntlich im österreichischen Recht bereits gibt – mit noch zahlreichen diskriminierenden Sonderbestimmungen. Aber was bedeutet die Ablehnung der FPÖ für Lesben und Schwule, die planen eine Eingetragene Partnerschaft einzugehen? Oder für bereits eingetragene Partner und Partnerinnen? Zumal ja die FPÖ in Umfragen derzeit die stärkste Partei ist und demnächst den Kanzler stellen könnte?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Samstag auf der Wiener Ringstraße auch viele freiheitlich wählende Lesben, Schwule, Transgender, Bisexuelle und Heterosexuelle demonstrierten und dabei waren. Die tun das aus möglicherweise anderen Gründen. Auch mir persönlich sind schon viele FPÖ-Wähler_innen in der Community begegnet. Diese sollten aber jetzt wirklich dringend nochmal nachdenken darüber, was sie da tun. Bei allem Verständnis für den Stillstandsfrust, der dieses Land derzeit lahmzulegen scheint, aber Rückschritte und Ausgrenzung kann doch wohl nicht das Ziel dieses Landes sein!

"Bored in Saudi-Arabia"

Vieles ist über die arabischen Revolutionen geschrieben worden. Auch ich habe unter anderem hier bereits dazu geschrieben, wobei mich vor allem die sozialen Netzwerke im Internet als neue demokratische Basis interessierten und interessieren.

Aber was wir – aus unserer westlichen Perspektive – auch schreiben, es wird wohl nur teilweise der Wahrheit gerecht. Lassen wir also einmal einen jungen Saudi namens Alaa Wardi selbst erzählen, wie er sein Leben so sieht. Wie frustriert er ist, in Saudi-Arabien zu leben – und wie frustriert er ist, dass ihm der Westen auch keine Perspektive anbieten will, obwohl er dazu bereit wäre. Naturgemäß auf YouTube:

Danke an Ben Dagan, der das Video postete und mich aufmerksam machte.

Politische Nachwirkungen der Gewalt in Split.

Erschütternde Bilder gingen um die Welt (siehe Fotostrecke hier). Im kroatischen Split demonstrierten rund 300 Teilnehmer_innen der ersten CSD-Parade für die rechtliche und gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben, Schwulen und Transgendern. Und 10.000 demonstrierten gegen diese Demonstration und skandierten unter anderem „Tötet die Homos“.

Kroatien ist ein Beitrittsland. Nur knapp vor den Ereignissen in der inoffiziellen Hauptstadt Dalmatiens kündigte die EU-Kommission an, Kroatien könnte wohl 2013 der Europäischen Union beitreten. Diese Beitrittsperspektive war vermutlich vor allem der Grund, dass die kroatische Regierung die Gewalt in Split unmissverständlich verurteilte. Die Polizei in Split bereitete sich auf den Einsatz vor und  beschützte die 300 Demonstrant_innen so gut sie konnten. Es bestand angesichts der Beitrittsmöglichkeit Handlungsbedarf und klare Signale an die EU.

Die niederländische Botschafterin in Kroatien – Stella Ronner-Grubačić, selbst Teilnehmerin am CSD in Split – meinte nach den Ereignissen, dass Kroatien bis zum EU-Beitritt ein Monitoring brauche. Die Niederlande würde darauf bestehen. Im Europäischen Parlament gibt es auch einen Kroatien-Berichterstatter. Dieser heißt Hannes Swoboda und ist bekanntermaßen österreichischer Sozialdemokrat. Er korrigierte die niederländische Diplomatin. Swoboda ist über den „Vorfall“ lapidar „nicht glücklich“, meint aber, dass solche Ausschreitungen in jedem EU-Land vorkommen. Aha? Er war offensichtlich noch nie auf der Wiener Regenbogenparade, oder in Berlin, Amsterdam, Köln oder sonstwo. Zudem meint er, es sei nicht fair, und es sei nur Stimmungsmache gegen den Beitritt Kroatiens, und man möge diesen Vorfall doch bittschön isoliert betrachten.

Ulrike Lunacek, bekanntlich Grüne und offen lesbische Abgeordnete im Europaparlament fand darauf klare Worte und wirft Swoboda „Verharmlosung“ vor (siehe Artikel hier).

Hier offenbart sich leider erneut eine Krise, die innerhalb der Europäischen Union zunehmend sichtbar wird und vor allem mit der Identität der EU zu tun hat. Wofür steht sie? Was ist ihr Leitbild und was die Grundprinzipien? Sind Menschenrechte so ein Grundprinzip? Die Verurteilung von Gewalt gegen Minderheiten? Oder sind die wirtschaftlichen Perspektiven so wichtig, das sie über alles andere stehen? Wenn man Swobodas Äußerungen weiterdenkt, dann scheint das so zu sein: Gewalt, die auf den Straßen stattfindet, ist zwar ein böser „Vorfall“, aber hat nichts mit Beitrittsverhandlungen zu tun.

Was sind denn dann die Voraussetzungen für einen Beitritt?

Wer mich kennt weiß, dass ich ein glühender Befürworter der europäischen Integration bin. Ich glaube auch, dass die Integration des Balkans notwendig und wichtig ist. Aber nach den Ereignissen in Split frage ich mich schon, welche Voraussetzungen erfüllt sein sollen. Bekanntlich nützen nationalistische Strömungen – gerne und oft organisiert über Fußballklubs (vergleiche dieses serbische Beispiel) – viele Gelegenheiten, um die pro-europäischen Regierungen zu destabilisieren.

Ich bin erfreut, dass die kroatische Regierung sich klar gegen die Gewalt äußerte. Aber von der Europäischen Union erwarte ich mir – als Unionsbürger – dass man mir reinen Wein einschenkt, dass man mir klar vermittelt:

ob ein Beitrittskandidat so starke gewaltbereite nationalistische Strömungen hat, dass sie die europäische Integration langfristig schaden könnten,
ob Staaten, die noch vor wenigen Jahren noch Krieg führten, diese historisch und gesellschaftlich aufgearbeitet haben,
ob langfristig und legislativ die Menschenrechte in diesen Ländern auch in vollem Umfang beschützt werden (Was wenn zB. Nationalisten regieren? Das gilt im übrigen durchaus auch für westeuropäische Länder).

Diese klare und ausgewogene Berichterstattung erwarte ich aber vor allem von einem gewählten Mandatar, der parlamentarischer Berichterstatter (!) Kroatiens ist. Schönreden halte ich für entbehrlich, gefährlich und kontraproduktiv.

Split hat übrigens eine multikulturelle Vergangenheit – griechisch, römisch, byzantinisch, bosnisch, venezianisch, österreichisch-ungarisch, kroatisch. Der Name entstammt dem griechischen Wort ἀσπάλαθος (Aspalathos), was „spanischer Besen“ bedeutet. Möge ein Besen die schrecklichen Bilder vom 11.6.2011 bald zur Vergangenheit machen:

Talentebörse YouTube.

Das Internet bietet neue Möglichkeiten sein Können zu zeigen, auch wenn man nicht bei einer Plattenfirma oder sonstwo unter Vertrag steht. Das ist mittlerweile längst bekannt. Und langsam spricht sich das auch bei den Labels herum, die einerseits das Internet noch immer gerne als Feind betrachtet, weil Menschen überall und frei Musik downloaden und Videos schauen können. Andererseits werden sie hier auch fündig.

Die Liste der Menschen, die es über YouTube zu einer gewissen Berühmtheit geschafft haben, wird Tag für Tag länger. Da gibt es Tänzer und Tänzerinnen, Gesangsdarbietungen, Video-Blogs u.a. von Menschen, die unfassbar hohe Zugriffe haben. Einige davon schaffen es auch über die YouTube-Welt hinaus bekannt zu werden.

Da wäre zum Beispiel Alexa Goddard und ihr YouTube Channel. Sie promotete ihre Musik und Coverversionen über die Videoplattform und Twitter und fand sich später in den britischen Charts wieder. Auch ein Wiener schaffte den Sprung von YouTube zu einer gewissen Berühmtheit in der Hip Hop Szene. Money Boy covert Turn My Swag On als Dreh den Swag auf und hat unfassbare 11 Millionen Zugriffe (Video). Mittlerweile nimmt er schon Songs mit Sido auf.

Die Liste ließe sich fortsetzen (siehe diese englischsprachige Liste an YouTube Stars auf Wikipedia).

Moderator Andi Knoll macht auf seiner Facebook-Seite und im Hitradio Ö3 auf einen 16-jährigen Tiroler aufmerksam. David aus Zirl singt auf YouTube Fuck You (Forget You) von Cee Lo Green und hat bereits einige Tausend Zugriffe. Auch ein amerikanischer Produzent sah das und hörte gut: Er wollte den Jungen haben. Der aber wollte erst einmal seine Matura machen. Andi Knoll konnte ihn aber dazu überreden, dass er im Herbst in der neuen ORF-Show Die große Chance mitmacht. Ein Star durch YouTube? Zumindest ein Riesentalent, entdeckt im Web 2.o. Seht und hört selbst:

Islands Verfassung wird auf Twitter und Facebook geschrieben.

Island geht voran. In einem außergewöhnlichen Projekt des Crowdsourcings (Deutsch: „Schwarmauslagerung“), wird eine neue Verfassung des Nordatlantikstaates – mit seinen Vulkanen, Gletschern und Papageientauchern – geschrieben. Auf diversen Social Media Plattformen kann jeder Isländer und jede Isländerin Feedback geben, formulieren und diskutieren. Basis bildet die Website Stjórnlagaráð (zu deutsch etwa: Verfassungsrat). Auf Twitter wurde ein dem entsprechender Account eingerichtet, auf Facebook ebenso.

Nach der ökonomischen Krise Islands 2008, in dem das Land pleite ging, folgte eine völlige Neuorientierung des Landes – ganz öffentlich diskutiert. Die Identität des Landes in einer globalisierten Welt wird ebenso hinterfragt, wie die politische Struktur des Landes mit der ältesten noch existierenden parlamentarischen Demokratie (Alþingi, gegründet 930).

Der geplanten neuen Verfassung gingen schon vorab innovative demokratische Prozesse voran (vergleiche diesen Blogbeitrag vom November 2010).

In einem CNN Interview erzählt Katrín Oddsdóttir über die ersten Erfahrungen, wie die Initiatoren und Initiatorinnen mit Ängsten so Manche_r aus der Politik umzugehen hatten, und wie sich das Projekt entwickelt:

Island ist somit das erste Land, das konsequent neue technologische Möglichkeiten nutzt, um demokratische Reformprozesse in Gang zu setzen. Und das gleich mit dem wohl wichtigsten legistischen Dokument, das es in einem modernen Rechtsstaat überhaupt gibt: Die Verfassung!

Das politische Verbotsproblem.

Heute morgen gibt es viel Aufregung im Social Web und in Online-Zeitungen, nachdem Eva Glawischnig vorschlug Zigarettenautomaten zu verbieten. Grundlage der Forderung ist die tatsächlich Besorgnis erregende Tatsache, dass in keinem anderen Land so viele Jugendliche so früh zur Zigarette greifen, wie in Österreich.

Es wurden ja nun schon viele Verbote diskutiert. Im Sommerloch vor zwei Jahre wurde etwa darüber diskutiert, ob das Handytelefonieren in öffentlichen Verkehrsmitteln verboten werden soll. Bettelverbote, Netzsperren, Rauchverbote in Lokalen, Kleidungsvorschriften in Schulen, und und und. Die Liste der (möglicherweise) sinnvollen und sinnentleerten Verboten ließe sich endlos fortsetzen.

Aber woher kommt dieser Drang zum Verbot als politisches Konzept? Was ist da in den letzten Jahren (oder sind es Jahrzehnte?) passiert?

Nur politische Frage?

Möglicherweise ist es gar nicht nur ein politisches Problem, dass Verbote immer stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Vielmehr dürfte es sich um ein gesellschaftliches Phänomen handeln. Denn auch in Bereichen, die nicht politisch organisiert sind, wird immer mehr mittels Verboten organisiert. Checkte man früher einfach in ein Hotel ein, bekommt man heute oft eine ganze Liste an Erlaubtem und Nichterlaubtem. Pissoirs waren früher einfach Pissoirs, heute sind es Regelwerke mit vielen Verbotsschildchen und Piktogrammen. Für das Geschriebene auf der Rückseite von Eintrittskarten zu Veranstaltungen bräuchte man mittlerweile juristische Fachberatung.

Was kann der Staat?

Aber zurück zur Politk. Es fehlt IMHO dazu eine Diskussion, die eine Demokratie unbedingt braucht. Sie findet zwar statt, steht aber bei weitem nicht im Zentrum der öffentlichen Debatte, wo sie meiner Meinung nach hingehört. Wo enden persönliche Freiheiten zugunsten des Allgemeinwohls? Was kann und muss vom Staat und anderen gesetzgebenden Körperschaften geregelt werden, was aber obliegt der Einzelverantwortung und nicht der Politik? Sind laut telefonierende Öffi-Fahrer_innen ein Problem, um das sich die Kommunalpolitik kümmern soll, oder ist das etwas, dass die Öffi-Fahrer_innen bitte selbst untereinander ausmachen sollen? Sind Orte, an denen sich Raucher_innen und Nichtraucher_innen treffen und sich irgendwie arrangieren müssen, eine private Angelegenheit ebendieser Menschen oder muss da der Staat eingreifen? * Mancherorts wird diskutiert, ob man das Essen von Kebabs, Pommes, Leberkässemmel und Co. in Öffis verbieten soll. Wenn einem das denn stört, schreit man dann gleich nach dem Staat – da möge doch bitte endlich die Politik eingreifen – oder kann man als Fahrgast nicht einfach einem Stinker oder eine Stinkerin sagen: Hey, könntest du nicht etwas mehr Rücksicht nehmen?

Anders gefragt: Sollte nicht die Gesellschaft mehr aufgefordert werden, Dinge unter sich zu regeln? Sollte bezüglich des Problems der jugendlichen Raucher und Raucherinnen nicht doch andere Maßnahmen ergriffen werden, als Verbote die das Rauchen möglicherweise nur noch attraktiver machen? In den Schulen, in den Netzwerken der Jugendlichen? Ich kann mich gut an eine Zeit erinnern, in der alle Experten und Expertinnen meinten, dass Verbote eh nichts bringen. Damals war ich noch jugendlich. Warum diese Stimmen leiser geworden sind, weiß ich nicht. Vielleicht werden sie auch einfach nicht mehr gefragt, weil eine Verbotsforderung auch medial „geiler“ ist – ein richtiger Sager eben. Aufklärungsmaßnahmen zu fordern ist – journalistisch gesehen – ziemlich öd und wird gar nicht mehr geschrieben. Ein Politiker, der sowas sagt, kommt medial einfach nicht vor. Allerdings: Ein Sager „Hier hat die Politik nichts zu entschieden. Liebe Gesellschaft, macht euch das doch selber unter euch aus. Diskutieren wir das alle gemeinsam, übernehmen wir alle die Verantwortung“, würde aber auffallen. Mir fehlen solche Statements.

Wer Verbote fordert, nimmt der Zivilgesellschaft à la longue auch die Eigenverantwortung. Zu Ende gedacht, wäre der Staat dann für alles zuständig, der einzelne Staatsbürger und die einzelne Staatsbürgerin für nichts mehr. Denn man ruft einfach immer nach dem Staat.

Wer soll Verbote kontrollieren?

Verbote machen übrigens nur Sinn, wenn sie denn auch kontrolliert werden. Zeitgleich stöhnt die Exekutive unter Personalmangel. Zurecht fordert die Gesellschaft, dass Kapitalverbrechen geahndet werden – seien es Steuerhinterziehungen, unfassbar komplizierte Wirtschaftsverbrechen und Korruptionsfälle, Insiderhandel und natürlich Klassiker wie Raub, Mord und Totschlag. Wollen wir wirklich in einer Stadt, einem Staat, einem Europa leben, das alles reglementiert und jedes Detail verbietet und erlaubt? Und wer soll das kontrollieren? Wollen wir wirklich Exekutivbeamte und -beamtinnen an jeder Ecke und in jeder Glasfaserkabel, die alles überprüfen und abstrafen?

Die Grenzen des Staates liegen nunmal auch in ihren budgetären Möglichkeiten und was er damit macht. Gleichzeitig hunderte Verbote zu fordern, sowie zu verlangen, dass diese kontrolliert und exekutiert werden geht nunmal nicht parallel zur Forderung, der Staat möge aufgrund der hohen Verschuldung einsparen und die Verwaltung schlanker machen.

Wir haben also tatsächlich ein Verbotsproblem. Man muss kein Ultraliberaler sein, um das zu erkennen. Die Lösung kann meiner Meinung nach nur die langfristige Stärkung der Zivilgesellschaft sein. Und klar machen: Liebe Bürger und Bürgerinnen, der Staat ist nichts ohne euch. Ihr macht ihn aus. Es gibt Dinge, die müsst ihr selber regeln, vieles natürlich gemeinsam mit der Politik. Wir alle sind Staat. Das wäre im Übrigen auch eine Stärkung der Demokratie an sich.

Und zeitgleich könnten sinnvolle Verbote, die tatsächlich notwendig sind, um etwa das Klima zu retten oder Verbrechen schon im Vorfeld auszuschalten (Korruption zB.) besser bekämpft und exekutiert werden.

 
*Anm.: Der einzige Grund für mich, den Nichtraucher_innenschutz im Gastgewerbe nachzuvollziehen, war für mich das Personal, das dort stundenlang, tagelang, jahrelang arbeitet.

Eingetragene Partnerschaften und die Marktlücke.

Normalerweise heißt es oft, die Wirtschaft sei in einigen gesellschaftspolitischen Bereichen schneller als die Politik. Oft stimmt das ja auch. Aber die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft hat sich offenbar noch nicht so recht rumgesprochen. In der Wirtschaft nämlich.

Neulich erzählte mir eine junge Frau ihre Erlebnisse, als sie zu einer feierlichen Partnerschaftsfeier eingeladen war. Sie klapperte Trafiken, Buchläden und andere Geschenke-Shops ab, um eine Glückwunschkarte zu kaufen. Nirgendwo wurde sie fündig. Manche Trafikanten schauten ganz beschämt, gingen „nach hinten um nachzuschauen“ um dann mitzuteilen: „Na, sowas hamma net!“.

Hier erkennt man ganz gut, dass sich Lesben und Schwule eine gute Infrastruktur aufgebaut haben. Die hätten das Problem nämlich so nicht. Die wüssten, dass sie einfach ins Löwenherz – Wien 9, Berggasse 8 – gehen. Daran erkennt man aber vielleicht auch das darunter liegende Problem, dass vielleicht gleichzeitig auch kein Problem ist, sondern ganz normal:

Dass Communities sich entwickeln, mit allen dazugehörenden Shops, Cafés, Bars und Clubs. Und die, die nicht zur Community gehören, dort gar nicht hingehen wollen, trauen, was auch immer.

Also, liebe Heteros und Heteras. Falls ihr zu einer Eingetragenen Partnerschaft eingeladen seid, dann klappert vorläufig keine Mainstream-Buchläden, Trafiken und Gift-Shops ab, sondern geht ruhig ins Löwenherz. Dort gibt es eine Fülle von Glückwunschkarten für Eingetragene Partnerinnen und Partner.

Zum Beispiel „Typ lustig und süß“:

Oder Typ sarkastisch:

Das ideale Bildchen für Lederkerle:

Oder doch lieber stylish reduziert?

Oder doch etwas traditioneller?

Schwarz/weiß, kopflos (!) und doch traditionell?

Für diejenigen, die gerne alle möglichen Wünsche los werden wollen:

Oder halt so:

Was aber auffällt ist, dass Frauenmotive noch eher selten sind. Auch ein Problem der Wirtschaft? Marktlücke für eine internationale Glückskartenindustrie?

Trotzdem: Bis solche oder ähnliche Glückwunschkarten auch im Mainstream-Handel erhältlich sind, bleibt euch Heteros und Heteras nichts anderes übrig, als doch auch mal einen schwul-lesbischen Buchladen zu besuchen. Er wird euch eh gefallen, glaubt’s mir…

Mein neues Leben.

Seit einigen Wochen kein neuer Blogbeitrag mehr? Warum so ruhig? Ja, warum?

Jungunternehmer

Wie die meisten treuen Leser und Leserinnen meines Blogs wissen, ging sich am 10.10.2010 der Wiedereinzug im Wiener Landtag knapp nicht aus. Also galt es neue Herausforderungen zu überlegen. Und es hilft, wenn man kluge Köpfe in seinem Freundeskreis hat. Kurzum: Ich beriet mich mit Freunden. Ich informierte mich, wie Jungunternehmerförderung funktioniert, und bin nun genau eben das: Jungunternehmer. Seit 1.5.2011. (So darf man sich übrigens auch als Über-40-Jähriger nennen!)

Die Idee

Schon in meiner politischen Zeit war Kommunikation, die Strategie die man dafür entwickelt, und die Auswahl der Mittel und Kanäle, die man dafür verwendet, eines meiner Steckenpferde. In dieser Zeit entdeckte ich die wunderbare Welt von Social Media, die Kommunikation in völlig anderer Weise ermöglichte. Kommunalpolitik über klassische Medien zu „spielen“, war nicht immer leicht. Und nach meiner Entdeckung von Social Media als Kommunikations-Instrument – das ohne journalistischen Filter funktioniert, dafür aber mit direktem Feedback und Dialog – veränderte sich ziemlich alles.

Genau dieses Wissen, diese Erfahrungsschätze, die ich über die Jahre meiner politischen Arbeit sammeln konnte, möchte ich nun beruflich anbieten.

Das Angebot

Firmen, öffentliche Institutionen, Parteien, Personen des öffentlichen Lebens, Vereine, etc.: Alle die Social Media in ihren Organisationen implementieren wollen, können mich gerne buchen: Strategieberatung (auch über Social Media hinaus), die „Do’s“ und „Dont’s“ von Online-Kommunikation, Impuls-Referate, Moderationen und Workshops für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, u.v.m.

Mein erster Auftrag war gleich ein geradezu maßgeschneidertes für mich. Gemeinsam und für Serious Entertainment und dem ORF sowie Super-Fi betreute ich den Social Media Auftritt für Nadine Beiler und dem österreichischen Beitrag zum Eurovision Song Contest in Düsseldorf.

Ich werde in den kommenden Wochen und Monaten zu Einzelbereiche meines Angebots bestimmt immer wieder bloggen.

Die neue Website

Auch die Website ist neu. Hier – in diesem Hauptblog – werde ich vorwiegend kommunikationstechnische und Strategiefragen behandeln. Also alles was im engsten und im weitesten Sinne mit Online-Kommunikation, zu tun hat.

Meine Meinungen, die ich darüber hinaus blogge, werden im Sideblog gepostet – ein Ausdruck, den ich gnadenlos von Helge Fahrnberger geklaut habe (Mir ist kein besseres Wort eingefallen! Danke. :))

Die weiteren Menüpunkte sprechen wohl für sich. Und ihr könnt die Blogbeiträge aus- und einklappen, die einzelnen Blöcke (Twitter, Youtube, usw.) nach euren Wünschen herumschieben und woanders hinstellen. Wie es euch beliebt…

Danke!

Man kann sich zuletzt freilich nur für die großartige und wertvolle Hilfe vieler Menschen bedanken. Da sind zuallererst die vielen Berater und Beraterinnen – privat oder tatsächlich beruflich solche – die ich jetzt nicht alle beim Namen nennen kann, und die mir unendlich viel Motivation auf den Weg mitgegeben haben.

Und dann die Macher und Macherinnen: Miriam Höhne für die großartigen Fotos, Emanuel Danesch (Warum denn der? Das werdet ihr noch sehen!), und zuletzt natürlich Norbert Kernler für die technische Großleistung und Umsetzung dieser Website.

Twitter als politisches Kommunikationsmedium verwirrt.

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert kommuniziert seit einiger Zeit mittels Twitter mit der Öffentlichkeit. Man mag ja von der schwarz-gelben Regierung halten, was man will. Aber immerhin zeigt sich in diesem Punkt die deutsche Bundesregierung auf der Höhe der Zeit. Denn welches andere Medium ist schneller und direkter?Viele Journalist_innen klassischer Herkunft haben das Kommunikationsmedium längst verstanden, und so finden sich mittlerweile auch zahlreiche österreichische Journalist_innen auf Twitter. Aber manchen Traditionellen der Zunft ist das Medium ungeheuer. Die wollen etwa nicht „Abonnent“ werden (und übersehen, dass Twitter ein offenes Medium ist).Jedenfalls ist dieses Video köstlich. Journalisten und Journalistinnen diskutieren mit dem stellvertretenden Regierungssprecher über Twitter. Und lassen dabei die Maske fallen: Sie gehen nicht mit der Zeit und verstehen es nicht…Das Unbehagen der Hauptstadtjournalisten mit dem twitternden Regierungssprecher – Das Video from Carta on Vimeo.

NEWS eröffnet den Schwulenzoo. Treten Sie ein. Die Aliens hautnah!

Alfons Haider tanzt mit einem Hetero im Fernsehen. So weit, so gut. NEWS nahm die Aufregung – warum das auch immer eine Aufregung ist – zum Anlass, um das Thema Homosexualität als Covergeschichte zu präsentieren.
Das wäre auch tatsächlich ein guter Anlass. Gebe ich zu. Wenn schon Österreich über ein tanzendes Männerpaar diskutiert, kann man durchaus eine spannende journalistische Geschichte daraus machen. Immerhin ist die moderne lesbisch-schwule Emanzipationsbewegung 42 Jahre alt. Und seit über einem Jahr gibt es in Österreich die Eingetragene Partnerschaft für Lesben und Schwule. Da wäre die Frage, wie die Gesellschaft mittlerweile damit umgeht – vorwiegend akzeptierend oder immer noch ablehnend – eine gute.
Aber was macht NEWS daraus? Drei Bereiche werden uns schon am Cover versprochen: Alfons, Toleranz und der Schwulen-Report. Aber mal Schritt für Schritt:
Lesben gibt es nicht
Lesben gibt es laut NEWS nicht. Sie existieren nicht. Es gibt nur Schwule. Ein Dauerärgernis in der Berichterstattung über Homosexualität seit Jahrzehnten. Unfassbar, dass im Jahr 2011 Sexualität, Liebe und Leben von Lesben immer noch marginalisiert und unsichtbar gemacht wird.
Alfons
Am Cover sehen wir Alfons und Vadim – schwul und hetero. Die Dancing Queers. In einer Unter-Überschrift steht zudem Aufreger – Alfons Haider tanzt bei „Dancing Stars“ mit einem Mann. Live-Duell mit dem FP-General. Im Blattinneren wird uns Alfons Haider als in Stein gemeißelte Ikone der heimischen Schwulenbewegung präsentiert.
Man mag zu Alfons Haider stehen wie man will. Man mag ihn lieben, man mag ihm gegenüber gleichgültig sein oder ihn hassen. Er ist aber vor allem ein Sänger, Schauspieler und Moderator, und nicht vorrangig schwul. Er repräsentiert niemandem außer sich selbst. Es gibt ja auch keine Hetero-Ikonen. So wird jedenfalls weder die lesbisch-schwule Vielfalt dargestellt, noch das Individuelle betont. Das Problem ist vielmehr, dass sich so wenig Österreicher_innen outen. DAS wäre interessant gewesen.
Toleranz
Die Hauptüberschrift am NEWS Cover: Wie schwul tolerant ist Österreich? Ich war neugierig, weil bei einer solchen Überschrift hätte ich erwartet, es wird darüber berichtet, wie Österreich gegenüber dem Thema Homosexualität eingestellt sei. Immerhin kommt in der Geschichte im Blattinneren Niki Lauda, Harald Vilimsky sowie Psychologen vor. Ein paar kurze Sätze darüber, wie Lesben und Schwule von außen „betrachtet“ werden. Aber die Frage Wie tolerant ist Österreich? bleibt vollkommen unbeantwortet.

Zwar ist es gut, dass im Blattinneren das Wort „Akzeptanz“, das viel besser ist als das nur „Duldung“ bedeutende Wort „Toleranz“ ist, steht. Warum dann aber „tolerant“ am Cover?

Der Schwulen-Report

Was darf man sich von einem am Cover angekündigten Schwulen-Report erwarten? Wird mit Nachtsichtgerät in schwule Schlafzimmer oder Darkroom-Lokale hinein fotografiert? Nein, NEWS fotografiert Lesben und Schwule, die ein paar Sätze sagen dürfen. Der Zoo ist eröffnet. Seht her: Das sind sie! Liebe News-Leser und -Leserinnen: So schauen sie aus. Wir zeigen die Aliens. Lesben und Schwule als moderne Schausteller-Attraktionen.
Was für eine Chance hat NEWS verspielt. Es wäre doch wunderbar zu zeigen, wie sehr Lesben und Schwule in der Mitte der Gesellschaft leben, wie sie sich nicht auf die sexuelle Orientierung reduzieren lassen, sondern selbstbewusst damit umgehen – und halt total unterschiedlich sind. Klar werden Gemeinderäte kleiner Gemeinden, Polizisten, Krankenpfleger und Konzern-Chefs gezeigt. Aber immer noch unter dem Label Schwulen-Report, also als Aliens, als etwas Abseits stehendes, dargestellt. So wird eine Trennlinie gezogen, als ob Heteros und Lesben und Schwule anders leben würden* und nichts voneinander wissen würden oder keine Begegnungen stattfinden würden. Zwei verschiedene Planeten.
Medien brauchen sich jedenfalls nicht wundern, wenn sie demnächst für ihre Stories keine Lesben und Schwule mehr finden, die sich dafür ablichten lassen. Denn wenn sie (vor allem sprachlich) so dargestellt werden, quasi als Gegenwelt einer „heterosexuellen Welt“ und auf ihre sexuelle Orientierung reduziert werden, dann sind wir mehr in den 60-ern stecken geblieben, als es uns allen lieb sein kann.
Nachtrag
Ich möchte – nach einem Telefonat – betonen, dass ich hier vor allem die reißerische Absicht am Cover kritisiere, den Inhalt im Blattinneren kann man diffiziler diskutieren.

*mit ist natürlich bewusst, dass es lesbisch-schwule Eigenheiten und subkulturelle Besonderheiten gibt, die es aber historisch aufgrund der Unterdrückung gibt, aufgrund der Tatsache, dass manches kulturell im Untergrund und im tatsächlich Verbotenem entstand. Auf diese Eigenheiten und Besonderheiten hinzuweisen wäre völlig korrekt, wenn man gleichzeitig erklärt, warum es das gibt – etwa Darkrooms, Cruising-Gebiete, Butch- und Lipstick-Lesben, Drag Queens, Lederkerle, etc. Dann können auch diese Eigenheiten viel leichter akzeptiert werden. Und die Community selbst sogar ein bissl stolz auf ihre subkulturellen Errungenschaften machen, die ja übrigens mittlerweile – zumindest teilweise – sogar von Heteros übernommen und adaptiert wurden.